Instanz: | Regierungsrat |
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Abteilung: | - |
Rechtsgebiet: | Bürgerrecht |
Entscheiddatum: | 05.05.2015 |
Fallnummer: | RRE Nr. 507 |
LGVE: | 2015 VI Nr. 4 |
Gesetzesartikel: | § 30 kBüG |
Leitsatz: | Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit eines Einbürgerungsentscheides der sachlich unzuständigen Behörde. Trotz fehlender sachlicher Zuständigkeit ist der Entscheid eines Gemeinderates über ein Einbürgerungsgesuch unter Umständen nicht nichtig, sondern bloss anfechtbar. |
Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. |
Entscheid: | Aus den Erwägungen:
2. Von Amtes wegen zu prüfen ist die Zuständigkeit des Gemeinderates zum Erlass des Entscheides. Der Entscheid einer sachlich unzuständigen Behörde kann einen Nichtigkeitsgrund darstellen. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung jederzeit und von sämtlichen rechtsanwendenden Behörden von Amtes wegen zu beachten (BGE 139 II 243 E. 11.2 S. 260).
Vorliegend wies der Gemeinderat das Einbürgerungsgesuch der Beschwerdeführerin ab. Gemäss der Gemeindeordnung entscheidet jedoch die Gemeindeversammlung über die Zusicherung des Gemeindebürgerrechts an ausländische Gesuchsteller. Weshalb der Gemeinderat im vorliegenden Fall selbst über die Einbürgerung der Beschwerdeführerin entschieden hat, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Der Gemeinderat äussert sich in seinem Entscheid nicht dazu. In der Konsequenz ist festzuhalten, dass mit dem Gemeinderat eine sachlich unzuständige Behörde über das Einbürgerungsgesuch der Beschwerdeführerin beschlossen hat. Das Gesuch hätte der Gemeindeversammlung zum Entscheid vorgelegt werden müssen. Es ist nun zu prüfen, ob der Entscheid des Gemeinderates als nichtig einzustufen ist.
2.1. Fehlerhafte Verwaltungsakte sind in der Regel nicht nichtig, sondern nur anfechtbar, und sie werden durch Nichtanfechtung rechtsgültig. Nichtigkeit, das heisst absolute Unwirksamkeit einer Verfügung, wird nur angenommen, wenn der ihr anhaftende Mangel besonders schwer wiegt, wenn er offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und wenn zudem die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird. Inhaltliche Mängel haben nur in seltenen Ausnahmefällen die Nichtigkeit einer Verfügung zur Folge. Als Nichtigkeitsgründe fallen hauptsächlich funktionelle und sachliche Unzuständigkeit einer Behörde sowie schwer wiegende Verfahrensfehler in Betracht (BGE 132 II 21 E. 3.1 S. 27 mit Hinweisen).
Nichtigkeit aufgrund sachlicher Unzuständigkeit liegt insbesondere dann nicht vor, wenn der verfügenden Behörde auf dem betreffenden Gebiet allgemeine Entscheidungsgewalt zukommt (BGE 129 V 485 E. 2.3 S. 488). Die Grenze zwischen blosser Anfechtbarkeit und Nichtigkeit einer Verfügung ist im Einzelfall aufgrund einer Interessenabwägung zu ziehen. Dabei spielen neben den bereits erwähnten Kriterien auch der Vertrauensschutz und die Frage, ob den Betroffenen durch den Entscheid der unzuständigen Behörde die Möglichkeit der Prüfung durch eine weniger beteiligte erste Instanz genommen oder eine Verkürzung des Rechtsweges herbeigeführt wurde, eine Rolle. Ebenfalls ist zu prüfen, ob sich eine allfällige Feststellung der Nichtigkeit nicht zu Ungunsten der betroffenen Person auswirken würde und zudem negative Folgen für das Funktionieren der Verwaltung und der Rechtssicherheit hätte (vgl. dazu auch Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich PB.2001.00011 vom 29.8.2001 E. 3b).
2.2. Im vorliegenden Fall hat mit dem Gemeinderat eine sachlich unzuständige Behörde über das Einbürgerungsgesuch der Beschwerdeführerin entschieden. Dies stellt einen schweren Mangel dar. In der Gemeindeordnung ist ausdrücklich festgehalten, dass die Gemeindeversammlung über die Einbürgerungsgesuche von Ausländern entscheidet. Somit ist der Mangel leicht erkennbar, auch wenn die Beschwerdeführerin die Unzuständigkeit der Entscheidbehörde in ihrer Beschwerde nicht geltend gemacht hat. Die Rechtssicherheit wird durch eine allfällige Nichtigkeit des Entscheides nicht gefährdet, da nur die beteiligten Parteien betroffen wären. Auch der Vertrauensschutz spricht nicht gegen eine allfällige Nichtigkeit, da der Beschwerdeführerin durch den Entscheid nichts zugesichert worden ist, das sie durch die Nichtigerklärung des Entscheides wieder verlieren könnte. Gegen die Annahme der Nichtigkeit des Entscheides spricht, dass der Beschwerdeführerin durch den Entscheid der unzuständigen Behörde nicht die Möglichkeit des ordentlichen Rechtsmittelweges genommen wurde. Sie konnte gegen den Entscheid ordnungsgemäss Beschwerde beim Regierungsrat erheben. Der Gemeinderat hat auch nicht als völlig sachfremde Behörde entschieden. In der Gemeinde X ist der ordentliche Verlauf bei Einbürgerungsgesuchen so, dass die Einbürgerungskommission eine Empfehlung an den Gemeinderat abgibt. Der Gemeinderat seinerseits prüft das Gesuch und die Empfehlung der Kommission und stellt dann einen Antrag auf Gutheissung oder Ablehnung des Gesuches an die Gemeindeversammlung. Dies bedeutet, dass der Gemeinderat zwar keine abschliessende Entscheidkompetenz hat, jedoch entscheidet, ob und wann er ein Einbürgerungsgesuch an der Versammlung traktandieren will (vgl. § 23 Abs. 3 Stimmrechtsgesetz vom 25.10.1988 [StrG; SRL Nr. 10] i.V.m. § 2 lit. k StRG). Zudem entscheidet der Gemeinderat über die Erteilung des Gemeindebürgerrechts bei schweizerischen Gesuchstellerinnen und Gesuchstellern. Nach der kantonalen Gesetzgebung wäre es ausserdem möglich, dass die Stimmberechtigten das Recht auf Erteilung des Gemeindebürgerrechts auch bei ausländischen Gesuchstellerinnen und Gesuchstellern an den Gemeinderat delegieren (vgl. § 30 Abs. 2 kBüG).
Weiter sind die Interessen der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen. Die Bestimmungen über die Nichtigkeit sollen unter anderem dazu dienen, die Adressaten vor unrechtmässigen Verfügungen zu schützen. Die Beschwerdeführerin hat die Unzuständigkeit des Gemeinderates nicht geltend gemacht. Sie verlangt in ihrer Beschwerde, dass die Frage nach dem Wohnsitz von der Rechtsmittelinstanz materiell beurteilt wird. Würde der Entscheid des Gemeinderates als nichtig eingestuft, hätte dies zur Folge, dass auf die Beschwerde nicht eingetreten werden könnte. Eine materielle Beurteilung würde somit nicht vorgenommen. Dies wäre kaum im Interesse der Beschwerdeführerin. Im Falle der Nichtigkeit des Entscheides des Gemeinderates müsste das Einbürgerungsgesuch zur Neubeurteilung durch die zuständige Gemeindeversammlung an die Gemeinde zurückgewiesen werden, was zu einer erheblichen Verlängerung der Verfahrensdauer führen würde, die gerade nicht im Interesse der Beschwerdeführerin läge. Die Gemeindeversammlung müsste gestützt auf die Begebenheiten im Zeitpunkt der Gemeindeversammlung über das Einbürgerungsgesuch der Beschwerdeführerin entscheiden. Wenn schon beim Entscheid des Gemeinderates strittig war, ob die Beschwerdeführerin unmittelbar vor der Einbürgerung während mindestens eines Jahres ununterbrochen in der Einbürgerungsgemeinde gewohnt hat, dürfte dies im heutigen Zeitpunkt erst recht fragwürdig sein. Weiter wurde der Gemeinderat durch einen Hinweis aus der Bevölkerung veranlasst, davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin nicht mehr in der Gemeinde wohnt. Es spricht daher viel dafür, dass die Gemeindeversammlung das Gesuch ebenfalls abgelehnt hätte beziehungsweise im heutigen Zeitpunkt ablehnen würde, nicht zuletzt auch weil der Gemeinderat der Versammlung die Ablehnung des Einbürgerungsgesuches beantragen würde.
2.3. Zusammengefasst ist festzuhalten, dass mit dem Gemeinderat nicht eine völlig unzuständige Behörde über das Einbürgerungsgesuch der Beschwerdeführerin entschieden hat. Ausserdem rügte die Beschwerdeführerin die Unzuständigkeit der verfügenden Behörde nicht. Auch wurde der Rechtsmittelweg der Beschwerdeführerin durch den Entscheid des Gemeinderates nicht verändert. Die Folgen einer Nichtigerklärung der Verfügung lägen zudem nicht im Interesse der Beschwerdeführerin. Da diese Umstände im vorliegenden Fall überwiegen, ist der Entscheid des Gemeinderates nur als anfechtbar und nicht als nichtig zu betrachten. Somit ist auf die Beschwerde einzutreten und die Vorbringen der Beschwerdeführerin sind materiell zu prüfen. Der Verfahrensfehler der Vorinstanz wird allerdings bei der Kostenverlegung zu berücksichtigen sein. |