Instanz: | Kantonsgericht |
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Abteilung: | 1. Abteilung |
Rechtsgebiet: | Zivilrecht |
Entscheiddatum: | 26.08.2016 |
Fallnummer: | 1B 16 1 |
LGVE: | 2016 I Nr. 12 |
Gesetzesartikel: | Art. 257a Abs. 2 OR, Art. 257b Abs. 2 OR; Art. 4 Abs. 1 VMWG und Art. 4 Abs. 2 VMWG. |
Leitsatz: | Nebenkosten dürfen dem Mieter nur dann gesondert belastet werden und sind nicht im Nettomietzins inbegriffen, wenn die Parteien dies ausdrücklich so vereinbart haben. Die Parteien sind von Gesetzes wegen verpflichtet, die Übernahme dieser Kosten ausreichend klar, aufgegliedert nach den tatsächlichen Aufwendungen, zu vereinbaren. Eine entsprechende Vereinbarung kann eine Pauschale oder eine Abrechnung vorsehen. Wurde eine Abrechnung vereinbart und hat der Mieter keine Akontozahlungen zu leisten, hat er keinen durchsetzbaren Anspruch darauf, dass ihm der Vermieter eine Abrechnung vorlegt. Die Folgen der Säumnis hat der Vermieter selber zu tragen; die Abrechnungsforderung wird nicht fällig und er riskiert die Verjährung seiner Forderung für die Nebenkosten. |
Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. |
Entscheid: | Aus den Erwägungen: 2.1. (…) 2.2. 2.3. Bei Vereinbarung einer Pauschale wird die Entschädigung der Nebenkosten im Voraus ziffermässig festgelegt. Mit der Bezahlung der Pauschale sind sämtliche Nebenkosten abgegolten, unabhängig davon, ob die effektiven Aufwendungen des Vermieters höher oder tiefer sind, und der Vermieter ist nicht verpflichtet, eine jährliche Abrechnung vorzunehmen (Lachat/Béguin, Das Mietrecht für die Praxis, 8. Aufl. 2009, S. 242). Eine solche Pauschale wurde vorliegend nicht vereinbart. Erhebt der Vermieter die Nebenkosten aufgrund einer Abrechnung, muss er diese jährlich mindestens einmal erstellen und dem Mieter vorlegen (Art. 4 Abs. 1 VMWG), wobei der Mieter in der Regel Akontozahlungen leistet (BGE 132 III 24 E. 3.1). Bei Akontozahlungen handelt es sich bloss um vorläufige Zahlungen, die gemäss korrekt zu erfolgender Abrechnung an die jährlich aufgelaufenen und vom Mieter vertragsgemäss geschuldeten Nebenkosten anzurechnen sind. Die Differenz zwischen den geleisteten Akontozahlungen und dem durch die Abrechnung festgestellten effektiven vertraglichen Anspruch ist auszugleichen, sei es durch einen Nachschuss des Schuldners oder durch eine Rückleistung des Gläubigers (BGE 132 III 24 E. 5.1). Abreden über Akontozahlungen der Nebenkosten dienen vornehmlich dazu, hohe Zahlungen des Mieters zu verhindern und dadurch das Inkassorisiko des Vermieters zu verhindern. Sie sind im Mietvertrag dadurch gekennzeichnet, dass der Gesamtbetrag im Zeitpunkt des Vertragsschlusses unbekannt ist und von einer Abrechnungsperiode zur anderen variiert, etwa infolge Instabilität der Kosten von Drittleistungen oder infolge unterschiedlichen Verbraucherverhaltens der Mieter. In welchem Verhältnis (allfällig) vereinbarte Akontozahlungen zu den tatsächlich anfallenden Nebenkosten stehen müssen, ist weder in einer zwingenden noch in einer dispositiven Vorschrift des Mietrechts geregelt; eine Vermutung, wonach (allfällig) vereinbarte Akontozahlungen den jährlich für die Nebenkosten geschuldeten Betrag ungefähr decken, besteht vorbehältlich besonderer Umstände nicht (BGE 132 III 24 E. 4, 5.1.1 und 5.2). Im Rahmen dieser Ausführungen hat das Bundesgericht auch explizit festgehalten, dass die Vertragsparteien im Mietrecht frei sind, für die vom Mieter zu übernehmenden Nebenkosten Akontozahlungen zu vereinbaren oder nicht (BGE 132 III 24 E. 5.1.1; vgl. auch SVIT-Komm., Das schweizerische Mietrecht, 3. Aufl. 2008, Art. 257-257b OR N 15 und 26b). Vor diesem Hintergrund ergibt sich zum einen klar, was die Parteien vorliegend vereinbart haben (Art. 18 OR), und zum anderen auch, dass diese Vereinbarung – entgegen der Auffassung der Vorinstanz – weder ungenügend noch ungültig ist: Die Parteien haben die Abgeltung der (ausdrücklich bezeichneten) Nebenkosten "nach Abrechnung" vereinbart und auf die Möglichkeit von monatlichen Akontozahlungen (sei es für die einzelnen Posten oder für alle Positionen zusammen) verzichtet. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Mietvertrag, sondern auch aus den übereinstimmenden Beweisaussagen der Parteien. Die Beklagten waren sich bewusst, dass sie die Nebenkosten zu bezahlen hatten, und erwarteten die vereinbarte Abrechnung. Ein Betrag für Akontozahlungen wurde damals – möglicherweise in Verkennung des vorläufigen und "unpräjudiziellen" Charakters von Akontozahlungen (vgl. dazu die obigen Erläuterungen), aber jedenfalls ganz bewusst – nicht eingesetzt. Dass die im Formularvertrag enthaltene Bezeichnung "a conto*" vor dem handschriftlich eingefügten Vermerk "nach Abrechnung" nicht durchgestrichen wurde, ändert an diesem eindeutigen Ergebnis nichts. 2.4. Zu beachten sind vorliegend die Vertragsbestandteil bildenden "Allgemeinen Bestimmungen zum Luzerner Mietvertrag" (Ausgabe 2006; nachstehend ABLM 2006). Gemäss Ziffer 3.3.3 ABLM 2006 sind die Nebenkosten alljährlich detailliert abzurechnen; der Vermieter hat dem Mieter die Abrechnung innerhalb von sechs Monaten nach dem auf dem Deckblatt vereinbarten Abrechnungsstichtag zuzustellen; kommt er dieser Verpflichtung innert 18 Monaten seit dem vereinbarten Abrechnungsstichtag nicht nach, so sind alle Nachforderungen an den Mieter für die fragliche Abrechnungsperiode verwirkt. In seiner Klage hat der Kläger ausgeführt, er habe die Nebenkostenabrechnung für die Jahre 2009 bis 2010 und 2011 im Juni 2013 in den Briefkasten der Beklagten gelegt; die Beklagten hätten keine Antwort gegeben. Darauf habe er am 28. Januar 2014 per Einschreiben die Nebenkostenabrechnung 2011 und 2012 zugestellt. Für die Jahre 2009 und 2010 sei laut Mietvertrag die Zeit verfallen. Im Rahmen seiner Beweisaussage führte er aus, er habe im Mai oder Juni 2013 auch die Nebenkostenabrechnung 2012 in den Briefkasten gelegt. Die Beklagten bestritten die Behauptung des Klägers, er habe ihnen die Nebenkostenabrechnungen 2009, 2010 und 2011 im Juni 2013 in ihren Briefkasten gelegt. Aufgrund von Ziff. 3.3.3 ABLM 2006 seien allfällige Forderungen aus diesen Jahren verwirkt. Die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2012 hätte ihnen bis Mitte 2014 zukommen müssen. Was der Kläger ihnen am 28. Januar 2014 habe zukommen lassen, sei unbekannt. Es werde bestritten, dass es sich dabei um die Nebenkostenabrechnungen 2011 und 2012 gehandelt habe. Sie hätten damit auch die Nebenkostenabrechnung 2012 nicht fristgerecht erhalten, weshalb eine allfällige Forderung ebenfalls verwirkt sei. Die Nebenkostenabrechnung 2013 sei ihnen angeblich am 14. Juli 2014 zugestellt worden. Sollte dem tatsächlich so sein, sei die Frist, innert der die Rechnung dem Mieter zugestellt werden müsse, eingehalten. Die Parteien haben im Mietvertrag keinen der beiden auf dem Deckblatt vorgesehenen Stichtage für die Nebenkostenabrechnung (30. Juni, 31. Dezember) angekreuzt. Aus den Abrechnungen der Stockwerkeigentümergemeinschaft, welcher der Kläger als Eigentümer der den Beklagten vermieteten Wohnung angehört, ergibt sich indes, dass die Nebenkostenabrechnung jeweils per Stichtag 31. Dezember für das vergangene Kalenderjahr erfolgt und die Abrechnung dann jeweils im darauf folgenden Mai oder Juni erstellt wird, weshalb (auch) in Bezug auf die Parteien vom 31. Dezember als Stichtag im Sinne von Ziff. 3.3.3 ABLM 2006 auszugehen ist. Um die Verwirkung abzuwenden, hätte der Kläger den Beklagten die Nebenkostenabrechnung 2009 demnach bis Ende Juni 2011 (18 Monate, beginnend ab Januar 2010 und endend mit Juni 2011), die Nebenkostenabrechnung 2010 bis Ende Juni 2012 und die Nebenkostenabrechnung 2011 bis Ende Juni 2013 zustellen müssen (Ziff. 3.3.3 ABLM 2006). Der Kläger hat den Beklagten am 28. Januar 2014 ein Einschreiben zugestellt. Dass er ihnen Nebenkostenabrechnungen zuvor, im Mai oder Juni 2013, übergeben bzw. in den Briefkasten gelegt hat, ist bestritten und blieb aufgrund der diesbezüglich divergierenden Beweisaussagen unbewiesen (auch wenn die Beklagte einräumte, dass Jahre später einmal etwas im Briefkasten gewesen sei, was zu Lasten des beweisbelasteten Klägers geht. Daraus ergibt sich, dass nicht nur die (nicht eingeklagten) Ansprüche betreffend Nebenkosten für die Jahre 2009 und 2010 verwirkt sind, sondern dass auch der (eingeklagte) Anspruch betreffend Nebenkosten für das Jahr 2011 verwirkt ist. Weiterungen zu dieser Abrechnung erübrigen sich damit. Um die Verwirkung seiner Ansprüche betreffend Nebenkosten für das Jahr 2012 abzuwenden, musste der Kläger den Beklagten die Abrechnung bis spätestens Ende Juni 2014 zustellen; betreffend die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2013 wäre die Frist erst Ende Juni 2015 abgelaufen. In Bezug auf den behaupteten Einwurf (auch) der Abrechnung für das Jahr 2012 im Mai oder Juni 2013 in den Briefkasten kann auf Gesagtes verwiesen werden. Der Kläger machte vorinstanzlich geltend, (auch) die Abrechnung für das Jahr 2012 den Beklagten mit seinem Einschreiben vom 28. Januar 2014 zugestellt zu haben. Die Beklagten bestritten den Erhalt dieses Einschreibens nicht, wohl aber, dass darin (auch) die Abrechnung für das Jahr 2012 gewesen sei. Es entspricht der bundesgerichtlichen Praxis, dass bei nachgewiesener rechtzeitiger Aufgabe eines eingeschriebenen Briefes und substanziierten Angaben des Absenders über dessen Inhalt eine natürliche Vermutung für die Richtigkeit dieser Sachverhaltsdarstellung spricht. Dem Empfänger steht der Nachweis offen, dass der tatsächliche Inhalt der Sendung ein anderer war (BGer-Urteil 4A_447/2011 vom 20.9.2011 E. 3, mit Hinweisen). Einen solchen Nachweis erbringen die Beklagten vorliegend nicht. Für die Darstellung des Klägers spricht – neben seiner entsprechenden klaren Beweisaussage und den diesbezüglich vagen Ausführungen der Beklagten – überdies der Umstand, dass die Rechtsschutzversicherung der Beklagten gemäss Schreiben vom 12. März 2014 im Besitz sämtlicher Nebenkostenabrechnungen war, bezog sich das Schreiben doch nicht nur auf die den Beklagten unbestrittenermassen mittels Einschreiben vom 14. Juli 2014 zugestellte Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2013, sondern auch auf die Nebenkostenabrechnungen für die vorangegangenen Jahre. Zusammenfassend besteht kein Anlass, daran zu zweifeln, dass sich im Einschreiben vom 28. Januar 2014 (auch) die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2012 befand (vgl. BGer-Urteil 4A_447/2011 vom 20.9.2011 E. 3 a.E.). Daraus ergibt sich, dass die Ansprüche des Klägers betreffend Nebenkosten für die Jahre 2012 und 2013 nicht verwirkt sind. Sie wurden grundsätzlich mit Zustellung der Einschreiben vom 28. Januar 2014 (Abrechnung für 2012) bzw. vom 14. Juli 2014 (Abrechnung für 2013) bzw. gemäss Rechtsprechung nach Ablauf einer 30-tägigen Zahlungsfrist fällig (vgl. Ziff. 3.3.4 ABLM 2006; Lachat/Béguin, a.a.O., S. 257, mit Hinweisen). 2.5. Vorliegend haben die Beklagten nach Erhalt der Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2012 und 2013 (vgl. E. 2.4 vorstehend) weder von ihrem Recht auf Einsichtnahme Gebrauch gemacht noch haben sie die Abrechnungen bei der Schlichtungsbehörde angefochten. Vor Bezirksgericht verlangten die Beklagten mit Klageantwort vom 30. Juni 2015 die Edition der Belege für die Nebenkostenabrechnung 2013 durch den Kläger, mit der Begründung, die Beträge könnten nicht überprüft werden; zurzeit gehe man davon aus, dass dem Kläger der Nachweis für seine Teilforderungen nicht gelinge. Nachdem die Vorinstanz am 8. Juli 2015 die entsprechende Edition verfügt und der Kläger am 31. Juli 2015 zusätzliche Unterlagen eingereicht hatte, erfolgten anlässlich der Hauptverhandlung vom 18. September 2015 seitens der Beklagten keine inhaltlichen Einwendungen gegen die Abrechnung, weder betreffend Positionen noch betreffend Höhe. Inhaltliche Einwendungen gegen die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2012 erfolgten im erstinstanzlichen Verfahren keine. Im Berufungsverfahren erfolgten inhaltliche Einwendungen gegen die Abrechnungen für die Jahre 2012 und 2013 erstmals mit Eingabe vom 28. April 2016 und damit jedenfalls zu spät. Im Übrigen sind sie nicht geeignet, die Unrichtigkeit der klägerischen Abrechnungen darzutun oder zu belegen. Insbesondere ist weder behauptet noch ersichtlich, dass die Abrechnungen Positionen enthalten würden, die im Mietvertrag nicht als von den Mietern zu tragende Nebenkosten bezeichnet wurden, oder dass die Beträge nicht den tatsächlichen Aufwendungen entsprechen würden oder dass die gesamten Kosten der Stockwerk-eigentümergemeinschaft nicht mit der korrekten Wertquote anteilsmässig auf die den Beklagten vermietete Einheit übertragen worden wären. Vor diesem Hintergrund sind dem Kläger die geforderten Beträge von Fr. 4'151.05 für das Jahr 2012 und von Fr. 4'333.70 für das Jahr 2013 zuzusprechen. 2.6. |