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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:1. Abteilung
Rechtsgebiet:Strafrecht
Entscheiddatum:07.12.2016
Fallnummer:2N 16 118
LGVE:2016 I Nr. 21
Gesetzesartikel:Art. 47 Abs. 1 lit. a BankG; Art. 102 StGB, Art. 321 StGB.
Leitsatz:Voraussetzungen einer straffreien Offenbarung von Bankkundendaten an Beauftragte einer Bank im Sinne von Art. 47 Abs. 1 lit. a BankG.
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:

A (nachfolgend: Beschwerdeführer) wurde als Kunde der Bank D AG schriftlich darüber informiert, dass er möglicherweise einen Anruf des Marktforschungsinstituts E AG erhalten werde, welches von der Bank D AG zwecks Optimierung der Kundenbeziehungen mit einer telefonischen Erhebung bei ihren Kunden beauftragt worden sei. A zeigte die unterzeichnenden Mitarbeiter der Bank, B und C (nachstehend: Beschwerdegegner 1 und 2), sowie die Bank D AG der Verletzung des Bankkundengeheimnisses im Sinne von Art. 47 des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen (BankG; SR 952.0) an. Die Staatsanwaltschaft verfügte Nichtanhandnahme, wogegen der Beschwerdeführer Beschwerde an das Kantonsgericht erhob.

Aus den Erwägungen:

5.
5.1.
Den Tatbestand von Art. 47 Abs. 1 lit. a BankG erfüllt, wer ein Geheimnis offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als Organ, Angestellter, Beauftragter oder Liquidator einer Bank, als Organ oder Angestellter einer Prüfgesellschaft anvertraut worden ist oder das er in dieser Eigenschaft wahrgenommen hat.

Im Unterschied zum strafrechtlich geschützten Berufsgeheimnis von Art. 321 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs (StGB; SR 311.0) unterstehen dem Bankkundengeheimnis im Sinne von Art. 47 BankG auch die von der Bank beauftragten Personen. Aus der Entstehungsgeschichte ergibt sich, dass die Erweiterung des Kreises der Geheimnispflichtigen auf Beauftragte erfolgte, weil Banken gegebenenfalls Aussenstehende für die Erbringung von Dienstleistungen heranziehen müssen. In diesen Fällen sollte die Offenbarung von Bankkundengeheimnissen an den Beauftragten – soweit für den konkreten Auftrag nötig – legalisiert werden. Die Gesetzesbotschaft nennt beispielhaft die Beauftragung eines Rechenzentrums, das von der Bank mit der elektronischen Datenverarbeitung betraut wird (BGE 121 IV 45 E. 2a; Schwarz, in: Wirtschaftsstrafrecht der Schweiz, Hand- und Studienbuch [Hrsg. Ackermann/Heine], Bern 2013, § 19 N 67; Rappo, Le secret bancaire, sa portée dans le temps, dans l'espace et dans les groupes de sociétés, Diss. Lausanne 2002, N 226; Botschaft des Bundesrats an die Bundesversammlung über die Revision des Bankengesetzes vom 13.5.1970, in: BBl 1970 I 1182).

Das Gesetz gibt keinen Aufschluss darüber, inwieweit eine solche Beauftragung und eine damit einhergehende Offenbarung von Bankkundengeheimnissen an den Beauftragten zulässig ist. Nach der in der Lehre vertretenen Auffassung könne die blosse Tatsache, dass eine Person in einem Auftragsverhältnis zur Bank stehe, nicht schon genügen, um sie der Geheimhaltungspflicht zu unterwerfen und die Bank so zur Weitergabe geschützter Informationen an sie zu ermächtigen. Die Bank dürfe Dritte aber dann in den Kreis der Geheimnisträger einbeziehen, wenn dies einem ernstzunehmenden Interesse an der Optimierung ihrer Leistungen oder an der Senkung ihrer Kosten entspreche (Stratenwerth, Basler Komm., 2. Aufl. 2013, Art. 47 BankG N 7; Rappo, a.a.O., N 228 ff.). Besondere Zurückhaltung sei dann geboten, wenn der Beauftragte im Sinne von Art. 47 BankG im Ausland domiziliert sei, da dieser trotz theoretischer Strafbarkeit dem Zugriff der schweizerischen Strafbehörden praktisch entzogen sei (Kleiner/Schwob/Winzeler, in: Kommentar zum Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen [Hrsg. Bodmer/Kleiner/Lutz], 23. Aufl. 2015, Art. 47 BankG N 371; Rappo, a.a.O., N 227). Die eidgenössische Finanz¬marktaufsicht FINMA hat in ihrem Rundschreiben 2008/7 betreffend die Auslagerung von Geschäftsbereichen von Banken die Voraussetzungen umschrieben, unter denen Outsourcing-Lösungen den Erfordernissen einer angemessenen Organisation, des Bankgeheimnisses und des Datenschutzes entsprechen. Darin hielt sie fest, dass die auslagernde Bank einen schweizerischen Dienstleister, soweit sie ihm Kundendaten zur Verarbeitung überlasse, dem Bankkundengeheimnis unterstellen müsse (N 34) und dass die Kunden vor dem Outsourcing darüber zu informieren seien, wobei die Information in allgemeiner Form, zum Beispiel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, erfolgen könne (N 37).

5.2.
Die Ausgestaltung der Beziehung zwischen der Bank und ihren Kunden (der Kundenbeziehung) stellt auf dem Finanzdienstleistungsmarkt ein erheblicher Wettbewerbsfaktor dar. Dementsprechend haben die Banken an einer Optimierung der Kundenbeziehungen ein starkes Interesse. Letzten Endes profitieren auch die Kunden davon. Die Erforschung der Kundenbedürfnisse entspricht damit fraglos einem ernstzunehmenden Interesse der Bank D AG, was zur Folge hat, dass die Beauftragung eines professionellen Marktforschungsinstituts – auch wenn der Kreis der Beauftragten im Sinne von Art. 47 Abs. 1 lit. a BankG eng auszulegen ist – in diesem Bereich möglich bleiben muss. Selbst wenn die Übermittlung des Namens und der Telefonnummer des Beschwerdeführers an das Marktforschungsinstitut bereits erfolgt wäre – wofür, wie die Oberstaatsanwaltschaft zutreffend festhält, keine Anhaltspunkte bestehen –, hätten sich die Beschwerdegegner 1 und 2 nicht einer Verletzung des Bankkundengeheimnisses im Sinne von Art. 47 BankG strafbar gemacht. Dasselbe gilt für die Bank D AG (vgl. Art. 102 StGB).

Im vorliegenden Fall sind die Kunden mit einem spezifischen Schreiben über die Beauftragung des Marktforschungsinstituts informiert worden. Die angesprochenen Empfehlungen der FINMA für die Auslagerung von Geschäftsbereichen wurden somit erkennbar eingehalten. Dies zeigt auf, dass die Beschwerdegegner 1 und 2 im Bewusstsein um die für eine Offenbarung von Bankkundengeheimnissen an einen Beauftragten erforderlichen Voraussetzungen an die Organisation, den Datenschutz sowie das Bankkundengeheimnis handelten. Gerade vor dem Hintergrund dieses Schreibens drängt sich der Verdacht einer fahrlässigen Widerhandlung gegen das Bankengesetz nicht auf.

Das beauftragte Marktforschungsinstitut, die E AG, ist ein im Handelsregister eingetragenes Unternehmen mit Sitz in Z. Für die vom Beschwerdeführer angetönte Möglichkeit, es könnte ein ausländisches Unternehmen beauftragt worden sein, bestehen keine Anhaltspunkte. Es bestand daher entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kein Bedarf weiterer Abklärungen durch die Staatsanwaltschaft.

5.3
Da die vom Beschwerdeführer angezeigte Handlung (die Übermittlung von Namen und Telefonnummern an ein Marktforschungsinstitut) – selbst wenn der Tatvorwurf zutreffend wäre (wofür keine Anhaltspunkte bestehen) – nicht strafbar ist, ist die Staatsanwaltschaft zu Recht nicht auf das Strafverfahren eingetreten.

Weiterungen darüber, ob die Kontaktdaten des Beschwerdeführers (Name und Telefonnummer) vom Schutzbereich des strafbewehrten Bankkundengeheimnis erfasst sind, erübrigen sich somit.