Instanz: | Kantonsgericht |
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Abteilung: | 1. Abteilung |
Rechtsgebiet: | Zivilrecht |
Entscheiddatum: | 17.05.2016 |
Fallnummer: | 1B 15 38 |
LGVE: | 2016 I Nr. 25 |
Gesetzesartikel: | Art. 42 Abs. 2 OR. |
Leitsatz: | Ermittlung des künftigen Erwerbsausfalls (Beschäftigungsgrad/Gewinnungskosten/Lohngleichheit). |
Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. |
Das Bundesgericht hat die dagegen erhobene Beschwerde in Zivilsachen am 30. November 2016 abgewiesen, soweit es darauf eintrat, wobei es sich inhaltlich mit mehreren hier publizierten Erwägungen nicht auseinandersetzen musste [4A_397/2016]. | |
Entscheid: | Die damals 13-jährige Klägerin war mit ihrem Fahrrad unterwegs, als es zu einer Kollision mit dem von X gelenkten Lieferwagen kam. Die Beklagte ist die Motorfahrzeughaftpflichtversicherin des involvierten Lieferwagens. Seitens der Beklagten ist unbestritten, dass die Klägerin infolge des Verkehrsunfalls ein schweres Schädelhirntrauma erlitten hat, zeitlebens schwerst behindert bleiben wird und keiner Erwerbsfähigkeit wird nachgehen können. 7.3. 7.3.2. 7.3.3. 7.3.4. 7.4. 7.4.2. 7.4.3. 7.4.4. 7.4.5. Die Beklagte hat diesbezüglich vorinstanzlich pauschal einen Abzug von 10 % des Bruttoerwerbseinkommens (was einem Betrag zwischen Fr. 3'711.60 und Fr. 6'734.20 jährlich entspreche) gefordert, nachdem sie ihren ursprünglichen Berechnungen noch einen solchen von lediglich 5 % zugrundegelegt hatte. Sie hat nicht dargetan, aufgrund welcher Voraussetzungen Gewinnungskosten in dieser Höhe angefallen wären, führte aber aus, der als Pauschalabzug geltend gemachte Betrag erscheine gerechtfertigt, koste doch alleine ein 2. Klasse-Generalabonnement der SBB aktuell Fr. 3'550.-- und würden die bei Steuern (maximal) abziehbaren Berufskosten Fr. 4'234.10 betragen (Fr. 2'000.-- minimale "Übrige Berufskosten" + Fr. 2'234.10 bei einem 66,67 %-Pensum). Es sei davon auszugehen, dass diese Abzüge die durchschnittlichen tatsächlichen Berufskosten repräsentieren würden. Die Klägerin hielt dem vorinstanzlich im Wesentlichen entgegen, mit Blick auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach die für die Klägerin günstige Situation zu berücksichtigen sei, sei davon auszugehen, dass ihr keine, nicht vom Arbeitgeber vergüteten Aufwendungen für die Arbeit entstanden wären. Vorliegend sind wie betreffend Bruttoeinkommen auch für die Gewinnungskosten die konkreten Umstände des zu beurteilenden Falles zu berücksichtigen und ist der Invaliditätsschaden so weit wie möglich konkret zu berechnen (vgl. BGer-Urteil 4A_260/2014 vom 8.9.2014 E. 3.1). Allerdings ist es schwierig, bei einer Dreizehnjährigen auf konkrete Anhaltspunkte abzustellen, aufgrund welcher Auslagen das dem Erwerbsausfall zugrundegelegte Einkommen erzielbar wäre. Statistische Durchschnittswerte sind diesbezüglich vorliegend nicht vorhanden bzw. wurden nicht erhoben. Es können – entgegen der beklagtischen Argumentation – auch nicht einfach die Steuerwerte eingesetzt werden (Weber/Schätzle/Dolf, a.a.O., N 9.105). Ermessensweise ist davon auszugehen, dass der Klägerin nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge für den Arbeitsweg (teuerungsbereinigt für die gesamte Erwerbsdauer) jährlich Kosten eines Abonnements für den öffentlichen Verkehr von Fr. 800.-- angefallen wären. Weitere Auslagen wie Mehrkosten für auswärtige Verpflegung oder allgemeine Berufskosten gemäss der Abzugsmöglichkeiten bei den Steuern wären reine Spekulation und dürfen nicht zum Nachteil der Klägerin berücksichtigt werden. Entgegen dem vorinstanzlichen Urteil sind somit Gewinnungskosten von Fr. 800.-- pro Jahr vom Erwerbseinkommen in Abzug zu bringen. 8.2. 8.2.2. 8.2.3. 8.2.4. Den Berechnungen des Gerichtsgutachtens wurden ausdrücklich nur die Löhne von Frauen zugrunde gelegt und festgehalten, dass Männer rund einen Fünftel (20,58 %) mehr verdienen würden. Im Unterschied zum oben erwähnten Bundesgerichtsurteil, wo vom Medianlohn ausgegangen worden ist, wurde vorliegend gestützt auf die letzten Jahre der Durchschnittslohn erhoben. Entsprechend dürften sich die früher noch höheren Lohnungleichheiten auf die Einkommenszahlen ausgewirkt haben. Zudem laufen aktuell hohe Anstrengungen, den Verfassungsauftrag der Lohngleichheit durchzusetzen (Art. 8 Abs. 3 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft [BV; SR 101]) und gleichen sich die Löhne folglich vermehrt an und ist dies für die Zukunft noch vermehrt anzunehmen (vgl. Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich HG140240 vom 16.4.2015 E. 4.2.6; BGer-Urteil 4A_260/2014 vom 8.9.2014 E. 4.2, 8 und 8.2). Gestützt auf die dargelegte Entwicklung der Lohndiskriminierung in der Vergangenheit und der zu erwartenden Entwicklungen, dass die in der Verfassung vorgeschriebene Lohngleichheit umgesetzt wird, erscheint es bei der Schätzung des hypothetischen Valideneinkommens angemessen, gemäss Antrag der Klägerin eine Erhöhung der im Gutachten für Frauen ausgewiesenen Lohnzahlen um 0,4 % zu berücksichtigen, wodurch die Lohndifferenz (immer) noch 16,74 % (Lohn Frauen 82,93 % + 20,58 % = Lohn Männer 100 %; 100 % - [82,93 % + 0,4 %]) ausmacht bzw. dieser Lohn lediglich 83,26 % des Lohns für Männer beträgt. |