Instanz: | Kantonsgericht | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Abteilung: | 2. Abteilung | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Rechtsgebiet: | Zivilrecht | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Entscheiddatum: | 27.03.2017 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Fallnummer: | 3B 16 57 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
LGVE: | 2017 II Nr. 2 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Gesetzesartikel: | Art. 276 ZGB, Art. 276a ZGB. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Leitsatz: | Der Betreuungsunterhaltsanspruch des Kindes für den betreuenden Elternteil berechnet sich durch Multiplikation des erweiterten Existenzminimums dieses Elternteils mit dem von ihm geleisteten Betreuungspensum (Betreuungsquotenmethode). Mit einem allfälligen, auch aus dem Betreuungsunterhalt resultierenden Überschuss hat sich der betreuende Elternteil ebenfalls proportional am Barunterhalt der Kinder zu beteiligen. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Entscheid: | Die Parteien heirateten 2010. Sie haben zwei gemeinsame Kinder, A (geb. 2004) und B (geb. 2007). Seit September 2014 leben sie voneinander getrennt. Im April 2016 machte die Gesuchstellerin vor Bezirksgericht Z ein Eheschutzverfahren anhängig. Am 10. Mai 2016 fällte das Bezirksgericht einen unangefochten gebliebenen Teilentscheid, mit dem es die Kinder in die alternierende Obhut beider Parteien gab. Mit Entscheid vom 2. November 2016 verpflichtete das Bezirksgericht Z den Gesuchsgegner, der Gesuchstellerin an den Unterhalt von A und B monatliche Alimente von je Fr. 400.-- (ohne Kinderzulagen) sowie persönliche Unterhaltsbeiträge von Fr. 1'000.-- (vom 1.9.2015 bis zum 31.12.2015), Fr. 230.-- (vom 1.1.2016 bis zum 30.9.2016) sowie Fr. 160.-- (ab dem 1.10.2016) zu bezahlen. Gegen diesen Entscheid erhoben beide Parteien Berufung beim Kantonsgericht.
Aus den Erwägungen:
5.1 (Festsetzung der Unterhaltsbeiträge für die Zeit bis zum 31. Dezember 2016)
5.2. 5.2.1. Per 1. Januar 2017 trat das neue Kinderunterhaltsrecht in Kraft. Gemäss dem revidierten Art. 276 Abs. 2 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB; SR 210) sorgen die Eltern gemeinsam, ein jeder Elternteil nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt des Kindes und tragen insbesondere die Kosten von Betreuung, Erziehung, Ausbildung und Kindesschutzmassnahmen. Die Sicherstellung der Betreuung des Kindes stellt einen Beitrag an dessen Unterhalt dar und umfasst nicht nur die eigentliche Betreuungsleistung, sondern ebenso deren finanzielle Auswirkungen (Botschaft zu einer Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Kindesunterhalt] vom 29.11.2013, in: BBl 2014 550 f.). Letztere können entweder im Aufwand für eine Fremdbetreuung (Krippe, Tagesschule, Mittagstisch, Tagesmutter etc.) oder in den Kosten für die Eigenbetreuung zum Ausdruck kommen. Wird die Betreuung nämlich überwiegend von einem Elternteil persönlich wahrgenommen, wird dieser während der Betreuungszeit an einer Erwerbstätigkeit gehindert und erleidet im Rahmen der Betreuungsquote eine Erwerbseinbusse, weshalb er oftmals nicht selbst für den eigenen Unterhalt aufkommen kann (Botschaft, in: BBl 2014 554; Jungo/Aebi-Müller/Schweighauser, Der Betreuungsunterhalt, Das Konzept – die Betreuungskosten – die Unterhaltsberechnung, in: Fampra.ch 2017 S. 164 und 171). Die Gewährleistung der Betreuung des Kindes äussert sich dann darin, soweit möglich die Präsenz des betreuenden Elternteils auch wirtschaftlich sicherzustellen (Botschaft, in: BBl 2014 554). Während die Kosten für die Fremdbetreuung direkte Betreuungskosten repräsentieren und zum Barbedarf der Kinder gehören, stellen die Kosten für die Eigenbetreuung indirekten, sich nicht in einer konkreten Ausgabenposition äussernden Aufwand dar, der mittels des Betreuungsunterhalts beglichen werden soll (Jungo/Aebi-Müller/Schweighauser, a.a.O., S. 171 f.). Der Kindesunterhalt setzt sich mithin zusammen aus Naturalunterhalt, Barunterhalt und Betreuungsunterhalt, die in dieser Reihenfolge zu erbringen resp. zu finanzieren sind. Das heisst, der Betreuungsunterhalt ist subsidiär zum Natural- und Barunterhalt und nur geschuldet, soweit der unterhaltsverpflichtete Elternteil leistungsfähig ist (Jungo/Aebi-Müller/Schweighauser, a.a.O., S. 177). Mit der Gesetzesrevision nicht aufgehoben wird der Grundsatz der Unantastbarkeit des Existenzminimums des Unterhaltsschuldners; für eine Mankoteilung besteht weiterhin kein Raum (Botschaft, in: BBl 2014 560 f.; Jungo/Aebi-Müller/Schweighauser, a.a.O., S. 180).
Da die Vorinstanz die Unterhaltsbemessung noch in Anwendung der bundesgerichtlichen 10/16-Regel vornahm, für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2016 noch das alte Kinderunterhaltsrecht zur Anwendung gelangt und B im August 2017 ohnehin ihren 10. Geburtstag wird begehen können, ist es angezeigt, den Betreuungsbedarf der Kinder zumindest im vorliegenden Verfahren um vorsorgliche Massnahmen noch nach den alten Regeln zu bemessen.
Der Zeitraum nach dem 1. Januar 2017 ist in drei Phasen zu gliedern; eine Berücksichtigung weiterer Perioden verbietet sich angesichts der provisorischen Natur der zu beurteilenden Massnahmen. Die erste Phase umfasst die Monate Januar und Februar 2017, die zweite erstreckt sich von März bis August 2017 und die dritte beginnt im September 2017.
Ausgehend von der bezirksgerichtlich festgelegten, unangefochten gebliebenen Betreuungsregelung (einschliesslich Ferienbetreuung) betreut die Gesuchstellerin A und B zu ungefähr 55 %, der Gesuchsgegner übernimmt einen Part von rund 45 %. Da B gemäss 10/16-Regel bis September 2017 noch einer umfassenden Betreuung durch ihre Eltern bedarf, korrespondieren die Betreuungspensen gerade mit der (theoretisch zu erwartenden) Erwerbseinbusse der Parteien, auf deren Grundlage der Betreuungsunterhalt zu berechnen ist. Ausgehend von den Existenzminima von Fr. 3'250.-- (Gesuchsgegner) resp. Fr. 2'580.-- (Gesuchstellerin) kommt A und B gestützt auf das Betreuungsquotenmodell (vgl. E. 5.2.1 vorstehend) ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt für den Gesuchsgegner in Höhe von ungefähr Fr. 1'450.-- (≈ 0,45 x Fr. 3'250.--) sowie für die Gesuchstellerin in Höhe von rund Fr. 1'400.-- (≈ 0,55 x Fr. 2'580.--) zu. Die beiden Ansprüche wären – soweit sie zur Finanzierung des Grundbedarfs nicht erforderlich sein sollten – miteinander zu verrechnen. Da die Gesuchstellerin ihr Existenzminimum von Fr. 2'580.-- in den Monaten Januar und Februar 2017 in Ermangelung eines Einkommens selbst mit dem ungeschmälerten Betreuungsunterhalt nicht zu decken vermag, entfällt eine auch nur partielle Verrechnung indes von vornherein. Der Betreuungsunterhaltsanspruch ist – ebenso wie nachfolgend der effektiv zu sprechende Betreuungsunterhalt – in Relation zum jeweiligen Betreuungsbedarf auf A und B zu verteilen. Da A lediglich noch einer persönlichen Betreuung im Umfang von 50 % bedarf, während bei B zumindest bis August 2017 eine solche von 100 % anzunehmen ist, ist der gesamte Betreuungsunterhalt für die ersten acht Monate des Jahres 2017 im Verhältnis von 1:2 auf A und B zu verteilen, für die Zeit danach je hälftig.
Ab März 2017 verändert sich die Situation insofern, als die Gesuchstellerin ein Einkommen von Fr. 1'420.-- [zuzüglich Fahrkostenpauschale] generiert, womit sie angesichts des um Mobilitätskosten von Fr. 150.-- reduzierten Existenzminimums von Fr. 2'430.-- mit einem Betreuungsunterhalt von circa Fr. 1'340.-- (≈ Fr. 2'430.-- x 0,55) einen Überschuss verzeichnen würde, der mit dem gemäss der Betreuungsquotenmethode nach wie vor bestehenden (theoretischen) Betreuungsunterhaltsanspruch der Kinder für die persönliche Betreuung durch den Gesuchsgegner zu verrechnen ist. Der Anspruch von A und B auf einen Betreuungsunterhalt für die Betreuung durch die Gesuchstellerin reduziert sich sonach auf insgesamt rund Fr. 1'000.-- (≈ Fr. 2'430.-- - Fr. 1'420.--) und ist zu Fr. 330.-- A und zu Fr. 670.-- B zuzuweisen. Der Gesuchsgegner vermag vor dem Hintergrund identischer Einnahmen und Ausgaben wie in den ersten beiden Monaten des Jahres 2017 den Unterhaltsanspruch von A zugunsten der Gesuchstellerin aber weiterhin nur im Umfang von Fr. 700.-- (Barunterhalt: Fr. 440.--; Betreuungsunterhalt: Fr. 260.--), jenen von B im Umfang von Fr. 850.-- (Barunterhalt: Fr. 360.--; Betreuungsunterhalt: Fr. 490.--) zu finanzieren. Indes vermindert sich der der Nachzahlungspflicht gemäss Art. 286a Abs. 1 ZGB unterliegende Fehlbetrag von anfänglich Fr. 650.-- auf nunmehr Fr. 250.--, wovon Fr. 80.-- A und Fr. 170.-- B zuzuweisen sind.
Ab September 2017 wird beiden Parteien ein höheres Erwerbseinkommen von Fr. 6'400.-- (Gesuchsgegner) resp. Fr. 3'000.-- (Gesuchstellerin) angerechnet, da B dann 10 Jahre alt und gemäss bundesgerichtlicher Praxis nicht mehr auf lückenlose Betreuung durch ihre Eltern angewiesen sein wird. Gleichzeitig erhöht sich ihr Grundbetrag auf Fr. 600.--. Da die Parteien einen Überschuss generieren werden, sind nunmehr auch die – vom Gesuchsgegner direkt zu bezahlenden – Freizeitaktivitäten von A (Fr. 135.--) und B (Fr. 75.--) wieder vollumfänglich zu berücksichtigen.
(vgl. LGVE 2017 II Nrn. 3 und 4)
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