Instanz: | Kantonsgericht |
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Abteilung: | 1. Abteilung |
Rechtsgebiet: | Strafprozessrecht |
Entscheiddatum: | 29.09.2016 |
Fallnummer: | 2N 16 73 |
LGVE: | 2016 I Nr. 13 |
Gesetzesartikel: | Art. 104 Abs. 1 StPO, Art. 105 Abs. 1 StPO, Art. 105 Abs. 2 StPO, Art. 115 StPO, Art. 118 Abs. 1 StPO, Art. 118 Abs. 2 StPO, Art. 120 Abs. 1 StPO, Art. 301 StPO, Art. 310 StPO, Art. 382 Abs. 1 StPO, Art. 396 StPO; Art. 90 SVG; Art. 30 StGB. |
Leitsatz: | Andere Verfahrensbeteiligte im Sinne von Art. 105 Abs. 1 StPO sind durch die Nichtanhandnahme einer Strafanzeige grundsätzlich nicht unmittelbar in ihren Rechten betroffen. Art. 105 Abs. 2 StPO vermittelt somit weder der anzeigestellenden noch der geschädigten Person per se das Recht, die Nichtanhandnahme einer Strafanzeige mit Beschwerde anzufechten. Etwas anderes kann sich ergeben, wenn durch die Nichtanhandnahme deren Grundrechte tangiert werden. |
Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. |
Entscheid: | Im Dezember 2014 ereignete sich eine Kollision zwischen dem vom Beschwerdeführer gelenkten Personenwagen und dem Beschuldigten, welcher als Fussgänger unterwegs war. Im Dezember 2015 zeigte der Beschwerdeführer den Beschuldigten wegen Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz an. Im April 2016 erliess die Staatsanwaltschaft eine Nichtanhandnahmeverfügung, wogegen der Beschwerdeführer mit Beschwerde ans Kantonsgericht gelangte. Aus den Erwägungen: 2. Zunächst ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer zur vorliegenden Beschwerde legitimiert ist. Das Vorliegen der Beschwerdelegitimation wird im Rahmen der Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition geprüft. Die in Art. 396 Abs. 1 StPO statuierte Pflicht, die Beschwerde zu begründen, erstreckt sich allerdings auch auf die Frage der Legitimation, sodass der Beschwerdeführer den Nachweis für einzelne Legitimationsvoraussetzungen selbst zu erbringen hat (Guidon, Die Beschwerde gemäss Schweizerischer Strafprozessordnung, Zürich 2011, N 216). 2.1. 2.1.2. 2.2. Die geschädigte Person gilt, solange sie sich nicht durch eine Erklärung im Sinne von Art. 118 Abs. 1 StPO zur Privatklägerschaft bzw. zur Partei konstituiert hat, als sog. "andere Verfahrensbeteiligte" (vgl. Art. 105 Abs. 1 lit. a StPO). Dasselbe gilt für den Anzeigesteller im Sinne von Art. 301 StPO (vgl. Art. 105 Abs. 1 lit. b StPO). Solange sich ein Geschädigter und/oder ein Anzeigesteller nicht zum Privatkläger konstituiert hat, ist er grundsätzlich nicht berechtigt, eine Nichtanhandnahme- oder eine Einstellungsverfügung anzufechten, weil ihm die dazu benötigte Parteistellung fehlt. Unter Berücksichtigung des Anspruchs auf rechtliches Gehörs gilt diese Einschränkung dann nicht, wenn der Geschädigte oder der Anzeigesteller noch keine Gelegenheit hatte, sich zur Frage der Konstituierung zu äussern, so etwa wenn eine Nichtanhandnahme ergeht, ohne dass die Strafverfolgungsbehörde den Geschädigten oder den Anzeigesteller zuvor auf sein Konstituierungsrecht aufmerksam gemacht hat (BGE 141 IV 380 E. 2.2; BGer-Urteil 1B_298/2012 vom 27.8.2012 E. 2.1 m.w.H.). In Ausnahmefällen, nämlich wenn der Geschädigte oder der Anzeigesteller durch eine Verfahrenshandlung in seinen Rechten unmittelbar betroffen wird, kann ihm, auch wenn er nicht Partei ist, eine (indirekte) Rechtsmittellegitimation zukommen. Diese Rechtsmittellegitimation schöpft er in diesem Fall aus Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 382 Abs. 1 StPO. Unmittelbare Betroffenheit im Sinne von Art. 105 Abs. 2 StPO liegt nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung etwa dann vor, wenn gegen eine Person Zwangsmassnahmen angeordnet, ihr eine Schweigepflicht oder Kosten auferlegt werden oder sonstwie in ihre Grundrechte eingegriffen wird. Bloss indirekte oder faktische Betroffenheit von einer Verfahrenshandlung genügt nicht (BGer-Urteile 6B_80/2013 vom 4.4.2013 E. 1.2, 1B_432/2011 vom 20.9.2012 E. 5; vgl. Lieber, in: Komm. zur Schweizerischen Strafprozessordnung [Hrsg. Donatsch/Hansjakob/Lieber], 2. Aufl. 2014, Art. 105 StPO N 12 ff.; Küffer, Basler Komm., 2. Aufl. 2014, Art. 105 StPO N 31). 2.3. Der anwaltliche vertretene Beschwerdeführer hat sich im zugrundeliegenden Verfahren somit ausdrücklich als "Anzeigesteller" bezeichnet und mehrmals auf die diesbezügliche Gesetzesbestimmung in Art. 301 StPO verwiesen. Damit hat er sich zur gewünschten Stellung im Verfahren klar geäussert und eine entsprechende Erklärung abgegeben, womit sich eine Nachfrage der Staatsanwaltschaft im Sinne von Art. 118 Abs. 4 StPO erübrigte. Letzteres gilt auch aufgrund des Umstands, dass dem Beschwerdeführer – wie noch zu zeigen sein wird (vgl. nachfolgend E. 2.3.3.) – mangels einer Geschädigtenstellung gar kein Recht zukam, sich als Privatkläger zu konstituieren. Der Beschwerdeführer ist somit – unbestrittenermassen – nicht Partei im Sinne von Art. 104 StPO und kann die Beschwerdelegitimation nicht direkt aus Art. 382 Abs. 1 StPO ableiten. 2.3.2. 2.3.2.2. 2.3.3. 2.3.3.1. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer seine angebliche körperliche oder psychische Beeinträchtigung und den Kausalzusammenhang zum Verkehrsunfall nie konkret darlegte und gegen den Beschuldigten auch keinen (rechtzeitigen) Strafantrag wegen Körperverletzung stellte, gilt nach der konstanten Rechtsprechung des Bundesgerichts die aufgrund eines Verkehrsunfalls in der körperlichen Integrität beeinträchtigte Person zwar als geschädigt bezüglich der Widerhandlung gegen den einschlägigen Straftatbestand des StGB, nicht jedoch betreffend die gleichzeitige begangene SVG-Widerhandlung (siehe BGE 138 IV 258 E. 3.1.3, 129 IV 95 E. 3.1; BGer-Urteile 1C_208/2011 vom 1.2.2012 E. 3.5.2, 6B_548/2009 vom 3.12.2009 E. 3.3). Dasselbe gilt – wie die Oberstaatsanwaltschaft zutreffend ausführt – für Sachschäden die infolge einer Verkehrsregelverletzung entstanden sind. Dies weil die angeblich verletzten Verkehrsregeln das Allgemeininteresse an einem geordneten und ungehinderten Verkehrsablauf und nicht etwa das Vermögen von potentiellen Unfallbeteiligten schützen (BGE 138 IV 258 E. 4; vgl. Mazzucchelli/Postizzi, Basler Komm., 2. Aufl. 2014, Art. 115 StPO N 88). Demzufolge ist der Beschwerdeführer durch die geltend gemachten SVG-Widerhandlungen des Beschuldigten, selbst wenn der Tatvorwurf zutreffend wäre, nicht unmittelbar in seinen Individualrechtsgütern verletzt worden. 2.4 |