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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:2. Abteilung
Rechtsgebiet:Zivilrecht
Entscheiddatum:04.02.2016
Fallnummer:3B 15 58
LGVE:2016 II Nr. 11
Gesetzesartikel:Art. 125 ZGB.
Leitsatz:Beweismass und Anwendung der einstufig-konkreten Methode bei der Berechnung des gebührenden Unterhalts.
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:

Aus den Erwägungen:

4.1.5.1.
Das Gesetz schreibt keine bestimmte Methode für die Berechnung von Unterhaltsbeiträgen vor. Ausgangspunkt bildet der in der Ehe zuletzt vor Aufhebung des gemeinsamen Haushalts gelebte Standard, auf dessen Fortführung (zuzüglich trennungsbedingter Mehrkosten) beide Ehegatten bei genügenden finanziellen Mitteln Anspruch haben. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom gebührenden Unterhalt. Der Unterhaltsbeiträge beanspruchende Ehegatte muss sich sodann anrechnen lassen, was er mit eigenen Einkünften selbst zu decken in der Lage ist (sog. Eigenversorgungskapazität). Verbleibt eine Differenz, wird der Unterhaltsbeitrag nach Massgabe der Leistungsfähigkeit der unterhaltsverpflichteten Person festgesetzt. Der so ermittelte Beitrag stellt die Obergrenze des Unterhaltsanspruchs dar. Der jeweilige Bedarf ist deshalb grundsätzlich konkret, das heisst, anhand der tatsächlich getätigten Ausgaben zu ermitteln, da sich keine Vermögensumverteilung ergeben darf, indem dem unterhaltsberechtigten Ehegatten mehr Mittel zufliessen, als er zur Finanzierung seines gebührenden Unterhalts benötigt (BGE 140 III 485 E. 3.3, 115 II 424 E. 3; Bähler, Unterhaltsberechnungen – von der Methode zu den Franken, in: FamPra.ch 2015 S. 283). Zu diesem Zweck hat der unterhaltsberechtigte Ehegatte darzulegen und zu beweisen, dass er den geltend gemachten Betrag benötigt, um die vor der Trennung bestehende Lebenshaltung weiterzuführen, wobei er grundsätzlich jede einzelne Position seines Bedarfs substantiieren, beziffern und belegen muss, was zu umfangreichen Aufstellungen führen kann (Bähler, a.a.O., S. 306; Hausheer/Spycher, in: Handbuch des Unterhaltsrechts, 2. Aufl. 2010, N 02.65c). Während die behaupteten Tatsachen im Eheschutzverfahren lediglich glaubhaft zu machen sind, hat der Ehegatte, der im Scheidungsverfahren die Festsetzung von nachehelichem Unterhalt fordert, entsprechend der Regel von Art. 8 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB; SR 210) den (vollen) Beweis dafür zu erbringen, dass er den gebührenden Unterhalt trotz aller Anstrengungen nicht aus eigener Kraft zu decken vermag und dass der andere Ehegatte leistungsfähig ist. Allein aus dem Umstand, dass das Gericht die Behauptungen im Rahmen der provisorischen Regelung des Getrenntlebens als glaubhaft gemacht erachtete, folgt nicht, dass es auch im Streit um die dauerhafte Regelung der nachehelichen Verhältnisse davon überzeugt ist, dass die Anspruchsvoraussetzungen der ungenügenden Eigenversorgungskapazität des einen und der hinreichenden Leistungsfähigkeit des anderen Ehegatten hinreichend substantiiert und belegt sind (BGer-Urteile 5A_751/2014 vom 28.5.2015 E. 2.5.3 und 5A_148/2014 vom 8.7.2014 E. 4).

Bei einer einstufig-konkreten Berechnung des Bedarfs der Ehegatten geht es grundsätzlich nicht an, die persönlichen Bedürfnisse der Parteien pauschal mit dem – allenfalls erweiterten – Grundbetrag gemäss den betreibungsrechtlichen Richtlinien zu Art. 93 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG; SR 281.1) gleichzusetzen, mithin den Grundbetrag als Ausgangsbasis zu wählen und die weiteren Ausgabenpositionen hinzuzuaddieren; vielmehr ist auch diesbezüglich der konkret während der Ehe gepflegte Lebensstandard zu ermitteln. Daran vermag nichts zu ändern, dass beim Bedarf der Parteien hohe Beträge für Ferien, Freizeit und weitere Aktivitäten eingesetzt werden (BGE 140 III 485 E. 3.4 und 3.5.2; BGer-Urteil 5A_61/2015 vom 20.5.2015 E. 4.2.2). Ohne gewisse Pauschalierungen kommt die Bedarfsermittlung anhand der einstufig-konkreten Methode freilich nicht aus, da es nahezu unmöglich ist, für Auslagepositionen wie den täglichen Bedarf (Nahrung etc.) die entsprechenden Zahlen zu ermitteln, geschweige denn Belege beizubringen, und der Prozessstoff sonst ausufern würde (Bähler, a.a.O., S. 306; Hausheer/Spycher, a.a.O., N 02.65c). Allerdings gesteht das Bundesgericht den unteren Instanzen in diesem Kontext einen weiten Ermessensspielraum zu. So qualifiziert es den dem Betreibungsrecht entlehnten Grundbetrag als Richtgrösse, die zu modifizieren der Richter im Scheidungsverfahren bei entsprechenden Bedingungen durchaus befugt ist, sofern eine Partei zusätzliche Auslagen geltend macht und belegt (BGer-Urteil 5A_26/2009 vom 15.9.2009 E. 5.4.2). Zulässig ist es umgekehrt auch, den vom unterhaltsberechtigten Ehegatten geltend gemachten Bedarf insgesamt zu reduzieren, ohne einzelne Positionen zu kürzen und andere zu belassen. Ebenso wenig zu beanstanden ist schliesslich, wenn das Gericht in Ausübung seines Ermessens einerseits den Grundbetrag verdoppelt, andererseits aber gekoppelt an diese Erhöhung auf die Position "Unvorhergesehenes/Freibetrag" verzichtet (BGer-Urteil 5A_310/2010 vom 19.11.2010 E. 6.4.4).