Instanz: | Kantonsgericht |
---|---|
Abteilung: | 1. Abteilung |
Rechtsgebiet: | Schuldbetreibungs- und Konkursrecht |
Entscheiddatum: | 27.05.2016 |
Fallnummer: | 2C 16 12 |
LGVE: | 2016 I Nr. 15 |
Gesetzesartikel: | Art. 221 Abs. 1 lit. a ZPO; Art. 82 Abs. 1 SchKG. |
Leitsatz: | Wenn aufgrund der Parteibezeichnung unklar ist, wer am Recht steht, ist auf ein Rechtsöffnungsgesuch nicht einzutreten (E. 4.1 und 4.2). Verlangt ein Erbe Rechtsöffnung für die Forderung des Erblassers gegenüber einem Miterben, muss er im Rahmen der Rechtsöffnung die Zession von der Erbengemeinschaft an ihn urkundlich nachweisen (E. 4.3). |
Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. |
Entscheid: | Die "Erbengemeinschaft A, noch bestehend aus B, vertreten durch die Willensvollstreckerin C AG, und diese wiederum vertreten durch Rechtsanwalt D", ersuchte gegenüber E (Gesuchsgegner und Bruder von B) um provisorische Rechtsöffnung für eine Forderung von Fr. 380'000.-- des Erblassers A, d.h. des Vaters von B und E. Der Einzelrichter des Bezirksgerichts erteilte B gegenüber E provisorische Rechtsöffnung für Fr. 380'000.--. Die von E dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Kantonsgericht gutgeheissen. 3. 3.2. 3.3. 4. 4.1. 4.2. Zahlungsbefehl und Rechtsöffnungsgesuch nennen an erster Stelle die Erbengemeinschaft A, noch bestehend aus B. Da eine Erbengemeinschaft definitionsgemäss aus mindestens zwei Erben besteht, ist die Gläubigerbezeichnung "Erbengemeinschaft, noch bestehend aus B" ein Widerspruch in sich selbst. Entweder sind noch mehrere Erben vorhanden, dann müssten diese einzeln genannt werden, oder die Erbengemeinschaft ist aufgelöst, dann müsste der handelnde Erbe im eigenen Namen tätig werden. Indessen findet sich in den Akten keine Vollmacht von B. Die vom Anwalt der gesuchstellenden Partei aufgelegte Vollmacht ist von der Willensvollstreckerin C AG unterzeichnet. Ist für eine Erbschaft ein Willensvollstrecker eingesetzt, ist im Rahmen seiner Befugnisse jedes eigene Handeln der Erben in Nachlasssachen ausgeschlossen. Der Willensvollstrecker handelt aus eigenem Recht frei und selbstständig. Er kann alle Rechtshandlungen vornehmen, die zur Erfüllung seiner Aufgabe erforderlich sind; die Beschränkungen von Art. 396 Abs. 3 des Obligationenrechts (OR; SR 220) gelten für ihn nicht (Karrer/Vogt/Leu, Basler Komm., 4. Aufl. 2011, Vor Art. 517-518 ZGB N 8 und Art. 518 ZGB N 14). Der Willensvollstrecker prozessiert als sog. Prozessstandschafter. Obwohl der Prozessstandschafter nicht Träger des materiellen Rechts ist, führt er den Prozess anstelle des materiell Berechtigten in eigenem Namen als Partei. Nicht das materielle Recht ist auf ihn übergegangen, sondern die Prozessführungsbefugnis. Formelle Parteistellung und Sachlegitimation fallen bei der Prozessstandschaft notwendigerweise auseinander (Schwander, in: Komm. zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [Hrsg. Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger], 3. Aufl. 2016, Art. 83 ZPO N 15). Die C AG hat nicht in eigenem Namen als Prozessstandschafterin gehandelt, sondern sich als Vertreterin der Erbengemeinschaft bezeichnet, die nur noch aus einem Erben bestehe. In den Rechtsschriften und Unterlagen finden sich keine Hinweise, inwiefern der C AG nach dem Auskauf aller Geschwister durch B, der gemäss unbestrittener Darstellung des Gesuchsgegners spätestens per 20. November 2014 erfolgte, noch Befugnisse als Willensvollstreckerin verblieben sein sollen. Wie erwähnt kann es eine aus einem Erben bestehende Erbengemeinschaft gar nicht geben. Die C AG ist auch nicht als Vertreterin des Erben B aufgetreten, sondern explizit als Vertreterin der Erbengemeinschaft. Bei dieser Sachlage ist unklar, wer genau auf Gläubigerseite am Recht steht. Auf das Rechtsöffnungsgesuch kann daher mangels Schlüssigkeit der Parteibezeichnung nicht eingetreten werden. 4.3. Der Rechtsöffnung beantragende Gläubiger muss identisch sein mit dem in der Schuldanerkennung und auf dem Zahlungsbefehl genannten Gläubiger und als natürliche oder juristische Person identifizierbar sein (Staehelin, Basler Komm., 2. Aufl. 2010, Art. 84 SchKG N 50 und Art. 82 SchKG N 67 f.). Ist die Berechtigung nicht lückenlos durch Urkunden ausgewiesen, ergibt sie sich nicht eindeutig aus dem Gesetz oder bestehen Zweifel über die Identität des Betreibenden mit dem Berechtigten, ist das Begehren abzuweisen (Stücheli, Die Rechtsöffnung, Diss. Zürich 2000, S. 169 f.). Die Frage, ob der Betreibungsgläubiger der wirkliche Gläubiger und der Betreibungsschuldner der wirkliche Schuldner sei, betrifft die Identität des sich aus der Schuldanerkennung ergebenden Berechtigten als Betreibenden und Verpflichteten als Betriebenen und damit die nach Zivilrecht zu beurteilenden Sachlegitimation, d.h. die Aktivlegitimation des Betreibungsgläubigers und die Passivlegitimation des Betreibungsschuldners. Die Sachlegitimation ist keine Prozessvoraussetzung, sondern Bedingung der materiellen Begründetheit der Rechtsbehauptung (BGer-Urteil 5A_872/2012 vom 22.2.2013 E. 1.2.3). Als Forderungsurkunde nennt der Zahlungsbefehl "Vereinbarung vom 14./29.05.2012". Diese Vereinbarung wurde zwischen dem Erblasser A und dem Gesuchsgegner abgeschlossen. Auch das von der gesuchstellenden Partei als Schuldanerkennung aufgelegte Schreiben vom 24. April 2014 richtete sich an den Erblasser A. Es geht somit um eine allenfalls gegenüber dem Erblasser bestehende Schuld bzw. Schuldanerkennung. Falls dem Erblasser gegenüber dem Gesuchsgegner eine Forderung zustand, ging diese Forderung mit dem Tod des Erblassers von Gesetzes wegen auf die Erbengemeinschaft als Gesamthandschaft über. Wechselt der Gläubiger nach Ausstellung der Schuldanerkennung, so kann auch der neue Gläubiger Rechtsöffnung verlangen, sofern er die Zession oder Subrogation urkundlich nachweisen kann. Die Zession muss dabei als Bestandteil des Titels vorgelegt werden, was vom Richter von Amtes wegen überprüft werden muss (Staehelin, a.a.O., Art. 82 SchKG N 73). Der Erbe hat den Erbanfall und seine alleinige Erbenstellung oder die Zusprechung der betreffenden Forderung durch Erbteilung mittels Urkunde darzutun (Stücheli, a.a.O., S. 174). Da geltend gemacht wurde, die Erbengemeinschaft bestehe noch aus B, bei den Akten aber keine Urkunde liegt, die den Forderungsübergang von der Erbengemeinschaft auf den Erben B belegt, wäre das Rechtsöffnungsgesuch mangels Nachweises des Forderungsübergangs auch im Eintretensfall abzuweisen gewesen. 5. |