Instanz: | Kantonsgericht |
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Abteilung: | 1. Abteilung |
Rechtsgebiet: | URG (Urheberrecht) |
Entscheiddatum: | 14.11.2016 |
Fallnummer: | 1A 16 8 |
LGVE: | 2016 I Nr. 14 |
Gesetzesartikel: | Art. 19 URG, Art. 20 URG, Art. 40 ff. URG, Art. 46 URG, Art. 59 Abs. 3 URG. |
Leitsatz: | Als vergütungspflichtige Nutzer gelten gemäss Ziff. 6.3.3 der Gemeinsamen Tarife 8/VI und 9/VI unter anderem Rechtsanwälte und Notare, d.h. Vertreter sogenannt freier Berufe. Dabei spielt keine Rolle, ob ein Anwalt selbständig tätig oder angestellt ist. Im ersten Fall ist er als "Firmeninhaber" und im zweiten Fall als Angestellter im eigentlichen Sinne für die Bestimmung der Anzahl Mitarbeitenden bzw. der "Anzahl Angestellten" mitzuzählen. |
Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. |
Entscheid: | Die Klägerin verklagte Rechtsanwalt A auf Zahlung von Urheberrechtsgebühren. In der Klageantwort verlangte Rechtsanwalt A, es sei zum einen festzustellen, dass keine gesetzliche Grundlage im Urheberrecht bestehe, den selbständigen Rechtsanwalt für die Erhebung von Urheberrechtsgebühren den Angestellten gleichzusetzen, und zum anderen, dass er selbständigerwerbender Anwalt sei, seit Jahren nur eine Angestellte (Sekretärin) beschäftige und somit nicht unter den Fotokopier-Tarif 8 (Anzahl Angestellte 2-5) und auch nicht unter den betriebsinternen Netzwerkvergütungstarif 9 (Anzahl Angestellte 2-5) falle. Die eingeklagte Forderung sei demnach wegen fehlender Gesetzesgrundlage abzuweisen. Aus den Erwägungen: 4. Die Verwertungsgesellschaften stellen für die von ihnen geforderten Vergütungen Tarife auf und verhandeln über die Gestaltung der einzelnen Tarife mit den massgebenden Nutzerverbänden. Sie legen die Tarife der Schiedskommission zur Genehmigung vor und veröffentlichen die genehmigten Tarife (Art. 46 URG). Rechtskräftig genehmigte Tarife sind für die Gerichte verbindlich (Art. 59 Abs. 3 URG). 4.2. 4.3. GT 8/VI befasst sich für den Dienstleistungsbereich mit dem Herstellen von Vervielfältigungen auf Papier mittels dazu geeigneter Geräte (Fotokopiergeräte, Telefaxgeräte, Multifunktionsgeräte, Drucker usw.) ab einer Papier- oder einer digitalen Vorlage. Unter GT 9/VI fallen demgegenüber das digitale Vervielfältigen und Verbreiten in betriebsinternen Netzwerken mittels dazu geeigneter technischer Einrichtungen (Terminals, Workstations, Computerbildschirme, Scannern oder ähnlichen Geräten). (…) Die Klägerin ist als Verwertungsgesellschaft aufgrund des in Art. 45 Abs. 2 URG enthaltenen Gleichbehandlungsgrundsatzes verpflichtet, die im Tarif festgesetzten Bedingungen gegenüber allen Nutzern gleichermassen zur Anwendung zu bringen (Brem/Salvadé/Wild, in: Urheberrechtsgesetz [Hrsg. Müller/ Oertli], 2. Aufl. 2012, Art. 46 URG N 5). 4.4. Die Klägerin ging bei der Rechnungsstellung jeweils von zwei Angestellten aus. Streitpunkt zwischen den Parteien bildet die Frage, ob der Beklagte selbst als selbständiger Rechtsanwalt neben seiner Sekretärin ebenfalls als "Angestellter" gilt oder nicht. 4.4.2. 4.4.3. Dem Beklagten ist sodann zuzugestehen, dass ein selbständiger Anwalt grundsätzlich nicht als "Angestellter" im eigentlichen Sinn zu gelten hat. Kein Zweifel kann im Gegenzug daran bestehen, dass er gemäss Wortlaut der verhandelten, genehmigten und damit verbindlichen GT-Regelungen als "Firmeninhaber" ebenfalls mitzuzählen ist. Unter der "Anzahl Angestellten" ist gemäss Wortlaut von Ziff. 3.4 GT 8/VI und Ziff. 2.9 GT 9/VI die Anzahl der Mitarbeitenden in Stellenprozenten eines Betriebs zu verstehen, wobei der im Betrieb tätige Firmeninhaber mitzuzählen ist. Diese Klarstellung betreffend Firmeninhaber betrifft den allgemeinen Teil aller Teiltarife (vgl. Beschluss der eidg. Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten vom 4.12.2006 betreffend den GT 9 S. 4) und steht im Einklang mit dem gemäss Lehre und Rechtsprechung weit zu fassenden Personenkreis. Als vergütungspflichtige Nutzer gelten gemäss Ziff. 6.3.3 GT 8/VI und GT 9/VI unter anderem Rechtsanwälte und Notare, d.h. Vertreter sogenannt freier Berufe. Dabei spielt keine Rolle, ob ein Anwalt, wie vorliegend der Beklagte, selbständig tätig ist oder ob er, wie heute vermehrt üblich, bei einer als Aktiengesellschaft organisierten Anwaltskanzlei angestellt ist. Im ersten Fall ist er als "Firmeninhaber" und im zweiten Fall als Angestellter im eigentlichen Sinne für die Bestimmung der Anzahl Mitarbeitenden bzw. der "Anzahl Angestellten" mitzuzählen. 4.4.4. Urheber, beispielsweise wissenschaftliche Autoren, haben das ausschliessliche Recht am eigenen Werk. Nutzt beispielsweise ein Anwalt und/oder ein Steuerexperte wie der Beklagte solche urheberrechtlich geschützte Werke, hat der Urheber Anspruch auf eine angemessene Entschädigung (Art. 20 Abs. 2 URG, vgl. oben E. 4.1 ff.). Hauptaufgabe der Klägerin ist es, für ihre Mitglieder Vergütungen einzuziehen und diese Entschädigungen nach festen, d.h. verhandelten, genehmigten und verbindlichen Regeln einzuziehen (vgl. auch dazu oben E. 4.1 ff.; BGE 125 III 141 E. 4a). Weil sich mit vertretbarem Aufwand nicht erfassen lässt, ob und in welchem Umfang die einzelnen Betreiber von Kopiergeräten urheberrechtlich geschützte Werke vervielfältigen, tritt an die Stelle der genauen Erfassung eine auf Tarife gestützte schematische Festlegung der Vergütungsansprüche. Die Tarifansätze beruhen auf denjenigen Annahmen über die durchschnittlichen Mengen vergütungspflichtiger Kopien, die in den Verhandlungen zwischen Verwertungsgesellschaften und Nutzerverbänden und im Genehmigungsverfahren vor der Schiedskommission als sachgerecht und angemessen anerkannt worden sind. Von diesem Durchschnittswert wird die tatsächliche Zahl der vergütungspflichtigen Kopien im Einzelfall mehr oder weniger stark abweichen. Solche Abweichungen haben bei der Anwendung des Tarifs indessen ausser Betracht zu bleiben (BGE 125 III 141 E. 4b). Aus der Sicht des vergütungsberechtigten Urhebers (vgl. BGE 133 II 263 E. 7.2.3) spielt es keine Rolle, ob ein vergütungspflichtiger Nutzer selbständig tätig ist oder nicht, und auch nicht, in welcher rechtlichen Form ein Betrieb organisiert ist. Wer, wie vorliegend der Beklagte, ein Kopiergerät bzw. ein betriebsinternes Netzwerk betreibt und von einem Pauschaltarif erfasst wird, ist ohne Rücksicht auf die Zahl der tatsächlich angefertigten Kopien bzw. Vervielfältigungen aus geschützten Werken vergütungspflichtig, dafür aber auch unabhängig vom Betrag der zu leistenden Vergütungen uneingeschränkt nutzungsberechtigt (BGE 125 III 141 E. 4b). Vorliegend wäre der Beklagte als selbständiger Anwalt (allerdings zu geringeren Ansätzen) auch dann vergütungspflichtig, wenn er keine Sekretärin beschäftigen würde, d.h. wenn er sein Büro bzw. seine Einzelfirma völlig allein betreiben würde (Ziff. 6.3.3 GT 8/VI). Da er aber unbestrittenermassen eine Sekretärin beschäftigt und da gemäss den GT für die Anwendung der Vergütungspauschalen die Anzahl "Angestellter", verstanden als Anzahl aller Mitarbeitenden inklusive des Firmeninhabers, massgebend ist und nach dem Gesagten massgebend sein darf und muss, ist die Klägerin in ihren Rechnungsstellungen zu Recht von zwei "Angestellten" im Sinne der einschlägigen Regelungen ausgegangen. |