Drucken

Rechtsprechung Luzern


Instanz:Regierungsrat
Abteilung:-
Rechtsgebiet:Planungs- und Baurecht
Entscheiddatum:03.06.2014
Fallnummer:RRE Nr. 631
LGVE:2014 VI Nr. 11
Gesetzesartikel:Art. 15 lit. b RPG; § 59 Abs. 2 StrG, § 71c StrG
Leitsatz:Voraussetzung für die Aufnahme von Land in eine Bauzone ist nicht eine bereits sichergestellte Erschliessung, sondern dessen Erschliessbarkeit.

Die Festlegung einer Strassenfläche für die zukünftige Erschliessung kann nicht im Ortsplanungsverfahren erfolgen. Für die rechtsverbindliche Sicherung einer Strassenfläche sind die Instrumente des Strassengesetzes zu nutzen. Gegebenenfalls ist das Enteignungsrecht zu beanspruchen.
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:Aus den Erwägungen:

6.2 Voraussetzung für die Aufnahme von Land in eine Bauzone ist nicht eine bereits sichergestellte Erschliessung, sondern die Erschliessbarkeit (Vera Marantelli-Sonanini, Erschliessung von Bauland, Diss. Bern 1997, S. 18). Die Erschliessung muss bei der Einzonung weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht sichergestellt sein. Die hinreichende Zufahrt muss spätestens auf den Zeitpunkt der Fertigstellung der fraglichen Bauten hin gesichert sein (Bernhard Waldmann/Peter Hänni, Handkommentar, RPG 2006, N 22 zu Art. 19). In Art. 15 lit. b des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700) wird denn auch festgehalten, das für den Baubedarf benötigte Land müsse voraussichtlich innert 15 Jahren erschlossen werden. Verlangt wird nicht eine bereits vorliegende Erschliessung, sondern eine Erschliessung innert nützlicher Frist. Der Nachweis einer rechtlichen und tatsächlichen Erschliessung ist Voraussetzung für die Erteilung der Baubewilligung (Art. 22 Abs. 2 lit. b RPG). Das Grundstück des Beschwerdeführers ist heute rechtlich und tatsächlich erschlossen. Für die heutige Bebauung ist die Erschliessung entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers jedenfalls ausreichend. Die vom Beschwerdeführer gestützt auf das von ihm eingereichte Baueingabedossier vom 20. November 2012 beantragte Festlegung einer Strassenfläche im Zonenplan ist auf die Bedürfnisse einer Erschliessung für eine zukünftige Überbauung auf dem Grundstück ausgerichtet. Es erscheint zwar plausibel, dass die Erschliessung für eine Überbauung mit 20 bis 30 Wohneinheiten nicht genügt und somit ein Ausbau der bestehenden Erschliessung oder eine neue Erschliessung erforderlich sein wird. Das ändert aber nichts daran, dass das Grundstück heute erschlossen ist und auch die Erschliessbarkeit im Hinblick auf eine zukünftige, dichtere Überbauung nicht in Frage steht.

(…)

Die beantragte Festlegung einer Strassenfläche für die zukünftige Erschliessung kann ohnehin nicht im Ortsplanungsverfahren erfolgen. Für eine rechtsverbindliche Sicherung einer solchen Strassenfläche gegen den Willen des Grundeigentümers müsste gleichzeitig in einem koordinierten Verfahren das Enteignungsrecht erteilt werden. Dafür sind die Instrumente des Strassengesetzes vorgesehen (nicht einschlägig sind hier die § 48 Abs. 3, 49 Abs. 3, 50 Abs. 3, 58 Abs. 3 und 60 Abs. 3 des Planungs- und Baugesetzes vom 7.3.1989 [PBG; SRL Nr. 735]). Ergibt sich aus der Erarbeitung eines konkreten Bauprojekts gestützt auf das erforderliche qualifizierte Verfahren, dass die Erschliessung am besten über das Nachbargrundstück zu führen ist, und kommt bezüglich des Erwerbs der dinglichen Rechte keine gütliche Einigung zustande, kann die Gemeinde bei Uneinigkeit der Grundeigentümer, wenn das öffentliche Interesse es erfordert, Privatstrassen bauen, sofern ein Gesuch vorliegt (§ 59 Abs. 2 des Strassengesetzes vom 21.3.1995 [StrG; SRL Nr. 755]). In Verbindung mit einem Strassenprojekt kann auch das Enteignungsrecht erteilt werden, sofern die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. § 71c StrG). Die Erschliessung von Bauland liegt nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung im öffentlichen Interesse (Urteil des Bundesgerichts 1C_375/2011 vom 28.12.2011 E. 3.2.2). Für die Prüfung der Verhältnismässigkeit einer Enteignung sind verschiedene Erschliessungsvarianten zu vergleichen, was wohl nur auf der Grundlage eines Konzepts für die zukünftige Überbauung des Grundstücks des Beschwerdeführers möglich ist. Nicht in Frage kommt dagegen eine Öffentlicherklärung nach den §§ 13 f. StrG, da sich diese nur auf bereits bestehende Privatstrassen bezieht.

Die Darstellung der bestehenden und zukünftigen Hauszufahrt als weisse Fläche (ÜG-A) im Zonenplan ist somit weder rechtlich zulässig noch erforderlich. Es entspricht im Übrigen der Praxis, dass solche Flächen der zugehörigen Zone zugewiesen werden.

6.3 Der Beschwerdeführer verlangt von der Stadt den Erlass eines Strassenrichtplanes. Der kommunale Erschliessungsrichtplan zeigt auf, welche Gemeinde- und Privatstrassen, Fuss- und Radwege, Anschlussgeleise sowie Energie-, Frischwasser- und Abwasseranlagen zur Erschliessung der Bauzonen noch erforderlich sind (§ 10a PBG). Im Rahmen der BZO-Revision für das Gebiet der Stadt Luzern (ohne ehemalige Gemeinde Littau) ist kein Erschliessungsrichtplan im Sinn § 10a Abs. 1 PBG erforderlich, weil mit Ausnahme einer Einzonung im Gebiet Salzfass keine Neueinzonungen erfolgten und die eingezonten Grundstücke bereits erschlossen sind. Das Grundstück des Beschwerdeführers befand sich schon vor über 50 Jahren in der Bauzone. Im Übrigen ist es nicht Aufgabe des Erschliessungsrichtplanes, die Erschliessung bis hin zur Hauszufahrt parzellenscharf aufzuzeigen, zumal dies bei der Erstellung eines solchen Plans in der Regel mangels Bebauungskonzept gar nicht möglich ist. Es muss im Hinblick auf Art. 15 RPG genügen, wenn die Erschliessbarkeit eines Grundstücks aufgezeigt wird. Wie oben ausgeführt, ist das Grundstück des Beschwerdeführers auch für eine zukünftige, dichtere Überbauung erschliessbar, weshalb sich ein Richtplan erübrigt (E. 6.2).

(…)

6.5 Als Ergebnis ist vorliegend massgebend, dass das heute erschlossene Grundstück des Beschwerdeführers auch im Hinblick auf eine zukünftige Überbauung erschliessbar ist. Die genaue Erschliessung ist im Rahmen der Erarbeitung eines konkreten Bauprojekts aufzuzeigen. Ob zukünftig für allfällige Neubauten auf dem Grundstück im Rahmen eines Enteignungsverfahrens ein öffentliches Interesse an einer bestimmten Erschliessungsvariante, für die Land des Nachbargrundstücks beansprucht wird, geltend gemacht werden kann, wird in nachfolgenden Verfahren zu prüfen sein.