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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:2. Abteilung
Rechtsgebiet:Zivilrecht
Entscheiddatum:09.05.2017
Fallnummer:3B 17 10
LGVE:2017 II Nr. 4
Gesetzesartikel:Art. 276 ZGB, Art. 276a ZGB.
Leitsatz:Der Betreuungsunterhaltsanspruch des Kinds für den betreuenden Elternteil berechnet sich durch Multiplikation des erweiterten Existenzminimums dieses Elternteils mit dem von ihm geleisteten Betreuungspensum (Betreuungsquotenmethode). Mit einem allfälligen, auch aus dem Betreuungsunterhalt resultierenden Überschuss hat sich der betreuende Elternteil ebenfalls proportional am Barunterhalt der Kinder zu beteiligen.
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:

Die Parteien heirateten 2011. Ihrer Ehe entspross ein Sohn, A (geb. 2012). Mit Urteil vom 14. Dezember 2016 schied das Bezirksgericht Z die Ehe der Parteien, gab A in die alleinige Obhut der Beklagten und verhielt den Kläger, ihr an den Unterhalt von A monatlich Fr. 1'200.-- zuzüglich erhältlicher Kinder- und Ausbildungszulagen sowie einen nachehelichen Unterhalt von Fr. 1'900.-- pro Monat bis zum 30. April 2022 resp. Fr. 500.-- pro Monat bis zum 30. April 2028 zu bezahlen. Gegen dieses Urteil erhob der Kläger am 30. Januar 2017 Berufung beim Kantonsgericht.

Aus den Erwägungen:

4.

(Es wird festgestellt, dass die Beklagte in Ermangelung hinlänglicher Substantiierung und zureichender Nachweise keinen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt hat.)

(…)

5.3.

Ausgangspunkt für die Berechnung der Alimente für A bilden die Betreuungssituation sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien. Betreffend die Betreuungssituation ist festzuhalten, dass der Kläger – mittelfristig – ein gerichtsübliches Besuchsrecht ausüben wird, während A vollumfänglich von der Beklagten betreut wird. Das Bezirksgericht hat im angefochtenen Urteil sodann die Einnahmen- und Auslagenverhältnisse der Parteien beurteilt, die im Berufungsverfahren nicht länger umstritten sind. In Abweichung vom erstinstanzlichen Urteil ist As Betreuungsbedarf jedoch nicht mehr nach der bundesgerichtlichen 10/16-Regel, sondern nach dem Schulstufenansatz zu berechnen. Infolgedessen ist der Beklagten ab Juni 2019, sobald A sein 7. Lebensjahr vollendet hat, ein hypothetisches (…) Nettoeinkommen von circa Fr. 1'800.-- [anzurechnen]. Nach dem 12. Geburtstag von A am 18. Mai 2024 ist der Beklagten eine Ausdehnung ihrer Erwerbstätigkeit auf circa 75 % zuzumuten, womit sich der anrechenbare Nettolohn auf ungefähr Fr. 2'700.-- erhöht. Sobald A im Alter von 16 Jahren keiner namhaften persönlichen Betreuung durch die Beklagte mehr bedarf, kann sie ihre berufliche Auslastung schliesslich ab Juni 2028 auf 100 % ausdehnen und dergestalt einen Nettolohn von zumindest Fr. 3'600.-- generieren. Zudem ist der Bedarf von A unter dem neuen Kinderunterhaltsrecht getrennt von jenem der Beklagten auszuweisen, wobei für ihn knapp ein Drittel der Wohnkosten, mithin Fr. 400.--, und ab seinem 10. Geburtstag ein Grundbetrag von Fr. 600.-- zu budgetieren sind. Zusätzlich erhöhen sich die Kinderzulagen ab Juni 2024 von Fr. 200.-- auf Fr. 210.--. Demnach ergibt sich folgende Gegenüberstellung:

Kläger

Beklagte

A

bis 5.2019

bis 5.2024

bis 5.2028

ab 6.2028

bis 5.2022

bis 5.2024

ab 6.2024

Einkommen

Fr. 5'800.00

Fr. 0.00

Fr. 1'800.00

Fr. 2'700.00

Fr. 3'600.00

Fr. 200.00

Fr. 200.00

Fr. 210.00

Auslagen

Fr. 2'700.00

Fr. 2'620.00

Fr. 2'620.00

Fr. 2'620.00

Fr. 2'620.00

Fr. 840.00

Fr. 1'040.00

Fr. 1'040.00

Differenz

Fr. 3'100.00

-Fr. 2'620.00

-Fr. 820.00

Fr. 80.00

Fr. 980.00

-Fr. 640.00

-Fr. 840.00

-Fr. 830.00


5.4.

Basierend auf vorstehenden Überlegungen ist der Kinderunterhaltsbeitrag von Amtes wegen neu wie folgt zu berechnen:

Bis Mai 2019 verzeichnet A nach Abzug der Kinderzulage von Fr. 200.-- noch einen Barbedarf von Fr. 640.--, den der Kläger vorab aus seinem Überschuss zu decken hat. Da die Beklagte in diesem Zeitraum noch nicht verpflichtet werden kann, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, kommt A zusätzlich zu seinem Barunterhaltsanspruch ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt für die Beklagte in Höhe ihres Existenzminimums von Fr. 2'620.-- zu. Weil der Kläger nach Begleichung des Barunterhalts von Fr. 640.-- jedoch lediglich noch über einen Restüberschuss von Fr. 2'460.-- verfügt und sein Existenzminimum zu wahren ist, kann lediglich ein Betreuungsunterhalt in dieser Höhe verfügt werden. A hat jedoch Anspruch darauf, dass der Kläger, sofern sich seine finanziellen Verhältnisse ausserordentlich verbessern sollten, der Beklagten den Fehlbetrag von monatlich Fr. 160.-- gemäss den Bestimmungen von Art. 286a Abs. 1 ZGB nachträglich zukommen lässt.

Die Situation präsentiert sich ab Juni 2019 insofern verändert, als der Beklagten ab diesem Zeitpunkt ein hypothetisches Einkommen aus einem Erwerbspensum von zunächst 50 % (bis Mai 2024), danach 75 % (bis Mai 2028) und schliesslich 100 % (ab Juni 2028) angerechnet wird. Ausgehend vom Betreuungsbedarf von A und vom Existenzminimum der Beklagten von Fr. 2'620.-- resultiert ein theoretischer Betreuungsunterhaltsanspruch von Fr. 1'310.-- (= Fr. 2'620.-- x 0,5) bis Mai 2024 und ein solcher von Fr. 655.-- (= Fr. 2'620.-- x 0,25) bis Mai 2028. Dieser theoretische Anspruch ist der Beklagten jeweils gedanklich gutzuschreiben und beim Kläger entsprechend in Abzug zu bringen, wodurch sich die in den nachfolgenden Tabellen genannten Überschüsse ergeben. Die Parteien haben sich dann proportional zu ihren Überschüssen am Barunterhalt von A zu beteiligen. Da kein nachehelicher Unterhalt geschuldet ist, fällt eine Überschussverteilung unter den Parteien ausser Betracht; allein A soll an ihrem jeweiligen, allenfalls höheren Lebensstandard angemessen partizipieren (…).

bis Mai 2022

bis Mai 2024

Kläger

Beklagte

A

Kläger

Beklagte

A

Überschuss/Fehlbetrag

Fr. 3'100.00

-Fr. 820.00

-Fr. 640.00

Fr. 3'100.00

-Fr. 820.00

-Fr. 840.00

Betreuungsunterhalt (theoretisch)

-Fr. 1'310.00

Fr. 1'310.00

-Fr. 1'310.00

Fr. 1'310.00

Gedanklicher Überschuss

Fr. 1'790.00

Fr. 490.00

Fr. 1'790.00

Fr. 490.00

Barbedarf

Fr. 640.00

Fr. 840.00

Beteiligung am Barbedarf

-Fr. 502.46

-Fr. 137.54

-Fr. 659.47

-Fr. 180.53

Restüberschuss

Fr. 1'287.54

Fr. 352.46

Fr. 1'130.53

Fr. 309.47

Überschussbeteiligung

Fr. 1'030.04

Fr. 281.96

Fr. 328.00

Fr. 904.42

Fr. 247.58

Fr. 288.00

Finanzierung

-Fr. 257.51

-Fr. 70.49

-Fr. 226.11

-Fr. 61.89

Barunterhalt

Fr. 968.00

Fr. 1'128.00

Betreuungsunterhalt (effektiv)

Fr. 1'101.96

Fr. 1'067.58


Von Juni 2019 bis Mai 2022 hat der Kläger der Beklagten sonach Unterhaltsleistungen von gerundet Fr. 2'050.-- (≈ Fr. 1'310.-- + Fr. 502.46 + Fr. 257.51) zu entrichten, wovon Fr. 950.-- auf den Barunterhalt von A und Fr. 1'100.-- auf den Betreuungsunterhalt entfallen.


Infolge des steigenden Barbedarfs von A ab Juni 2022 erhöht sich die Summe der vom Kläger geschuldeten Unterhaltsbeiträge auf ungefähr Fr. 2'200.-- (≈ Fr. 1'310.-- + Fr. 659.47 + Fr. 226.11), wobei nunmehr Fr. 1'150.-- dem Barunterhalt und lediglich noch Fr. 1'050.-- dem Betreuungsunterhalt zuzuweisen sind.

bis Mai 2028

ab Juni 2028

Kläger

Beklagte

A

Kläger

Beklagte

A

Überschuss/Fehlbetrag

Fr. 3'100.00

Fr. 80.00

-Fr. 830.00

Fr. 3'100.00

Fr. 980.00

-Fr. 830.00

Betreuungsunterhalt (theoretisch)

-Fr. 655.00

Fr. 655.00

Fr. 0.00

Fr. 0.00

Gedanklicher Überschuss

Fr. 2'445.00

Fr. 735.00

Fr. 3'100.00

Fr. 980.00

Barbedarf

Fr. 830.00

Fr. 830.00

Beteiligung am Barbedarf

-Fr. 638.16

-Fr. 191.84

-Fr. 630.64

-Fr. 199.36

Restüberschuss

Fr. 1'806.84

Fr. 543.16

Fr. 2'469.36

Fr. 780.64

Überschussbeteiligung

Fr. 1'445.47

Fr. 434.53

Fr. 470.00

Fr. 1'975.49

Fr. 624.51

Fr. 650.00

Finanzierung

-Fr. 361.37

-Fr. 108.63

-Fr. 493.87

-Fr. 156.13

Barunterhalt

Fr. 1'300.00

Fr. 1'480.00

Betreuungsunterhalt

Fr. 354.53


Als Konsequenz der höheren finanziellen Leistungsfähigkeit der Beklagten kann der Kläger seine Unterhaltsleistungen ab Juni 2024 auf insgesamt Fr. 1'650.-- (≈ Fr. 655.-- + Fr. 638.16 + Fr. 361.37) reduzieren. Da A in der Zeit zwischen seinem 12. und seinem 16. Geburtstag keine intensive Betreuung durch die Beklagte mehr benötigen und sie selbst bereits einen marginalen Überschuss erwirtschaften wird, rechtfertigt es sich, den Betreuungsunterhaltsanspruch auf Fr. 350.-- zu beschränken und Fr. 1'300.-- zur Finanzierung des wachsenden Barbedarfs einzusetzen. Ab Juni 2028 besteht kein Raum mehr für einen Betreuungsunterhalt und die Beklagte kann ihr Arbeitspensum auf 100 % erhöhen. Folglich müssen die Parteien allein noch den Barunterhalt von A einschliesslich einer angemessenen Beteiligung an ihrem Überschuss finanzieren. Da die Beklagte ab diesem Zeitpunkt selbst einen namhaften Überschuss von Fr. 980.-- wird erzielen können, entfallen vom gesamten Barunterhalt von Fr. 1'480.-- circa Fr. 1'100.-- (≈ Fr. 630.64 + Fr. 493.87) auf den Kläger.

(vgl. LGVE 2017 II Nrn. 2 und 3)