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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:2. Abteilung
Rechtsgebiet:Kindes- und Erwachsenenschutz
Entscheiddatum:26.11.2014
Fallnummer:3H 14 75
LGVE:2014 II Nr. 19
Gesetzesartikel:Art. 273 Abs. 1 ZGB.
Leitsatz:Bei der Ausübung des Besuchsrechts erfolgen Übergänge von einem Elternteil zum anderen idealerweise dergestalt, dass das Kind von demjenigen Elternteil, bei dem es sich aufhält, zum anderen Elternteil gebracht wird.
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:A und B sind die nicht miteinander verheirateten, getrennt lebenden Eltern von C. Im Rahmen einer Neuregelung des persönlichen Verkehrs änderte die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Z die Übergabemodalitäten an den Besuchstagen ab und erklärte den Besuchsberechtigten A für das Holen und Bringen des Kindes zuständig. Gegen diesen Entscheid erhob A Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Kantonsgericht.

Aus den Erwägungen:

5.2.

Eltern, denen die elterliche Sorge oder Obhut nicht zusteht, und das unmündige Kind haben gegenseitig Anspruch auf angemessenen persönlichen Verkehr (Art. 273 Abs. 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs [ZGB; SR 210]). Der persönliche Verkehr dient in erster Linie dem Interesse des Kindes, ist aber zugleich ein Recht und eine Pflicht der Betroffenen. Oberste Richtschnur für die Ausgestaltung des persönlichen Verkehrs ist immer das Kindeswohl, das anhand der Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen ist; allfällige Interessen der Eltern haben zurückzustehen. Bei der konkreten Ausgestaltung des Besuchsrechts ist die Behörde auf ihr Ermessen verwiesen (Art. 4 ZGB).

Gemäss einigen Lehrmeinungen gehört das Holen und Bringen des Kindes grundsätzlich zu den Pflichten des Besuchsberechtigten (Schwenzer, Basler Komm., 4. Aufl. 2010, Art. 273 ZGB N 18, Büchler/Wirz, in: FamKomm. Scheidung [Hrsg. Schwenzer], 2. Aufl. 2011, Art. 273 ZGB N 25). Es wird aber auch die Meinung vertreten, dass die Übergänge von einem Elternteil zum anderen, jedenfalls bei jüngeren Kindern, idealerweise dergestalt erfolgen, dass der sorgeberechtigte Elternteil das Kind zum Besuchswochenende bringt und nach dem Wochenende das Kind vom anderen Elternteil wieder zurückgebracht wird (Vetterli, Das Recht des Kindes auf Kontakt zu seinen Eltern, in: FamPra.ch 2009 S. 31 f.). Bei der Übergabe tauschen die Erwachsenen die notwendigen Informationen kurz aus und verabschieden sich dann. Durch ein solches Vorgehen signalisieren beide Eltern, dass sie mit der getroffenen Regelung einverstanden sind und diese unterstützen (Schreiner, in: FamKomm. Scheidung [Hrsg. Schwenzer], 2. Aufl. 2011, Anh. Psych. N 178). Nach der Rechtsprechung des Kantonsgerichts ist das Kind im Zug der Besuchsausübung jeweils vom Elternteil, bei dem das Kind ist, zum anderen zu bringen. Das Gericht beruft sich dabei auf kinderpsychologische Erkenntnisse, wonach es für das Kind hilfreich sei, wenn bei Besuchsausübungen jeweils der eine Elternteil das Kind zum anderen bringe (Lempp, Gerichtliche Kinder- und Jugendpsychiatrie, Bern/Stuttgart/Wien 1983, S. 145). Es führt dazu weiter aus, dies liege insofern im Kindeswohl, als in diesem Fall der jeweilige Elternteil nicht nur verbal, sondern auch mit seinem Verhalten (Unternehmen der Reise) zeige, dass er die Besuchsregelung mittrage und aktiv einen Beitrag zu deren Ausübung leiste (Urteil des Obergerichts Luzern 22 01 5 vom 10.2.2001 E. 3.2). Auch das Obergericht Zürich vertritt diese Meinung mit dem Hinweis darauf, dass die Eltern mit der getroffenen Besuchsregelung ihr Einverständnis mit dem Besuchsrecht signalisieren (Urteil des Obergerichts Zürich Nr. NQ120012 vom 25.4.2012 E. 2 und 3).

Erschwert die obhutsberechtigte Person durch den Wegzug mit dem Kind nicht nur die Ausübung des Besuchsrechts, sondern entstehen durch die räumliche Distanz erhebliche Kosten für die Wahrnehmung der Besuchskontakte, so sind sowohl die Hol- und Bringpflichten als auch die Reisekosten angemessen zu verteilen (Hegnauer, Berner Komm., 4. Aufl. 1997, Art. 273 ZGB N 146 ff.).

5.3.

Im vorliegenden Fall liegt ein Gutachten des "Marie Meierhofer Institut für das Kind" (MMI) vom 20. Juni 2011 vor, wonach den Parteien zum Wohl von C empfohlen worden ist, dass jeweils derjenige Elternteil, bei dem das Kind ist, dieses zum anderen bringt. Wenn die Beschwerdegegnerin sich dazu auf den Standpunkt stellt, diese Auffassung sei durch eine inzwischen anders gehandhabte Regelung überholt, zumal sie aus der Zeit vor ihrem Umzug nach Y stamme, kann ihr nicht gefolgt werden. Wohl wurde das Gutachten erstellt, als die Beschwerdegegnerin (auch) im Raum Zürich wohnte. Dessen Aussage ist jedoch als zeitlos und vorab ganz generell im Kindeswohl zu sehen (vgl. E. 5.2), weshalb ihrem Umzug diesbezüglich keine Bedeutung zukommt. Darauf kann somit auch für das vorliegende Verfahren abgestützt werden.

(…)

Was die Beschwerdegegnerin den kinderpsychologischen Überlegungen entgegen hält, vermag nicht zu überzeugen. So ist nicht glaubhaft, dass C nicht gerne öffentliche Verkehrsmittel benutzt. Es ist geradezu gerichtsnotorisch, dass Kinder z.B. lieber mit der Bahn reisen, den entsprechenden Freiraum geniessen und manchmal auch zu anderen Kindern Kontakt knüpfen. Im Übrigen wäre es eine erzieherische Aufgabe, ein Kind auch mit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel vertraut zu machen. Weiter ist die damit verbundene zeitliche Mehrbelastung hinzunehmen, da sie sich mit rund einer Stunde einerseits in einem durchaus erträglichen Mass bewegt und andererseits sich auf zwei einfache Wegstrecken im Monat beschränkt. Von einem "beschwerlichen" Reisen für das Kind kann keine Rede sein. Zuletzt beruft sich die Beschwerdegegnerin auch auf die mit ihrer Reise verbundenen Mehrkosten. Diese belaufen sich unbestritten auf monatlich Fr. 54.-- mit dem Halbtax-Abonnement. Dieser Betrag ist auch für eine Empfängerin von wirtschaftlicher Sozialhilfe verkraftbar. In diesem Zusammenhang berücksichtigt das Kantonsgericht auch den Umstand, dass die Beschwerdegegnerin diese Mehrkosten mit ihrem Umzug nach Y verursacht hat. Es wird ihr aber weiterhin anheimgestellt, ob sie für die Wegstrecke zum Beschwerdeführer Dritthilfe beiziehen will, so z.B. die in ihrer Nähe wohnenden Eltern oder sonst Personen aus dem Bekanntenkreis.