Instanz: | Kantonsgericht |
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Abteilung: | 1. Abteilung |
Rechtsgebiet: | Strafprozessrecht |
Entscheiddatum: | 17.09.2015 |
Fallnummer: | 2N 15 115 |
LGVE: | 2015 I Nr. 16 |
Gesetzesartikel: | Art. 135 Abs. 3 StPO, Art. 382 StPO, Art. 396 Abs. 1 StPO. |
Leitsatz: | Will die amtliche Verteidigung den Entscheid über ihre Entschädigung anfechten, so hat sie nach Art. 135 Abs. 3 StPO innert zehn Tagen Beschwerde zu erheben. Dies gilt auch, wenn derselbe Entscheid bezüglich anderen Inhalten, wie bspw. den Schuldpunkt, mit Berufung angefochten wird, was zu einer Gabelung des Rechtsmittelweges mit unterschiedlichen Fristen führt. |
Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. |
Entscheid: | Mit Urteil vom 11. November 2013 verurteilte das Bezirksgericht Luzern A u.a. wegen mehrfachen Ehrverletzungsdelikten und versuchten Nötigungen. Dagegen meldete Rechtsanwalt B in seiner Funktion als amtlicher Verteidiger Berufung an. In der Berufungserklärung vom 10. Februar 2014 stellte Rechtsanwalt B unter anderem den Antrag, die Dispositivziffer enthaltend die Festsetzung seiner Kostennote aufzuheben und seine Entschädigung für das Gerichtsverfahren auf Fr. z.-- festzusetzen. Die Berufungsinstanz überwies in der Folge die Angelegenheit bezüglich der Festsetzung der amtlichen Entschädigung von Rechtsanwalt B von Amtes wegen als Beschwerde an die Beschwerdeinstanz. Aus den Erwägungen: 2. (…) 3. In seiner Stellungnahme (…) bringt der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, die Anfechtung der Entschädigung des amtlichen Verteidigers in der Berufungserklärung müsse, sofern diese überhaupt mit Beschwerde hätte angefochten werden sollen, infolge fehlender Rechtsmittelbelehrung als fristgerechte Beschwerde entgegengenommen werden. 3.2. Entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers ist die Rechtslage des gegebenen Sachverhalts in der geltenden Strafprozessordnung klar und deutlich formuliert. Will die amtliche Verteidigung neben dem Urteil in materieller Hinsicht auch gegen den Entscheid hinsichtlich ihrer Entschädigung vorgehen, so muss sie zwei unterschiedliche Rechtsmittel an verschiedene Instanzen erheben. Dies führt zu einer Gabelung des Rechtsmittelwegs zwischen der Berufung (in Namen der beschuldigten Person) gegen das vorinstanzliche Urteil sowie der Beschwerde (in eigenem Namen) gegen den Entschädigungsentscheid. Der Beschwerdeführer durfte sich – insbesondere in seiner Funktion als amtlicher Verteidiger – nach Inkrafttreten der StPO nicht darauf verlassen, dass ein Vorgehen nach altem Recht weiterhin möglich ist. 3.3. 3.3.2. Das Strafurteil der ersten Instanz vom 11. November 2013 richtet sich in erster Linie an den Beschuldigten als Partei des Strafverfahrens und regelt vorwiegend seine Belange, indem es ihn zu einer Strafe verurteilt und diverse weitere für ihn nachteilige Folgen (insb. Kosten) regelt. Die Vorinstanz hat daher kein Recht verletzt, indem sie in diesem Urteil ausschliesslich die (direkt angesprochenen) Parteien i.S.v. Art. 104 Abs. 1 StPO und nicht auch noch die amtliche Verteidigung (als nebensächlich involvierte Verfahrensbeteiligte) über ihre Rechte belehrt hat. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers war die Vorinstanz nicht verpflichtet, in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils auf die besondere Beschwerdemöglichkeit des amtlichen Verteidigers i.S.v. Art. 135 Abs. 3 StPO hinzuweisen. 3.3.3. Zur Klärung dieser Frage kann die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichts zu falschen Rechtsmittelbelehrungen analog herbeigezogen werden. Danach dürfen einer Partei aus einer falschen Rechtsmittelbelehrung aufgrund des Vertrauensgrundsatzes (Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft [BV; SR 101] sowie Art. 3 Abs. 2 lit. a StPO) keine Rechtsnachteile erwachsen. Das Vertrauen in eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung wird allerdings nicht geschützt, wenn die betroffene Person die Fehlerhaftigkeit der behördlichen Auskunft bei zumutbarer Sorgfalt hätte erkennen müssen. Dies ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung insbesondere dann der Fall, wenn die Partei oder ihre Rechtsvertretung die Mängel der Rechtsmittelbelehrung durch blosse Konsultierung des massgebenden Gesetzestextes hätten erkennen können (BGE 124 I 255 E. 1a, 118 Ib 326 E. 1c; vgl. Riedo, Basler Komm., 2. Aufl. 2014, Art. 94 StPO N 39 f.). Was das Bundesgericht zu den Wirkungen einer falschen Rechtsmittelbelehrung erwog, kann vorliegend ohne Weiteres auf die fehlende Rechtsmittelbelehrung hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit des amtlichen Verteidigers übertragen werden. Der Beschwerdeführer hätte – als professioneller Rechtsvertreter, der regelmässig als (amtlicher) Strafverteidiger auftritt – mit einem einfachen Blick in das massgebende Gesetz die geltende Rechtslage hinsichtlich der Anfechtung der amtlichen Entschädigung erkennen müssen. Entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers kann nicht von einer komplexen und unklaren Rechtslage gesprochen werden. Im Gegenteil, die StPO äussert sich – wie schon festgestellt (E. 3.2.2) – klar und verständlich zum korrekten Vorgehen bei der Anfechtung der Entschädigung durch die amtliche Verteidigung. Der Beschwerdeführer ist daher in seinem – aufgrund der fehlenden Rechtsmittelbelehrung fälschlicherweise erweckten – Vertrauen darauf, dass auch die Festsetzung der amtlichen Entschädigung mittels der Berufung anzufechten wäre, nicht zu schützen. 3.4. Auf eine Behandlung der weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers (bezüglich der Nachbesserung i.S.v. Art. 385 Abs. 2 StPO sowie in materieller Hinsicht) kann damit verzichtet werden. |