Instanz: | Kantonsgericht |
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Abteilung: | 1. Abteilung |
Rechtsgebiet: | Strafprozessrecht |
Entscheiddatum: | 06.04.2016 |
Fallnummer: | 2N 16 15 |
LGVE: | 2016 I Nr. 9 |
Gesetzesartikel: | Art. 85 Abs. 1 StPO, Art. 85 Abs. 2 StPO, Art. 85 Abs. 3 StPO, Art. 85 Abs. 4 StPO, Art. 86 StPO, Art. 87 Abs. 3 StPO, Art. 90 Abs. 1 StPO, Art. 90 Abs. 2 StPO, Art. 314 Abs. 5 StPO, Art. 322 Abs. 2 StPO, 354 Abs. 1 StPO, Art. 396 Abs. 1 StPO, 399 Abs. 1 StPO. |
Leitsatz: | Art. 85 Abs. 2 StPO sieht für das Strafverfahren ausdrücklich eine Zustellung gegen Empfangsbestätigung vor. Durch Zustellung mittels sog. "A-Post Plus" erfolgt keine Empfangsbestätigung. Folgen einer nicht gesetzeskonformen Zustellung im Strafverfahren. |
Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. |
Entscheid: | Aus den Erwägungen: 1.1. 1.2. 2. 3. 4. Die Sistierungsverfügung der Staatsanwaltschaft kann innert zehn Tagen bei der Beschwerdeinstanz angefochten werden (Art. 314 Abs. 5 i.V.m. Art. 322 Abs. 2 StPO). Die Frist beginnt einen Tag nach der Mitteilung zu laufen (vgl. Art. 90 Abs. 1 StPO). Fällt der letzte Tag der Frist auf einen Samstag, einen Sonntag oder einen vom Bundesrecht oder vom kantonalen Recht anerkannten Feiertag, so endet sie am nächstfolgenden Werktag (Art. 90 Abs. 2 StPO). 4.1. Bezugnehmend darauf führt die Staatsanwaltschaft aus, die zehntägige Beschwerdeschrift habe am 25. Dezember 2015 zu laufen begonnen und am Montag, 4. Januar 2016, geendet. Die Beschwerde vom 20. Januar 2016 sei daher verspätet, weshalb auf diese nicht eingetreten werden könne. Der Beschwerdeführer macht ohne weitere Angaben geltend, die angefochtene Verfügung sei am 15. Januar 2016 bei ihm eingetroffen. 4.2. Gemäss Art. 86 StPO kann mit dem Einverständnis der betroffenen Person jede Zustellung elektronisch erfolgen. In gesetzlich bestimmten Ausnahmefällen kann die Zustellung durch Veröffentlichung in dem durch den Bund oder den Kanton bezeichneten Amtsblatt erfolgen (vgl. Art. 88 StPO). Mitteilungen an Parteien, die einen Rechtsbeistand bestellt haben, werden rechtsgültig an diesen zugestellt (Art. 87 Abs. 3 StPO). 4.2.2. 4.2.3. 4.3. Der Versand eines strafrechtlichen Entscheids mittels der Versandart "A-Post Plus", wie dies vorliegend mit der angefochtenen Verfügung geschehen ist, stellt eine Missachtung der in Art. 85 Abs. 2 StPO gesetzlich vorgesehenen Zustellvorschrift dar. Denn bei einer Zustellung mittels "A-Post Plus" wird vom Empfänger keine Empfangsbestätigung eingeholt. Ebensowenig ist sichergestellt, dass die Inempfangnahme durch eine gemäss Art. 85 Abs. 3 StPO berechtigte Person erfolgt. 4.3.2. In den Vorschriften der StPO kommt vielmehr der gesetzgeberische Gedanke zum Ausdruck, dass die fristauslösende Zustellung im Strafverfahren im Grundsatz einer Kenntnisnahme der Zustellung zumindest eines nach Art. 85 Abs. 3 StPO oder Art. 87 Abs. 3 StPO berechtigten Empfängers bedarf, welcher die Adressatin oder den Adressat der strafprozessualen Mitteilung über deren Zugang informieren kann. Ohne resp. ungeachtet der Kenntnisnahme eines berechtigten Empfängers darf die rechtsgenügliche bzw. fristauslösende Zustellung nur in den gesetzlich vorgesehenen Ausnahmefällen gemäss Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO und Art. 88 StPO erfolgen. Die strengen (bzw. strengeren) Zustellvorschriften der StPO rechtfertigen sich insbesondere aufgrund der Tatsache, dass im Strafverfahren (im Unterschied zu den Verfahrensvorschriften anderer Rechtsgebiete) viele verfahrensleitende und -abschliessende Entscheide mit weitreichenden Auswirkungen für die Adressaten nur kurze, zehntägige Rechtsmittelfristen vorsehen (vgl. Art. 322 Abs. 1, 354 Abs. 1, Art. 396 Abs. 1, 399 Abs. 1 StPO). 4.3.3. Damit ist als Zwischenresultat festzuhalten, dass die angefochtene Verfügung in Verletzung von Art. 85 Abs. 2 StPO versandt worden ist, womit sie für den Beschwerdeführer grundsätzlich keine nachteiligen Rechtswirkungen wie bspw. einen Fristablauf aufgrund mangelnder Kenntnisnahme des Zugangs der angefochtenen Verfügung zu entfalten vermag. 4.3.4. Die Beweislast der Kenntnisnahme des Zugangs der strafprozessualen Mitteilung obliegt dabei der Staatsanwaltschaft resp. der zustellenden Behörde. Der in den Akten liegende Sendungsverfolgungsbeleg der Post vermag den Beweis der Kenntnisnahme von der postalischen Zustellung der angefochtenen Verfügung aufgrund der in Erw. 4.3.1 dargelegten Umstände nicht zu führen. Denn der Sendungsverfolgungsbeleg einer "A-Post Plus" Sendung zeigt – im Unterschied zu demjenigen einer eingeschriebenen Postsendung – nicht auf, wann der Empfänger die Zustellung zur Kenntnis genommen hat. Er vermag lediglich zu vermitteln, wann die Sendung dem Empfänger in den Briefkasten oder in das Postfach gelegt wurde. Der Nachweis, dass der Beschwerdeführer oder andere berechtigte Empfänger die Zustellung der angefochtenen Verfügung schon zum postalischen Zustellungszeitpunkt am 24. Dezember 2015 oder an einem der darauf folgenden Tage zur Kenntnis genommen haben, kann mangels anderweitiger Beweismittel nicht geführt werden. Es ist folglich auf die Darstellung des Beschwerdeführers abzustellen, wonach die angefochtene Verfügung am 15. Januar 2016 bei ihm eingetroffen sei. Mangels eines Gegenbeweises ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die angefochtene Verfügung erst an diesem Tag zur Kenntnis genommen hat. Unter diesen Umständen ist die Beschwerde vom 20. Januar 2016 als rechtzeitig erfolgt anzusehen. |