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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:1. Abteilung
Rechtsgebiet:Zivilprozessrecht
Entscheiddatum:10.01.2017
Fallnummer:1B 16 23
LGVE:2017 I Nr. 3
Gesetzesartikel:Art. 58 Abs. 1 ZPO.
Leitsatz:Klagt der Kläger verschiedene Schadensposten aus gleichem Rechtsgrund ein, ist das Gericht nicht nur in Bezug auf den insgesamt eingeklagten Betrag gebunden, sondern auch in Bezug auf den geltend gemachten Betrag pro Schadensposten. Es kann innerhalb des eingeklagten Gesamtschadens nicht für ein Schadenselement mehr und für ein anderes weniger zusprechen.
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:

Aus den Erwägungen:

7.3.

7.3.1.

Die Klägerin rügt mit ihrer Anschlussberufung die Zusprechung des von der Vorinstanz errechneten Rentenschaden. Sie habe insgesamt Fr. 1'350'894.-- eingeklagt. Zugesprochen würden ihr aber nur Fr. 1'077'811.25. Gestützt auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung (BGE 119 II 396) sei das Gericht nur an den insgesamt eingeklagten Betrag gebunden. Die Vorinstanz habe zu Unrecht die Dispositionsmaxime angewendet. Die Beklagte erachtet die rechtlichen Erwägungen der Vorinstanz als korrekt. Diese habe zu Recht auf das Urteil des Kantonsgerichts vom 15. Juli 2014 (1B 14 14) verwiesen.

7.3.2.

Im Urteil vom 15. Juli 2014 (Fall 1B 14 14) konnte das Kantonsgericht die skizzierte Streitfrage offenlassen, da unter dem Titel "bisheriger und künftiger Haushaltschaden" nicht mehr zugesprochen wurde, als verlangt worden war. In der Tendenz hat es aber für Fälle wie den vorliegenden dezidiert die Meinung vertreten, wie sie nun von der Vorinstanz übernommen wurde. Das Kantonsgericht führte in E. 4.4.2 des erwähnten Urteils was folgt aus:

"Gemäss Art. 58 Abs. 1 ZPO darf das Gericht einer Partei nicht mehr und nichts anderes zusprechen, als sie verlangt hat. Bei verschiedenen Schadenspositionen aus gleichem Rechtsgrund soll nach Meinung zahlreicher Autoren nur der insgesamt eingeklagte Betrag massgebend sein (so: Sutter-Somm/von Arx, in: Komm. zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [Hrsg. Sutter-Somm/Hasenböhler/ Leuenberger], 2. Aufl. 2013 [neu 3. Aufl. 2016; Anm.Red.], Art. 58 ZPO N 11 sowie Hurni, Berner Komm., Bern 2012, Art. 58 ZPO N 30). Dies ist auch die Meinung des Bundesgerichts (BGE 123 III 115 E. 6d; BGE 119 II 396 E. 2).

Oberhammer (Oberhammer/Domej/Haas, Kurzkomm., 2. Aufl. 2013, Art. 58 N 2) erachtet dies zu Recht als dogmatisch verfehlt und als Verstoss gegen die Dispositionsmaxime, weil der Beklagte und das Gericht wissen müssten, was auf Grundlage welchen Vorbringens begehrt wird. Diesem Gedanken folgend verweisen denn auch die Autoren Staehelin/Staehelin/Grolimund (Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, § 10 N 4 S. 137 f.) als Beispiel für verschiedene Schadenspositionen aus gleichem Rechtsgrund auf den bisherigen Haushalt- und den künftigen Haushaltschaden, da die beiden Schadenspositionen eng miteinander zusammenhängen würden. Zur Begründung wird zutreffend ausgeführt, dass das Gericht diesfalls nicht an die Schadensberechnung der Klägerin gebunden sei, sondern für den eingetretenen Erwerbsausfall einen höheren als den in der Klage bezifferten Betrag zusprechen und dafür den Betrag für den künftigen Erwerbsausfall reduzieren könne, zumal die Abgrenzung zwischen diesen beiden Schadensposten von einem Umstand abhänge, der im Zeitpunkt der Klageeinreichung nicht voraussehbar sei, nämlich dem Tag der Urteilsfällung."

Wie die Beklagte zu Recht geltend macht, hat die Klägerin vorliegend den eingeklagten Rentenschaden am 17. August 2015, d.h. nach Abschluss des Beweisverfahrens, festgelegt. Schon deshalb ist es nicht gerechtfertigt, ihr mehr zuzusprechen als beantragt. Zudem ist vorliegend eine Abgrenzung des Rentenschadens zu den anderen Schadenspositionen (Erwerbsausfallschaden, Selbstbehalts- und Franchisekosten, AHV-Beiträge für Nichterwerbstätige, vorprozessuale Anwaltskosten, Genugtuung) ohne Weiteres möglich. Auch von daher rechtfertigt es sich nicht, der Klägerin für diese Position mehr zuzusprechen als sie nach Abschluss des Beweisverfahrens verlangt hat. In diesem Sinne überzeugen die Lehrmeinungen von Oberhammer und Staehelin/Staehelin/Grolimund. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts kann auf Fälle wie den vorliegenden nicht übertragen werden und es war wohl auch nicht die Intention des Bundesgerichts, dies zu tun.

7.3.3.

Die Anschlussberufung der Klägerin ist in diesem Punkt abzuweisen.