Instanz: | Kantonsgericht |
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Abteilung: | 1. Abteilung |
Rechtsgebiet: | Zivilrecht |
Entscheiddatum: | 10.01.2017 |
Fallnummer: | 1B 16 23 |
LGVE: | 2017 I Nr. 2 |
Gesetzesartikel: | Art. 47 OR. |
Leitsatz: | Genugtuungshöhe bei einer rezidivierenden depressiven Störung mittleren Grades. |
Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. |
Entscheid: | Aus den Erwägungen: 13. 13.2. Die Klägerin rügt vorab, die Vorinstanz habe, obwohl es eine Vielzahl von Referenzurteilen gebe, einen einzigen Fall herangezogen, um die Genugtuungssumme festzulegen. Es komme hinzu, dass der angegebene Entscheid aus verschiedenen Gründen nicht einschlägig sei. So habe sich der Unfall acht Jahre vor dem Unfall der Klägerin zugetragen und die Genugtuungssummen seien seither gestiegen. Im Präjudiz seien die psychischen Befunde nur zur Hälfte auf den Unfall zurückzuführen. Der dortige Autolenker sei als Hilfsgärtner nur fünf Tage voll arbeitsunfähig gewesen, während die Klägerin voll arbeitsunfähig bleibe; dass sie allenfalls im geschützten Rahmen tätig sein könne, mache ihre Beeinträchtigung nur noch grösser. Der dortige Autolenker sei kaum länger im Spital gewesen, während die Klägerin drei Hospitalisationen in der Klinik A in den Jahren 2007, 2012 und 2013 hinter sich habe und ihre Kinder deswegen drei Wochen lang habe verlassen müssen; zudem habe sie sich vom 13. April 2014 bis 5. Mai 2014 in der Klinik B aufhalten müssen. Seit nunmehr zehn Jahren sei sie in dauernder psychiatrischer ambulanter und medikamentöser (Psychopharmaka) Behandlung. Die Klägerin sei im Zeitpunkt des Unfalls alleinerziehende Mutter von zwei Töchtern im Alter von 11 und 13 Jahren gewesen und habe ihnen nie eine richtige Mutter sein können. Die Klägerin habe Suizidgedanken gehabt. Ihr psychisches Beschwerdebild sei von erheblicher Intensität. Der Klägerin sei überhaupt kein Selbstverschulden anzulasten. Es handle sich sodann um einen mittelschweren Unfall. Sodann nimmt die Klägerin Bezug auf zahlreiche Referenzfälle. Die Beklagte wendet ein, entgegen den Erwägungen der Vorinstanz sei von einer Wesensveränderung der Klägerin im Gutachten keine Rede. Sodann sei keine dauernde Arbeitsunfähigkeit anzunehmen und allfällige Beeinträchtigungen seien nicht unfallkausal. Der Vorinstanz sei völlig freigestanden, auf ein einziges Präjudiz abzustellen. Es treffe im Übrigen nicht zu, dass der im Präjudiz erwähnte Geschädigte nur fünf Tage arbeitsunfähig gewesen sei, dieser sei vielmehr 100 % arbeitsunfähig gewesen. Die Klägerin leide an keiner schweren Depression; auch habe sie sich keinerlei Operationen unterziehen müssen. Sie habe lediglich an einer Gehirnerschütterung sowie Prellungen an OSG und Fuss links gelitten und habe das Spital nach zwei Tagen nahezu beschwerdefrei verlassen können. Der Geschädigte gemäss Präjudiz habe sogar vier Kinder gehabt. Dass die Klägerin Suizidgedanken gehabt habe, sei neu und damit unzulässig. Sodann nimmt die Beklagte Bezug auf die von der Klägerin geltend gemachten Referenzfälle. 13.3. 13.4. Vorab lässt sich dem BGer-Urteil 4C.303/2004 vom 19. August 2008 (Präjudiz der Vorinstanz; Hütte/Landolt, a.a.O.) entnehmen, dass dem im Unfallzeitpunkt 35-jährigen Hilfsgärtner ab 1. Juli 1996 eine volle IV-Rente zugesprochen wurde und er im Urteilszeitpunkt nach wie vor nicht erwerbstätig war. Im Zivilverfahren wurden ihm für die Zeit vom Unfall (5.7.1995) bis 30. Juni 2003 eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit zugebilligt; sodann ist aufgrund der gesprochenen Entschädigungen davon auszugehen, dass für die Zukunft (ab 1.7.2003) von einer Arbeitsunfähigkeit von 50 % ausgegangen wurde. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist somit das Präjudiz bezüglich Arbeitsunfähigkeit (und auch deren Gründe) durchaus mit dem vorliegenden Fall vergleichbar, da vorliegend ebenfalls von einer dauernden Arbeitsunfähigkeit im Berufsleben im Umfang von 50 % ausgegangen wird (vgl. E. 13.3). In casu kommt hinzu, dass die Klägerin zusätzlich eine Beeinträchtigung im Haushalt von 20 % erlitt, was sich genugtuungserhöhend auswirkt. Zu Recht argumentiert die Klägerin ausserdem, dass sie sich vier Mal über mehrere Wochen stationär in Kliniken aufhalten musste. Dies wird aufgrund ihres Krankheitsbildes wohl auch künftig periodisch der Fall sein. Zusätzlich zur Vorinstanz ist schliesslich zu berücksichtigen, dass die Klägerin seit anfangs 2004 andauernd in ärztlicher Behandlung steht. Auch ereignete sich der Unfall gemäss Präjudiz acht Jahre vor dem vorliegend zu beurteilenden Unfall. Der in dieser Zeit eingetretenen Teuerung (rund 6 %) sowie den gesellschaftlichen Entwicklungen ist daher angemessen Rechnung zu tragen (BGer-Urteil 4A_157/2009 vom 22.6.2009 E. 4). Aufgrund dieser zusätzlichen, von der Vorinstanz nicht berücksichtigten Faktoren, ist der Betrag von Fr. 20'000.-- um die Hälfte zu erhöhen. Es erscheint im Lichte der konkreten Umstände eine Genugtuung von Fr. 30'000.-- als angemessen. Die Parteien ziehen zwar je verschiedene Präjudizien aus Hütte/Landolt (Genugtuungsrecht Band 2) für ihre Begründung heran. So verweist die Klägerin auf Fälle mit Genugtuungssummen von Fr. 45'000.-- bis zu Fr. 100'000.-- (Fall-Nr. 145 S. 391: Fr. 45'000.--; Fall-Nr. 380 S. 387: Fr. 50'000.--; Fall-Nr. 345 S. 387: Fr. 50'000.--; Fall-Nr. 86 S. 389: Fr. 50'000.--; Fall-Nr. 316 S. 385: Fr. 60'000.--; Fall-Nr. 175 S. 386: Fr. 60'000.--; Fall-Nr. 150 S. 387: Fr. 60'000.--; Fall-Nr. 568 S. 384: Fr. 66'000.--; Fall-Nr. 168 S. 383: Fr. 70'000.--; Fälle-Nrn. 732 S. 379, 293 S. 379 und 68 S. 380: Fr. 100'000.--); die Beklagte zieht Fälle mit Genugtuungssummen von Fr. 12'000.-- bis Fr. 25'000.-- als Präjudizien heran (Fall-Nr. 571 S. 416: Fr. 12'000.--; Fall-Nr. 564 S. 409: Fr. 17'088.--; Fälle-Nrn. 152 S. 403 und 46 S. 404: Fr. 25'000.--). Diese Präjudizien lassen sich jedoch allesamt nicht tel quel auf den vorliegenden Fall übertragen. Es bleibt damit beim oben festgesetzten Betrag von Fr. 30'000.--. 13.5. |