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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:Schiedsgericht nach den Bestimmungen des eidg. Sozialversicherungsrechts
Rechtsgebiet:Krankenversicherung
Entscheiddatum:29.05.2017
Fallnummer:SG 15 2
LGVE:2017 III Nr. 1
Gesetzesartikel:Art. 117a BV; Art. 43 Abs. 1 KVG, Art. 43 Abs. 4 KVG, Art. 43 Abs. 5 KVG, Art. 43 Abs. 5bis KVG, Art. 43 Abs. 6 KVG, Art. 44 Abs. 1 KVG, Art. 46 Abs. 4 KVG; Art. 2 der Verordnung des Bundesrates vom 20. Juni 2014 über die Anpassung von Tarifstrukturen in der Krankenversicherung.
Leitsatz:Ziff. 2 des Anhangs der Verordnung des Bundesrates vom 20. Juni 2014 über die Anpassung von Tarifstrukturen in der Krankenversicherung (SR 832.102.5; in Kraft seit 1.10.2014) in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung verletzt das Gebot der Sachgerechtigkeit und der betriebswirtschaftlichen Bemessung nach Art. 43 Abs. 4 KVG und ist insofern gesetzeswidrig (E. 8-10).

Die klagende Privatklinik ist demgemäss berechtigt, der Krankenkasse die bis 31. Dezember 2016 erbrachten ambulanten Leistungen gestützt auf TARMED Version 1.08 in Rechnung zu stellen, ohne Ziff. 2 des Anhangs der erwähnten Verordnung zu berücksichtigen (E. 12).

Rechtskraft:
Die dagegen geführte Beschwerde wurde vom Bundesgericht mit Urteil 9C_476/2017 vom 29. März 2018 gutgeheissen und das Urteil des Kantonsgerichts vom 29. Mai 2017 aufgehoben.
Entscheid:

A.

Mit Schreiben vom 8. Mai 2015 informierte die Klinik A AG (im Folgenden: "Klinik A" oder "Klägerin") die Krankenversicherung B (im Folgenden: "B" oder "Beklagte") darüber, dass sie ihr in vier ambulanten Fällen Behandlungskosten in Rechnung gestellt habe, welche auf der TARMED-Tarifstruktur Version 1.08 – unter Ausserachtlassung der Verordnung des Bundesrates vom 20. Juni 2014 über die Anpassung von Tarifstrukturen in der Krankenversicherung (SR 832.102.5; in Kraft seit 1.10.2014; nachfolgend: Anpassungsverordnung) – basieren würden. Sie sei der Ansicht, dass die besagte Verordnung widerrechtlich und daher nicht anwendbar sei. Entsprechend stünden sämtliche Rechnungen, die bisher unter Berücksichtigung der Verordnung fakturiert worden seien oder die in Zukunft noch fakturiert würden, unter dem expliziten Vorbehalt der Mehrforderung. Mit Schreiben vom 25. Juni 2015 wies die B darauf hin, dass die Anpassungsverordnung am 1. Oktober 2014 in Kraft getreten sei und für alle anerkannten Leistungserbringer nach dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) verbindlichen Charakter habe. Folglich habe die Rechnungsstellung auf der Basis der gesamtschweizerisch gültigen Tarifstruktur TARMED Version 1.08.00_BR zu erfolgen. Die betreffenden Rechnungen seien in elektronischer Form als nicht tarifkonform zurückgewiesen worden. Mit weiteren Fällen würde man gemäss Art. 44 KVG gleich verfahren.

B.

Am 24. September 2015 liess die A […] Klage erheben. Sie beantragte, die B sei zu verpflichten, ihr einen Betrag in der Höhe von Fr. 2'608.45 zuzüglich Zins zu 5 % ab 10. Juni 2015 zu bezahlen. Es sei zudem festzustellen, dass (1) Ziff. 2 des Anhangs der Verordnung des Bundesrates über die Anpassung von Tarifstrukturen in der Krankenversicherung gesetzwidrig und daher nicht anwendbar sei und dass (2) die Klägerin berechtigt sei, der Beklagten ambulante Leistungen gestützt auf TARMED Version 1.08 in Rechnung zu stellen, ohne Ziff. 2 des Anhangs der genannten Verordnung zu berücksichtigen. Ausserdem beantragte die A, es sei ein Verhandlungstermin für die Nachholung des Vermittlungsverfahrens anzusetzen, bei dem die Schiedsrichter bereits mitzuwirken hätten. […]


C.

(Es folgen Ausführungen zur Ernennung des Schiedsrichters durch die B und zu deren Antrag, es sei von einem vorgängigen Vermittlungsverfahren abzusehen)

D.

(Ausführungen zur Bestellung des Schiedsgerichts und zum Wechsel in der Verfahrensleitung)

E.

Mit Verfügung vom 30. November 2015 sah das Schiedsgericht von der Durchführung eines Vermittlungsversuchs ab.

F.

In ihrer Klageantwort liess die B Folgendes beantragen:

1. Ziff. 1 des klägerischen Rechtsbegehrens (Forderungsklage) sei abzuweisen.

2a. Ziff. 2 des klägerischen Rechtsbegehrens sei – soweit darauf eingetreten werden könne – ebenfalls abzuweisen, bzw. es sei festzustellen, dass Ziff. 2 des Anhangs der Verordnung des Bundesrates gesetzmässig sei und seitens der Beklagten aufgrund des Legalitätsprinzips anzuwenden sei, weshalb die Klägerin als nicht berechtigt zu bezeichnen sei, der Beklagten ambulante Leistungen gestützt auf TARMED Version 1.08 in Rechnung zu stellen, ohne Ziff. 2 des Anhangs der Verordnung zu berücksichtigen.

2b. Eventualiter sei bei Gutheissung des klägerischen Rechtsbegehrens gemäss Ziff. 2 und damit einhergehender Kassierung von Ziff. 2 des Anhangs der bundesrätlichen Verordnung analog auch Ziff. 1 des Anhangs in Gutheissung der Eventualwiderklage aufzuheben.

3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen gemäss Gesetz.


In verfahrensrechtlicher Hinsicht liess die B beantragen, der Schweizerische Bundesrat sei zum Verfahren beizuladen.

G.

Am 13. Januar 2016 bestätigte das Schiedsgericht den Eingang der Eventualwiderklage und forderte die B zur Leistung des Kostenvorschusses von Fr. 5'000.-- bis zum 28. Januar 2016 auf. Da der Zahlungsauftrag erst am 5. Februar 2016 erfolgte, gab das Schiedsgericht der B Gelegenheit zur Stellungnahme betreffend Rechtzeitigkeit des Kostenvorschusses für die Eventualwiderklage. Mit Eingabe vom 14. März 2016 bestätigte diese die verspätete Leistung des Kostenvorschusses, machte dafür aber einen Exkulpationsgrund geltend. Ausserdem stehe es im Ermessen der Behörde, trotz verspäteter Leistung des Kostenvorschusses auf die Rechtsvorkehr einzutreten. Vorliegend bestehe auch nicht die Gefahr der allfälligen Uneinbringlichkeit. Schliesslich sei auch die rechtspolitische Wichtigkeit der Eventualwiderklage bei Gutheissung der Klage zu berücksichtigen.

H.

Replicando beantragte die A, auf die Widerklage sei nicht einzutreten. Im Übrigen hielt sie an den bisherigen Anträgen fest.

In ihrer Duplik präzisierte die B ihr Rechtsbegehren Nr. 2b wie folgt:

2b. Eventuell sei bei Gutheissung des klägerischen Rechtsbegehrens gemäss Ziff. 2 und damit einhergehender Feststellung, dass Ziff. 2 des Anhangs der Verordnung des Bundesrates vom 20. Juni 2014 ungültig sei, analog auch die Ungültigkeit von Ziff. 1 desselben Anhangs in Gutheissung der Eventualwiderklage festzustellen.


In der Folge liessen sich die Parteien je ein weiteres Mal vernehmen.

I.

Mit Eingabe vom 28. März 2017 stellte die B in Frage, ob die A überhaupt noch ein aktuelles Rechtsschutzinteresse habe, nachdem der Bundesrat die streitige Verordnung per 1. Januar 2017 abgeändert und Art. 2 samt Anhang 1 für das Jahr 2017 aufgehoben hatte. Die A hielt ihrerseits in ihrer Stellungnahme vom 18. April 2017 vollumfänglich an ihren Anträgen fest.

Aus den Erwägungen

1.

1.1.

Vorliegend streitig und zu prüfen ist, ob die Beklagte die Rechnungen vom 11. Mai 2015 zu Recht als nicht tarifkonform zurückgewiesen hat, weil die Klägerin die Rechnungen gestützt auf die TARMED Version 1.08 stellte und nicht unter Berücksichtigung von Art. 2 i.V.m. Ziff. 2 des Anhangs der Anpassungsverordnung, welche seit 1. Oktober 2014 in Kraft war. Es handelt sich somit um eine Streitigkeit zwischen Krankenversicherer und Leistungserbringer, die Rechtsbeziehungen zum Gegenstand hat, welche sich aus dem KVG ergeben oder aufgrund des KVG eingegangen worden sind. Der Streitgegenstand betrifft sodann die besondere Stellung der Versicherer und Leistungserbringer im Rahmen des KVG und die beiden Parteien stehen sich je in dieser Eigenschaft im Prozess gegenüber. Damit ist die sachliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts gemäss Art. 89 Abs. 1 KVG gegeben (vgl. hierzu BGer-Urteil 9C_562/2007 vom 11.12.2007 E. 5).

1.2.

Örtlich zuständig ist das Schiedsgericht desjenigen Kantons, dessen Tarif zur Anwendung gelangt, oder desjenigen Kantons, in dem die ständige Einrichtung des Leistungserbringers liegt (Art. 89 Abs. 2 KVG). Vorliegend ist die Klägerin Leistungserbringerin. Ihr Sitz befindet sich im Kanton Luzern, womit das Schiedsgericht des Kantons Luzern örtlich zuständig ist.

1.3.

Gemäss § 7 des Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung (EG KVG; SRL 865) beurteilt das kantonale Schiedsgericht Streitigkeiten zwischen Versicherern und Leistungserbringern, welche die obligatorische Krankenpflegeversicherung und die freiwillige Taggeldversicherung betreffen (Art. 89 Abs. 1 KVG). Es hat seinen Sitz beim Kantonsgericht. Das Schiedsgericht setzt sich zusammen (Abs. 2) aus dem Präsidenten oder der Präsidentin, wobei das Kantonsgericht ihn oder sie unter den Kantonsrichtern und -richterinnen durch Verordnung bezeichnet (lit. a), sowie zwei Schiedsrichtern oder Schiedsrichterinnen (lit. b). Jede Partei ernennt einen Schiedsrichter oder eine Schiedsrichterin. Im Übrigen regelt das Kantonsgericht das Verfahren im Rahmen von Art. 89 Abs. 5 und 6 KVG durch Verordnung (Abs. 3). Die Geschäftsordnung für das Kantonsgericht des Kantons Luzern (GOKG; SRL 263) hält sodann in § 16 Abs. 2 fest, dass der Präsident der dritten Abteilung das Schiedsgericht namentlich in den Fällen gemäss Artikel 89 KVG präsidiert. Im Weiteren setzt sich das Schiedsgericht aus je einer Vertretung des Versicherers und des betroffenen Leistungserbringers zusammen.

1.4.

Nach § 3 der Verordnung über das Schiedsverfahren nach den Bestimmungen des eidgenössischen Sozialversicherungsrechts (SRL 869; nachfolgend: Schiedsverfahren-Verordnung) hat der schiedsgerichtlichen Behandlung eines Streitfalles grundsätzlich ein Vermittlungsversuch vorauszugehen. Mit unangefochtener Verfügung vom 30. November 2015 sah das Schiedsgericht indessen von der Durchführung eines Vermittlungsversuchs ab, sodass nunmehr über die Klage und die Widerklage zu befinden ist.

2.

Die Beklagte beantragte die Beiladung des Bundesrates zum vorliegenden Schiedsgerichtsverfahren.

2.1.

Beeinflusst der Entscheid voraussichtlich die Rechtsstellung eines Dritten, so kann ihn die Behörde von Amtes wegen oder auf Gesuch einer Partei oder eines Dritten durch Beiladung in das Verfahren einbeziehen (§ 20 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege [VRG; SRL Nr. 40] i.V.m. § 2 der Schiedsverfahren-Verordnung). Mit der Beiladung kommt dem oder der Dritten Parteistellung zu.

2.2.

Ein bloss mittelbares oder ausschliesslich allgemeines öffentliches Interesse begründet – ohne die erforderliche Beziehungsnähe zur Streitsache selber – keine Parteistellung (BGer-Urteil 2C_373/2016 vom 17.11.2016 E. 2.2 mit Hinweisen). Vorliegend steht zwar die Gesetzes- und Verfassungsmässigkeit einer bundesrätlichen Verordnung zur Diskussion. Das bedeutet indessen nicht, dass der vorliegende Entscheid die Rechtsstellung des Bundesrates beeinflusst und ihm deshalb Parteistellung zuzuerkennen wäre. Es ist denn auch nicht bei jeder inzidenten Normenkontrolle im Zusammenhang mit einer bundesrätlichen Verordnung eine Beiladung des Verordnungsgebers angezeigt. Ausserdem sind die Argumente des Bundesrates für den Eingriff in die Tarifstruktur TARMED aus den Materialien hinlänglich bekannt, sodass von dessen Beiladung abgesehen werden kann.

3.

3.1.

Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für die Leistungen gemäss den Art. 25 - 31 KVG nach Massgabe der in Art. 32 - 34 KVG festgelegten Voraussetzungen (Art. 24 KVG). Diese Leistungen umfassen sowohl ambulante wie auch stationäre Behandlungen in der allgemeinen Abteilung eines Spitals (Art. 25 Abs. 2 lit. a und e KVG). Gemäss Art. 32 Abs. 1 KVG müssen diese Leistungen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein.

3.2.

Art. 43 Abs. 1 KVG schreibt vor, dass die Leistungserbringer ihre Rechnungen nach Tarifen oder Preisen erstellen. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist der Tarif eine Grundlage für die Berechnung der Vergütung und kann namentlich auf den benötigten Zeitaufwand abstellen (Zeittarif; lit. a), für die einzelnen Leistungen Taxpunkte festlegen und den Taxpunktwert bestimmen (Einzelleistungstarif; lit. b) oder pauschale Vergütungen vorsehen (Pauschaltarif; lit. c). Tarife und Preise werden in Verträgen zwischen Versicherern und Leistungserbringern (Tarifvertrag) vereinbart oder in den vom Gesetz bestimmten Fällen von der zuständigen Behörde festgesetzt. Dabei ist auf eine betriebswirtschaftliche Bemessung und eine sachgerechte Struktur der Tarife zu achten (Art. 43 Abs. 4 erster und zweiter Satz KVG). Einzelleistungstarife müssen auf einer gesamtschweizerisch vereinbarten einheitlichen Tarifstruktur beruhen. Können sich die Tarifpartner nicht einigen, so legt der Bundesrat diese Tarifstruktur fest (Art. 43 Abs. 5 KVG). Die Vertragspartner und die zuständigen Behörden achten darauf, dass eine qualitativ hoch stehende und zweckmässige gesundheitliche Versorgung zu möglichst günstigen Kosten erreicht wird (Art. 43 Abs. 6 KVG). Die Leistungserbringer müssen sich an die vertraglich oder behördlich festgelegten Tarife und Preise halten und dürfen für Leistungen nach diesem Gesetz keine weitergehenden Vergütungen berechnen (Tarifschutz; Art. 44 Abs. 1 KVG). Der Tarifschutz in weit gefasster Definition umfasst die Pflicht der Leistungserbringer und Versicherer zur Einhaltung der massgeblichen Tarife und Preise sowohl im gegenseitigen als auch im Verhältnis zu den Versicherten (Eugster, Krankenversicherung, in: SBVR XIV, Soziale Sicherheit, 3. Aufl. 2016, S. 779, N 1248 [zit. Eugster, SBVR]).

3.3.

Seit dem 1. Januar 2004 werden alle ambulanten Arztleistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) über TARMED abgerechnet (bereits seit 1.1.2003 die entsprechenden Leistungen zu Lasten der Invalidenversicherung, Militärversicherung und obligatorischen Unfallversicherung).

TARMED ("tarif médical") ist der nach Artikel 43 Absatz 5 KVG gesamtschweizerische Einzelleistungstarif für ambulant erbrachte ärztliche Leistungen im Spitalambulatorium und in der Arztpraxis und umfasst insgesamt über 4500 Tarifpositionen. Während die Abgeltung für ärztliche Leistungen (AL) das Einkommen der Ärzte repräsentiert, bringt die Vergütung für die technischen Leistungen (TL) die Kosten für die Nutzung der Praxis- bzw. Spitalinfrastruktur samt Geräten, Verbrauchsmaterialien, Personal und Verwaltung zum Ausdruck. Basis für die Berechnungen der Taxpunkte bilden teilweise empirische Daten (z.B. Daten aus der rollenden Kostenstudie [RoKo] für das KOREG-Modell). Teilweise wurden Angaben, die in die Berechnungen eingeflossen sind, auch normativ – d.h. über Verhandlungen der Tarifpartner – festgelegt (insbesondere beim INFRA-Modell). Die für eine bestimmte Position tarifrelevante Taxpunktzahl entspricht der Summe aus Taxpunktwerten AL und TL. Der Preis einer Leistung bzw. die Höhe der Vergütung durch die Sozialversicherung ergibt sich als Produkt aus Taxpunktzahl und Taxpunktwert. Letzterer betrug ursprünglich Fr. 1.-- und wurde bei der Einführung von TARMED je nach Kanton reduziert, um die Kostenneutralität zu gewährleisten. Das bedeutet, dass die Gesamtkosten nach der Einführung nicht höher sein sollten als vorher.

4.

4.1.

Gemäss ihrem Hauptantrag fordert die Klägerin von der Beklagten die Vergütung der Behandlungskosten in vier konkreten Fällen in der Höhe von insgesamt Fr. 2'608.45 zuzüglich Zins zu 5 % ab 10. Juni 2015. Sie stützte sich dabei auf ein Tarifvertragswerk, welches zwischen ihr und der Beklagten besteht. Im einzelnen sind dies der Rahmenvertrag TARMED zwischen santésuisse Die Schweizer Krankenversicherer und HPlus Die Spitäler der Schweiz vom 13. Mai 2002. Weiter besteht ein Vertrag zwischen der Klägerin und anderen Kliniken einerseits sowie santésuisse Die Schweizer Krankenversicherer andererseits betreffend Taxpunktwert zu TARMED vom 21. Januar 2009. Schliesslich beruft sich die Klägerin auf den Anhang A vom 6. März 2014 zum Vertrag betreffend Taxpunktwert zu TARMED (vom 21.1.2009) zwischen der Klägerin sowie anderen Kliniken einerseits und der Beklagten sowie anderen Versicherungsgesellschaften andererseits. Aus letzterem geht auch hervor, dass die Beklagte dem Vertrag vom 21. Januar 2009 beigetreten ist. Gemäss dessen Art. 4 Abs. 1 können dem Vertrag nur Versicherer beitreten, die dem Rahmenvertrag TARMED beigetreten sind. Insofern ist davon auszugehen, dass die Beklagte auch dem Rahmenvertrag TARMED beigetreten ist. Ohnehin ist aber nicht bestritten, dass die Beklagte ambulante Leistungen gemäss dem Einzelleistungstarif TARMED zu vergüten hat. Weiter ist unbestritten, dass die vier Rechnungen der Klägerin Leistungen der OKP betreffen, die Beklagte als obligatorischer Krankenversicherer der betreffenden Patienten grundsätzlich leistungspflichtig ist und die Abrechnung gemäss dem Prinzip des "tiers payant" vereinbart wurde.

4.2.

Der Forderungsbetrag von Fr. 2'608.45 ergibt sich in Anwendung der TARMED Version 1.08, d.h. unter Ausserachtlassung der Bestimmungen der Anpassungsverordnung. Die Beklagte anerkennt ihrerseits einen Vergütungsanspruch in der Höhe von Fr. 2'504.60, welcher sich in Anwendung der TARMED Version 1.08.00_BR, d.h. unter Berücksichtigung der Ziffer 2 des Anhangs der streitigen Verordnung, ergibt. Es stellt sich somit die Frage, ob die Beklagte die Rechnungen vom 11. Mai 2015 zu Recht als nicht tarifkonform zurückgewiesen hat. Zur Beantwortung dieser Frage ist vorfrageweise zu prüfen, ob Ziffer 2 des Anhangs der streitigen Verordnung gesetzes- und verfassungskonform ist. Mit anderen Worten ist vorfrageweise eine inzidente Normenkontrolle (auch: konkrete/akzessorische Normenkontrolle) durchzuführen. Dabei wird ein Erlass anlässlich der Anfechtung eines darauf gestützten Einzelaktes vorfrageweise auf seine Rechtmässigkeit einschliesslich seiner Verfassungsmässigkeit überprüft und, ausser es handelt sich um eine bundesgesetzliche Norm (Vorbehalt von Art. 190 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft [BV; SR 101]), im Falle der Rechtswidrigkeit nicht angewendet (vgl. BGE 132 V 299 E. 4.3.2).

5.

Die per 1. Oktober 2014 in Kraft getretene Anpassungsverordnung regelt gemäss Art. 1 die Anpassung von Tarifstrukturen nach Art. 43 Abs. 5 Satz 1 KVG, die nach Art. 46 Abs. 4 KVG genehmigt wurden. In der Tarifstruktur für ärztliche Leistungen (TARMED), Version 1.08, vom Bundesrat genehmigt am 15. Juni 2012, wurden die Anpassungen nach dem Anhang vorgenommen (Art. 2). Die Tarifpartner müssen zudem dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) auf Verlangen kostenlos alle Informationen und Daten übermitteln, die notwendig sind, um die Auswirkungen der Anpassungen der Tarifstruktur zu evaluieren (Art. 3). Mit dem Anhang wurde insbesondere eine neue Tarifposition (Zuschlag für hausärztliche Leistungen in der Arztpraxis) eingefügt (Ziff. 1) und die Taxpunkte der technischen Leistungen in 13 verschiedenen Kapiteln der Tarifstruktur TARMED um 8,5 % gekürzt (Ziff. 2).

Die streitige Anpassungsverordnung vom 20. Juni 2014 wurde vom Bundesrat am 23. November 2016 geändert, nachdem sich die Tarifpartner am 15. September 2016 darüber geeinigt hatten, die vom Bundesrat am 20. Juni 2014 verordneten Anpassungen der Tarifstruktur für den Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2017 zu übernehmen. Entsprechend strich der Bundesrat den vorliegend zur Diskussion stehenden Art. 2 der Verordnung mit dem entsprechenden Anhang mit Wirkung vom 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2017 (AS 2016 4635). Diese Verordnungsänderung hat jedoch auf den vorliegenden konkreten Streitfall keine rechtlichen Auswirkungen. Massgebend bleibt – jedenfalls für die bis 31. Dezember 2016 erbrachten Leistungen – die erste Fassung der Verordnung vom 20. Juni 2014. Die Erwägungen des Urteils beziehen sich somit auf die ursprüngliche Version der Anpassungsverordnung vor Inkrafttreten der Änderungen vom 23. November 2016.

5.1.

Beim Erlass der Anpassungsverordnung stützte sich der Bundesrat auf Art. 43 Abs. 5bis KVG (in Kraft seit 1.1.2013). Die Bestimmung lautet wie folgt:

Der Bundesrat kann Anpassungen an der Tarifstruktur vornehmen, wenn sie sich als nicht mehr sachgerecht erweist und sich die Parteien nicht auf eine Revision einigen können.

5.1.1.

Der Entstehungsgeschichte von Art. 43 Abs. 5bis KVG ist das Nachstehende zu entnehmen:

Die Gesetzesnorm deckt sich inhaltlich mit einer Bestimmung, die das Parlament im Jahr 2009 im Rahmen der Vorlage "KVG. Massnahmen zur Eindämmung der Kostenentwicklung (09.053)" bereits beschlossen hatte. Damals war festgestellt worden, dass bestimmte Tarife und Tarifstrukturen, über die zwischen den Tarifpartnern verhandelt wurde, nicht mehr den Anforderungen des KVG in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit und Billigkeit entsprachen. Als Grund wurde unter anderem angeführt, Revisionen der Tarifstrukturen liessen auf sich warten, da es den Tarifpartnern nicht immer gelinge, sich in den Verhandlungen zu einigen. Die vom Parlament vorgeschlagene Massnahme zielte darauf ab, dem Bundesrat ein Druckmittel gegenüber den Tarifpartnern in die Hand zu geben, um diese zu veranlassen, sich rasch auf eine Tarifstruktur oder, bei Bedarf, auf deren Revision zu einigen (dazu und zum Folgenden: Parlamentarische Initiative Tarmed: subsidiäre Kompetenz des Bundesrates, Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates [SGK-NR] vom 1.9.2011; BBl 2011 7385). Mit dem Scheitern der ganzen Vorlage in der Herbstsession 2010 wurde die erwähnte Bestimmung jedoch ebenfalls obsolet. Wenig später wurde das Thema allerdings erneut aufgenommen: Am 24. März 2011 beriet die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-NR) den Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) "Tarmed – der Tarif für ambulant erbrachte ärztliche Leistungen. Evaluation der Zielerreichung und der Rolle des Bundes. November 2010" (nachfolgend: Evaluation EFK). Gemäss Schlussfolgerungen dieses Berichts wurde insbesondere das Ziel der Tarifpflege nicht erreicht. Im Bericht wird darauf hingewiesen, dass die Tarifpartner für die Entscheide Einstimmigkeit vorgesehen hätten, dass es ihnen jedoch aufgrund der unterschiedlichen Sichtweisen nicht gelinge, zu einer Einigung zu gelangen. Die Nachführung des TARMED begrenze sich somit auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Ohne grundlegende Tarifpflege würden jedoch bestimmte neue Behandlungen nicht in den TARMED aufgenommen und bei anderen Tarifpositionen, bei denen sich die Praxis dank des technischen Fortschritts stark weiterentwickelt habe, werde die Vergütung in Bezug auf die Anzahl Taxpunkte nicht neu beurteilt. Eine der Empfehlungen im Bericht der EFK laute deshalb: "Die EFK empfiehlt dem Bundesamt für Gesundheit, im Rahmen der nächsten KVG-Revision eine Änderung vorzuschlagen, damit der Bundesrat bei fehlender Einigung der Tarifpartner eine vorläufige Tarifierung festsetzt. Eine solche soll beschlossen werden, wenn die Tarifierung einer OKP-Leistung ausbleibt oder wenn es Anhaltspunkte gibt, dass die Struktur des Tarifs nicht mehr zweckmässig oder wirtschaftlich ist, oder wenn die Tarifierung einer betriebswirtschaftlichen Bemessung der Leistungserbringung durch einen effizienten Leistungserbringer nicht entspricht. Solche Lösungen sollen so lange gültig bleiben, bis sich die Tarifpartner auf eine neue Tarifierung einigen." Vor diesem Hintergrund beschloss die Kommission die parlamentarische Initiative (11.429) "Tarmed. Subsidiäre Kompetenz des Bundesrates" (BBl 2012 55).

Gemäss Bericht der Kommission räumt der neue Abs. 5bis dem Bundesrat die subsidiäre Kompetenz ein, Tarifstrukturen anzupassen, die nicht mehr sachgerecht sind und auf deren Revision sich die Tarifpartner nicht einigen konnten. Mit der neuen Bestimmung würde der Bundesrat über ein subsidiäres Mittel verfügen, um wesentliche Tarifstrukturen anzupassen, die eingehende Verhandlungen erfordert haben, über die aber zwischen den Tarifpartnern keine Vereinbarung erzielt werden konnte. Die Kompetenz, die dem Bundesrat mit dieser Bestimmung verliehen werde, gelte nicht nur für die besondere Tarifstruktur des TARMED, sondern für alle gesamtschweizerisch einheitlichen Tarifstrukturen. Dabei seien die Auswirkungen der Bestimmung auf die Kosten der OKP nur schwer abschätzbar. Weder die Zahl der Tarifstrukturen, die angepasst werden müssten, noch das Ausmass der Anpassungen lasse sich von Vornherein beurteilen. Zudem sei nicht sicher, ob ein Eingreifen des Bundesrates Kostensenkungen zur Folge hätte. Denn eine Tarifstruktur könne unter verschiedenen Gesichtspunkten nicht sachgerecht sein, und bestimmte Anpassungen könnten zu einer Herabsetzung oder einer Erhöhung der Vergütung in Form von Taxpunkten führen. Die Massnahme sei vor allem darauf ausgerichtet, die Partner zu veranlassen, sich zu einigen, damit die Tarifstrukturen sachgerecht bleiben würden. Eine weitere Ungewissheit hänge damit zusammen, dass der Bundesrat nicht über die Zuständigkeit verfüge, den Taxpunktwert festzulegen, der ebenfalls zwischen den Tarifpartnern ausgehandelt werde.

5.1.2.

In seiner Stellungnahme zum Bericht der SGK-NR verwies der Bundesrat zunächst auf die parlamentarischen Beratungen im Zusammenhang mit den Massnahmen zur Eindämmung der Kostenentwicklung. Dort sei bereits eine inhaltlich nahezu identische Bestimmung vorgeschlagen worden (dazu und zum Folgenden: Parlamentarische Initiative Tarmed: subsidiäre Kompetenz des Bundesrates, Bericht der SGK-NR, Stellungnahme des Bundesrates vom 16.9.2011; BBl 2011 7393). Der Bundesrat habe sich damals inhaltlich nicht dazu geäussert, da er die Sachgerechtigkeit der Tarifstrukturen als eine grundlegende Frage betrachtet habe, für die nicht im Rahmen einer dringlichen und zeitlich befristeten Reform eine punktuelle Lösung vorgesehen werden sollte. Auch in seiner Antwort vom 18. Mai 2011 an die Finanzdelegation der eidgenössischen Räte bezüglich der Evaluation der EFK zur Tarifstruktur TARMED habe er festgehalten, dass die Revision des TARMED unter Wahrung des Grundsatzes der Tarifautonomie erfolgen müsse. Diese Haltung habe er überdies auch in seiner Stellungnahme zur Motion "11.3070: Überarbeitung Tarifmodell Tarmed" vertreten. Er habe die Ablehnung der Motion vorgeschlagen, die einen grundsätzlichen und unverhältnismässigen Eingriff in die heutige Systematik und die Einführung eines Amtstarifs bedeutet hätte. Der Bundesrat fuhr fort, er stimme der Änderung von Art. 43 KVG grundsätzlich zu. Er sei bereit, die subsidiäre Kompetenz zur Festsetzung von Anpassungen an den Tarifstrukturen – unter Wahrung des Vorrangs der Tarifautonomie der Tarifpartner – zu unterstützen. Folgende zwei Voraussetzungen müssten aber erfüllt sein: Die Tarifstrukturen sind nicht mehr sachgerecht und die Tarifpartner haben sich nicht auf eine Revision einigen können. Gleichzeitig betonte der Bundesrat, dass die Anpassungen an den Tarifstrukturen unter Einhaltung des gesetzlichen Rahmens vorgenommen würden. Die Anpassungen müssten insbesondere mit dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Billigkeit in Einklang stehen. So sehe Art. 43 Abs. 4 KVG vor, dass die Tarife nach den anwendbaren Regeln der Betriebswirtschaft festgesetzt und sachgerecht strukturiert werden müssten, wobei das Ziel darin bestehe, eine qualitativ hochstehende und zweckmässige gesundheitliche Versorgung zu möglichst günstigen Kosten zu erreichen (Art. 43 Abs. 6 KVG). Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens müsse auch beurteilt werden, ob der Tarif wirtschaftlich tragbar sei (Art. 46 Abs. 4 KVG). Dies erfordere, dass ein Tarif betriebswirtschaftlich bemessen sei und dass dieser unter dem Gesichtspunkt seiner wirtschaftlichen Tragbarkeit im weiteren Sinne geprüft werde. Um einen Tarif festzusetzen, müsse unter Beachtung von Art. 59c Abs. 1 der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV; SR 832.102) Folgendes geprüft werden:

– ob der Tarif höchstens die transparent ausgewiesenen Kosten der Leistung deckt (Bst. a);

– ob der Tarif höchstens die für eine effiziente Leistungserbringung erforderlichen Kosten deckt (Bst. b);

– ob ein Wechsel des Tarifmodells keine Mehrkosten verursacht (Bst. c).

Der Bundesrat war der Ansicht, dass er von seiner neuen Kompetenz nicht einzig mit dem Ziel Gebrauch machen könne, eine Methode, eine Technik oder einen Leistungserbringertyp zu fördern. Ebenso wies er darauf hin, dass die beschlossenen Anpassungen nicht zwangsläufig in Richtung einer Senkung der Tarife gehen würden, die unter gleichbleibenden Bedingungen zu einer Verringerung oder Stabilisierung der Kosten führen könnte. Gewisse Anpassungen könnten dazu führen, dass die vorgesehene Vergütung in Form von Taxpunkten heraufgesetzt werde. Wie in der vorgeschlagenen Bestimmung erwähnt sei, bestehe das Ziel vor allem darin, dass die Tarifstrukturen sachgerecht bleiben würden.

In den parlamentarischen Beratungen gab der neue Abs. 5bis von Art. 43 KVG zu keinen Diskussionen Anlass. Am 23. Dezember 2011 beschloss das Parlament die Änderung. Der neue Abs. 5bis wurde per 1. Januar 2013 in Kraft gesetzt.

5.2.

Damit der Bundesrat in eine bestehende Tarifstruktur und damit in die Tarifautonomie der Tarifpartner eingreifen darf, müssen nach dem Gesagten zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen muss sich die Struktur als nicht mehr sachgerecht erweisen und zum anderen müssen vorgängig Verhandlungen der Vertragsparteien gescheitert sein. Es stellt sich somit die Frage, ob die Tarifstruktur TARMED 1.08 als nicht mehr sachgerecht zu betrachten war und bejahendenfalls, ob Verhandlungen der Tarifpartner scheiterten (Vertragsprimat). Ist beides zu bejahen, so war der Bundesrat grundsätzlich berechtigt, Anpassungen an der Tarifstruktur TARMED vorzunehmen.

5.3.

5.3.1.

Nach Auffassung des BAG kann eine Struktur dann als sachgerecht bezeichnet werden, wenn sie auf einem kohärenten Tarifmodell beruht, sich auf betriebswirtschaftlich bemessenen Parametern abstützt und die Vorgaben von Art. 43 Abs. 4 und 6 KVG sowie Art. 59c Abs. 1 KVV erfüllt (BAG-Kommentar, S. 4). Gemäss Eugster zeigt sich die Sachgerechtigkeit einer Tarifstruktur in Einzelleistungstarifen nach Art. 43 Abs. 2 lit. b KVG etwa darin, dass die gewählten Leistungspositionen die Kostenrealität der tarifierten Materie medizinisch richtig, vollständig und ausreichend tätigkeitsdifferenzierend abbilden sowie eine angemessene Leistungsabgeltung gewährleisten (vgl. dazu und zum Folgenden Eugster, SBVR, S. 706, N 991 f.). Die einzelnen Tarifpositionen hätten sich konfliktfrei in den Gesamttarif einzufügen und die Wertrelationen der Leistungen untereinander müssten in einem der Sache angemessenen Gleichgewicht stehen. Unter- und Überbewertungen seien zu vermeiden. Notwendige Bedingung der Sachgerechtigkeit sei eine betriebswirtschaftlich einwandfreie Bemessung der Leistungspositionen. Nach Eugster zählen auch die in den Kostenmodellen der einzelnen Tarifpositionen hinterlegten betriebswirtschaftlichen Daten und Wertungen zur Struktur. Eine Struktur sei nicht sachgerecht, wenn Taxpunkte betriebswirtschaftlich falsch gerechnet seien, sei dies wegen methodischer Mängel oder fehlerhafter bzw. nicht mehr aktueller Berechnungsgrundlagen. Sachgerechtigkeit verbiete ferner, bestimmte Gruppen von Leistungserbringern ohne sachlichen Grund zu privilegieren oder zu diskriminieren.

5.3.2.

Die Notwendigkeit einer Gesamtrevision des TARMED wird von den Tarifvertragsparteien nicht bestritten (vgl. dazu und zum Folgenden: Eugster, Gutachten zu Art. 43 Abs. 5bis KVG, N 85 ff. [zit. Eugster, Rechtsgutachten). Die FMH bemängelt etwa, dass veraltete betriebswirtschaftliche Eckwerte zur Anwendung kämen, insbesondere bei den Löhnen für das nichtärztliche Personal, aber auch bei den Kosten für Materialien, beim Verwaltungsaufwand und bei den Gerätekosten. Santésuisse hingegen beanstandet unter anderem, dass im heutigen TARMED die betriebswirtschaftliche Struktur in den Kostenmodellen auf Einzelpraxen ausgerichtet sei, obwohl 37 % der Ärzte in Gruppenpraxen arbeiten würden, sich also Infrastruktur und Personal teilten. Ferner kritisiert sie, dass die wöchentliche Arbeitszeit zu hoch veranschlagt werde. Der medizinische Fortschritt habe ausserdem dazu geführt, dass sich die abgerechnete Zeit nicht mit der real gearbeiteten decke. Auch die EFK sieht einen Revisionsbedarf. Sie betont, dass insbesondere das Ziel der Tarifpflege nicht erreicht worden sei. Im Bericht wird darauf hingewiesen, dass die Tarifpartner für die Entscheide Einstimmigkeit vorgesehen hätten, dass es ihnen jedoch aufgrund der unterschiedlichen Sichtweisen nicht gelinge, zu einer Einigung zu gelangen. Die Nachführung des TARMED begrenze sich somit auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Ohne grundlegende Tarifpflege würden jedoch bestimmte neue Behandlungen nicht in den TARMED aufgenommen und bei anderen Tarifpositionen, bei denen sich die Praxis dank des technischen Fortschritts stark weiterentwickelt habe, werde die Vergütung in Bezug auf die Anzahl Taxpunkte nicht neu beurteilt (Evaluation EFK, Das Wesentliche in Kürze). Weiter wird die Dignitätsskala, welche die unterschiedlichen Lebensarbeitseinkommen als Folge unterschiedlich langer Ausbildungszeiten differenzierend bewertet, als schwer nachvollziehbar bezeichnet.

5.3.3.

Das BAG begründete die Zulässigkeit eines behördlichen Eingriffs wie folgt (vgl. BAG-Kommentar, S. 6):

Gemäss Darstellung des BAG basiert die Tarifstruktur TARMED massgeblich auf Datengrundlagen aus den 1990er Jahren. Seit der Einführung der Einzelleistungstarifstruktur TARMED im Jahr 2004 habe keine umfassende Revision stattgefunden. Das Bundesamt geht davon aus, dass der medizinische und technische Fortschritt zu Verschiebungen in der Struktur, d.h. einer veränderten Relation einzelner Leistungen zueinander, geführt habe und die Tarifstruktur in diesem Sinn als nicht mehr sachgerecht zu betrachten sei. Auf der Ebene von Einzelleistungen könne die Sachgerechtigkeit nicht beurteilt werden, da diesbezüglich keine spezifischen Kostendaten zur Verfügung stünden. Die Tarifpartner hätten ihre Kostenmodelle bereits bei der TARMED-Einführung als Geschäftsgeheimnis deklariert. Bei der Sachgerechtigkeit gehe es aber nicht nur um die einzelne Position, sondern um die Bewertung der Tarifstruktur in ihrer Gesamtheit. Der grösste Teil der Tarifstruktur sei seit der Einführung unverändert geblieben. Die sich aus der Verschiebung ergebenden Produktivitätsgewinne seien in der Tarifstruktur daher nicht berücksichtigt worden. Vor allem in TARMED-Kapiteln, die sowohl ein hohes absolutes Abrechnungsvolumen der technischen Leistungen als auch einen hohen relativen Anteil technischer Leistungen aufweisen würden, sei in den letzten Jahren eine höhere Steigerung des gesamten Taxpunktvolumens (AL+TL) festzustellen als in den ärztlichen Grundleistungen (Kapitel 00), die einen tieferen Anteil an technischen Leistungen beinhalten würden (13 Kapitel mit einer Volumensteigerung von durchschnittlich 23,1 % im Vergleich zu Kapitel 00 mit einer Volumensteigerung von 12,3 % zwischen 2009 und 2012). Diese Volumensteigerung könne als Hinweis für die erwähnten Produktivitätsgewinne gewertet werden, welche man aufgrund des Gebots der Wirtschaftlichkeit (Art. 46 Abs. 4 KVG) und der betriebswirtschaftlichen Bemessung (Art. 43 Abs. 4 KVG) zumindest teilweise kompensieren müsse.

Das BAG wies ausserdem darauf hin, dass ein Ziel bei Einführung des TARMED die finanzielle Aufwertung der intellektuellen ärztlichen Leistungen gegenüber den technisch-apparativen Leistungen gewesen sei. Die Einkommensunterschiede zwischen den technischen Fachspezialitäten und den Grundversorgern hätten seither aber zu- statt abgenommen. Art. 43 Abs. 6 KVG fordere eine kostengünstige gesundheitliche Versorgung und damit eine wirtschaftliche Tarifgestaltung (Gebot der Wirtschaftlichkeit). Daraus werde nicht zuletzt abgeleitet, dass ein Wechsel der Tarifierung dann nicht zu Mehrkosten und zu höheren Abgeltungen für die erbrachten Leistungen führen dürfe, wenn Qualität und Menge der erbrachten Leistungen mehr oder weniger gleich blieben und somit keine Faktoren vorlägen, die höhere Kosten rechtfertigen würden. Mit dem Grundsatz der Billigkeit (Art. 46 Abs. 4 KVG) werde zudem einerseits der Grundsatz der wirtschaftlichen Tragbarkeit verbunden, wonach zu prüfen sei, ob die mit einem Tarif verbundenen Auswirkungen auf die Kosten und Prämien für die Versicherten tragbar seien. Andererseits sei aus dem Grundsatz der Billigkeit auch abzuleiten, dass eine Tarifstruktur ausgewogen zu sein habe und nicht etwa eine bestimmte Leistungserbringergruppe bevorzugt werde.

Der Revisionsbedarf sei – so das BAG – grundsätzlich unbestritten. Das damalige Revisionsprojekt TARMED 2010 von TARMED Suisse sei aufgrund der geforderten Einstimmigkeit innerhalb von TARMED Suisse jedoch blockiert. Damit seien die Voraussetzungen für einen Eingriff des Bundesrates auf Basis der subsidiären Kompetenz nach Art. 43 Abs. 5bis KVG erfüllt.

5.3.4.

Gemäss den vorangehenden Ausführungen besteht in Bezug auf den TARMED offenbar Revisionsbedarf. Mit Blick auf die erwähnten Schwachstellen kann im TARMED insbesondere auf der Ebene der Berechnungswerte in den Kostenmodellen nicht mehr von einer insgesamt überzeugenden sachgerechten Struktur gesprochen werden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Bundesrat erst vor Kurzem (per 1.6.2012) die Tarifversion 1.08 genehmigt hatte. Denn es ist davon auszugehen, dass sich die Genehmigungsbehörde bei der materiellen Prüfung der Tarifstruktur auf die Änderungen seit der letzten Version konzentriert (vgl. Evaluation EFK, S. 83).


Damit ist die erste Voraussetzung für einen Eingriff des Bundesrates in die Tarifstruktur erfüllt.

5.4.

Trotz grundsätzlichem Konsens zwischen den Tarifvertragsparteien betreffend Revisionsbedürftigkeit des TARMED scheiterten die Bemühungen um eine Gesamtrevision immer wieder. Während HPlus und die FMH das Gewicht auf eine betriebswirtschaftliche Bemessung legten, forderte santésuisse jeweils, dass vorgängig ein Vertrag über die Steuerung der Kosten abgeschlossen werde (Evaluation EFK, Das Wesentliche in Kürze). Notwendige Revisionen werden hauptsächlich durch divergierende Auffassungen über die Kostenneutralitätspflicht blockiert. Im Rahmen des Masterplans forderte der Bundesrat die TARMED-Tarifpartner auf, kostenneutrale Vorschläge zur Besserstellung der Grundversorger im Umfang von Fr. 200 Mio. zu erarbeiten (BAG-Kommentar, S. 3). Dabei sollte die Umverteilung zu Lasten der technischen Leistungen gehen. Hierzu kam keine Einigung der Vertragsparteien zu Stande. Insofern kann die Voraussetzung der fehlenden Einigung der Tarifpartner gemäss Art. 43 Abs. 5bis KVG ebenfalls als erfüllt betrachtet werden (anderer Meinung wohl Eugster, SBVR, S. 745, N 1133).

5.5.

Als Zwischenfazit kann festgehalten werden, dass der Bundesrat grundsätzlich ermächtigt war, in die Tarifstruktur TARMED einzugreifen und Anpassungen vorzunehmen.


6.

Im Weiteren ist der politische Kontext, in dem die Anpassungsverordnung entstand, näher zu beleuchten.

6.1.

Im April 2010 wurde die Volksinitiative "Ja zur Hausarztmedizin" bei der Bundeskanzlei eingereicht. Die Initiative wollte dem Bund zusätzliche Kompetenzen bei der Regelung der Ausbildung, Berufsausübung und Leistungsabgeltung auf dem Gebiet der Hausarztmedizin einräumen und hätte einen verfassungsmässigen Sonderstatus für die Berufsgruppe der Hausärzte geschaffen. Unter anderem aus diesem Grund lehnte der Bundesrat die Initiative ab und stellte ihr einen direkten Gegenentwurf gegenüber, um die berechtigten Anliegen in der medizinischen Grundversorgung und namentlich zugunsten der Hausarztmedizin aufzunehmen (vgl. Botschaft zur Volksinitiative "Ja zur Hausarztmedizin", BBl 2011 7553). Im Juni 2012 wurde vom EDI zudem der Masterplan "Hausarztmedizin und medizinische Grundversorgung" lanciert, um die anerkannten Schwierigkeiten in der Hausarztmedizin und in der medizinischen Grundversorgung rasch angehen zu können. Mit der vorgeschlagenen neuen Verfassungsbestimmung (Gegenentwurf zur Initiative "Ja zur Hausarztmedizin") und dem Masterplan "Hausarztmedizin und medizinische Grundversorgung" sollte dafür gesorgt werden, dass die Hausärzte schnell konkrete Verbesserungen erhalten und die medizinische Grundversorgung gestärkt werde. Der Bundesrat forderte die TARMED-Tarifpartner im Rahmen des Masterplans auf, kostenneutrale Vorschläge zur Besserstellung der Grundversorger im Umfang von Fr. 200 Mio. zu erarbeiten. Um dabei eine kostenneutrale Umsetzung dieser Besserstellung zu gewährleisten, wurden die Tarifpartner verpflichtet, gleichzeitig einen Plan zur kostenneutralen Umsetzung zu präsentieren (dazu und zum Folgenden BAG-Kommentar, S. 3). Dies deshalb, weil die Besserstellung der Grundversorger im Rahmen des Masterplans baldmöglichst geschehen sollte und sie lediglich als Übergangsmassnahme bis zu einer weitergehenden Revision der Tarifstruktur – von den Tarifpartnern geplant auf Ende 2015 – zu verstehen sei. Eine solche Übergangsmassnahme, welche am Umfang der Leistungen nichts ändere, solle im Sinn von Art. 43 Abs. 6 i.V.m. Art. 46 Abs. 4 KVG zu keinen Mehrkosten führen. Gemäss BAG-Kommentar informierten die Tarifpartner den Vorsteher des EDI mit Schreiben vom 23. September 2013 darüber, dass definitiv keine den Vorgaben entsprechende Vereinbarung zustande gekommen sei. Daher werde der Bundesrat nun von seiner subsidiären Kompetenz Gebrauch machen und Anpassungen in der Tarifstruktur TARMED vornehmen. Die Verordnung bzw. die Anpassungen an der Tarifstruktur TARMED würden aufgehoben, falls sich die Tarifpartner auf eine Anpassung der Tarifstruktur einigen sollten und diese vom Bundesrat nach Massgabe von Art. 46 Abs. 4 i.V.m. Art. 43 Abs. 5 KVG genehmigt werden sollte.


Mit Rückzugserklärung vom 2. Oktober 2013 zog das Initiativkomitee die eidgenössische Volksinitiative zurück. Dafür wurde am 18. Mai 2014 der Gegenentwurf durch Volk und Stände angenommen. Gleichentags trat der neue Art. 117a BV in Kraft. Dieser lautet wie folgt:

1 Bund und Kantone sorgen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für eine ausreichende, allen zugängliche medizinische Grundversorgung von hoher Qualität. Sie anerkennen und fördern die Hausarztmedizin als einen wesentlichen Bestandteil dieser Grundversorgung.

2 Der Bund erlässt Vorschriften über:

a. die Aus- und Weiterbildung für Berufe der medizinischen Grundversorgung und über die Anforderungen zur Ausübung dieser Berufe;

b. die angemessene Abgeltung der Leistungen der Hausarztmedizin.


Per 1. Oktober 2014 trat sodann die Anpassungsverordnung in Kraft.

6.2.

Mit der Anpassungsverordnung verfolgte der Bundesrat demnach das gleiche Ziel, die intellektuellen ärztlichen Leistungen gegenüber den technischen Leistungen stärker zu gewichten und dadurch die Grundversorger besser zu stellen (Kommentar BAG, S. 6). Dies war auch eines der Hauptziele bei der Einführung des TARMED im Jahr 2004. Die Anpassungsverordnung sieht zu diesem Zweck eine Zuschlagsposition für hausärztliche Leistungen in der Arztpraxis vor. Von der neuen Position profitieren die Leistungserbringergruppen Allgemeine Innere Medizin, praktischer Arzt sowie Kinder- und Jugendmedizin in der Arztpraxis (jeweils inkl. Doppeltitelträger). Nicht abgerechnet werden darf der Zuschlag von ambulanten Diensten von Spitälern. Auf der anderen Seite wird die Bewertung der Taxpunkte der technischen Leistung (TL) für Tarifpositionen von 13 Kapiteln linear um 8,5 % gesenkt. Gemäss BAG sind die Grundversorger von den Kürzungen in diesen Kapiteln kaum betroffen. Die TL bezieht sich auf die Infrastruktur und berücksichtigt nach dem TARMED-Modell Kostenelemente wie Personalkosten des nichtärztlichen Personals, Sachkosten, Umlagen und Anlagenutzungskosten. Die lineare Kürzung von 8,5 % bei den technischen Leistungen wird damit begründet, dass die dem Bundesrat zur Verfügung stehenden Daten es ihm nicht erlaubten, auf der Ebene einzelner Leistungspositionen differenzierte Eingriffe vorzunehmen. Zudem solle mit der linearen Kürzung bewusst möglichst wenig in die Tarifstruktur eingegriffen werden. Die lineare Kürzung von 8,5 % der Taxpunkte der technischen Leistungen (TL) für Tarifpositionen von 13 Kapiteln sei zeitlich zwar nicht befristet, verstehe sich aber als Übergangsmassnahme bis zum Inkrafttreten einer Totalrevision der Tarifstruktur, die vom Bundesrat nach Massgabe von Art. 46 Abs. 4 i.V.m. Art. 43 Abs. 5 KVG genehmigt werde. Da am Umfang der Leistungen nichts ändere, solle diese Anpassung im Sinn von Art. 43 Abs. 6 i.V.m. Art. 46 Abs. 4 KVG zu keinen Mehrkosten führen (Kostenneutralitätsprinzip). Die Tarifpartner wurden dazu aufgefordert, die Daten zu liefern, welche es ermöglichen, die Umbewertungen im Rahmen einer Revision des TARMED oder im Rahmen eines erneuten Eingriffs des Bundesrates differenzierter vorzunehmen. Die vorgesehenen Anpassungen – so das BAG weiter – würden bis zu der von einigen Tarifpartnern angekündigten Gesamtrevision Ende 2015 grundsätzlich zu einer stärkeren Gewichtung der intellektuellen ärztlichen Leistungen gegenüber den technischen Leistungen beitragen und sollten dem stärkeren Wachstum des Taxpunktvolumens der technischen Leistungen der letzten Jahre gegenüber den ärztlichen Leistungen entgegen wirken.


Zu Ziffer 1 des Anhangs der Anpassungsverordnung führte das BAG aus, dass die Anwendung der Zuschlagsposition (00.0015) auf die Abrechnung in der Arztpraxis durch die genannten Leistungserbringer limitiert sei. Weder andere Leistungserbringergruppen noch die Spitäler für den spitalambulanten Bereich dürften die Zuschlagspositionen abrechnen. Sie dürfe mit 10 Taxpunkten (AL) maximal 1 mal pro Tag abgerechnet werden. Die Bewertung entspreche einer Mehrvergütung von geschätzt rund Fr. 200 Mio. auf Basis des Tarifpools 2012 (hochgerechnet).


Zur Auswahl der in Ziffer 2 genannten 13 von der Kürzung betroffenen Kapitel führte das Bundesamt aus, in diesen Kapiteln sei das abgerechnete Taxpunktvolumen der technischen Leistungen in absoluten Zahlen hoch und habe in den letzten Jahren (2009-2012) stark zugenommen. Zudem seien bei diesen Kapiteln mindestens 50 % der Steigerung (2009-2012) des Gesamtvolumens (AL+TL) auf das gestiegene Volumen TL in der gleichen Zeit zurückzuführen. Die lineare Kürzung von 8,5 % der Taxpunkte der technischen Leistungen (TL) orientiere sich am Kostenneutralitätsprinzip und führe somit zu Einsparungen von rund Fr. 200 Mio.

7.

7.1.

Der Gesetzgeber kann Rechtsetzungskompetenzen auf den Verordnungsgeber delegieren (Art. 164 Abs. 2 BV). Er ermächtigt damit im formellen Gesetz die Exekutive zum Erlass von gesetzesvertretenden Verordnungen (unselbständige Verordnungen). Bei einer gestützt darauf erlassenen Bundesratsverordnung prüft das Gericht, ob sich der Bundesrat an die Grenzen der ihm im Gesetz eingeräumten Befugnisse gehalten hat. Soweit das Gesetz ihn nicht ermächtigt, von der Verfassung abzuweichen bzw. seine Regelung nicht lediglich eine bereits im Gesetzesrecht angelegte Verfassungswidrigkeit übernimmt, beurteilt es auch deren Verfassungsmässigkeit. Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt, ist dieser für das Gericht verbindlich. Es darf in diesem Fall nicht sein Ermessen an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen, sondern hat sich auf die Kontrolle zu beschränken, ob dessen Regelung den Rahmen der ihm im Gesetz delegierten Kompetenzen offensichtlich sprengt oder aus anderen Gründen gesetzes- oder verfassungswidrig ist (BGE 133 V 42 E. 3.1 mit Hinweisen). Dabei kann es namentlich prüfen, ob sich eine Verordnungsbestimmung auf ernsthafte Gründe stützt oder Art. 9 BV widerspricht, weil sie sinn- oder zwecklos ist, rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den tatsächlichen Verhältnissen fehlt, oder Unterscheidungen unterlässt, die richtigerweise hätten getroffen werden sollen. Für die Zweckmässigkeit der angeordneten Massnahme trägt der Bundesrat die Verantwortung; es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sich zu deren wirtschaftlicher oder politischer Sachgerechtigkeit zu äussern (BGE 136 I 197 E. 4.2; 130 I 26 E. 2.2.1 je mit weiteren Hinweisen). Allerdings muss dort, wo nach Art. 6 Ziff. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK; SR 0.101) Anspruch auf ein gerichtliches Verfahren besteht, eine wirksame gerichtliche Kontrolle bundesrätlicher Festlegungen erfolgen können (BGE 127 II 184 E. 5; vgl. auch die in BGE 132 V 299 nicht publizierte E. 4.1, wonach die Auseinandersetzung über die Tariffestsetzung als "zivilrechtliche" Angelegenheit im Sinn von Art. 6 Ziff. 1 EMRK einzustufen ist).

7.2.

Nach Art. 43 Abs. 5bis KVG kann der Bundesrat Anpassungen an der Tarifstruktur vornehmen, wenn sie sich als nicht mehr sachgerecht erweist und sich die Parteien nicht auf eine Revision einigen können. Die Delegationsnorm selber enthält keine konkreten Vorgaben zu Art und Umfang der Anpassungen und belässt dem Bundesrat insofern einen grossen Spielraum.

Im Folgenden ist zunächst zu prüfen, ob der konkret vom Bundesrat vorgenommene Eingriff in die Tarifstruktur TARMED gesetzeskonform erfolgt ist.

8.

8.1.

Die Klägerin rügt eine Verletzung von Art. 43 Abs. 4 KVG. Ein Eingriff des Bundesrates in eine Tarifstruktur gestützt auf Art. 43 Abs. 5bis KVG müsse zu einer sachgerechten Tarifstruktur führen. Das heisse, die "Zielstruktur" müsse den Tarifvorschriften des KVG entsprechen. Dies ergebe sich unzweifelhaft aus den Gesetzesmaterialien. Dort sei die Rede davon, dass die Tarifstruktur sachgerecht bleiben solle. Auch aus dem subsidiären Charakter des Eingriffs ergebe sich, dass der Bundesrat nur Anpassungen vornehmen dürfe, die auch die Tarifpartner im Rahmen ihrer Tarifautonomie vereinbaren dürften, nämlich eine sachgerechte Struktur.

8.2.

Der Klägerin kann darin gefolgt werden, dass bei einem Eingriff gestützt auf Art. 43 Abs. 5bis KVG die Grundsätze der Sachgerechtigkeit und der betriebswirtschaftlichen Bemessung berücksichtigt werden müssen. Es würde in der Tat wenig Sinn machen, wenn der Bundesrat in eine seiner Ansicht nach nicht sachgerechte Tarifstruktur eingreifen und dabei Anpassungen vornehmen würde, die den Anforderungen der Sachgerechtigkeit und der betriebswirtschaftlichen Bemessung (Art. 43 Abs. 4 KVG) ihrerseits nicht genügten. Zwar bezieht sich Art. 43 Abs. 4 KVG auf die Tariffestsetzung. Es wäre aber nicht überzeugend, bei der ursprünglichen Festlegung dieses Kriterium zu berücksichtigen, nicht aber bei späteren Anpassungen (vgl. Kieser, Tarif für ärztliche Leistung, in: Tarif und Tarifanpassung in der Krankenversicherung, Ein juristischer, ökonomischer und methodischer Blick auf den ambulanten Bereich [Hrsg. Kieser/Oggier/Bührer], S. 54 und 62; vgl. auch Saxer, Recht und Ökonomie der KVG-Tarifgestaltung, Eine kritische Würdigung unter besonderer Berücksichtigung von Art. 59c KVV [Hrsg. Saxer/Oggier], S. 17). Andererseits würde es aufgrund der Tarifautonomie zu weit gehen, vom Bundesrat zu verlangen, dass nach einem Eingriff die gesamte Tarifstruktur sachgerecht und jede Einzelleistung betriebswirtschaftlich korrekt bemessen ist. Es sollte dem Verordnungsgeber auch möglich sein, punktuell einzugreifen und betriebswirtschaftlich nicht mehr aktuelle Tarifpositionen anzupassen. Nach diesem Verständnis muss der Eingriff zu einer insgesamt sachgerechteren Tarifstruktur führen und zumindest punktuell zu Verbesserungen führen. Wie es sich damit verhält, ist im Folgenden zu prüfen.

8.3.

8.3.1.

Wie bereits ausgeführt erfolgte der Eingriff des Bundesrates in die Tarifstruktur TARMED in erster Linie mit dem Ziel der finanziellen Besserstellung der Grundversorger in der Höhe von Fr. 200 Mio. Dieser Betrag tauchte erstmals im Zusammenhang mit dem Masterplan "Hausarztmedizin und medizinische Grundversorgung" auf. Wie sich aus der Entstehungsgeschichte der Anpassungsverordnung ergibt, sollten die Urheber der Initiative "Ja zur Hausarztmedizin" zum Rückzug des Volksbegehrens bewogen werden. Nachdem die Initianten des Volksbegehrens eine finanzielle Besserstellung im Umfang von Fr. 350 Mio. verlangt hatten, machte der Bundesrat ein politisch tragbares Zugeständnis von Fr. 200 Mio. (vgl. Interview mit Bundesrat Alain Berset in der NZZ [http://www.nzz.ch/schweiz/die-schweiz-muss-mehr-aerzte-ausbilden-1.18137406], besucht am 5.12.2016). Dieser Betrag ist somit rein politisch begründet und basiert nicht auf einer betriebswirtschaftlichen Bemessung bzw. auf einer Umverteilung von nachgewiesenen Effizienzgewinnen. Es liegt ihm auch keine Evaluation zu Grunde, welche zum Schluss gelangt wäre, die Grundversorger seien aufgrund von Mängeln in der Tarifstruktur TARMED in diesem Umfang gegenüber den Spezialisten benachteiligt.

Die politisch motivierte Zielvorgabe galt es durch Einführung einer Zuschlagsposition zu Gunsten der hausärztlichen Leistungen umzusetzen. Aus der vorgegebenen Besserstellung der Grundversorger resultierte schliesslich die Einführung einer Zuschlagsposition für hausärztliche Leistungen in der Arztpraxis (10 Taxpunkte). Da der Bundesrat gleichzeitig auf eine kostenneutrale Umsetzung beharrte, musste der Mehrbetrag von Fr. 200 Mio. durch entsprechende Abwertungen bei bestimmten TL gegenfinanziert werden. Dies sollte durch eine lineare Kürzung um 8,5 % in 13 ausgewählten Kapiteln bzw. bei insgesamt ca. 2'700 Einzelleistungen erreicht werden. Der Bundesrat nahm demnach nicht eine ergebnisoffene Überprüfung der TL vor, indem er sämtliche Einzelleistungen darauf untersuchte, ob sie den aktuellen betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten entsprechen. Vielmehr versuchte er, mit einer linearen Abwertung in bestimmten Kapiteln Einsparungen in der aufgrund des Kostenneutralitätsprinzips vorgegebenen Höhe von Fr. 200 Mio. zu erreichen.

8.3.2.

Ein kurzer Blick auf die Komplexität des Tarifwerks TARMED genügt, um feststellen zu können, dass die vom Bundesrat vorgenommenen Anpassungen bei den TL aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht haltbar sind. Für eine umfassende Darstellung der Tarifarchitektur und Tarifmechanik des TARMED sei auf den Hauptbericht der Infras "Evaluation TARMED: Fallbeispiele" vom 3. Juni 2010 verwiesen.

Aus methodischer Sicht besteht das Tarifwerk TARMED aus dem Tarifmodell mit den betriebswirtschaftlich begründeten Berechnungsalgorithmen und der Tarifstruktur (vgl. dazu und zum Folgenden: Bührer, Tarif und Tarifanpassung in der Krankenversicherung, Ein methodischer Blick auf den ambulanten Bereich, in: Tarif und Tarifanpassung in der Krankenversicherung, Ein juristischer, ökonomischer und methodischer Blick auf den ambulanten Bereich [Hrsg. Kieser/Oggier/Bührer], S. 151 ff.). Das Tarifmodell kennt drei Gruppen von Modelleingangsparametern: die Tarifnomenklatur, die positionsbezogene Leistungsbewertung, welche jede Position nach verschiedenen Kriterien bewertet (erfasst werden rund 20 Parameter), und die nicht positionsbezogenen Modellparameter, welche Elemente wie Referenzeinkommen, Jahresarbeitszeit, Infrastruktur-Raumbedarf oder Investitionssätze ins Modell einbringen. Zur Berechnung der ärztlichen Leistung AL wird das Submodell Koreg AL (gemeinsames Modell für Arztpraxen und Spital) verwendet. Zur Berechnung der technischen Leistung dient entweder das Submodell Koreg TL oder INFRA, wobei die Sparte für die jeweilige Anwendung des Submodells massgebend ist. Das Modell TARMED basiert auf der Idee, dass gleichwertige ärztliche Leistungen unabhängig vom Ort der Erbringung (Arztpraxis oder Spital) gleich abgegolten werden sollen (vgl. Bührer, a.a.O., S. 152).

Die ärztliche Leistung AL berechnet sich wie folgt (Bührer, a.a.O., S. 159):

Kostensatz Arzt x Minutage Arzt + Assistenz

Dabei ist der Kostensatz Arzt von der quantitativen Dignität und der Sparte der Tarifposition abhängig. Die Sparte bezeichnet vereinfacht ausgedrückt den Raum inklusive nichtärztliches Personal und technische Infrastruktur, welcher für die Erbringung der Leistung der entsprechenden Position notwendig ist. Mit der quantitativen Dignität wird eine Gleichstellung aller ambulant tätigen Ärzte unter Berücksichtigung des Lebenseinkommens angestrebt (vereinfacht: durch eine längere Ausbildung soll das Lebenseinkommen nicht tiefer sein als bei einer kürzeren Ausbildungszeit). Die Minutage Arzt setzt sich aus den Parametern "Leistung im engeren Sinn" + "Vor- und Nachbearbeitung" + "Bericht" der entsprechenden Tarifposition zusammen. Der "Assistenz" liegt wiederum eine eigene Berechnung zu Grunde.

Die technische Leistung TL berechnet sich folgendermassen:

Kostensatz TL x Minutage TL

Dabei ist der Kostensatz durch die Sparte der Tarifposition festgelegt und die Minutage setzt sich aus der Raumbelegungszeit und der Wechselzeit der Tarifposition zusammen. Auch die Kosten für Löhne für nichtärztliches Personal werden umfasst. Nach dem TARMED-Konzept soll der Leistungserbringer aus der Vergütung der TL grundsätzlich kein zusätzliches Einkommen erzielen (Eugster, SBVR, S. 712, N 1015).

8.3.3.

Mit Ziff. 2 des Anhangs der Anpassungsverordnung kürzte der Bundesrat die TL bei Einzelleistungen in 13 Kapiteln um 8,5 %. Bührer zeigte anhand eines Beispiels die konkreten Auswirkungen dieser Kürzung (Bührer, a.a.O., S. 178 f.):

Zur Veranschaulichung wählte Bührer die Tarifposition 24.4830 (Hüftgelenktotalendoprothese), welche ebenfalls von der Kürzung betroffen ist. Die TL wurde von 1024,10 auf 937,05 gekürzt. Die Raumbelegungszeit sei hingegen nicht geändert worden und betrage weiterhin 105 Minuten. Die Sparte sei "OP II". Mit der Anpassung sei der Kostensatz für diese Tarifposition ebenfalls um 8,5 % gekürzt worden. Als Folge davon sei nun der Kostensatz für die Sparte "OP II", über die ganze Tarifstruktur betrachtet, nicht mehr konsistent. Denn nicht alle TARMED-Kapitel mit TARMED-Positionen, die auf der Sparte "OP II" basierten, seien von der Anpassung betroffen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht könne es jedoch nicht angehen, dass es für eine Sparte oder Kostenstelle zwei unterschiedliche Kostensätze gebe, zumal der Kostensatz aus der Kostenstelle hergeleitet werde.

8.3.4.

Abgesehen von den resultierenden Inkonsistenzen, wie sie Bührer beschrieben hat, liegt es auf der Hand, dass die Änderungen gemäss Ziff. 2 des Anhangs der Anpassungsverordnung nicht auf einer betriebswirtschaftlichen Bemessung beruhen und folglich nicht zu einer sachgerechten Tarifstruktur (vgl. Art. 43 Abs. 4 KVG) der Tarifpositionen führen können (vgl. E. 5.3.1). Die Kürzung von 8,5 % ergab sich nicht aus einer ergebnisoffenen Überprüfung der Tarifstrukturen auf ihre Sachgerechtigkeit, sondern aus der Zielvorgabe, wonach Einsparungen in der Höhe von Fr. 200 Mio. zu realisieren seien, damit die Aufwertung der hausärztlichen Einkommen gegenfinanziert werden können (Kostenneutralitätsprinzip). Zwar wäre denkbar, dass eine Kürzung um 8,5 % bei einigen Einzelleistungen zufälligerweise zu einem sachgerechten Ergebnis führen könnte. Da von der linearen Abwertung aber insgesamt ca. 2'700 Leistungen betroffen sind, lassen sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht inkonsistente Ergebnisse nicht vermeiden. Es lässt sich kaum von der Hand weisen, dass nunmehr gewisse Einzelleistungen zu tief und andere immer noch zu hoch bewertet sind. Als Beispiel dafür sei etwa die Kataraktoperation erwähnt: Da sich dank des technischen Fortschritts in den vergangenen Jahren die Dauer des Eingriffs erheblich verkürzt hat (vgl. Evaluation EFK, S. 90 f.), wäre eigentlich eine Anpassung bei der ärztlichen Leistung AL (Minutage) angezeigt. Die Kürzung um 8,5 % gemäss Ziff. 2 des Anhangs der Anpassungsverordnung betrifft indessen ausschliesslich die technischen Leistungen TL.

8.3.5.

In Bezug auf die Auswahl der 13 Kapitel, die von der linearen Abwertung betroffen sind, ist Folgendes festzuhalten:

Wie das BAG ausführte, hat das abgerechnete Taxpunktvolumen der technischen Leistungen in den 13 von der Kürzung betroffenen Kapiteln in den Jahren 2009 bis 2012 stark zugenommen (Steigerung TL absolut > 1 Mio.). Zudem seien bei diesen Kapiteln mindestens 50 % der Steigerung (2009-2012) des Gesamtvolumens (AL+TL) auf das gestiegene Volumen TL in der gleichen Zeit zurückzuführen. Ausgeschlossen worden seien das Kapitel 00 (Grundleistungen), da alle Leistungserbringergruppen, Grundversorger gleichermassen wie alle anderen Fachärzte und Fachärztinnen sowie Spitäler, in diesem Kapitel abrechnen würden, und das Kapitel 02 Psychiatrie, weil die Leistungen in diesem Kapitel als erweiterte Grundversorgung betrachtet werden könnten. Zudem seien die Kapitel 22 (Diagnostik und Therapie der weiblichen Genitalorgane, Geburtshilfe) und 09 (Ohr, Gleichgewichtsorgan, N. facialis) wegen der sehr geringen prozentualen Steigerung des TL-Volumens nicht berücksichtigt worden. Da das Kapitel 29 (Schmerztherapie) im Jahr 2012 komplett neu gestaltet worden sei und es auch nur im Jahr 2012 eine starke Zunahme des Taxpunktvolumens der technischen Leistungen aufweise, werde es ebenfalls von der Kürzung ausgenommen.

Das BAG schloss von der Volumensteigerung in den 13 Kapiteln ohne Weiteres auf Produktivitätsgewinne, welche es – zumindest teilweise – zu kompensieren gelte. Eine eingehendere Untersuchung der Ursachen der Volumensteigerung nahm das Bundesamt nicht vor. Damit ist letztlich nicht geklärt, ob nicht auch andere Gründe für die erhebliche Volumenzunahme (haupt-)verantwortlich waren (z.B. Substitution von stationären durch ambulante Spitalleistungen; demographische Entwicklung und gesteigerter Bedarf an bestimmten ärztlichen Leistungen; Entwicklung der Anzahl der Leistungserbringer; technischer Fortschritt und als Folge davon neue Leistungen).

Soweit sich der Bundesrat bzw. das BAG auf die Evaluation der EFK stützen, ist zu konstatieren, dass dem Bericht der EFK eine Evaluation von lediglich elf Fallbeispielen zu Grunde lag. Die EFK gelangte zum Schluss, dass die Vergütung bei drei Fallbeispielen eher hoch sei. Sie gab gleichzeitig zu bedenken, dass die Ergebnisse primär die Arztpraxen betreffen würden, weil die Datenlage in Spitalambulatorien keine Analyse von Leistungspaketen zugelassen habe (vgl. dazu und zum Folgenden Evaluation EFK, S. 14, 37 f. und 41). Eine abschliessende Beurteilung der Kostenrealität sei nur möglich, wenn neben TARMED-Daten pro Leistungspaket auch repräsentative Kostendaten einer effizient betriebenen Praxis vorliegen würden. Die Diskussionen über die Minutagen würden ausserdem zeigen, dass es wichtig wäre, die aktuellen Minutagen empirisch zu erheben und anzupassen. Da diese offensichtlich überhöht seien, gebe es bekannte und starke Verzerrungen in der Tarifstruktur. Die Datengrundlage, die dem Bericht der EFK zu Grunde lag, kann demnach nicht als umfassend und aussagekräftig betrachtet werden. Wenn überhaupt, lässt die Evaluation lediglich gewisse Rückschlüsse in Bezug auf die 11 Fallbeispiele zu.

8.4.

Nach dem Gesagten vermag die Auswahl der 13 von der Kürzung betroffenen Kapitel nicht zu überzeugen. Zudem lässt sich die lineare Abwertung um 8,5 % betriebswirtschaftlich nicht herleiten und begründen. Die Kürzungen erfolgten im Hinblick auf eine kostenneutrale Umsetzung der (politisch motivierten) finanziellen Besserstellung der Hausärzte im Umfang von Fr. 200 Mio. Damit führen die Anpassungen des Bundesrates nicht zu einer insgesamt sachgerechteren Tarifstruktur. Insofern ist Art. 43 Abs. 4 KVG verletzt.

9.

9.1.

Der Bundesrat war sich der beschriebenen Problematik durchaus bewusst. Immerhin räumte er bzw. das BAG ein, dass die zur Verfügung stehenden Daten es nicht erlaubten, auf der Ebene einzelner Leistungspositionen differenzierte Eingriffe vorzunehmen. Die Tarifpartner hätten ihre Kostenmodelle bereits bei der TARMED-Einführung als Geschäftsgeheimnis deklariert. Mit der linearen Kürzung solle zudem bewusst möglichst wenig in die Tarifstruktur eingegriffen werden. Es handle sich um eine Übergangsmassnahme bis zum Inkrafttreten einer Totalrevision der Tarifstruktur, die vom Bundesrat nach Massgabe von Artikel 46 Absatz 4 i.V.m. Artikel 43 Absatz 5 KVG genehmigt werde (vgl. E. 6.2). Insofern nahm der Bundesrat in Kauf, dass die Tarifstruktur nach Erlass der Anpassungsverordnung nicht auf aktueller betriebswirtschaftlicher Bemessung beruhen würde. Er rechtfertigte sein Vorgehen aber immer wieder mit dem Prinzip der Kostenneutralität, welches er aus dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Billigkeit (Art. 46 Abs. 4 KVG) ableitete. Das Ziel bestehe darin, eine qualitativ hochstehende und zweckmässige gesundheitliche Versorgung zu möglichst günstigen Kosten zu erreichen (Art. 43 Abs. 6 KVG). Da die Übergangsmassnahme nichts am Umfang der Leistungen ändere, dürften keine Mehrkosten entstehen.

9.2.

Soweit der Bundesrat ausführte, auf der Stufe der Einzelleistungen könne die Sachgerechtigkeit nicht beurteilt werden, da diesbezüglich keine spezifischen Kostendaten zur Verfügung stünden, ist dem entgegenzuhalten, dass er sich im Rahmen der Einführung von Art. 43 Abs. 5bis KVG für die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage zwecks Erhalts der entsprechenden Daten hätte stark machen können. Mit Art. 3 der Anpassungsverordnung ist nunmehr eine Bestimmung in Kraft, gemäss welcher die Tarifpartner dem Eidgenössischen Departement des Innern auf Verlangen kostenlos alle Informationen und Daten übermitteln müssen, die notwendig sind, um die Auswirkungen der Anpassungen der Tarifstrukturen zu evaluieren. Eine weitergehende Datenbeschaffung wird demnach weiterhin nicht für notwendig befunden. Insofern überzeugt es aber nicht, wenn der Bundesrat die undifferenzierte lineare Abwertung bei bestimmten TL mit dem Fehlen der benötigten Daten begründet. Ausserdem wies bereits die EFK darauf hin, dass zur Verbesserung der Transparenz eine Aktualisierung der Dokumentation zur Berechnung des TARMED erforderlich wäre (vgl. Evaluation EFK, S. 99). Die letzte Version dieser Dokumentation stamme von Juli 1999 und der TARMED sei seither beträchtlich geändert worden.

Ebenfalls nicht überzeugend ist der Hinweis auf den Übergangscharakter der Anpassungen. Angesichts der Tatsache, dass seit der Einführung des TARMED im Jahr 2004 aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips und der entgegenstehenden Interessen der Tarifpartner keine umfassende Revision stattgefunden hat, konnte nicht mit einer baldigen Einigung gerechnet werden. Dies umso weniger, als der Bundesrat wiederholt klarstellte, dass einzig eine kostenneutrale Lösung behördlich genehmigt würde. Es überrascht denn auch nicht, dass die Tarifpartner innert vom Bundesrat erstreckter Frist bis 31. Oktober 2016 keinen konsensgetragenen Vorschlag einer umfassenden Tarifrevision einreichten. Zwar wurde inzwischen für das Jahr 2017 eine – vorübergehende – Regelung getroffen, indem die Tarifpartner den TARMED mit den Änderungen des Bundesrates übernommen haben. Diese Einigung erfolgte aber (einzig auf entsprechenden Druck hin und) nur deshalb, um einen tarifstrukturlosen Zustand zu verhindern. Eine Einigung über eine sachgerechte Anpassung des TARMED liegt damit nach wie vor in weiter Ferne, weshalb denn auch der Bundesrat nun bereits einen nächsten Eingriff in den TARMED für die Zeit ab 1. Januar 2018 plant (vgl. dazu am 22.3.2017 eröffnetes Vernehmlassungsverfahren zur Änderung der Anpassungsverordnung).

9.3.

Es trifft zwar zu, dass die Gesichtspunkte, welche der Strukturierung eines Tarifs zu Grunde liegen, als nicht oder schwer justiziabel betrachtet werden können, da sich komplexe technische, wirtschaftliche, rechtliche und zeitliche Fragen (vgl. BGer-Urteil 9C_524/2013 vom 21.1.2014 E. 4) stellen. Soweit die Abwertung der 13 ausgewählten Kapitel aber jegliche betriebswirtschaftliche Bemessung vermissen lässt, ist der Eingriff in die Tarifstruktur aber offensichtlich als ausschliesslich politisch motivierte Anpassung zu verstehen, was dem Grundgedanken von Art. 43 Abs. 5bis KVG widerspricht. Nachdem der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Bericht der SGK-NR selbst noch die Meinung vertreten hatte, er könne von seiner neuen Kompetenz nach Art. 43 Abs. 5bis KVG nicht einzig mit dem Ziel Gebrauch machen, einen bestimmten Leistungserbringertyp zu fördern, erscheint es auch widersprüchlich, wenn er nunmehr Anpassungen an der Tarifstruktur vornimmt, welche in erster Linie die finanzielle Besserstellung der freipraktizierenden Grundversorger bezweckt.

9.4.

Anzufügen bleibt, dass sich der Eingriff des Bundesrates auch nicht unter Berufung auf Art. 117a BV (in Kraft seit 18.5.2014) rechtfertigen lässt. Gemäss dessen Abs. 2 erlässt der Bund Vorschriften über die angemessene Abgeltung der Leistungen der Hausarztmedizin. Dabei handelt es sich um einen Gesetzgebungsauftrag an den Bund (dazu: Filippo, Medizinische Grundversorgung [Art. 117a BV], Angemessene Abgeltung der Leistungen nur für die Hausarztmedizin?, in: Pflegerecht 2015, S. 107). Keineswegs lässt sich daraus eine Kompetenz des Bundesrates zum direkten Erlass einer selbständigen Verordnung und zur Festsetzung einer Einkommensverbesserung der Hausärzte im Umfang von Fr. 200 Mio. ableiten.

9.5.

Ob die Hausärzte gegenüber den Spezialisten aufgrund von Mängeln in der Tarifstruktur TARMED in einer gegen das Billigkeitsgebot (Art. 46 Abs. 4 KVG) verstossenden Weise benachteiligt sind – einzig eine solche Ungleichbehandlung würde nach der hier vertretenen Auffassung ein Eingreifen des Bundesrates gestützt auf Art. 43 Abs. 5bis KVG gebieten –, muss vorliegend nicht geprüft werden (vgl. hiernach E. 13). Es sei aber darauf hingewiesen, dass es einerseits an einer verlässlichen Datengrundlage fehlt, die ein TARMED-bedingt zu tiefes Einkommen der Hausärzte ausweisen würde (vgl. hierzu: Eugster, Rechtsgutachten, N 150 ff.). Andererseits dürften die Einkommensunterschiede in erster Linie auf andere Umstände zurückzuführen sein (vgl. Eugster, Rechtsgutachten, N 115 ff.). In Frage käme etwa die Tatsache, dass viele Spezialisten im Gegensatz zu den Hausärzten im Zusatzversicherungsbereich tätig sind. Ein zu geringes Einkommen könnte auch durch zu tiefe Taxpunktwerte bedingt sein, welche ihrerseits auf die kostenneutrale Einführung des TARMED zurückzuführen sind. Als weitere (TARMED-fremde) Gründe kämen in Frage: Änderung der Analysenliste im Jahr 2006; Revision der Analysenliste im Jahr 2009; Senkung der Margen auf den Medikamenten der selbstdispensierenden Ärzte in den Jahren 2005 und 2009. Einer der Hauptgründe für eine allfällig zu geringe Entgeltung der hausärztlichen Leistungen dürfte aber in der Halbierung der Taxpunkte AL und TL der Tarifposition 00.0030 (Konsultation letzte 5 Minuten) vor Einführung des TARMED zu sehen sein (vgl. Evaluation EFK, S. 64). Der Preisüberwacher argumentierte damals, es sei anzunehmen, dass im Durchschnitt für die letzten 5 Minuten nur 2,5 Minuten Leistungen erbracht würden, und diese Bewertung der Position 00.0030 könne zu "Doppelverrechnungen" führen und damit zu einem zu hohen Referenzeinkommen. Die Auswirkungen dieser Halbierung werden auf Fr. 105 - 120 Mio. pro Jahr geschätzt (http://www.synapse-online.ch/uploads/media/7_Tarifeingriff_Tarmed_fuer_Hausaerzte.pdf, besucht am 5.12.2016). Die EFK sprach denn auch die Empfehlung aus, dass die damalige Halbierung der Vergütung für die Position 00.0030 zu überprüfen sei. Stattdessen führte der Bundesrat in der streitigen Anpassungsverordnung eine neue Zuschlagsposition ein, welcher keine betriebswirtschaftliche Berechnung zu Grunde liegt.

Abgesehen von den genannten Unklarheiten wäre eine finanzielle Besserstellung einer Leistungserbringergruppe über eine Anpassung der Taxpunktwerte gezielter erreichbar. Auf diese Weise müsste nicht (voreilig) in eine bestehende Tarifstruktur eingegriffen werden.

9.6.

Selbst wenn nun aber die vom Bundesrat vorgenommene finanzielle Besserstellung der Hausärzte rechtmässig sein sollte, so ergäbe sich daraus nicht ohne Weiteres, dass im gleichen Umfang Kürzungen bei den TL, wovon hauptsächlich die Spezialisten betroffen sind, erfolgen müssten. Das vom Bundesrat immer wieder erwähnte Kostenneutralitätsgebot stammt aus der bundesrätlichen Spruchpraxis. Gestützt auf Art. 43 Abs. 7 KVG wurde das Prinzip auf Verordnungsstufe in Art. 59c Abs. 1 lit. c KVV verankert. Danach darf ein Wechsel des Tarifmodells keine Mehrkosten verursachen. Gemäss Abs. 3 wendet die zuständige Behörde die Absätze 1 und 2 bei Tariffestsetzungen nach den Artikeln 43 Absatz 5, 47 oder 48 des KVG sinngemäss an. Art. 43 Abs. 5bis KVG wird nicht erwähnt. Zwar ist die Verordnungsbestimmung jünger als besagte Gesetzesnorm. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, Art. 59c Abs. 1 und 2 seien auch bei einer Anpassung nach Art. 43 Abs. 5bis KVG zu berücksichtigen, zumal es bei Art. 43 Abs. 5bis KVG – im Gegensatz zu den in Art. 59c Abs. 3 KVV erwähnten Gesetzesbestimmungen – lediglich um Anpassungen einer bestehenden Tarifstruktur geht. Im Übrigen handelt es sich bei den vom Bundesrat vorgenommenen Änderungen gemäss der hier streitigen Anpassungsverordnung nicht um einen Wechsel des Tarifmodells. Entsprechend stützte sich der Bundesrat beim Erlass der Anpassungsverordnung nicht auf Art. 59c Abs. 1 lit. c KVV. Vielmehr leitete er den Grundsatz aus Art. 43 Abs. 6 i.V.m. Art. 46 Abs. 4 KVG ab (vgl. hiervor E. 5.3.3). Danach achten die Vertragspartner und die zuständigen Behörden darauf, dass eine qualitativ hoch stehende und zweckmässige gesundheitliche Versorgung zu möglichst günstigen Kosten erreicht wird. Daraus kann aber ebenfalls nicht geschlossen werden, Anpassungen gestützt auf Art. 43 Abs. 5bis KVG hätten unbesehen einer betriebswirtschaftlichen Bemessung generell kostenneutral zu erfolgen. Müsste jede Anpassung an geänderte betriebswirtschaftliche Daten wie auch jede andere Teilrevision einer Tarifstruktur stets kostenneutral erfolgen, so wäre das Grundprinzip der qualitativ hochstehenden gesundheitlichen Versorgung gefährdet. Denn wenn als Konsequenz davon gewisse Leistungen zu tief bewertet sind, besteht die Gefahr, dass sie nicht mehr angeboten werden oder durch schlechtere oder teurere Leistungen ausgetauscht werden.

Im Übrigen kann Eugster darin gefolgt werden, dass das Gebot betriebswirtschaftlicher Bemessung dem Kostenneutralitätsgebot vorgeht. Es wäre unter keinem Titel vertretbar, in den Kostenmodellen tatsachenwidrige betriebswirtschaftliche Zahlen zum Aufwand der Leistungserbringung einzusetzen, um Kostenneutralität herbeizuführen (Eugster, SBVR, S. 742, N 1121).

10.

Zusammenfassend wäre der Bundesrat grundsätzlich berechtigt gewesen, in die Tarifstruktur TARMED einzugreifen, um veraltete Bemessungsgrundlagen bei bestimmten Einzelleistungen anzupassen. Indem er aber von seiner Kompetenz dahingehend Gebrauch machte, dass er die freipraktizierenden Grundversorger (vorwiegend aus politischen Gründen) gegenüber den übrigen Leistungserbringern besser stellte und die daraus resultierenden Mehrkosten von Fr. 200 Mio. über eine lineare Abwertung bei 13 Kapiteln kompensierte, ohne dabei die Auswahl der betroffenen TL und die Höhe der Abwertung betriebswirtschaftlich herzuleiten, missachtete er das Gebot der Sachgerechtigkeit und der betriebswirtschaftlichen Bemessung nach Art. 43 Abs. 4 KVG. Die Anpassungsverordnung erweist sich insofern als gesetzeswidrig.

Es sei noch angefügt, dass bereits die EFK die Empfehlung abgab, keine punktuellen Anpassungen zu verordnen. Wenn der Bundesrat politische Ziele auf dem Gebiet der ambulanten Medizin erreichen wolle, sei der Erlass von Grundsätzen für den TARMED ein besseres Mittel, als fragmentierte Einzelmassnahmen zu verordnen. Der Bund müsse in der Lage sein sicherzustellen, dass die Grundsätze erfüllt würden, und falls nötig einzelne Parameter im TARMED selber festzusetzen. Im Bereich der ambulanten Versorgung fehlten konkrete Grundsätze, die eine betriebswirtschaftliche Bemessung und sachgerechte Struktur anleiten könnten (vgl. Evaluation EFK, S. 97).

11.

11.1.

Die vorliegend streitigen Rechnungen der Klägerin enthalten Positionen aus den Kapiteln 4, 17, 19 und 35. Diese sind von der linearen Kürzung von 8,5 % gemäss Ziff. 2 des Anhangs der Anpassungsverordnung betroffen. Da sich die genannte Bestimmung nach dem Gesagten als gesetzeswidrig erweist, ist sie vorliegend nicht anzuwenden.

11.2.

Werden die betreffenden Rechnungen gemäss TARMED 1.08, unter Ausschluss von Ziff. 2 der Anpassungsverordnung, vergütet, so ergeben sich gemäss den nicht zu beanstandenden Berechnungen der Klägerin Rechnungsbeträge von Fr. 658.90 (Fall y), Fr. 723.85 (Fall x), Fr. 868.75 (Fall w) und Fr. 356.95 (Fall v). Die Beklagte hat der Klägerin somit insgesamt Fr. 2'608.45 zu bezahlen.

11.3.

Betreffend Verzugszinspflicht ist Folgendes festzuhalten:

Das Rechtsverhältnis zwischen der Leistungserbringerin und der Krankenversicherung ist grundsätzlich öffentlich-rechtlicher Natur (vgl. BGE 139 V 82 E. 3.1.1 mit Hinweisen). Im hier zu beurteilenden Fall bestimmt es sich nach dem Vertrag vom 21. Januar 2009 zwischen der A sowie weiteren Spitälern und santésuisse. In Art. 7 ist das System des tiers payant und eine Zahlungsfrist von 30 Tagen ab Rechnungsdatum vorgesehen. Eine Regelung bezüglich der Verzugszinspflicht besteht nicht.

Die Auslegung eines verwaltungsrechtlichen Vertrags erfolgt grundsätzlich wie jene von privatrechtlichen Verträgen. Mangels eines übereinstimmenden tatsächlichen Willens (vgl. Art. 18 des Obligationenrechts [OR; SR 220]) müssen allfällige Unklarheiten und Lücken nach dem Vertrauensprinzip ausgelegt oder gefüllt werden. Im Zweifelsfall ist dem öffentlichen Interesse Vorrang einzuräumen und der Vertrag gesetzeskonform auszulegen. In BGE 139 V 82 hielt das Bundesgericht fest, dass Art. 26 Abs. 2 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) im Verhältnis zwischen sozialer Krankenversicherung und Leistungserbringer gemäss Art. 35 KVG keine (direkte) Grundlage für die Verpflichtung zur Leistung von Verzugszinsen bilde. Weiter beantwortete es die im EVG-Urteil K 4/06 vom 15. November 2006 E. 3.2 in fine offen gelassene Frage, ob mit Inkrafttreten des ATSG auch im Sozialversicherungsrecht analog zu Art. 104 Abs. 1 OR eine allgemeine Pflicht zur Leistung von Verzugszins eingeführt bzw. das bisher in diesem Bereich grundsätzlich geltende Verzugszinsverbot aufgehoben worden sei. Es kam zum Schluss, dass sich eine Verzugszinspflicht, wie sie im übrigen öffentlichen Recht die Regel sei, im Licht der kontextuell massgeblichen Gesetzeslage nicht begründen lasse (E. 3.3.1). Ein Anspruch auf Verzugszins lasse sich auch nicht aus einem allgemeinen Rechtsgrundsatz herleiten (E. 3.3.3). Umstände, die als besonders stossend erscheinen und daher eine Verzugszinspflicht nach sich ziehen könnten, sind vorliegend ebenfalls nicht ersichtlich.

Damit hat die Beklagte keine Verzugszinsen zu leisten.

12.

12.1.

Nebst dem Forderungsbegehren, welches insofern gutzuheissen ist, als die Beklagte zur Leistung von Fr. 2'608.45 verpflichtet wird, formulierte die Klägerin auch eine (weitaus bedeutendere) Feststellungsklage. Konkret beantragte sie, es sei festzustellen, dass (1) Ziff. 2 des Anhangs der Verordnung des Bundesrates über die Anpassung von Tarifstrukturen in der Krankenversicherung gesetzwidrig und daher nicht anwendbar sei und dass (2) die Klägerin berechtigt sei, der Beklagten ambulante Leistungen gestützt auf TARMED Version 1.08 in Rechnung zu stellen, ohne Ziff. 2 des Anhangs der genannten Verordnung zu berücksichtigen.

12.2.

Der Erlass einer Feststellungsverfügung ist dann zulässig, wenn der Gesuchsteller ein schutzwürdiges Interesse nachweist (§ 2 der Schiedsverfahren-Verordnung i.V.m. § 44 Abs. 1 VRG). Das bedeutet, dass der Anspruch auf Erlass einer Feststellungsverfügung nur dann gegeben ist, wenn die gesuchstellende Person ein rechtliches oder tatsächliches und aktuelles Interesse an der sofortigen Feststellung ihres Rechtes hat, dem keine erheblichen öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen, und wenn dieses schutzwürdige Interesse nicht durch eine rechtsgestaltende Verfügung gewahrt werden kann (vgl. dazu BGE 121 V 311 E. 4a mit Hinweisen; vgl. auch BGer-Urteil 9C_152/2007 vom 19.10.2007 E. 3.2 mit Hinweisen).

Ein Feststellungsentscheid dient nicht dazu, eine abstrakte Rechtsfrage zu beantworten; es muss sich um individuelle und konkrete Rechte und Pflichten handeln (BGE 130 V 388 E. 2.5). Indessen ist eine Feststellung zulässig bei komplizierten Verhältnissen, wo die Abwicklung des Leistungsanspruchs mit hohem Aufwand verbunden wäre, namentlich wenn eine grosse Zahl von Rechtsverhältnissen berührt und die Rechtsfrage wegen besonderer Verhältnisse neuartig ist (BGer-Urteil 9C_152/2007 vom 19.10.2007 E. 3.2 mit Hinweisen).

12.3.

Im hier zu beurteilenden Fall steht der Klägerin zwar eine Leistungsklage zur Verfügung. Die gewünschte Feststellung der Gesetzes- und Verfassungswidrigkeit der streitigen Verordnung des Bundesrates vermittelt der Klägerin aber einen qualitativ und quantitativ besseren Rechtsschutz als die Leistungsklage. Zweifellos ist eine grosse Zahl von Rechtsverhältnissen von der Beantwortung der gestellten Rechtsfrage berührt. Sie ist mit anderen Worten von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Im Übrigen ist die streitige Rechtsfrage aufgrund der erst seit 1. Oktober 2014 in Kraft stehenden Verordnung des Bundesrates neuartig. Der Klägerin ist darin beizupflichten, dass es unzumutbar wäre, wenn sie jede einzelne Forderung mittels einer Klage beim Schiedsgericht einfordern müsste. Damit ist vorliegend ein schutzwürdiges Interesse an einem Feststellungsentscheid zu bejahen. Da sich die Rechtslage per 1. Januar 2017 allerdings geändert hat (vgl. E. 5), ist ein Feststellungsentscheid im Rahmen des vorliegenden Klageverfahrens auf die bis 31. Dezember 2016 erbrachten ambulanten Leistungen zu beschränken.

12.4.

Gemäss den vorangehenden Erwägungen erweist sich Ziff. 2 des Anhangs der Anpassungsverordnung vom 20. Juni 2014 in der bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung als gesetzwidrig, weshalb ihr vorliegend die Anwendung versagt bleibt. Die Klägerin ist demzufolge berechtigt, der Beklagten die bis 31. Dezember 2016 erbrachten ambulanten Leistungen gestützt auf TARMED Version 1.08 in Rechnung zu stellen, ohne Ziff. 2 des Anhangs der Verordnung des Bundesrates vom 20. Juni 2014 über die Anpassung von Tarifstrukturen in der Krankenversicherung (SR 832.102.5) zu berücksichtigen.

13.

Die Beklagte erhob mit ihrer Klageantwort gleichzeitig (Eventual-)Widerklage. Sie beantragte, im Fall der Gutheissung des klägerischen Rechtsbegehrens gemäss Ziff. 2 und damit einhergehender Kassierung von Ziff. 2 des Anhangs der bundesrätlichen Verordnung sei analog auch Ziff. 1 des Anhangs die Anwendung zu versagen.

Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass der vom Gericht verfügte Kostenvorschuss verspätet geleistet wurde. Die Folgen einer nicht fristgerechten Bezahlung wurden in der Verfügung vom 13. Januar 2016 angedroht (Nichteintreten). Die von der Beklagten angeführte Begründung für die Verspätung (Umstrukturierung von Prozessen bei der santésuisse) stellt keinen entschuldbaren Grund im Sinn von § 36 Abs. 1 lit. a VRG dar. Androhungsgemäss wird deshalb auf die Widerklage nicht eingetreten. Aus dem Wortlaut von § 195 Abs. 2 VRG kann die Beklagte nichts zu ihren Gunsten ableiten.

Auf die Widerklage kann aber auch aus einem anderen Grund nicht eingetreten werden: Soweit die Beklagte die Nichtanwendung von Ziff. 1 des Anhangs der Anpassungsverordnung beantragt, kann sie sich nicht auf eine konkrete Forderung gegenüber der Klägerin berufen, da letztere gar nicht berechtigt ist, die Zuschlagsposition 00.0015 abzurechnen. Die Leistung darf nur im Zusammenhang mit der Erbringung von hausärztlichen Leistungen abgerechnet werden, nicht aber von ambulanten Diensten von Spitälern, weshalb die Klägerin vorliegend nicht passivlegitimiert sein kann. Auf die Eventualwiderklage kann daher nicht eingetreten werden.

14.

(Es folgen Ausführungen zu den Kostenfolgen)