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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:3. Abteilung
Rechtsgebiet:Invalidenversicherung
Entscheiddatum:10.11.2016
Fallnummer:5V 14 621
LGVE:2016 III Nr. 9
Gesetzesartikel:Art. 7 ATSG, Art. 8 Abs. 1 ATSG; Art. 4 Abs. 1 IVG, Art. 59 Abs. 2bis IVG; Art. 49 Abs. 2 IVV.
Leitsatz:Bei den vom Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) durchgeführten Hirnstrommessungen (elektrophysiologische Funktionsdiagnostik mittels quantitativer Elektroenzephalographie [QEEG] und ereigniskorrelierter Potentiale [ERP]) handelt es sich nicht um eine wissenschaftlich anerkannte Methode hinsichtlich der Diagnosestellung psychischer Gesundheitsstörungen oder hinsichtlich der Simulations-/Aggravationsdiagnostik in der Einzelfallbegutachtung (E. 5.7.2). Damit lässt sich die Anwendung der QEEG- und ERP-Verfahren zur Abklärung eines Leistungsanspruchs in der Invalidenversicherung nicht rechtfertigen (E. 7.2).
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Eine gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde wurde vom Bundesgericht abgewiesen (Verfahren 9C_848/2016).
Entscheid:

Sachverhalt

A.

Der am 31. Juli 1955 geborene A meldete sich am 22. November 2012 mit Hinweis auf eine Erschöpfungsdepression bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Luzern holte Berichte der behandelnden Ärzte ein und zog die Akten des Taggeldversicherers bei, darunter ein psychiatrisches Gutachten von Dr. med. B, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, vom 22. April 2013. Alsdann legte sie dem Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) die medizinischen Berichte zur Beurteilung vor. RAD-Arzt Dr. med. univ. Dr. phil. C, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, empfahl daraufhin eine verwaltungsinterne psychiatrische Exploration mit funktionsdiagnostischen Untersuchungen (vgl. Protokolleintrag vom 7.8.2013), welche er in der Folge gleich selber durchführte. Die versicherungspsychiatrisch-neuropsychologischen Abklärungen und die elektrophysiologische Funktionsdiagnostik (im Folgenden auch als Hirnstrommessungen bezeichnet) mittels quantitativer Elektroenzephalographie (QEEG) und ereigniskorrelierter Potentiale (ERP) fanden am 10., 11., 12., 17. sowie 18. September 2013 statt. Am 28. Oktober 2013 besprach Dr. C die Ergebnisse seiner Abklärungen im Rahmen einer Konsensbeurteilung mit Dr. phil. D, Psychophysiologist und Psychotherapist. Zusätzlich veranlasste die IV-Stelle eine externe MRI-Untersuchung des Schädels. Gestützt auf das RAD-Gutachten vom 18. März 2014 und mit der Begründung, es bestehe kein Gesundheitsschaden mit dauerhafter Einschränkung der Leistungsfähigkeit und Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit, stellte sie A mit Vorbescheid vom 16. April 2014 die Abweisung seines Leistungsbegehrens in Aussicht. Dagegen liess der Versicherte Einwände erheben, welche die IV-Stelle dem RAD zur Stellungnahme unterbreitete (vgl. Protokolleinträge vom 7. und 28.7.2014). Mit Verfügung vom 20. Oktober 2014 entschied die IV-Stelle wie vorbeschieden.

B.

Beschwerdeweise liess A beantragen, die Verfügung vom 20. Oktober 2014 sei aufzuheben und es seien ihm die gesetzlichen Leistungen (Rente und Eingliederungsmassnahmen) auszurichten. Er verlangte die Anordnung einer verwaltungsexternen Begutachtung sowie die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung, anlässlich welcher das Gericht ihn persönlich zu befragen habe.

Die IV-Stelle schloss in ihrer Vernehmlassung auf vollumfängliche Abweisung der Beschwerde.

C.

Mit Beweisverfügung vom 11. November 2015 ordnete das Gericht eine psychiatrische/neuropsychiatrische Begutachtung durch Prof. Dr. med. F, FMH Psychiatrie und Psychotherapie und Neurologie, Gutachterstelle E an. Seitens der Parteien wurden dagegen keine Einwände erhoben. In der Folge teilte die Gutachterstelle dem Gericht mit, dass zusätzlich eine neuropsychologische Abklärung durch Prof. Dr. G, Neuropsychologe, Universität Z, erforderlich sei. Die Parteien erklärten ihr Einverständnis mit der vorgesehenen Untersuchung. Nach Eingang der Expertise vom 11. Juli 2016 erhielten sie Gelegenheit, sich dazu zu äussern, wovon sie Gebrauch machten. Dabei legte die Verwaltung ihrer Eingabe eine Stellungnahme von RAD-Arzt Dr. C bei (vgl. Protokolleintrag vom 31.8.2016). Hierzu liess sich der Versicherte wiederum vernehmen. Er beantragte zudem, die RAD-Beurteilung sei den Gerichtsgutachtern zur Stellungnahme zu unterbreiten.

D.

Auf Nachfrage des Gerichts erklärte der Rechtsvertreter von A am 7. November 2016, dass auf die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung verzichtet werde.

Aus den Erwägungen:

1.

Streitig und zu prüfen ist, ob die IV-Stelle zu Recht einen Leistungsanspruch (Rente und Eingliederungsmassnahmen) des Beschwerdeführers verneint hat.

2.

2.1.

Invalidität ist die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit (Art. 8 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG; SR 830.1]). Sie kann Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall sein (Art. 4 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung [IVG; SR 831.20]). Erwerbsunfähigkeit ist der durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze oder teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 7 Abs. 1 ATSG). Für die Beurteilung des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit sind ausschliesslich die Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zu berücksichtigen. Eine Erwerbsunfähigkeit liegt zudem nur vor, wenn sie aus objektiver Sicht nicht überwindbar ist (Art. 7 Abs. 2 ATSG).

2.2.
Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit können in gleicher Weise wie körperliche Gesundheitsschäden eine Invalidität im Sinn von Art. 4 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 8 ATSG bewirken.

Die fachärztlichen Stellungnahmen zum psychischen Gesundheitszustand und zu dem aus medizinischer Sicht (objektiv) vorhandenen Leistungspotential bilden unabdingbare Grundlage zur Anerkennung eines invalidisierenden Gesundheitsschadens. In jedem Einzelfall muss eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit unabhängig von der Diagnose und grundsätzlich unbesehen der Ätiologie ausgewiesen und in ihrem Ausmass bestimmt sein. Entscheidend ist die nach einem weitgehend objektivierten Massstab zu erfolgende Beurteilung, ob und inwiefern der versicherten Person trotz ihres Leidens die Verwertung ihrer Restarbeitsfähigkeit auf dem ihr nach ihren Fähigkeiten offenstehenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt noch sozialpraktisch zumutbar und für die Gesellschaft tragbar ist (vgl. BGE 136 V 279 E. 3.2.1).

Im Rahmen der freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG) darf sich dabei die Verwaltung und im Streitfall das Gericht weder über die (den beweisrechtlichen Anforderungen [BGE 125 V 351 E. 3a] genügenden) medizinischen Tatsachenfeststellungen hinwegsetzen noch sich die ärztlichen Einschätzungen und Schlussfolgerungen zur (Rest-)Arbeitsfähigkeit unbesehen ihrer konkreten sozialversicherungsrechtlichen Relevanz und Tragweite zu eigen machen (BGE 136 V 279 E. 3.3). Festzustellen ist, ob und in welchem Umfang die Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt mit der psychischen Beeinträchtigung vereinbar ist. Ein psychischer Gesundheitsschaden führt also nur soweit zu einer Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), als angenommen werden kann, die Verwertung der Arbeitsfähigkeit (Art. 6 ATSG) sei der versicherten Person sozialpraktisch nicht mehr zumutbar.

2.3.

Um den Invaliditätsgrad bemessen zu können, ist die Verwaltung (und im Beschwerdefall das Gericht) auf Unterlagen angewiesen, die ärztliche und gegebenenfalls auch andere Fachleute zur Verfügung zu stellen haben. Aufgabe des Arztes oder der Ärztin ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Im Weiteren sind die ärztlichen Auskünfte eine wichtige Grundlage für die Beurteilung der Frage, welche Arbeitsleistungen der versicherten Person noch zugemutet werden können (BGE 125 V 256 E. 4 mit Hinweisen).

2.4.

Das Gericht hat den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen und alle Beweismittel objektiv zu prüfen, unabhängig davon, von wem sie stammen, und danach zu entscheiden, ob sie eine zuverlässige Beurteilung des strittigen Leistungsanspruchs gestatten. Insbesondere darf es beim Vorliegen einander widersprechender medizinischer Berichte den Prozess nicht erledigen, ohne das gesamte Beweismaterial zu würdigen und die Gründe anzugeben, warum es auf die eine und nicht auf die andere medizinische These abstellt (BGE 122 V 157 E. 1c mit Hinweisen; BGer-Urteil 9C_813/2009 vom 11.12.2009 E. 2.1).

2.5.

Hinsichtlich des Beweiswerts eines ärztlichen Gutachtens oder eines ärztlichen Berichts ist entscheidend, ob die betreffenden Angaben für die Beantwortung der gestellten Fragen umfassend sind, auf den erforderlichen allseitigen Untersuchungen beruhen und die geklagten Beschwerden berücksichtigen. Weiter ist ausschlaggebend, ob das Gutachten oder der Bericht in Kenntnis der Vorakten abgegeben worden und eine Auseinandersetzung mit diesen erfolgt ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge und in der Beurteilung der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen begründet sind (BGE 134 V 231 E. 5.1 mit Hinweisen).

2.6.

Die RAD stehen den IV-Stellen zur Beurteilung der medizinischen Voraussetzungen des Leistungsanspruchs zur Verfügung. Sie setzen die für die Invalidenversicherung nach Art. 6 ATSG massgebende funktionelle Leistungsfähigkeit der Versicherten fest, eine zumutbare Erwerbstätigkeit oder Tätigkeit im Aufgabenbereich auszuüben. In ihrem medizinischen Sachentscheid sind sie im Einzelfall unabhängig (Art. 59 Abs. 2bis IVG). Bei Bedarf können sie selber ärztliche Untersuchungen von Versicherten durchführen und halten die Untersuchungsergebnisse schriftlich fest (Art. 49 Abs. 2 der Verordnung über die Invalidenversicherung [IVV; SR 831.201]).

Der Beweiswert von RAD-Berichten nach Art. 49 Abs. 2 IVV ist mit jenem externer medizinischer Sachverständigengutachten vergleichbar, sofern sie den praxisgemässen Anforderungen an ein ärztliches Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1) genügen und die Arztperson über die notwendigen fachlichen Qualifikationen verfügt (BGE 137 V 210 E. 1.2.1). Auf das Ergebnis versicherungsinterner ärztlicher Abklärungen – zu denen die RAD-Berichte gehören – kann allerdings nicht abgestellt werden und es sind ergänzende Abklärungen vorzunehmen, wenn auch nur geringe Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit bestehen (BGE 139 V 225 E. 5.2, 135 V 465 E. 4.4 und E. 4.7; vgl. auch BGer-Urteil 8C_197/2014 vom 3.10.2014 E. 4).

2.7.

Bei Gerichtsgutachten weicht das Gericht nach der Praxis nicht ohne zwingende Gründe von der Einschätzung des medizinischen Experten ab, dessen Aufgabe es ist, seine Fachkenntnisse der Gerichtsbarkeit zur Verfügung zu stellen, um einen bestimmten Sachverhalt medizinisch zu erfassen. Auch die Rechtsprechung der Strassburger Organe hat diesbezüglich erwogen, der Meinung eines von einem Gericht ernannten Experten komme bei der Beweiswürdigung vermutungsweise hohes Gewicht zu (BGE 135 V 465 E. 4.4). Ein Grund zum Abweichen von einem Gerichtsgutachten kann vorliegen, wenn dieses widersprüchlich ist oder wenn ein vom Gericht eingeholtes Obergutachten in überzeugender Weise zu andern Schlussfolgerungen gelangt. Eine abweichende Beurteilung kann ferner gerechtfertigt sein, wenn gegensätzliche Meinungsäusserungen anderer Fachexperten dem Richter als triftig genug erscheinen, die Schlüssigkeit des Gerichtsgutachtens in Frage zu stellen, sei es, dass er die Überprüfung durch einen Oberexperten für angezeigt hält, sei es, dass er ohne Oberexpertise vom Ergebnis des Gerichtsgutachtens abweichende Schlussfolgerungen zieht (BGE 125 V 351, 118 V 286 E. 1b, 112 V 30 mit Hinweisen).

3.

Den medizinischen Akten ist im Wesentlichen Folgendes zu entnehmen:

3.1.

Vom 23. Juli bis 3. September 2009 war der Beschwerdeführer in der Klinik H hospitalisiert. Im Austrittsbericht vom 11. September 2009 wurden aus psychiatrischer Sicht die Diagnosen mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom (ICD-10 F32.11), Probleme in Verbindung mit Berufstätigkeit und Arbeitslosigkeit (ICD-10 F56) sowie depressives Erschöpfungssyndrom (ICD-10 Z73.0) aufgeführt. Der Patient habe zum Eintrittszeitpunkt über eine seit mehreren Jahren existierende Erschöpfungssymptomatik gesprochen, die in der letzten Zeit beträchtlich zugenommen habe. Er leide unter Nackenschmerzen, extremen Muskelverspannungen, Schmerzen in allen Gelenken, Durchschlafstörungen, Morgentief, Übelkeit, Magendrücken, Schwindel, Kopfschmerzen, Atemproblemen und kognitiven Einschränkungen. Er habe in der letzten Zeit bis zu 100 Stunden pro Woche gearbeitet und sich aus vielen Sozialkontakten zurückgezogen. Seine Lebensfreude sei ihm gänzlich abhanden gekommen. Im Bericht wird weiter auf eine sich seit mehreren Jahren deutlich veränderte berufliche Situation als Aussendienstmitarbeiter im Bereich der Pharmabranche hingewiesen. Der Druck bei seiner Arbeit habe erheblich zugenommen. Er habe sich zusehends verunsichert gefühlt und trotz seines schon immer vorhandenen Perfektionsstrebens habe er ständig ein Gefühl des Nichtgenügens erlebt. Im psychopathologischen Befund wird im Bericht angegeben, dass der Versicherte bisweilen moderat herabgestimmt, ratlos, jedoch affektiv durchaus schwingungsfähig wirke. Die kognitiven Einschränkungen, die er angegeben habe, seien im Gespräch nicht auffällig gewesen. In den Gesprächen habe eine deutlich gestörte Work-Life-Balance festgestellt werden können. Der Patient sei in einem wesentlich besseren Gesundheitszustand ausgetreten.

3.2.

Der behandelnde Psychiater, Dr. med. I, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, berichtete am 4. Mai 2013 ausführlich über den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers. Diagnostisch ging er von einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (ICD-10 F33.11), einem depressiven Erschöpfungssyndrom (ICD-10 Z73.0) und einer anankastischen (zwanghaften) Persönlichkeitsstörung verbunden mit diversen Ängsten (ICD-10 F60.5 und F41.9) aus. Der Patient sei bis zum Jahr 2009 immer gesund und beruflich überdurchschnittlich leistungsfähig gewesen. Er habe jedoch bereits 4 - 5 Jahre zuvor einen schleichenden Veränderungsprozess bemerkt, indem er bei der Arbeit mehr Zeit habe aufwenden müssen. Seit Juni 2009 sei er in ambulanter Behandlung. In der früheren Firma sei der Versicherte wieder voll arbeitsfähig gewesen und er habe am 1. April 2011 eine neue Stelle in seinem angestammten Beruf antreten können, nachdem ihm im Rahmen eines Fusionsprozesses gekündigt worden sei. Ab August 2011 seien jedoch Überlastungssymptome aufgetreten, was Anfang September 2011 schliesslich zur erneuten Arbeitsunfähigkeit geführt habe. Der Wiedereinstieg Anfang Dezember 2011 sei sorgfältig vorbereitet worden. Ab 17. Januar 2012 habe die Arbeitsfähigkeit gesteigert werden können, bis es im September 2012 wieder zu einer massiven psychophysischen Dekompensation gekommen sei. Auf Ende Januar 2013 sei dem Patienten schliesslich gekündigt worden. Zur Klinik gab Dr. I an, im Vordergrund stünden psychophysische Erschöpfung, Depressivität, Versagensängste, Schlafstörungen mit nächtlichen Schweissausbrüchen, nicht-abschalten-können, ausgeprägte mnestische Störungen mit Konzentrationsmangel und Gedächtnislücken sowie dadurch eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit. Es fänden eine medikamentöse Behandlung mit Remeron und Xanax (bei Bedarf) sowie Sitzungen alle zwei Wochen statt. Eine Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit sei aktuell nicht absehbar. Dr. I empfahl schliesslich die Durchführung neuropsychologischer Abklärungen.

3.3.

Aus rheumatologischer Sicht diagnostizierte Dr. med. J, FMH Allgemeine Innere Medizin und Rheumatologie, ein zervikovertebrales und zervikobrachiales Syndrom links, ein oberes thorakovertebrales Syndrom und ein geringes lumbovertebrales Syndrom. Die Diagnosen hätten jedoch keine Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit (vgl. IV-Arztbericht vom 27.5.2013).

3.4.

Am 21. März 2013 begutachtete Dr. B den Beschwerdeführer im Auftrag des Taggeldversicherers. In seiner Expertise vom 22. April 2013 sprach der Gutachter diagnostisch von einer vordiagnostizierten mittelgradigen depressiven Episode (ICD-10 F32.11), wobei aus versicherungspsychiatrischer Sicht kritisch zu diskutieren sei, ob eine rezidivierende depressive Störung vorliege. Weiter gab Dr. B ein vordiagnostiziertes depressives Erschöpfungssyndrom (ICD-10 Z73.0) an, welches nachvollziehbar sei. Schliesslich nannte er eine vordiagnostizierte anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung verbunden mit diversen Ängsten (ICD-10 F60.5 und F41.9), wobei die Krankheitswertigkeit aus versicherungspsychiatrischer Sicht nicht nachvollziehbar sei. Der Experte hielt fest, dass dem Exploranden durchaus weiterhin eine Arbeitstätigkeit zuzumuten sei. Beispielsweise könne dieser eine Tätigkeit im Verkauf ausüben. Dabei gab Dr. B eine Verminderung der Arbeitsfähigkeit um 1/3 an. Alsdann wies er auf die krankheitsfremden Faktoren hin. Diese seien als überwiegend zu betrachten für den Umstand, dass der Versicherte aktuell keine Arbeitstätigkeit mehr ausübe. Bei der Beantwortung der vom Versicherer gestellten Fragen führte er aus, es sei fraglich, von was für einer anhaltenden Gesundheitsschädigung auszugehen sei, zumal die angegebene Diagnose einer depressiven episodischen Erkrankung als grundsätzlich sehr gut behandelbar anzusehen sei.

3.5.

Am 7. August 2013 hielt RAD-Arzt Dr. C fest, die vom Versicherten berichteten kognitiven Beschwerden könnten bei Erschöpfungsdepressionen vorkommen. Sie könnten aber auch durch eine langsam verlaufende dementielle Entwicklung bedingt sein. Insbesondere die Gedächtnisprobleme, Schwierigkeiten Neues zu lernen, die Wortfindungsstörungen und der Einbruch der beruflichen Leistungsfähigkeit würden eine kognitiv-emotionale Funktionsdiagnostik nahelegen. In der Folge liess Dr. C den Versicherten für entsprechende Untersuchungen (u.a. psychiatrische Untersuchung, Beschwerdevalidierungsdiagnostik, ERP/QEEG/LORETA [Low Resolution Electromagnetic Tomography]-elektrotomographische Untersuchung) im RAD aufbieten.

3.6.

Eine von Dr. C veranlasste MRI-Untersuchung des Schädels am 7. Oktober 2013 durch Prof. Dr. med. K, FMH Radiologie, ergab ein normales Hirngewebe und ein Neurokranium ohne Anhaltspunkte für strukturelle Veränderungen als Hinweis auf einen beginnenden neurodegenerativen Prozess.

3.7.

Am 18. März 2014 erstattete RAD-Arzt Dr. C ein ausführliches Gutachten. Dieses basierte auf diversen Untersuchungen vom 10., 11., 12., 17. und 18. September 2013.

In der Expertise begründete Dr. C die Notwendigkeit einer RAD-internen versicherungspsychiatrisch-neuropsychologischen Abklärung der arbeitsbezogenen, beruflichen Funktions- und Leistungsfähigkeit mit dem Vorliegen divergierender Beurteilungen durch den behandelnden Psychiater, der den Versicherten seit Jahren betreue, und den Gutachter Dr. B, der den Versicherten 75 Minuten gesehen habe.

3.7.1.

Zur Erfassung der subjektiven Beschwerden des Versicherten führte Dr. C ein halbstrukturiertes psychiatrisches Interview durch (PSE [Present State Examination]). Er wies darauf hin, dass der Weg von der subjektiven Beschwerdeschilderung zum Befund bei versicherungspsychiatrischen Begutachtungen wesentlich steiniger und aufwändiger sei als im klinisch-diagnostischen Alltag. Die Beschwerdeschilderungen seien zusätzlichen, komplexen gutachterlichen Reflexionsprozessen zu unterwerfen.

Gestützt auf die klinisch-psychiatrischen Untersuchungen vom 10. und 11. September 2013 hielt Dr. C zur vom Versicherten beklagten verminderten Merkfähigkeit fest, bei der Untersuchung hätten sich Merkfähigkeit und Erinnerungsvermögen als unauffällig erwiesen. Der Explorand habe keine typischen, authentischen Narrationen zu einzelnen Vergesslichkeitsepisoden aus seinem Alltag reproduzieren können. Daher lasse sich eine Diskrepanz zwischen subjektiver Beschwerdeangabe und klinischer Wahrnehmung konstatieren. Auch Konzentrationsstörungen hätten sich klinisch-psychiatrisch nicht validieren können. Der Explorand habe während der beiden psychiatrischen Untersuchungen eine breite, hellwache, ausdauernde und elastische Aufmerksamkeit gezeigt und konzentriert mitgearbeitet. Im Zusammenhang mit dem Denkvermögen erkannte der RAD-Arzt ebenfalls eine Diskrepanz zwischen Beschwerdeschilderung und klinischer Wahrnehmung. Derealisations- und Depersonalisationserlebnisse habe der Explorand bei der Untersuchung bejaht. Allerdings habe er keine konkreten, erlebnishaft nachvollziehbaren und emotional stimmigen Schilderungen konkretisieren können. Weiter habe der Versicherte erwähnt, er müsse sehr oft Dinge wieder nachkontrollieren. Konkrete Schilderungen entsprechender Situationen habe er jedoch nicht angegeben. Ferner erweise sich der Versicherte als affektiv deutlich schwingungsfähig, er wirke lebendig und seine Vitalität sei spürbar. Eine Antriebsminderung oder Angstsymptome hätten sich nicht valide befunden lassen.

3.7.2.

Dr. C führte des Weiteren eine Validierung der Testleistungen und der subjektiven Beschwerdeschilderungen durch. Die Ergebnisse deutete der RAD-Arzt einerseits als auffällig und als Hinweis auf negative Antwortverzerrungen bezüglich Testleistung und andererseits als deutlicher Hinweis auf eine Tendenz zur negativen Antwortverzerrung bei der subjektiven Beschwerdeschilderung. Ein ähnliches Bild habe sich bei der Bearbeitung der 567 Items des MMPI-2 (Minnesota Multiphasic Personality Inventory) gezeigt. Insgesamt seien 12 von 13 Validitätsskalen, welche negative Antwortverzerrungen erfassen würden, auffällig gewesen. Damit seien beim MMPI-2-Beschwerdevortrag negative Antwortverzerrungen objektiviert. Zudem sei die MMPI-2-Beschwerdeschilderung als nicht valide einzustufen.

3.7.3.

Neben den Beschwerdevalidierungstests (BVT) führte Dr. C auch eine neurophysiologische Funktionsdiagnostik durch. Vorab merkte der RAD-Arzt an, dass ein QEEG nicht eine medizinisch-klinische Untersuchung ersetze, sondern dazu diene, physiologische Daten in psychiatrisch verschiedenen Leistungszuständen zu erzeugen, abzubilden und zu vergleichen. Bei Komplexfällen würden meist massive kognitive Beschwerden angegeben. In derartigen Fällen sei es nahezu zwingend, eine Demenz definitiv auszuschliessen. Denn hinter jeder Angabe von massiven kognitiven und auch emotionalen Beschwerden könne sich eine Demenz verbergen. Aus seiner Abklärungspraxis wisse er, dass es Fälle gebe, bei denen die bildgebende Diagnostik (MRI, PET, SPECT) nicht weiterhelfe und das QEEG/ERP die entscheidende, aber nicht alleinige (funktions-)diagnostische Stütze darstelle. Da sich die Demenzformen mitunter "chamäleonartig" präsentieren und an diffuse depressive, histrionische oder dissoziative Zustandsbilder erinnern würden, sei bei einer rein klinischen Begutachtung das Risiko einer Fehleinschätzung beträchtlich. Es wäre für den Versicherten fatal, wenn bei einer klinisch "verdeckten Demenz" aufgrund einer gutachterlichen fehlerhaften Beurteilung keine Leistungen zugesprochen würden. Bei den ERP würden – wie bei einem EEG – über Elektroden am Kopf die Hirnströme abgeleitet. Im Unterschied zum gewöhnlichen EEG arbeite das ERP-Verfahren mit visuellen oder akustischen Reizen. Diese würden im EEG bestimmte Wellen auslösen, die Auskunft über die zerebrale Verarbeitung und damit die Funktion einzelner Hirnareale geben könnten. Es gebe mittlerweile tausende von Studien, welche die Zusammenhänge von bestimmten psychiatrischen Syndromen und bestimmten ERP-Veränderungen belegen würden. In besagten besonderen Fällen würden folgende Verfahren zur Erfassung der Funktionsfähigkeit der kognitiv-emotionalen Netzwerke im Gehirn genutzt:


1. Spontanes Ruhe-EEG
2.
QEEG (eine Art Lupe zur genaueren Untersuchung des spontanen Ruhe-EEGs mittels spezieller Software, mathematisch basierend auf Fourier-Transformationen)
3.
ERP, meist visueller CPT (Continuous Performance Test), emotionaler CPT, evtl. bei Demenzverdacht auch Mismatch Negativity
4.
Bildgebende Verfahren zur Quellenanalyse
5.
MRI-Untersuchung des Gehirns

Fakultativ würden zusätzlich eine sekundäre Untersuchung und eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit bestimmter kognitiv-emotionaler Netzwerke des Gehirns erfolgen. Erfasst werde nicht der momentane Zustand des Gehirns, sondern die durchschnittliche grundsätzliche Leistungsfähigkeit. ERP-Veränderungen seien zwar unspezifisch (so könne eine Verminderung der P300-Amplitude verschiedene Ursachen haben, z.B. könne sie im Rahmen einer Depression, einer Schizophrenie etc. vorkommen), aber im Kontext mit klinischen Untersuchungs- und Testergebnissen sowie weiterer Daten könne die zusätzliche ERP-Diagnostik helfen, eine Beurteilung des Ausmasses der Funktionseinschränkungen zu erleichtern bzw. zu differenzieren.

Das Untersuchungsverfahren beschrieb Dr. C (verkürzt) folgendermassen: Mit Hilfe einer passenden Elektrodenkappe werde eine 21-Mitsar-EEG-Ableitung durchgeführt. Der Klient nehme in einem bequemen Sessel rund anderthalb Meter vor einem Monitor Platz. Zuerst würden in entspannter Ruhe mit geschlossenen Augen und dann mit offenen Augen zwei je ca. fünfminütige EEGs in einer ersten Datei aufgezeichnet und gespeichert. Anschliessend absolviere der Klient über den Monitor einen ca. 20minütigen, fortlaufenden visuellen (VCPT) oder auditiven (ACPT) bzw. emotionalen (ECPT) Leistungstest. Das dabei entstehende EEG-Signal werde simultan in einer zweiten Datei aufgezeichnet und bei Beendigung des Tests gespeichert. In der Folge würden die digitalisierten Daten einem Artefakt-Ermittlungsprogramm unterzogen, das Muskelaktivitäten wie Blinzeln und Augenbewegungen identifiziere und entferne. Die korrigierte digitale Aufzeichnung aller EEG-Daten des Patienten würden einem mathematischen Programm namens Fourier-Transformation unterzogen. Dieses Verfahren analysiere aufeinanderfolgende Wellen in mehrere eindeutig definierbare Komponenten unterschiedlicher Frequenzen. Zur Evaluation der Daten würden diverse deskriptive und statistische Verfahren eingesetzt. Die so ermittelten Daten würden sodann mit einer entsprechenden Normdatenbank verglichen und evaluiert.

Die konkret erhobenen Spektraldaten waren gemäss Dr. C nur leichtgradig auffällig. Die Auffälligkeiten würden vor allem die Stimmungsmodulation betreffen. Auch die evozierten Potentiale seien nicht massiv auffällig. Allerdings hätten sich in vielen Bereichen kleine Auffälligkeiten gezeigt, welche auf ein wenig nachhaltiges Informationsverarbeitungssystem hinweisen würden. Zusammenfassend würden die vorliegenden Befunde einhergehen mit Auffälligkeiten in der Stressverarbeitung. Die Folge davon seien leichtgradige Störungen der Emotionsregulation, Schlafschwierigkeiten und Gedächtnisstörungen. Die Biomarker würden aber auch darauf hinweisen, dass das System als Ganzes funktionsfähig sei und insbesondere ein veränderter Umgang mit Stresssituationen anzustreben sei. Die Biomarker hätten leichtgradige, kompensierbare funktionelle kognitiv-emotionale Einschränkungen gezeigt. Des Weiteren hätten sich Auffälligkeiten hinsichtlich der Reaktionszeit (stark verlangsamt) sowie hinsichtlich der Variabilität der Reaktionszeit ergeben. Diese auf der Verhaltensebene anzutreffenden defizitären Phänomene seien bezüglich ihres Ausprägungsgrades angesichts des nur leichtgradigen funktionellen Einschränkungsniveaus, wie es die Biomarker ausweisen würden, aus funktioneller Sicht diagnostisch nicht nachvollziehbar. Seitens der Biomarker seien keine für dementielle Entwicklungen oder depressive Syndrome charakteristischen Zeichen ausweisbar.

3.7.4.

Gestützt auf seine umfassenden Untersuchungen stellte Dr. C folgende Diagnosen: Erschöpfungssyndrom (Burn-out-Syndrom; ICD-10 Z76.0), rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert (ICD-10 F33.4) und Aggravation (DSM-IV-TR V65.2; u.a. neuropsychologische Diagnose einer aggravierten neurokognitiven Dysfunktion [Malingered Neurocognitive Dysfunction-MND]). Sämtliche Diagnosen hätten keine Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit.

Zu den aktuellen Befunden führte der RAD-Arzt aus, dass die Relation zwischen positiv und negativ beantworteten Items (47:10) im PSE-Interview als sehr auffällig einzustufen sei. Bei der klinischen Exploration falle zudem auf, dass der Versicherte keine typischen, psychiatrisch krankheitsspezifischen (echt erlebten) und krankheitstypischen Narrationen habe reproduzieren können. Die entsprechenden Depressionserlebnisse hätten in der Schilderung emotional blass, ja nahezu emotional unbeteiligt gewirkt. Weiter hätten die Angaben subjektiver Beschwerden mit einem nahezu unauffälligen psychopathologischen Befund kontrastiert. So habe der Explorand etwa über eine Vergesslichkeit berichtet, psychopathologisch jedoch eine intakte Merkfähigkeit und ein intaktes Erinnerungsvermögen gezeigt. Er habe sich als affektiv schwingungsfähig erwiesen. Antriebsprobleme hätten nicht nachvollzogen werden können. Der Proband habe lebendig gewirkt, durch eine schwungvolle Redeweise und eine deutlich modulationsfähige Stimme, straffe Körperhaltung sowie facettenreiche Mimik und Gestik imponiert.

Auffällig seien auch die Ergebnisse bei der Validierung subjektiver Beschwerden mittels des Fragebogens SIMS (Structured Inventory of Malingered Symptomatology) gewesen. Dieser psychologische Test erlaube Aussagen darüber, ob Beschwerden vom Probanden negativ verzerrt vorgetragen/berichtet würden. Die Testergebnisse hätten deutlich ausgeprägte negative Antwortverzerrungen gezeigt. Die Validierung der Beschwerdeschilderung mittels MMPI-2-Tests habe ebenfalls ein sehr auffälliges Bild ergeben (12 von 13 Validitätsskalen auffällig). Damit seien auch beim MMPI-2-Beschwerdevortrag negative Antwortverzerrungen objektiviert. Die MMPI-2-Beschwerdeschilderung sei zudem als nicht valide einzustufen. Des Weiteren hätten auch die Ergebnisse der BVTs und Leistungstestung negative Antwortverzerrungen und Inkonsistenzen gezeigt. Aufgrund dieser Resultate habe man als Zusatzuntersuchung eine strukturell-bildgebende neuroradiologische Demenzabklärung veranlasst. Das MRI des Neurocraniums vom 7. Oktober 2013 habe dann einen unauffälligen Befund ergeben. Um eine dementielle Entwicklung im Anfangsstadium auszuschliessen – eine solche sei in strukturell-bildgebenden Verfahren oft noch nicht zu erkennen – habe man zusätzlich noch eine elektrophysiologische Untersuchung (spontanes Ruhe-EEG, QEEG, ERP) durchgeführt. Auch hier hätten sich keine Hinweise auf eine dementielle Entwicklung ergeben. Bezüglich der Ergebnisse der Leistungstestung sei insgesamt festzustellen, dass die Resultate der einzelnen Tests häufig nicht zusammenpassen würden. Anhand der Leistungstestbefunde lasse sich kein klares typisches pathologisches neurokognitives – insbesondere kein depressionstypisches neurokognitives – Störungsprofil formulieren oder identifizieren. Es lasse sich kein stringenter Zusammenhang zwischen geklagtem Ausmass der Beschwerden und dem Ausmass der psychologischen Defizite herstellen.

Ausgewiesen sei hingegen – so Dr. C weiter – ein Burn-out-Syndrom. Diese Beschwerden hätten zwar nicht als klinisch ausweisbare Phänomene imponiert. Jedoch zeigten bei der elektrophysiologischen Zusatzuntersuchung bestimmte Biomarker Auffälligkeiten in Bezug auf den Papezschen Zirkel, welcher die Emotionsregulation beeinflusse und auf erhöhte Aktivierung im somatosensorischen Kortex hinweise. Die Biomarker hätten leichtgradige, kompensierbare funktionelle kognitiv-emotionale Einschränkungen gezeigt. Insofern seien Hinweise auf eine Burn-out-Symptomatik objektivierbar.

Ein depressives Syndrom im Sinn einer Major-Depression könne aufgrund des unauffälligen Psychostatus, des Fehlens entsprechender neurokognitiver Defizite, der testpsychologisch ausweisbaren erheblichen Tendenz zur negativen Antwortverzerrung bezüglich depressiven Beschwerdevortrags (SIMS, MMPI-2) und der bei den Untersuchungen klinisch nicht validierbaren emotionalen Defizite nicht mehr ausgewiesen werden.

Dr. C führte weiter aus, dass angesichts der zahlreichen vom Versicherten vorgetragenen Beschwerden differenzialdiagnostisch mögliche nicht-authentische krankheitswertige psychische Störungen abzuklären seien, bei denen sowohl Symptomerzeugung als auch zugrundeliegende Motivation unbewusst seien. Er verneinte sogleich das Vorliegen einer Angststörung, einer hypochondrischen Störung oder einer Neurasthenie. Im Rahmen der Begutachtung habe grundsätzlich auch eine Persönlichkeitsstörung ausgeschlossen werden können, da es an ausgeprägten Impulssteuerungsdefiziten bzw. an Defiziten der emotionalen Regulationsfähigkeit gefehlt habe.

Indessen bejahte Dr. C das Vorliegen von Simulation und Aggravation. Zu diesem Ergebnis gelangte er einerseits aufgrund einer klassischen klinisch-psychiatrischen Simulations-/Aggravationsdiagnostik nach Klaus Foerster und andererseits mit den Methoden der neuropsychiatrisch-neuropsychologischen Malingering-Diagnostik anhand des Kriterienkatalogs von Daniel Slick. Der RAD-Arzt zog daraus den Schluss, dass der Versicherte dazu tendiere, bei Beschwerdeschilderungen zu übertreiben. Er habe Verhaltensweisen gezeigt, durch welche Beschwerden übertrieben dargestellt würden. Klinisch-psychiatrisch habe keine erhebliche krankheitswertige psychische Störung ausgewiesen werden können. Der Versicherte leide unter einem Burn-out-Syndrom.

3.7.5.

Ferner wies Dr. C auf diverse Mängel im Gutachten von Dr. B hin. Dieser habe sich nicht ausreichend auf Echtzeitdokumente gestützt. Um seine gravierend von der Beurteilung des behandelnden Psychiaters abweichende Einschätzung zu fundieren, hätte er entsprechende Klinikberichte anfordern und einsehen müssen. Dr. C kritisierte zudem, dass Dr. B keine objektivierende testpsychologische Diagnostik durchgeführt habe. Er hielt dafür, dass aufgrund der Aktenlage die im Jahr 2009 diagnostizierte depressive Episode nachvollziehbar sei. Es sei auch nicht auszuschliessen, dass im Zeitpunkt der Untersuchung durch den Vorgutachter (22.3.2013) tatsächlich noch eine neuropsychiatrisch-relevante, funktionale Einschränkung bestanden habe. Denn nach depressiven Episoden (auch leichtgradigen) würden kognitive Funktionseinschränkungen oft länger persistieren als die klinische, depressive Symptomatik. Dass sich im Rahmen der aktuellen Abklärung keine Funktionseinschränkungen mehr gezeigt hätten, tue nichts zur Sache, da die Einschränkungen in den letzten 6 Monaten remittiert sein könnten. Schliesslich sei aufgrund der Argumentation von Dr. B nicht nachvollziehbar, wie er zu einer 33%igen Arbeitsunfähigkeit gelange.

3.7.6.

In Bezug auf die aktuelle Arbeitsfähigkeit hielt Dr. C fest, dass sich keine wesentliche, dauerhafte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit begründen lasse. Aus versicherungspsychiatrischer und neuropsychologischer Sicht könne der Versicherte in der freien Wirtschaft im Aussendienst in einem 100 %-Pensum arbeiten. Eine qualitative Einschränkung sei aber zu definieren: Würde der Versicherte wieder einen ähnlich überfordernden Arbeitsplatz wie zuletzt antreffen, dann würde – bedingt durch die Vulnerabilität bei Beanspruchung durch die in diesem Zusammenhang wirksamen Stressoren – eine rasche Überlastung und Dekompensation drohen. Durch Studien sei belegt, dass die Auslöseschwelle für depressive Rezidive in solchen Situationen sehr niedrig sei. Daher sei eine seinem Ausbildungsprofil entsprechende Aussendiensttätigkeit mit klar strukturierten Aufgaben zumutbar.

3.8.

Die IV-Stelle legte die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobenen Einwände gegen das Gutachten von Dr. C diesem zur Stellungnahme vor. Der RAD-Arzt verteidigte dabei die durchgeführten Untersuchungen, insbesondere unter Verweis auf die im vorliegenden Fall bestehenden komplexen Fragestellungen (vgl. Protokolleintrag vom 9.3.2015). Er führte aus, dass dank des Einsatzes des ERP-Verfahrens etwa eine Demenz erkannt werden könne, welche für die Übertreibung von Beschwerden verantwortlich sein könne. Vorliegend habe man keine Demenzhinweise gefunden, dafür aber im Nebenbefund deutliche Zeichen der Burn-out-Stressregulation. Dr. C beteuerte, dass Spezialverfahren nur zum Einsatz kämen, wenn man mit den üblichen Verfahren nicht mehr weiter komme.

Zur Frage der Wissenschaftlichkeit des ERP-Verfahrens hielt Dr. C fest, dass die ERP seit den 1960er Jahren breit erforscht würden. Inzwischen gebe es ca. 50'000 klinische Studien und Übersichten. Der Einsatz dieser Methoden sei also gut wissenschaftlich abgesichert, d.h. evidenzbasiert. In Bezug auf die Kritik diverser Experten in den Medien führte Dr. C aus, es gebe nur sehr wenige Psychiater, die sich mit der an der Universität Y etablierten und gelehrten ERP-Diagnostik auskennen würden. Der Neuropsychologe Prof. L gelte international als einer der führenden ERP-Forscher und -Experten. Von ihm stamme der Ratschlag, zwecks Nutzung der ERP als Spezialverfahren im Rahmen der versicherungsmedizinischen Begutachtung mit Prof. Dr. M zu kooperieren, der an Prof. Ls Institut die angehenden Neuropsychologen in klinischer ERP-Diagnostik ausbilde. Der RAD-Arzt listete im Weiteren diverse Studien auf, welche die Evidenzbasis der ERP-Diagnostik untermauern würden. Daraus sei auch ersichtlich, für welche Diagnosen das Verfahren als Zusatz (Add-on-Diagnostik) geeignet sei (Schizophrenie, ADHD, Demenz, Depression, Asperger Syndrom). Dr. C wies weiter darauf hin, dass in einigen Ambulanzen und Praxen in der Schweiz ERPs und EEGs Bestandteil der klinisch-neuropsychologischen Diagnostik seien. Weiter sei das Verfahren bereits 1965 validiert und verifiziert worden. Seither seien Zehntausende ERP-Doppel-Blind-Studien durchgeführt worden. Ferner nahm Dr. C auch zur inhaltlichen Kritik an seinem Gutachten Stellung. Dass weder der Vorgutachter Dr. B noch der behandelnde Psychiater Dr. I Hinweise auf negative Antwortverzerrungen gefunden hätten, führte der RAD-Arzt darauf zurück, dass die beiden Fachärzte keine spezifische Aggravations-/Simulationsdiagnostik durchgeführt hätten.

4.

Das Gericht sah sich namentlich aufgrund folgender Umstände zur Einholung eines Gerichtsgutachtens veranlasst:

Den vom Krankentaggeldversicherer nicht im gesetzlich vorgesehenen Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholten Gutachten kommt rechtsprechungsgemäss der Beweiswert versicherungsinterner ärztlicher Feststellungen zu (BGer-Urteil 8C_71/2016 vom 1.7.2016 E. 5.3 mit Hinweis). Insofern genügen bereits geringe Zweifel im Hinblick auf die Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der Feststellungen von Dr. B, um den Beweiswert entscheidend zu schmälern (vgl. E. 2.6). Solche waren vorliegend gegeben, wurde doch das Gutachten sowohl vom behandelnden Psychiater als auch von Dr. C (zu Recht) stark bemängelt.

In Bezug auf das RAD-Gutachten ist festzuhalten, dass Dr. C den Versicherten zwar persönlich untersucht hat. Dennoch bleibt seine Expertise ein versicherungsinterner Bericht. Es handelt sich mit anderen Worten nicht um ein im Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholtes Gutachten externer Spezialärzte, dem erhöhter Beweiswert zukäme (vgl. BGE 135 V 465 E. 4.4). Wie beim Gutachten des Krankentaggeldversicherers genügen deshalb bereits geringe Zweifel im Hinblick auf die Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der Feststellungen des RAD-Arztes, damit weitere Abklärungen an die Hand zu nehmen sind. Solche Bedenken bestanden zum einen hinsichtlich der diagnostizierten Aggravation, stand doch Dr. C mit dieser Diagnose alleine da. Zum anderen stellte sich für das Gericht die Frage, ob bestimmte vom RAD angewandte Untersuchungsmethoden (QEEG/ERP/Neuroimaging) für die Abklärung der Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers überhaupt geeignet und als wissenschaftlich anerkannt zu betrachten sind. Aufgrund der vielen kritischen Stimmen von verschiedenen Fachärzten und Ärztegesellschaften in den Medien drängte sich eine nähere Prüfung durch verwaltungsexterne Sachverständige auf. Entsprechend beauftragte das Gericht Prof. Dr. F von der Gutachterstelle E mit einer umfassenden Exploration des Beschwerdeführers. Weder gegen Prof. Dr. F noch gegen den später zugezogenen Neuropsychologen Prof. Dr. G brachten die Parteien Einwände vor.

5.

Dem Gerichtsgutachten vom 11. Juli 2016 liegt eine psychiatrische Exploration durch Prof. Dr. F zugrunde, der zusätzlich eine neuropsychologische Untersuchung durch Prof. Dr. G, Neuropsychologe, Universität Z, veranlasste.

5.1.

Nach ausführlicher Darstellung der Anamnese gab Prof. Dr. F den psychopathologischen Befund wieder. Der Explorand sei bewusstseinsklar, allseits orientiert und durchgehend kooperativ. Auf die gestellten Fragen werde klar Bezug genommen mit einer Tendenz zur Ausweitung. Der formale Gedankengang sei geordnet und immer nachvollziehbar. Die Rede erfolge fliessend, nach Wortwahl und Grammatik differenziert. Es bestehe kein Anhalt für formale Denkstörungen. Der Antrieb sei vollständig ungestört. Die Konzentration könne über die knapp 3 Stunden der Exploration recht gut gehalten werden; eine Abnahme lasse sich nicht feststellen. Mnestische Störungen würden immer wieder angegeben, seien jedoch in der Exploration trotz manchmal unsicherer Datierungen nicht direkt ersichtlich. Es ergebe sich auch kein Anhalt für Ich-Störungen, Wahrnehmungsstörungen, ein wahnhaftes Erleben oder andere Verhaltensauffälligkeiten. Der Versicherte verneine zwar für sich selbst eine zwanghafte Symptomatik, beschreibe aber zahlreiche sich wiederholende Kontrollabläufe (z.B. mehrfache Absicherung, dass die Tür abgeschlossen oder der Herd ausgeschaltet sei). Im Ausdrucksverhalten wirke der Explorand vordergründig aufgestellt. Er sei affektiv sehr gut schwingungsfähig, könne gemeinsam mit dem Referenten situativ adäquat lachen. Schwieriger sei die Beurteilung der Affektregulation zum negativen Pol hin; hier wirke der Versicherte eher wortkarg und abwehrend. Mehrfach entstehe für den Referenten auch in anderen Teilbereichen der Eindruck, dass die emotionale Dimension gar nicht erkennbar erfasst werde. Häufig passe der beinahe fröhliche Affekt nicht zu den Schilderungen der Defizite. Dabei entstehe für den Referenten immer wieder der Eindruck, dass hier auch eine Fassade bestehe mit sehr viel Scham sowie einer Selbstwertproblematik. Die angegebenen kognitiven Defizite würden wie ausgestanzt und wenig eingebunden wirken. Spezifische Ängste hätten sich nicht explorieren lassen, wohl jedoch Zukunftsängste und ausgeprägte Versagensängste.

5.2.

Diagnostisch ging Prof. Dr. F von einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig remittiert (ICD-10 F33.4), einer anderen gemischten Angststörung (ICD-10 F41.3) sowie von akzentuierten Persönlichkeitszügen mit führend zwanghaften, narzisstischen und ängstlich vermeidenden Anteilen (ICD-10 Z73.1; DD Persönlichkeitsstörung) aus. Aus neuropsychologischer Sicht habe Prof. Dr. G zudem leichtgradige Störungen der kognitiven Leistungsfähigkeit festgestellt. Prof. Dr. F fand keine Hinweise auf eine frühkindliche/kindliche Entwicklungsstörung oder eine psychische Problematik/Symptomatik in der Jugend des Beschwerdeführers. Insgesamt entstehe zur Primärpersönlichkeit aber der Eindruck, dass er sich schon früh sehr stark leistungsorientiert über seine Handlungsebene definiert und hier durchaus erfolgreich agiert habe, während über die emotionalen Prozesse in der Kindheit/Jugend neben der Selbstdarstellung als "Sunnyboy" kaum etwas zu erfahren sei. Während der Explorand sämtliche Ängste in der Kindheit/Jugend verneine, sei dann doch auffällig, dass er seine Lehre in einem engen Zusammenhang zu einem Unfallereignis am Arbeitsplatz (Verlust eines Fingers eines Kollegen durch eine Maschine) abgebrochen und sich in der Folge nicht mehr in der Lage gesehen habe, mit Maschinen zu arbeiten. Es entstehe hier zumindest der Eindruck einer sichtbar werdenden Prädisposition. Der weitere (berufliche) Werdegang bis zum Auftreten der ersten Symptome in den Jahren 2005/2006 sei sehr stark geprägt von einer dynamischen beruflichen Entwicklung. Trotz der auch im aktuellen Gespräch erkennbaren Sozialkompetenz würden sich aus der Biografie jedoch Defizite in der (tieferen) emotionalen Beziehungsgestaltung und insgesamt in der Emotionsregulation ergeben. Es entstehe insgesamt der Eindruck, dass der früher extrovertiert und engagiert agierende Explorand auch mit Hilfe seiner Leistungsorientierung emotionale Konflikte abgespalten und so nicht an sich herangelassen habe. Durch diese Abwehr erscheine er auch in der Exploration ein Stück weit entrückt und fassadär. Aus der Schilderung des Berufslebens liessen sich des Weiteren zwanghafte Anteile des Exploranden erkennen, der sich selbst als "Kontrollfreak" bezeichne. Eine Ausdehnung dieser zwanghaften Anteile auf andere Lebensbereiche habe sich aktuell nicht sicher explorieren lassen. Die Kombination eines hohen Leistungsanspruchs bei hohem Kontrollbedürfnis sei sicherlich ein erheblicher Risikofaktor für eine dann später ja auch eingetretene Überlastung. Neben den zwanghaften Anteilen, die nochmals deutlicher in den späteren depressiven Phasen als dysfunktionale Copingstrategien hervorgetreten seien, hätten sich auch narzisstische Anteile erkennen lassen. Bei nun durch den Verlust des Arbeitsplatzes eingetretener Abwesenheit eines bewundernden und stützenden Rahmens fühle sich der Explorand erkennbar in seinem Selbstwertgefühl bedroht und gerate in ängstlich geprägte Spannungszustände/Unruhezustände. Aus dieser Verunsicherung heraus würden sich aus Sicht des Referenten auch wesentlich die erkennbaren Ängste des Exploranden erklären. Aus dem Gesagten zog Prof. Dr. F den Schluss, dass am ehesten von vorbestehenden akzentuierten Persönlichkeitszügen mit führend narzisstischen und zwanghaften Anteilen bei starker Leistungsorientierung ausgegangen werden müsse, die bezüglich der Entwicklung einer psychischen Störung allgemein eine erhöhte Vulnerabilität erklären und die sich in der Biografie bis heute gut abbilden würden. Eine Persönlichkeitsstörung, wie sie der behandelnde Psychiater vordiagnostiziert habe, könne nicht ausgeschlossen werden. Sie sei aber aufgrund des langjährig hohen Funktionsniveaus des Exploranden und der biografisch diesbezüglich auch unvollständigen Angaben schwer zu belegen.

Der Gutachter fährt fort, vor dem Hintergrund der soeben skizzierten Grundpersönlichkeit sei es etwa ab 2006 zu einer beginnenden und dann zunehmenden Erschöpfungssymptomatik gekommen. Die im Jahr 2009 in der Klinik H gestellte Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode erachtete Prof. Dr. F als durchaus nachvollziehbar. Nach den vorliegenden Arztberichten des behandelnden Psychiaters müsse im Verlauf dann von einer rezidivierenden depressiven Störung ausgegangen werden mit weiteren gut abgrenzbaren Krankheitsphasen im August 2011 und im September 2012. Ganz offensichtlich habe jeweils die Konfrontation mit dem beruflichen Umfeld trotz der im Intervall wohl weitgehend remittierten Depression in relativ kurzer Zeit über einige Monate zu einer erneuten Dekompensation mit dann wiederum einer zumindest mittelgradigen depressiven Ausprägung der affektiven Störung geführt. Deutlich werde dabei der klar reaktive Anteil auf die berufliche Exposition und entsprechend sei es nicht verwunderlich, dass in der aktuellen Exploration mit einem Abstand von 3 Jahren zur letzten Arbeitstätigkeit eine Stabilisierung eingetreten sei. Nach den ICD-10 Kriterien müsse von einer im Wesentlichen remittierten depressiven Symptomatik bei rezidivierender depressiver Störung (ICD-10 F33.4) ausgegangen werden. Dennoch sei der Versicherte aktuell nicht als symptomfrei einzuschätzen. Trotz des aktuellen Schutzes vor Stressexposition werde auch im Rahmen der Exploration deutlich, dass der Versicherte grenzkompensiert sei. Er zeige zwar eine scheinbar gelassene Fassade, dahinter werde aber eine erhebliche Brüchigkeit deutlich. Der Versicherte äussere Existenzängste und in einem noch erheblicheren Ausmass Ängste vor einer Entwertung. Diese Ängste würden einerseits in den Gedanken des Exploranden deutlich, andererseits zeigten sie sich aber auch in der von Dr. I detailliert beschriebenen vegetativen Symptomatik mit Ruhelosigkeit, einer inneren Anspannung, nächtlichem Herzrasen sowie einer vegetativen Stigmatisierung. Um diese Symptombildung im Sinn einer Angststörung abzubilden, sei die Diagnose einer anderen gemischten Angststörung (ICD-10 F41.3) gestellt worden, wie Prof. Dr. F erklärte. Nach Einschätzung des Gutachters stelle diese durchaus aktive, aktuell gut nachweisbare Symptomatik im Sinn einer Komorbidität die Grundlage dar, aus der heraus es unter entsprechenden Belastungen (z.B. komplexe Anforderungen an einem kompetitiv ausgerichteten Arbeitsplatz) recht niederschwellig wieder zu krankheitswerten depressiven Symptombildungen kommen werde.

5.3.

Prof. Dr. F prüfte sodann die Fähigkeiten des Versicherten, wobei er sich am Mini-ICF orientierte. Dabei stellte er durchaus vorhandene Ressourcen fest. Er wies aber gleichzeitig darauf hin, dass diese in Frage gestellt seien, sobald der Explorand dem angestammten, kompetitiven und stressbelasteten Arbeitsbereich ausgesetzt sei.

5.4.

Zusammenfassend hielt der Gutachter fest, dass zwar nach offensichtlicher Remission der primär depressiven Symptomatik von einer grundsätzlich nur noch leichten psychischen Störung auszugehen sei. Die Relevanz der Erkrankung ergebe sich aber aus der geschilderten Komorbidität unter Berücksichtigung der vorliegenden Persönlichkeitsproblematik. Diese Komorbidität sei von versicherungsmedizinischer Bedeutung, da heute davon auszugehen sei, dass eine Wiedereingliederung an dem angestammten oder an einem vergleichbaren Arbeitsplatz aufgrund der hohen Vulnerabilität und Rigidität des Exploranden mit hoher Wahrscheinlichkeit wiederum eine schwerer wiegende psychische Störung auslösen würde. Dieses Muster lasse sich in der Krankheitsentwicklung ab 2009 nun mehrfach feststellen. In diesem Sinn müsse der Versicherte aus gutachterlicher Sicht trotz der im Intervall formal nur leichtgradigen psychischen Störung (mit auch nur leichtgradigen kognitiven Einschränkungen) vor weiterem Schaden geschützt werden. Der Versicherte sei nicht mehr zu einer schnellen interpersonellen Interaktion in der Auseinandersetzung mit komplexen Sachinhalten fähig. Nichtsdestotrotz bestünden heute ausreichende Ressourcen, um in einer angepassten Tätigkeit wieder Fuss fassen zu können.

5.5

In Bezug auf die Arbeitsfähigkeit hielt Prof. Dr. F fest, dass seiner Ansicht nach für die angestammte Tätigkeit als Pharmareferent bereits nach Austritt aus der Klinik H im Jahr 2009 eine vollständige Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Aus rein psychiatrischer Sicht wäre aber eine Verweistätigkeit mit einem Pensum von zunächst 60 % mit dem Potential einer Erhöhung auf 80 % über etwa 2 Jahre zumutbar. Dabei dürfe es sich nicht um einen ausgeprägt kompetitiven Job mit erheblicher Stressexposition handeln. Wichtig sei auch, dass der Pflichten-/Aufgabenbereich gut definiert und auch begrenzt sei. Bezüglich Verlauf dieser Arbeitsfähigkeit müsse davon ausgegangen werden, dass sich nach den vorliegenden Berichten im Verlauf der ersten Jahreshälfte 2013 ein gegenüber heute vergleichbarer Zustand im Sinn einer partiellen Remission entwickelt habe.

5.6.

Das Vorliegen von Anzeichen für Simulation oder Aggravation verneinte Prof. Dr. F. Er verwies auf die von Prof. Dr. G durchgeführten BVTs, die keine entsprechenden Hinweise ergeben hätten. Der Einsatz weiterer spezifischer Verfahren zur Beschwerdevalidierung sei aufgrund fehlender Indikation nicht erfolgt. Auffällig sei die unzutreffend niedrige Selbsteinschätzung der kognitiven Leistungen. Dies sei jedoch auf die diagnostizierten psychischen Störungen mit massiven Verzerrungen in der Selbstwahrnehmung bei depressivem Grundaffekt zurückzuführen und zentraler Bestandteil der psychischen Erkrankung. Die im Gutachten von Dr. C gesehene Aggravation/Simulation sei auf methodische Mängel zurückzuführen.

5.7.

Abschliessend äusserte sich Prof. Dr. F ausführlich zu den aktenkundigen fachärztlichen Vorberichten.

5.7.1.

Zum Gutachten von Dr. B hielt Prof. Dr. F fest, dass das seit 2009 gut fachärztlich dokumentierte Krankheitsgeschehen schon rein zeitlich in keiner Weise durch ein Erschöpfungssyndrom erklärt sei. Dr. B habe bei seiner Argumentation in keiner Weise die bei dem Exploranden wesentlichen ätiologisch im Vordergrund stehenden Persönlichkeitsfaktoren mit krankheitswertiger Angstsymptomatik berücksichtigt.

5.7.2.

Im Weiteren kritisierte Prof. Dr. F das Gutachten von RAD-Arzt Dr. C scharf. So sei nicht nachvollziehbar, wenn Dr. C – entgegen der Ansicht sämtlicher bisher involvierter Fachärzte – keines der vom Versicherten angegebenen Symptome als validiert ansehe. Als zentralen Kritikpunkt führte Prof. Dr. F an, es entstehe der Eindruck, dass Dr. C die Person des Exploranden und sein Krankheitsbild in keiner Weise erfasst habe. Beispielsweise werde die bei den anderen Fachärzten immer wieder seit 2009 beschriebene innere Unruhe, Ängstlichkeit und Getriebenheit klinisch nicht erfasst. Des Weiteren sei kaum nachvollziehbar, dass trotz der maximal dimensionierten Testbatterien die prägenden Persönlichkeitszüge mit ihren anankastischen, auf Leistung ausgerichteten und narzisstischen Anteilen übersehen worden seien. Prof. Dr. F äusserte den Verdacht, dass es dem Versicherten aufgrund der bereits früh im Gutachten ersichtlichen Zuordnung zu einem aggravatorischen/simulatorischen Geschehen nicht möglich gewesen sei, die schambesetzten Anteile zu zeigen. Die subjektive Einschätzung von Dr. C, wonach die Narrationen des Versicherten nicht authentisch seien, stelle letztendlich – trotz der immer wieder durch den Gutachter postulierten Objektivität der Messungen – die zentrale Säule der Begutachtung dar. Prof. Dr. F kritisierte weiter, dass Dr. C andere Hintergründe der angegebenen Symptome mit Hinweis auf die fehlende Authentizität gar nicht diskutiere. Seiner Ansicht nach würden sich die Angaben des Versicherten aber gerade durch die kriteriengeleitet zu stellende Diagnose im neurotischen Bereich mit ausgeprägten Ängsten (ICD-10 F4) auf dem Hintergrund der skizzierten Grundpersönlichkeit sehr gut plausibilisieren. Es mache ja gerade die Erkrankung des Exploranden aus, dass er im Intervall die depressiven Anteile eher verleugne und eher ängstlich vermeidend agiere, dabei die eigenen faktisch leichten kognitiven Defizite überschätze. Dies sei nicht Ausdruck einer Aggravation, sondern krankheitsbedingt.

Auch zum von Dr. C und Dr. D durchgeführten Electrical Neuroimaging bzw. zur neurophysiologischen Funktionsdiagnostik (QEEG/ERP) fand Prof. Dr. F deutliche Worte; es handle sich dabei nicht um eine wissenschaftlich anerkannte Methode, die hinsichtlich der Diagnosestellung psychischer Gesundheitsstörungen, namentlich hinsichtlich der Simulations-/Aggravationsdiagnostik, zu verwertbaren Ergebnissen führe. Zwar seien die Methoden als solche wissenschaftlich durchaus anerkannt zur experimentell-wissenschaftlichen Gruppenuntersuchung bei entsprechenden Fragestellungen. Hier könnten sich durchaus diskriminierende Gruppeneigenschaften zeigen (z.B. ADHS, Demenz, etc.), die jedoch auf Einzelfälle bezogen klinisch keine Aussagekraft hätten. Entsprechend gebe es bislang nach bester Kenntnis des Referenten keine Fachgesellschaften, welche die genannten Methoden zur individualisierten klinischen Diagnostik empfehlen oder auch nur anerkennen würden. Aus Sicht von Prof. Dr. F sind die Verfahren im Rahmen einer Begutachtung als obsolet anzusehen und in keiner Weise validiert. Ausserdem sei das Kosten-Nutzen-Verhältnis aufgrund des praktisch fehlenden gutachterlichen Nutzens nicht vertretbar. Des Weiteren könne Dr. C durch die angegebene Literatur in keiner Weise seine im Gutachten gezogenen Schlussfolgerungen für den Einzelfall absichern. Bei einer klinisch-gutachterlich nicht etablierten Methode stehe Dr. C in der Pflicht, die Evidenz für die Gültigkeit seiner Aussagen durch die Literatur zu begründen. Diese Angaben würden vollständig fehlen, was nach Ansicht von Prof. Dr. F aufgrund der ihm bekannten Literaturlage auch nicht überrasche. Es handle sich definitiv um eine nicht wissenschaftlich abgesicherte Methode in der Einzelfallbegutachtung. Gemäss Prof. Dr. F entbehren bestimmte Aussagen von Dr. C "jeder wissenschaftlichen Grundlage, sind massiv irreführend und haben entsprechend in einem medizinischen Gutachten nichts verloren", andere Aussagen (zu den spektralanalytischen Daten) seien "einfach grotesk". In Bezug auf die erheblichen methodischen Fehler in der Auswertung und Interpretation der neuropsychologischen Verfahren verwies Prof. Dr. F auf die Ausführungen von Prof. Dr. G.

5.8.

Im Rahmen der neuropsychologischen Untersuchung durch Prof. Dr. G trat eine Beschwerdefixiertheit des Versicherten bezogen auf die geschilderten Hirnleistungsstörungen zutage. Die Angaben hierzu seien aber auch bei eingehenderem Nachfragen eher oberflächlich und unpräzise geblieben. In der Exploration hätten sich keine Hinweise auf formale oder inhaltliche Wahrnehmungs- oder Denkstörungen im Sinn eines psychotisch gefärbten Zustandsbildes oder Zwangsgedanken gefunden.

Zur Erfassung der kognitiven Leistungsfähigkeit führte Prof. Dr. G eine testpsychologische Untersuchung durch, inklusive einem nicht näher bezeichneten standardisierten und validierten Aggravations- und Simulationstest. Insgesamt konnte der Neuropsychologe im Bereich der Aufmerksamkeits- und Konzentrationsleistung leichtgradige Beeinträchtigungen der kognitiven Leistungsfähigkeit feststellen. Die übrigen Leistungen hätten sich gesamthaft als unauffällig dargestellt. Qualitativ zeige sich ein neurokognitives Defizitmuster, welches nicht selten bei Patienten mit protrahierten affektiven Störungen vorzufinden sei. Zwar erlaube die insgesamt gute gesamtintellektuelle Ausstattung des Probanden im alltagspraktischen Bereich eine gewisse Kompensationsmöglichkeit; dennoch stünden die Symptome, insbesondere in ihrer Einbettung im psychiatrisch relevanten Gesamtbild, einer reibungslosen Ausführung der vom Versicherten bisher ausgeübten Tätigkeit im Weg. Der derzeitige Gesundheitszustand erlaube aus fachlich-neuropsychologischer Perspektive für die angestammte Tätigkeit keinen vollschichtigen Einsatz in einem eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereich mit flexibilitätserforderndem Publikumskontakt.

Prof. Dr. G führte weiter aus, dass bei Betrachtung der aktuellen Leistungsergebnisse insbesondere Diskrepanzen in der Diagnostik der Beschwerdevalidierung auffallen würden. Aktuell hätten keine diesbezüglichen Auffälligkeiten dokumentiert werden können, während bei Dr. C Inkonsistenzen beschrieben seien. Prof. Dr. G wies darauf hin, dass nach derzeitigem Entwicklungsstand eine wissenschaftlich abgesicherte Differenzierung zwischen Aggravation und Simulation nicht möglich sei. Dementsprechend konzentriere sich die Beschwerdevalidierung auf die Plausibilität der Beschwerden. Notwendige Voraussetzung der Überprüfung der Konsistenz der Befunde sei eine detaillierte neuropsychometrische Untersuchung. Eine derartige Abklärung habe im Rahmen der Begutachtung durch Dr. C nicht stattgefunden. Aus Sicht eines klinisch-neurowissenschaftlichen Experten entstehe der Eindruck, dass in den vorgutachterlichen Ausführungen immer wieder neurowissenschaftliche Allgemeinplätze bemüht würden, denen es aber, bei genauer Betrachtung, einer fundierten wissenschaftlichen Basis mangle.

Der Neuropsychologe betonte ferner, dass eine negative Antwortverzerrung auch Folge von Störungen mit Krankheitswert sein könne. Dasselbe gelte für Inkonsistenzen zwischen beobachteten und erwarteten Leistungen. Entsprechend seien mögliche Komorbiditäten in Erwägung zu ziehen und kritisch zu diskutieren. Prof. Dr. G stellte zudem die Vermutung an, dass Dr. C bei der Diskrepanz zwischen mangelnder "Narrativität" und erhobenen Befunden der sogenannten "prosecutor's fallacy" unterlegen sei. Zur Begründung führte er methodische Mängel von Dr. C an. So sei etwa bei mindestens 13 der angewandten Verfahren zur Beschwerdevalidierung eine hohe Interkorrelation gegeben, was zu einer Überschätzung von a posteriori oder Posttest-Wahrscheinlichkeiten führe. Prof. Dr. G stellte weiter die Geeignetheit des SIMS bei der Begutachtung in Rentenfällen in Frage. Bei der Anwendung des AKGT-Verfahrens ergäben sich im Übrigen Probleme für die Anwendung bei Personen mit beklagten kognitiven Beeinträchtigungen bei gleichzeitig ausreichender Mitarbeit.

Zusammenfassend müsse bei einer kritischen Gesamtwürdigung der Vorbefunde sowie der aktuell erhobenen Leistungsdaten von einer leichtgradigen Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit ausgegangen werden. Diese sei veritabel und nicht als Ergebnis willentlicher, testverfälschender Tendenzen des Exploranden zu interpretieren.

6.

Die Parteien erhielten Gelegenheit, sich zum Gerichtsgutachten vom 11. Juli 2016 zu äussern, wovon sie Gebrauch machten.

6.1.

Der Beschwerdeführer machte unter Verweis auf das Gerichtsgutachten geltend, dass ihm die bisherige Tätigkeit nicht mehr zumutbar sei. Aber auch ein Berufswechsel komme aufgrund seines vorgerückten Alters (61 Jahre im Zeitpunkt des Gerichtsgutachtens) nicht mehr in Frage. Entsprechend habe er Anspruch auf eine ganze Rente. Selbst wenn die Zumutbarkeit eines Berufswechsels bejaht würde, ergäbe sich bei Anwendung der LSE 2010, Anforderungsniveau 3, ein Anspruch auf eine ganze Rente.

6.2.

Die IV-Stelle legte das Gerichtsgutachten Dr. C zur Stellungnahme vor. Mit Protokolleintrag vom 31. August 2016 äusserte sich dieser zur massiven Kritik an seiner Expertise.

Zunächst wies der RAD-Arzt darauf hin, dass rein auf der psychiatrischen Befundebene weitgehende Übereinstimmung zwischen den beiden Gutachten bestehe. Hingegen seien die neuropsychologischen Befunde nicht identisch, da der Versicherte bei den Untersuchungen in Z möglicherweise nicht aggraviert/simuliert habe. Die versicherungsmedizinisch-neuropsychologische Erfahrung zeige denn auch, dass Versicherte, die bei der ersten Testung massiv aggraviert hätten, bei einer Wiederholungstestung Monate später oft ein wesentlich moderateres Aggravationsverhalten an den Tag legen würden. Zudem hätten die Gerichtsgutachter – im Gegensatz zu ihm – lediglich einen, nicht näher benannten, BVT durchgeführt, dessen Ergebnisse im Übrigen nicht mitgeteilt worden seien. Angesichts der Diskrepanz zwischen Beschwerdeschilderung und den eigenen Untersuchungsbefunden/Beobachtungen hätten mehrere BVTs zum Einsatz kommen müssen. Vor allem in der US-amerikanischen Versicherungsneuropsychologie werde standardmässig der Einsatz mehrerer BVTs empfohlen, um sicher zu gehen, dass keine falsch-negativen oder falsch-positiven Testergebnisse die Beurteilung verzerren würden.

Ungeklärt bleibe im Weiteren die Diskrepanz zwischen den vom Versicherten geklagten massiven kognitiven Beschwerden und den erhobenen Befunden. Die Gerichtsgutachter hätten nach Ansicht von Dr. C den Beschwerdevortrag des Versicherten nicht ausreichend gewürdigt.

Sodann erachtete es Dr. C als nicht nachvollziehbar, dass die Gerichtsgutachter trotz fehlender psychopathologischer Befunde und wesentlicher Funktionseinschränkungen lediglich eine 60%ige Arbeitsfähigkeit attestierten. Immerhin werde im Mini-ICF ein weitgehend unauffälliges Funktionsniveau beschrieben. Abgesehen davon sei unverständlich, weshalb die erheblichen Ressourcen nur bei behinderungsangepassten Tätigkeiten zum Tragen kommen sollten, zumal der Versicherte von Prof. Dr. F als eigen (sprich akzentuiert), nicht aber als gestört beurteilt werde. Charakterliche Besonderheiten seien denn auch prinzipiell steuerbar. Dr. C hält dafür, dass die Anforderungen bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit durchaus zu bewältigen gewesen seien, wenn auch nicht mit den gleichen, glänzenden Resultaten vergangener Jahre und mit geringerer Motivation und Befriedigung. Dr. C störte sich ferner am von Prof. Dr. F verwendeten Konstrukt der Vulnerabilität. Diese gehöre eher in den Bereich der Mutmassungen als zu den Fakten.

Zur Frage der Wissenschaftlichkeit des ERP-Verfahrens wies der RAD-Arzt erneut darauf hin, dass dieses Verfahren am neuropsychologischen Institut der Universität Y von Prof. M, einem international führenden ERP-Spezialisten, unterrichtet werde. Dieser hätte denn auch die vom Referenten und Dr. D dargelegten und interpretierten Untersuchungsbefunde durchgesehen und validiert.

Betreffend die von Prof. Dr. G geäusserte Kritik hielt Dr. C fest, dass der Gerichtsgutachter von veralteten wissenschaftlichen Positionen ausgehe. Er berücksichtige weder die essentielle, aktuelle nordamerikanische Forschungsliteratur noch die mittlerweile auch im deutschsprachigen Raum publizierten Standardwerke.

Schliesslich empfahl Dr. C der IV-Stelle, weiterhin auf seine bisherige Beurteilung abzustellen.

7.

Das Gerichtsgutachten von Prof. Dr. F erfüllt die Anforderungen an eine beweiskräftige Expertise (vgl. E. 2.5). Es handelt sich um ein für die streitigen Belange umfassendes Gutachten, das auf einer persönlichen psychiatrischen Untersuchung und einer neuropsychologischen Exploration mit verschiedenen Tests durch Prof. Dr. G beruht, die geklagten Beschwerden des Versicherten berücksichtigt und in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben wurde. Weiter leuchten die Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge und der medizinischen Situation ein. Schliesslich sind die Schlussfolgerungen von Prof. Dr. F begründet. Die beiden Gutachter äusserten sich auch dezidiert zum Stellenwert und zur Legitimation der vom RAD angewandten Untersuchungsmethoden im Rahmen einer Begutachtung im Sozialversicherungsverfahren, insbesondere zu den durchgeführten Hirnstrommessungen.

7.1.

Hervorzuheben gilt es, dass Prof. Dr. F nicht bloss eine Querschnittbeurteilung aufgrund seiner Untersuchungen vornahm, sondern darüber hinaus die Krankheitsgeschichte im Längsverlauf berücksichtigte. Im Rahmen der Anamnese holte er auch aktuelle Auskünfte des behandelnden Psychiaters ein. In seiner sorgfältigen und überzeugenden Beurteilung leitete er die gestellten Diagnosen nach den einschlägigen Kriterien her. Wie bereits Dr. C und Dr. B erhob der Gerichtsgutachter keine psychopathologischen Befunde, welche auf eine aktuell bestehende depressive Störung hinwiesen. Das Bestehen früherer depressiver Episoden stellte er genauso wenig in Frage wie der RAD-Arzt. Entsprechend ging auch Prof. Dr. F von einer rezidivierenden depressiven Störung, aktuell remittiert, aus. Die Beurteilung des Gerichtsgutachters unterscheidet sich aber in Bezug auf die übrigen Diagnosen erheblich von derjenigen des versicherungsinternen Arztes. Prof. Dr. F zeigte anschaulich auf, weshalb zwar keine Persönlichkeitsstörung nachgewiesen werden könne, dafür aber zumindest akzentuierte Persönlichkeitszüge mit zwanghaften, narzisstischen und ängstlich vermeidenden Anteilen vorliegen würden. Nicht weniger überzeugend ist die Herleitung und Begründung der Diagnose einer anderen gemischten Angststörung.

Es trifft zwar zu, dass auch der Gerichtsgutachter – entgegen dem Beschwerdevortrag des Versicherten – keine erheblichen kognitiven Beeinträchtigungen feststellen konnte. Auch die neuropsychologische Testung durch Prof. Dr. G ergab lediglich im Bereich der Aufmerksamkeits- und Konzentrationsleistung leichtgradige Beeinträchtigungen der kognitiven Leistungsfähigkeit. Im Gegensatz zum RAD-Arzt erklärten die Gerichtsgutachter die Diskrepanz zwischen Beschwerdeschilderung/Beschwerdevortrag und den objektivierbaren Befunden aber nicht gestützt auf eine Fülle durchgeführter BVTs, sondern mit dem Krankheitsbild des Versicherten. So betonte Prof. Dr. F, es mache gerade die Erkrankung des Exploranden aus, dass er im Intervall die depressiven Anteile eher verleugne und eher ängstlich vermeidend agiere und dabei die eigenen faktisch leichten kognitiven Defizite überschätze. Dies lasse sich durch die ausgeprägten Ängste auf dem Hintergrund der skizzierten Grundpersönlichkeit und bei depressivem Grundaffekt sehr gut plausibilisieren (vgl. E. 5.7.2). Der Gerichtsgutachter erklärte seine Schlussfolgerungen in anschaulicher und überzeugender Art und Weise. Es ist insofern auch nachvollziehbar, dass nicht mehrere BVTs zum Einsatz kamen. Letztlich liegen die anzuwendenden Untersuchungsmethoden denn auch im Ermessen der Gutachter.

7.2.

Anzufügen bleibt, dass die Gerichtsgutachter auch nachvollziehbar begründeten, weshalb sich der Einsatz der elektrophysiologischen Funktionsdiagnostik im Rahmen einer psychiatrischen Begutachtung zur Abklärung der Leistungsfähigkeit eines Versicherten kaum rechtfertigen lässt. Bei den streitigen Verfahren handelt es sich demnach nicht um wissenschaftlich anerkannte Methoden hinsichtlich der Diagnosestellung psychischer Gesundheitsstörungen oder hinsichtlich der Simulations-/Aggravationsdiagnostik. Die Gutachter anerkennen zwar, dass die Methoden als solche zur experimentell-wissenschaftlichen Gruppenuntersuchung bei entsprechenden Fragestellungen wissenschaftlich durchaus anerkannt seien. Auf Einzelfälle bezogen hätten sie klinisch indessen keine Aussagekraft. Die Verfahren seien im Rahmen einer Begutachtung in keiner Weise validiert. Es handle sich definitiv um nicht wissenschaftlich abgesicherte Methoden in der Einzelfallbegutachtung. In diesem Sinn äusserten sich bereits zuvor mehrere Fachärzte. So stellte etwa Dr. med. E. A. Seifritz, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, Direktor an der Psychiatrischen Universitätsklinik in Zürich, in den Medien fest, dass das streitige Verfahren für die Diagnose psychischer Störungen noch nicht validiert und damit nicht anerkannt sei. Laut Dr. Seifritz, der die Methode selber zu Forschungszwecken einsetzte, könne man vorderhand nur Aussagen über eine Gruppe von Patienten machen, nicht aber über einzelne Patienten (vgl. Bericht in der NZZ vom 18.1.2014; abrufbar unter http://www.nzz.ch/schweiz/ein-zusaetzliches-puzzleteil-fuer-die-iv-1.18223938 [besucht am 12.10.2016]). Auch die Ärztegesellschaft FMH tat ihre Meinung zu den Untersuchungsmethoden des RAD in der Schweizerischen Ärztezeitung (vgl. bf.Bel. 6) dezidiert kund. Es liessen sich noch zahlreiche weitere Meinungsäusserungen von Fachärzten anfügen, die sich seit Bekanntwerden des Einsatzes der genannten Methoden in der Invalidenversicherung in den Medien kritisch dazu äusserten. Dies lässt für das Gericht einzig den Schluss zu, dass es sich bei der von Dr. C angewandten elektrophysiologischen Funktionsdiagnostik um keine Untersuchungsart handelt, die im Rahmen einer psychiatrischen Begutachtung hinsichtlich der Diagnosestellung oder hinsichtlich der Simulations-/Aggravationsdiagnostik von Forschern und Praktikern der medizinischen Wissenschaft auf breiter Basis anerkannt ist (vgl. BGE 134 V 231 E. 5.1). Es ist nicht Aufgabe des Sozialversicherungsgerichts, medizinisch-wissenschaftliche Kontroversen zu klären. Aber es kann nach dem Gesagten festgestellt werden, dass ein breit abgestützter Konsens, welcher gestatten würde, die streitige Abklärungsmethode als zuverlässige Grundlage für die Beurteilung von psychischen und kognitiven Beschwerden oder zur Simulations-/Aggravationsdiagnostik zu betrachten, nicht oder jedenfalls noch nicht vorliegt. Damit lässt sich die Anwendung der QEEG- und ERP-Verfahren zur Abklärung eines Leistungsanspruchs in der Invalidenversicherung (vorerst) nicht rechtfertigen.

Zwar kann der IV-Stelle darin gefolgt werden, dass die elektrophysiologische Funktionsdiagnostik lediglich ein Puzzleteil auf dem Weg zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit der versicherten Personen darstellt und der Vergleich mit einem Lügendetektor nicht angebracht ist. Insofern ist die Bedeutung der streitigen Untersuchungsmethoden zu relativieren. Auch im hier zu beurteilenden Fall dürften für die abschliessende Beurteilung des RAD-Arztes in erster Linie die Ergebnisse der psychiatrischen Exploration in Kombination mit den BVTs ausschlaggebend gewesen sein. Den Hirnstrommessungen kamen aber immerhin bei der Diagnosestellung des Burn-out-Syndroms eine wesentliche Rolle zu, was nach dem Gesagten nicht haltbar ist. Auch die von Dr. C durchgeführten BVTs wurden von den Gerichtsgutachtern erheblich in Zweifel gezogen. Ob die einzelnen von Dr. C angewandten BVTs zuverlässige Ergebnisse lieferten oder überdimensioniert zur Anwendung gelangten, muss und kann vorliegend nicht entschieden werden. Fest steht jedenfalls, dass die elektrophysiologische Funktionsdiagnostik das Ergebnis der versicherungsinternen Abklärungen beeinflusste. Zudem lässt sich die Diagnose einer Aggravation gemäss den vorangehenden Erwägungen nicht aufrechterhalten. Damit vermag das RAD-Gutachten als Ganzes nicht zu überzeugen.

Soweit der Beschwerdeführer beantragt, den Gerichtsgutachtern sei der Protokolleintrag von Dr. C vom 31. August 2016 zur Stellungnahme zuzustellen, kann davon in antizipierter Beweiswürdigung abgesehen werden, da davon keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind.

7.3.

Was die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit betrifft, so legte Prof. Dr. F ebenfalls schlüssig und nachvollziehbar dar, dass sich die Relevanz der Erkrankung aus der geschilderten Komorbidität unter Berücksichtigung der vorliegenden Persönlichkeitsproblematik ergebe. Wenn der Gerichtsgutachter aufgrund der umfassenden Exploration und unter Berücksichtigung der Krankheitsentwicklung ab 2009 zum Schluss gelangte, eine Wiedereingliederung an dem angestammten oder an einem vergleichbaren kompetitiven Arbeitsplatz würde aufgrund der hohen Vulnerabilität und Rigidität des Exploranden mit hoher Wahrscheinlichkeit wiederum eine schwerer wiegende psychische Störung auslösen, so ist dies nicht zu beanstanden. Dies gilt umso mehr, als eine solche Wiederaufnahme der angestammten Tätigkeit in den Jahren 2011 und 2012 aus psychischen Gründen scheiterte (vgl. vorstehende E. 3.2). Ausserdem lässt sich das Krankheitsbild des Beschwerdeführers – entgegen der Ansicht von Dr. C – nicht auf eine Burn-out-Symptomatik reduzieren. Im Übrigen gilt auch als arbeitsunfähig, wer eine (bisherige) Tätigkeit nur unter der Gefahr, seinen Gesundheitszustand zu verschlimmern, weiterhin oder wiederum verrichten könnte (vgl. BGer-Urteil 9C_537/2011 vom 28.6.2012 E. 4.1 mit Hinweis). Die Einschätzung von Prof. Dr. F stimmt im Übrigen mit der Beurteilung von Prof. Dr. G überein, der den Versicherten aufgrund der testpsychologischen Ergebnisse für die bisherige Tätigkeit als nicht mehr arbeitsfähig erachtete.

Soweit Dr. C geltend macht, das von Prof. Dr. F widerholt bemühte Konstrukt der Vulnerabilität gehöre eher in den Bereich der Mutmassungen, erstaunt dies. Immerhin sprach er selber in seinem Gutachten von einer Vulnerabilität des Beschwerdeführers und definierte entsprechend eine qualitative Einschränkung bei der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit (vgl. E. 3.7.6). Der Gerichtsgutachter begründete das Vorliegen einer Vulnerabilität mit der Komorbidität und der Persönlichkeitsproblematik und schloss auf eine Unzumutbarkeit der bisherigen oder einer vergleichbaren Tätigkeit, was – wie bereits ausgeführt – in Würdigung der gesamten Umstände überzeugt.

7.4.

Hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit ist hingegen Folgendes festzustellen:

Prof. Dr. F wies zunächst auf die erheblichen vorhandenen Ressourcen des Beschwerdeführers hin. In der Folge hielt er dann aber fest, der Explorand sei mittlerweile knapp 4 Jahre aus dem Erwerbsleben ausgeschlossen, weshalb sicherlich eine gewisse Dekonditionierung eingetreten sei, die nach medizinischen Kriterien allenfalls ein vorübergehendes Hindernis darstelle. Vor dem Hintergrund der hohen Vulnerabilität zur Entwicklung ängstlich-depressiver Symptome sei der Explorand durch seine rigide-zwanghaft-perfektionistische Haltung selbst in einer leidensadaptierten Tätigkeit eingeschränkt. Dabei sei von einer Arbeitsfähigkeit von 60 % auszugehen, mit dem Potential einer Erhöhung auf 80 % über 2 Jahre.

Mit Blick auf die lediglich leicht ausgeprägte psychische Störung, die erheblichen vorhandenen Ressourcen, welche insbesondere aus der Beurteilung der Fähigkeiten gemäss Mini-ICF hervorgehen, sowie das insgesamt eher hohe private Aktivitätsniveau erscheint eine Einschränkung von zunächst 40 % selbst in einer angepassten Tätigkeit nicht nachvollziehbar. Es entsteht der Eindruck, dass bei der gutachterlichen Einschätzung die Dekonditionierung des Versicherten aufgrund der vierjährigen Arbeitsabstinenz sowie die schwierige Situation auf dem Arbeitsmarkt eine wesentliche Rolle spielten. Dies kann aus rechtlicher Sicht nicht ohne Weiteres übernommen werden. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer eine Arbeit ohne erhebliche Stressexposition und ohne überdurchschnittlich problematische Arbeitssettings sowie mit gut definiertem und begrenztem Pflichten- und Aufgabenbereich mit Hilfe eines verhaltenstherapeutischen Coachings im Rahmen der Reintegration (vgl. Gerichtsgutachten S. 41) und allfälliger Behandlung der Angstsymptomatik medizinisch-theoretisch – ohne zweijährige Anpassungszeit – in einem 80 %-Pensum zumutbar ist.

Dass das Gerichtsgutachten, was die medizinische Situation in einer Gesamtbetrachtung anbetrifft, grundsätzlich Beweiskraft hat, bedeutet nicht, dass auch die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit für die Belange der Invalidenversicherung ohne Weiteres massgeblich ist. Es handelt sich um eine Rechtsfrage, ob ein ärztlich diagnostiziertes Leiden den Rechtsbegriff der invalidisierenden Krankheit im Sinn von Art. 4 Abs. 1 IVG erfüllt (BGE 140 V 193 E. 3.1). Mit anderen Worten kann aus rechtlicher Sicht von einer medizinischen Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit abgewichen werden, ohne dass diese ihren Beweiswert verlöre (vgl. statt vieler BGer-Urteil 8C_283/2015 vom 24.6.2015 E. 3 mit Hinweisen).

8.

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass seine Restarbeitsfähigkeit auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt aufgrund seines fortgeschrittenen Alters nicht mehr verwertbar sei.

8.1.

Die Möglichkeit, die verbliebene Arbeitsfähigkeit auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt zu verwerten, hängt nicht zuletzt davon ab, welcher Zeitraum der versicherten Person für eine berufliche Tätigkeit und vor allem auch für einen allfälligen Berufswechsel noch zur Verfügung steht. Das Bundesgericht legt den massgeblichen Zeitpunkt, in welchem die Frage nach der Verwertbarkeit der (Rest-)Arbeitsfähigkeit bei vorgerücktem Alter beantwortet wird, verbindlich auf das Feststehen der medizinischen Zumutbarkeit einer (Teil-)Erwerbstätigkeit. Als ausgewiesen gilt die medizinische Zumutbarkeit einer (Teil-)Erwerbstätigkeit, sobald die medizinischen Unterlagen diesbezüglich eine zuverlässige Sachverhaltsfeststellung erlauben (vgl. BGE 138 V 457 E. 3.2 ff.; BGer-Urteil 9C_954/2012 vom 10.5.2013 E. 3.1.2).

8.2.

Vorliegend stand mit der Erstattung des Gerichtsgutachtens am 11. Juli 2016 fest, dass dem Beschwerdeführer angepasste Tätigkeiten weiterhin zumutbar sind. Zu jenem Zeitpunkt war der Versicherte 61 Jahre alt. Mit Blick auf die verbleibende Aktivitätsdauer von 4 Jahren, die erworbenen Berufs- und Fachkenntnisse des Versicherten und die nicht schwer ausgeprägte psychische Störung sowie vor dem Hintergrund der hohen Hürden, welche das Bundesgericht für die Unverwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit älterer Menschen entwickelt hat (für eine Übersicht vgl. BGer-Urteil 8C_345/2013 vom 10.9.2013 E. 4.3.2 mit Hinweisen), ist die Verwertung der Restarbeitsfähigkeit im hier zu beurteilenden Fall als zumutbar zu erachten.

9.

Im Folgenden sind die erwerblichen Auswirkungen der festgestellten Arbeits(un)fähigkeit zu prüfen.

9.1.

Für die Bestimmung des Invaliditätsgrades wird gemäss Art. 16 ATSG das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Valideneinkommen). Für den Einkommensvergleich sind rechtsprechungsgemäss die Verhältnisse im Zeitpunkt des allfälligen Rentenbeginns massgebend (BGE 128 V 174). Dazu sind Validen- und Invalideneinkommen auf zeitidentischer Grundlage zu erheben und allfällige rentenwirksame Änderungen der Vergleichseinkommen bis zum Erlass der strittigen Verfügung zu berücksichtigen (BGE 129 V 222).

9.2.

Der Beschwerdeführer meldete sich im November 2012 zum Leistungsbezug an. Der Rentenbeginn ist folglich auf Mai 2013 festzulegen (vgl. Art. 29 Abs. 1 IVG). Zu jenem Zeitpunkt war gemäss Gerichtsgutachten vom 11. Juli 2016 auch das Wartejahr nach Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG abgelaufen.

9.3.

9.3.1.

Bei der Ermittlung des Valideneinkommens ist entscheidend, was die versicherte Person im Zeitpunkt des frühestmöglichen Rentenbeginns nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Gesunde tatsächlich verdient hätte. Dabei wird in der Regel am zuletzt erzielten, nötigenfalls der Teuerung und der realen Einkommensentwicklung angepassten Verdienst angeknüpft, da es empirischer Erfahrung entspricht, dass die bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt worden wäre. Ausnahmen müssen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt sein. Die Einkommensermittlung hat so konkret wie möglich zu erfolgen. Es ist daher in der Regel vom letzten Lohn auszugehen, den die oder der Versicherte vor Eintritt der Gesundheitsschädigung erzielt hat (BGE 139 V 28 E. 3.3.2, 135 V 58 E. 3.1; BGer-Urteil 8C_194/2008 vom 16.9.2008 E. 4.1).

9.3.2.

Vor Eintritt der Invalidität arbeitete der Beschwerdeführer während vielen Jahren im Aussendienst, zuletzt vorwiegend in der Pharmabranche. Vom 1. Februar 2003 bis 31. Juli 2010 war er bei der N AG beschäftigt. Diese Arbeitsstelle verlor der Versicherte aus wirtschaftlichen Gründen (Firmenübernahme). Nachdem Bewerbungen für eine einfachere Tätigkeiten erfolglos geblieben waren, stieg der Beschwerdeführer wieder in der Pharmabranche ein. Vom 1. April 2011 bis 31. Januar 2013 (letzter effektiver Arbeitstag: 30.11.2012) arbeitete er für die O SA, wo er als Pharmareferent im Aussendienst beschäftigt war. Diese Arbeitsstelle verlor der Beschwerdeführer nach längerer krankheitsbedingter Abwesenheit. Es ist davon auszugehen, dass er im Zeitpunkt des Rentenbeginns als Gesunder weiterhin bei der O SA angestellt gewesen wäre. Folglich ist zur Berechnung des Valideneinkommens am zuletzt erzielten Einkommen anzuknüpfen. Da der Versicherte die Arbeitsstelle bei der N AG aus wirtschaftlichen Gründen verloren hatte, fällt der dort erzielte Lohn als Anknüpfungspunkt ausser Betracht.

Gemäss Arbeitgeberfragebogen vom 19. März 2013 verdiente der Versicherte im Jahr 2011 Fr. 122'000.--. Dasselbe Einkommen hätte er nach Angaben des Arbeitgebers ohne Gesundheitsschaden auch im Jahr 2013 erzielt. Gemäss den Lohnblättern kamen zu diesem Grundlohn noch weitere Lohnbestandteile wie Geschäftsfahrzeug, Umsatzprämie oder ein Beitrag an die Krankenkasse dazu. Dem IK-Auszug ist für das Jahr 2011 bei einer Erwerbsdauer von 9 Monaten ein Einkommen von Fr. 99'392.-- zu entnehmen, was einem Jahreseinkommen von Fr. 132'523.-- entspricht. Aus dem Lohnblatt 2012 ist sodann ein AHV-pflichtiger Lohn von Fr. 136'461.-- ersichtlich. Angepasst an die Nominallohnentwicklung (T1.10 Nominallohnindex, 2011-2015, Ziffer 19-21) resultiert damit für das Jahr 2013 ein Valideneinkommen von Fr. 137'787.--.

9.4.

9.4.1.

Für die Bestimmung des trotz Gesundheitsschädigung zumutbarerweise noch realisierbaren Einkommens (Invalideneinkommen) werden nach der Rechtsprechung die vom Bundesamt für Statistik (BFS) herausgegebenen Tabellenlöhne der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) beigezogen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die versicherte Person nach Eintritt des Gesundheitsschadens keine oder jedenfalls keine ihr an sich zumutbare neue Erwerbstätigkeit aufgenommen hat. In der Regel sind die Lohnverhältnisse im gesamten privaten Sektor massgebend (TA1, Total; BGE 139 V 592 E. 2.3 mit weiterem Hinweis).

9.4.2.

Die angefochtene Verfügung datiert vom 20. Oktober 2014. Erst kurze Zeit später am 22. Oktober 2014 erliess das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) das IV-Rundschreiben Nr. 328, mit welchem die Weisung erteilt wurde, die LSE-Tabellen 2012 ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung des Rundschreibens auf alle Fälle anzuwenden, in welchen ein Einkommensvergleich durchzuführen sei. Folglich sind für den hier zu beurteilenden Fall noch die Tabellen der LSE 2010 heranzuziehen (vgl. BGer-Urteile 9C_699/2015 vom 6.7.2016 E. 5.2, 9C_664/2015 vom 2.5.2016 E. 5.3 und 9C_526/2015 vom 11.9.2015 E. 3.2.2).

Da dem Versicherten gemäss den vorangehenden Erwägungen aufgrund seiner Einschränkungen die bisherige Tätigkeit wie auch andere höchst anspruchsvolle und schwierigste Arbeiten nicht mehr zumutbar sind, er aber über genügend Berufs- und Fachkenntnisse verfügt, auf die er in einer angepassten Tätigkeit zurückgreifen kann, ist vorliegend auf das Anforderungsniveau 3 abzustellen. Gemäss Tabelle TA1 der LSE 2010, Anforderungsniveau 3, betrug der Zentralwert für Männer im Total Fr. 5'909.--. Indexiert auf das Jahr 2013 (Nominallohnindex [T1.1.10 Männer], Total, 2010: 100, 2013: 102,5) und unter Berücksichtigung der durchschnittlichen betriebsüblichen Arbeitszeit von 41,7 Stunden pro Woche (Statistik der betriebsüblichen Arbeitszeit des BFS, im Internet abrufbar) sowie aufgerechnet auf ein Jahr ergibt sich ein Einkommen von Fr. 75'770.-- bzw. von Fr. 60'616.-- bei einem 80 %-Pensum.

9.4.3.

Es fragt sich sodann, ob vom Invalideneinkommen ein leidensbedingter Abzug vorzunehmen ist. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass persönliche und berufliche Merkmale, wie Art und Ausmass der Behinderung, Lebensalter, Dienstjahre, Nationalität oder Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Lohnhöhe haben können (BGE 124 V 321 E. 3b/aa) und je nach Ausprägung die versicherte Person deswegen die verbliebene Arbeitsfähigkeit auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten kann (BGE 126 V 75 E. 5b/aa a.E.). Der Abzug ist indessen nicht Ergebnis einer Addition einzelner Faktoren, sondern unter Würdigung der Umstände im Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen. Er darf 25 % nicht übersteigen (BGE 126 V 75 E. 5b/bb-cc; BGer-Urteile 9C_469/2008 vom 18.8.2008 E. 5.1 und 9C_418/2008 vom 17.9.2008 E. 3.3).

Der Beschwerdeführer machte pauschal einen Abzug von 20 % geltend, ohne dies näher zu begründen. Nach dem Gesagten sind dem Beschwerdeführer angepasste Tätigkeiten im Anforderungsniveau 3 immerhin zu 80 % zumutbar. Das Zumutbarkeitsprofil (vgl. E. 7.4) erscheint nicht derart eingeschränkt, als dass anzunehmen wäre, der Versicherte könne lediglich einen unterdurchschnittlichen Lohn erzielen. Auch die Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche müssen als IV-fremd ausser Acht gelassen werden. Dass der Versicherte, der auf eine lange und erfolgreiche Erwerbskarriere zurückblicken kann, aufgrund seines Lebensalters im Vergleich zum Zentralwert der anwendbaren LSE-Tabelle lohnmässig benachteiligt wäre, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Rechtsprechungsgemäss wird aber ein Abzug gewährt bei teilzeitlich erwerbstätigen Männern. Ob mit Blick auf die statistischen Werte (vgl. Tabelle "Monatlicher Bruttolohn [Zentralwert] nach Beschäftigungsgrad, beruflicher Stellung und Geschlecht" im Anhang des IV-Rundschreibens Nr. 328 vom 22.10.2014) daran festgehalten werden kann, erscheint fraglich. Selbst wenn aber ein maximal 5%iger Abzug gewährt würde, würde sich am Ergebnis nichts ändern, wie sich aus dem Folgenden ergibt.

9.5.

Die Gegenüberstellung des ermittelten hypothetischen Valideneinkommens von Fr. 137'787.-- und des Invalideneinkommens von Fr. 57'585.-- (60'616*0,95) ergibt einen Invaliditätsgrad von 58 %, was einem Anspruch auf eine halbe Rente entspricht (Art. 28 IVG). Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist insoweit gutzuheissen.

10.

Der Beschwerdeführer beantragt schliesslich die Durchführung von beruflichen Eingliederungsmassnahmen (Berufsberatung und Arbeitsvermittlung).

Die IV-Stelle verneinte in der angefochtenen Verfügung den Anspruch auf berufliche Massnahmen, weil sie davon ausging, dass keine dauerhafte gesundheitliche Einschränkung vorliege. Nachdem daran nicht festzuhalten ist, ist die Sache insoweit an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit sie den Anspruch auf berufliche Massnahmen neu prüft und die angezeigten Massnahmen unverzüglich an die Hand nimmt.

11.

Zusammenfassend ist gestützt auf das Gerichtsgutachten vom 11. Juli 2016 von einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit in der angestammten Tätigkeit auszugehen. Indessen ist abweichend vom Gutachten ohne Berücksichtigung einer Anpassungszeit von einer zumutbaren 80%igen Arbeitsfähigkeit in angepassten Tätigkeiten auszugehen. Bei einem Invaliditätsgrad von 58 % hat der Beschwerdeführer ab 1. Mai 2013 Anspruch auf eine halbe Rente. Ausserdem hat die IV-Stelle berufliche Massnahmen zu prüfen. Die angefochtene Verfügung ist folglich aufzuheben und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in diesem Sinn gutzuheissen.

12.

12.1.

Als Obsiegender hat der Beschwerdeführer Anspruch auf eine Parteientschädigung. Diese ist nach Art. 61 lit. g ATSG ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses zu bemessen. In Anwendung dieser Grundsätze rechtfertigt sich die Zusprechung einer Parteientschädigung von Fr. 4'000.-- (inkl. Auslagen und MWST).

12.2.

Abweichend von Art. 61 lit. a ATSG ist das Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Leistungen der Invalidenversicherung vor dem kantonalen Gericht kostenpflichtig. Die Gerichtskosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von Fr. 200.-- bis Fr. 1'000.-- festgelegt (Art. 69 Abs. 1bis IVG). Die Kosten sind auf Fr. 1'000.-- anzusetzen und entsprechend dem Verfahrensausgang der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen.

12.3.

Für die Übernahme der Kosten des Gerichtsgutachtens in der Höhe von Fr. 14'358.70 gilt Folgendes: Der Versicherungsträger übernimmt die Kosten der Abklärung, soweit er die Massnahmen angeordnet hat. Hat er keine Massnahmen angeordnet, so übernimmt er deren Kosten dennoch, wenn die Massnahmen für die Beurteilung des Anspruchs unerlässlich waren oder Bestandteil nachträglich zugesprochener Leistungen bilden (Art. 45 Abs. 1 ATSG; vgl. BGE 137 V 210 E. 4.4.2, 139 V 225 E. 5.2).

Ergänzend ist auf BGE 139 V 496 E. 4.4 hinzuweisen, in dem das Bundesgericht für den Bereich der Invalidenversicherung Kriterien aufgestellt hat, die bei der Beurteilung der Frage zu berücksichtigen sind, ob die Kosten eines Gerichtsgutachtens der Verwaltung auferlegt werden können. Es erwog, es müsse ein Zusammenhang bestehen zwischen dem Untersuchungsmangel seitens der Verwaltung und der Notwendigkeit, eine Gerichtsexpertise anzuordnen. Dies sei namentlich in folgenden Konstellationen der Fall: Wenn ein manifester Widerspruch zwischen den verschiedenen, aktenmässig belegten ärztlichen Auffassungen bestehe, ohne dass die Verwaltung diesen durch objektiv begründete Argumente entkräftet habe (BGE 135 V 465 E. 4.4; siehe auch BGE 139 V 225 E. 4 und BGer-Urteil 8C_71/2013 vom 27.6.2013 E. 2); wenn die Verwaltung zur Klärung der medizinischen Situation notwendige Aspekte unbeantwortet gelassen oder auf eine Expertise abgestellt habe, welche die Anforderungen an eine medizinische Beurteilungsgrundlage nicht erfülle (BGE 125 V 351 E. 3a). Wenn die Verwaltung dagegen den Untersuchungsgrundsatz respektiert und ihre Auffassung auf objektive konvergente Grundlagen oder auf die Ergebnisse einer rechtsgenüglichen Expertise gestützt habe, sei die Überbindung der Kosten des erstinstanzlichen Gerichtsgutachtens an sie nicht gerechtfertigt, aus welchen Gründen dies auch immer erfolge (zum Beispiel aufgrund der Einreichung neuer Arztberichte oder eines Privatgutachtens).

Vorliegend war die Einholung des Gerichtsgutachtens angezeigt, weil die IV-Stelle auf ein RAD-Gutachten abstellte, welchem Untersuchungsmethoden zu Grunde lagen, deren wissenschaftliche Anerkennung – zumindest für die Zwecke der Invalidenversicherung – höchst fraglich war. Wie das Gerichtsgutachten nun deutlich aufgezeigt hat, lässt sich der Einsatz von Hirnstrommessungen im Rahmen einer Einzelfallbeurteilung in der Invalidenversicherung nicht halten. Insofern waren die Bedenken des Gerichts gerechtfertigt. Die IV-Stelle hat somit auf ein RAD-Gutachten abgestellt, welches die Anforderungen an eine medizinische Beurteilungsgrundlage nicht erfüllt, was als Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes zu werten ist. Sie hat deshalb die Kosten des Gerichtsgutachtens in der Höhe von Fr. 14'358.70 zu tragen.