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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:1. Abteilung
Rechtsgebiet:Strafrecht
Entscheiddatum:23.11.2016
Fallnummer:2N 16 119
LGVE:2016 I Nr. 16
Gesetzesartikel:Art. 260bis Abs. 1 lit. d StGB; Art. 319 Abs. 1 lit. b StPO.
Leitsatz:Der Straftatbestand der strafbaren Vorbereitungshandlungen gemäss Art. 260bis StGB ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung restriktiv auszulegen. Ein wiederholtes Ausfragen über einen in Betracht gezogenen Tatort eines möglichen Raubs vermag den Tatbestand im Regelfall nicht zu erfüllen.
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:

A – ein ehemaliger Arbeitnehmer der C GmbH – gelangte wiederholt an B und stellte ihm Fragen über die organisatorischen Belange im D-Laden der C GmbH, wo B arbeitete. Die C GmbH stellte daraufhin Strafanzeige gegen A (nachfolgend: Beschuldigter) wegen strafbaren Vorbereitungshandlungen zu Raub im Sinne von Art. 260bis des Schweizerischen Strafgesetzbuchs (StGB; SR 311.0). Die aufgenommene Strafuntersuchung stellte die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 22. Juli 2016 ein. Dagegen erhob die C GmbH (nachfolgend: Beschwerdeführerin) Beschwerde an das Kantonsgericht.

Aus den Erwägungen:

4.2.
Gemäss Art. 260bis Abs. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer planmässig konkrete technische oder organisatorische Vorkehrungen trifft, deren Art und Umfang zeigen, dass er sich anschickt, eine der folgenden strafbaren Handlungen auszuführen: vorsätzliche Tötung; Mord; schwere Körperverletzung; Verstümmelung weiblicher Genitalien; Raub; Freiheitsberaubung und Entführung; Geiselnahme; Brandstiftung; Völkermord; Verbrechen gegen die Menschlichkeit; Kriegsverbrechen.

Das Bundesgericht hatte in einem Grundsatzentscheid von 1985 Gelegenheit, den objektiven Tatbestand dieser Bestimmung, die anlässlich der Teilrevision von 1981 von den eidgenössischen Räten in das StGB aufgenommen wurde, zu konkretisieren. Es führte aus, Wortlaut und Entstehungsgeschichte würden deutlich machen, dass der Gesetzgeber die Strafbarkeit von Vorbereitungshandlungen zu bestimmten Kapitalverbrechen mit einer Reihe einschränkender Kautelen umgeben habe, um der Verfolgung blosser deliktischer Gesinnung oder Absicht vorzubeugen. Er habe – allgemein ausgedrückt – ihre Strafbarkeit nur vorgesehen, wo äussere Akte des Täters auf eine solche Intensität des deliktischen Willens schliessen liessen, dass eine Ausführung der Straftat normalerweise bevorstehe (BGE 111 IV 155 E. 2a m.w.H.).

Gemäss Praxis und Lehre wird mit der Formel "sich zur Ausführung anschicken" zum Ausdruck gebracht, dass nicht jede entfernte und in ihrer Zielrichtung noch vage Vorbereitungshandlung den Tatbestand erfüllt. Die Vorbereitungshandlungen müssen vielmehr nach ihrer Art und ihrem Umfang so weit gediehen sein, dass vernünftigerweise angenommen werden kann, der Täter werde seine damit manifestierte Deliktsabsicht ohne Weiteres in Richtung der Ausführung einer Zieltat von Art. 260bis StGB weiterverfolgen. Nicht verlangt ist, dass die Vorkehren auf ein nach Ort, Zeit und Begehungsweise individualisiertes Delikt hindeuten. Der Täter muss mit anderen Worten zumindest psychologisch an der Schwelle der Tatausführung angelangt sein, was aber nicht voraussetzt, dass er auch materiell im Begriff ist, zur Ausführung der Tat anzusetzen. Unverbindliches Gerede, Gedankenspielereien und – auch konkrete – Angebereien werden vom Tatbestand hingegen nicht erfasst (BGE 111 IV 155 E. 2b m.w.H.; Engler, Basler Komm., 3. Aufl. 2013, Art. 260bis StGB N 11; Stratenwerth/Bommer, Schweizerisches Strafrecht, Bes. Teil Bd. II, 7. Aufl. 2013, § 40 N 9; Trechsel/Vest, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskomm. [Hrsg. Trechsel/Pieth], 2. Aufl. 2013, Art. 260bis StGB N 5).

5.
5.1.
(Zusammenfassung der vorhandenen Beweismittel)

5.2.
Aus den Einvernahmen geht hervor, dass zwischen dem Beschuldigten und B das Thema eines Raubüberfalls im D-Laden der Beschwerdeführerin offenbar zur Sprache kam und dass dabei auch konkret über eine mögliche Vorgehensweise bzw. über einen Tatplan gesprochen wurde. Fraglich und zwischen den Parteien des Beschwerdeverfahrens umstritten ist, ob dieses Gespräch ernst gemeint war.

Wie die Oberstaatsanwaltschaft zutreffend ausführt, erwecken die Aussagen sowie das Aussageverhalten von B in dieser Hinsicht Zweifel. Zunächst fällt auf, dass dieser den Tatplan im anfänglichen Schreiben nicht erwähnte und sich erst anlässlich seiner Befragung wieder daran zu erinnern vermochte. Zudem führte B selber aus, er habe gemeint, die Aussagen des Beschuldigten seien als Witz gemeint gewesen. Er räumt sogar ein, dass er dem Beschuldigten gesagt haben könnte, dass er beim Raub mitmache. Hinsichtlich dieses Gesprächs kann daher – entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin – nicht der Schluss gezogen werden, die Behauptung des Beschuldigten, er habe nur Spass gemacht, sei "zweifellos" eine "reine Schutzbehauptung".

Der Beschuldigte bestreitet nicht, B bestimmte Fragen zum Betrieb der Beschwerdeführerin gestellt und ihn auch dazu aufgefordert zu haben, von Mitarbeitenden Fotos zu erstellen. Allerdings vermochte er glaubhaft darzulegen, dass diese Fragen im Zusammenhang mit dem angehobenen Forderungsprozess gegen die Beschwerdeführerin standen. Nur soweit B angibt, der Beschuldigte habe ihm auch Fragen zum Schlüssel und zu den Kameras im D-Laden gestellt, steht Aussage gegen Aussage. Angesichts der Tatsache, dass der Beschuldigte freimütig einräumte, als Scherz Raub- und Diebstahlpläne gegen die Beschwerdeführerin geäussert zu haben, erscheint seine konstante Bestreitung, Fragen betreffend Schlüssel und Kamera gestellt zu haben, nicht unglaubhafter als die Vorhaltungen von B. Das Beweiswürdigungsergebnis der Staatsanwaltschaft, es könne nicht rechtsgenüglich erstellt werden, welche Fragen von Seiten des Beschuldigten an B gestellt worden seien, ist daher nicht zu beanstanden.

5.3.
Selbst wenn man zulasten des Beschuldigten davon ausginge, er habe den Plan gehegt, den D-Laden der Beschwerdeführerin auszurauben und zu diesem Zweck die bestrittenen Fragen – zum Schlüssel und zur Kamera – tatsächlich gestellt, könnte darin kein strafbares Verhalten erblickt werden. Der objektive Tatbestand von Art. 260bis Abs. 1 lit. d StGB – wonach Art und Umfang der planmässig getroffenen Vorkehrungen zeigen müssen, dass der Täter sich anschickt, einen Raub auszuführen – wäre selbst bei einem solchen Beweiswürdigungsergebnis nicht erfüllt. Einerseits deuten die angeblich gestellten Fragen nicht unzweifelhaft auf einen geplanten Raub hin, sondern könnten genauso gut der Vorbereitung eines Diebstahls dienen. Es fehlte den angeblichen Fragen somit an der tatbestandlich geforderten Konkretheit hinsichtlich einer Zieltat von Art. 260bis Abs. 1 StGB. Zudem vermöchten solche Fragen – sofern sie tatsächlich gestellt worden wären – die zeitlich nahestehende Begehung einer Zieltat von Art. 260bis StGB nicht hinreichend eindeutig zu indizieren, unbesehen davon, wie oft sie wiederholt worden wären. Auch wenn das wiederholte Ausfragen über einen möglichen Tatort "intensiv" erscheinen mag, könnte nicht von Vorkehrungen gesprochen werden, die eine Intensität erreicht haben, welche darauf schliessen lässt, dass die Begehung der Tat vernünftigerweise bevorsteht. Wer bezüglich der Beschaffenheit eines möglichen Tatorts Fragen stellt, steht regelmässig nicht in einem Stadium, bei dem die Straftat üblicherweise bevorsteht. Denn ob überhaupt eine beabsichtigte Straftat ausgeführt wird, welche (technischen) Vorkehrungen dafür sonst noch erforderlich sind und wie sie (in organisatorischer Hinsicht) durchgeführt werden soll, hängt wesentlich von der Beantwortung solcher Fragen über den ins Auge gefassten Tatort ab. Mit anderen Worten könnte nicht davon gesprochen werden, der Beschuldigte habe durch seine angebliche Fragerei Vorkehrungen getroffen, von denen vernünftigerweise angenommen werden muss, er werde seine damit manifestierte Deliktsabsicht ohne Weiteres in Richtung der Ausführung des Raubs weiterverfolgen. Die Einstellung des Verfahrens ist daher auch bezüglich der mangelnden Tatbestandsmässigkeit im Sinne von Art. 319 Abs. 1 lit. b der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO; SR 312.0) nicht zu beanstanden.