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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:2. Abteilung
Rechtsgebiet:Zivilrecht
Entscheiddatum:06.04.2017
Fallnummer:3B 17 3
LGVE:2017 II Nr. 3
Gesetzesartikel:Art. 276 ZGB, Art. 276a ZGB.
Leitsatz:Der Betreuungsunterhaltsanspruch des Kinds für den betreuenden Elternteil berechnet sich durch Multiplikation des erweiterten Existenzminimums dieses Elternteils mit dem von ihm geleisteten Betreuungspensum (Betreuungsquotenmethode).
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:

Die Parteien heirateten 2007. Ihrer Ehe entspross eine Tochter, A (geb. 2008). Sie leben seit dem 3. September 2014 voneinander getrennt. An der bezirksgerichtlichen Instruktionsverhandlung vom 8. November 2016 schlossen die Parteien eine Teilvereinbarung über sämtliche umstrittenen Trennungsfolgen mit Ausnahme der Unterhaltsbeiträge. Sie kamen namentlich überein, gemeinsam die alternierende Obhut für A auszuüben. Mit Entscheid vom 27. Dezember 2016 verpflichtete das Bezirksgericht Z den Gesuchsgegner, der Gesuchstellerin an den Unterhalt von A monatliche Beiträge von Fr. 1'200.-- (inkl. Kinder- und Ausbildungszulagen) sowie an ihren eigenen Unterhalt solche von Fr. 2'794.-- zu bezahlen. Gegen diesen Entscheid erhob der Gesuchsgegner am 9. Januar 2017 Berufung beim Kantonsgericht.

Aus den Erwägungen:

5.3.2.

In den Monaten Januar bis Juni 2017 stehen den Einnahmen des Gesuchsgegners von Fr. 9'000.-- anrechenbare Auslagen von Fr. 3'610.-- (Grundbetrag: Fr. 1'350.--; Wohnkosten: Fr. 1'415.-- [= Fr. 1'815.-- - Fr. 400.--]; Krankenversicherungsprämien: Fr. 245.--; Steuerrückstellungen: Fr. 600.--) gegenüber. Der Gesuchstellerin wird während dieser Periode noch kein Erwerbseinkommen angerechnet; zugleich verzeichnet sie einen Grundbedarf von Fr. 3'240.-- (Grundbetrag: Fr. 1'350.--; Wohnkosten: Fr. 1'460.-- [= Fr. 1'860.-- - Fr. 400.--]; Krankenversicherungsprämien abzüglich Prämienverbilligung: Fr. 230.--; Steuerrückstellungen: Fr. 200.--). Das Existenzminimum von A beläuft sich auf Fr. 1'240.-- (Grundbetrag: Fr. 400.--; Wohnkosten: Fr. 800.-- [= 2 x Fr. 400.--]; Krankenversicherungsprämien abzüglich Prämienverbilligung: Fr. 40.--).


Gemäss der einvernehmlich festgelegten Obhutsregelung betreut der Gesuchsgegner A an rund 3 Arbeitstagen pro Woche, die Gesuchstellerin an deren 2; in puncto Betreuung am Morgen, am Abend, an Wochenenden sowie in den Ferien hält sich die Betreuungsleistung der Parteien exakt die Waage. Zusammenfassend ist deshalb approximativ von einem Umfang des Betreuungspensums des Gesuchsgegners von rund 55 % auszugehen, während die Gesuchstellerin einen Part von 45 % übernimmt. Wie vorstehend erwogen, zählt A annähernd 9 Jahre und bedarf – in Ermangelung entsprechender Angaben der Parteien – ausgehend von der Schulstufen-Regel keiner lückenlosen Betreuung durch ihre Eltern oder Drittpersonen mehr. Selbst bei alleiniger Obhut wäre es dem Obhutsinhaber mithin zuzumuten, einer Erwerbstätigkeit in einem Pensum von ungefähr 40-50 % nachzugehen. Da sich die Parteien die Kinderbetreuung aber annähernd hälftig teilen, ist beiden eine berufliche Auslastung zwischen 70 und 80 % zumutbar.


Ausgehend von den erwähnten Betreuungspensen und den Existenzminima von Fr. 3'610.-- (Gesuchsgegner) resp. Fr. 3'240.-- (Gesuchstellerin) hat A gestützt auf das Betreuungsquotenmodell einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt für den Gesuchsgegner in Höhe von ungefähr Fr. 1'000.-- (≈ Fr. 3'610.-- x 0,55 x 0,5) sowie für die Gesuchstellerin in Höhe von annähernd Fr. 750.-- (≈ Fr. 3'240.-- x 0,45 x 0,5). Die beiden Ansprüche sind – soweit sie zur Finanzierung des Grundbedarfs nicht erforderlich sind – miteinander zu verrechnen. Da die Gesuchstellerin ihr Existenzminimum von Fr. 3'240.-- während des ersten Halbjahrs 2017 angesichts ihres inexistenten Einkommens selbst mit dem ungeschmälerten Betreuungsunterhalt von Fr. 750.-- nicht annähernd zu decken vermöchte, entfällt eine auch nur partielle Verrechnung jedoch von vornherein.


Gemäss Art. 276a Abs. 1 ZGB geht die Unterhaltspflicht gegenüber dem minderjährigen Kind den anderen familienrechtlichen Unterhaltspflichten vor. (…) [Deshalb] geniesst (…) der Barunterhalt der Kinder den Vorrang vor dem Betreuungsunterhalt, der nur rechtlich, nicht aber faktisch Kinderunterhalt repräsentiert, da wirtschaftlich letztlich der betreuende Elternteil profitiert. Bevor die Finanzierung des Betreuungsunterhalts in Erwägung gezogen werden kann, muss deshalb das Existenzminimum von A gewährleistet sein. Sie verzeichnet einen Grundbedarf von Fr. 1'240.--, wovon die Gesuchstellerin (…) Fr. 600.-- (…), der Gesuchsgegner Fr. 640.-- (…) zu finanzieren hat. Der Gesuchsgegner kann nach Deckung seines Existenzminimums auf einen Überschuss von Fr. 5'390.-- (= Fr. 9'000.-- - Fr. 3'610.--) blicken, der es ihm unzweifelhaft gestattet, für den auf beide Parteien entfallenden Barunterhalt von A aufzukommen. Der verbleibende Restüberschuss von Fr. 4'150.-- erlaubt ihm überdies die Begleichung des Betreuungsunterhalts zugunsten der Gesuchstellerin von Fr. 750.--, der ihr Budgetdefizit auf rund Fr. 2'500.-- (≈ Fr. 3'240.-- - Fr. 750.--) sinken lässt.


Zusätzlich hat der Gesuchsgegner gestützt auf die eheliche Beistands- und Unterhaltspflicht den gebührenden Unterhalt der Gesuchstellerin sicherzustellen, da sie sich im ersten Halbjahr 2017 noch nicht in der Lage sehen wird, ein zureichendes eigenes Erwerbseinkommen zu erzielen. In diesem Kontext gilt es nicht nur der Leistungsfähigkeit des Gesuchsgegners, sondern ebenso der hinsichtlich des Ehegattenunterhalts herrschenden Dispositionsmaxime und dem daraus fliessenden Verbot der reformatio in peius Rechnung zu tragen. Die Gesuchstellerin beantragte vor Bezirksgericht die (unbefristete) Verpflichtung des Gesuchsgegners zur Bezahlung von Unterhaltsbeiträgen für sie persönlich in Höhe von Fr. 2'794.--, der Gesuchsgegner anerkannte Unterhaltsleistungen in dieser Höhe für die Zeit bis zum 31. März 2017. Er verfügt auch nach Subtraktion des Bar- und des Betreuungsunterhalts für A noch über einen erklecklichen Überschuss von Fr. 3'420.--, der es ihm (...) ohne Schwierigkeiten erlauben wird, die Unterdeckung der Gesuchstellerin auszugleichen. Der Gesuchsgegner ist deshalb unter Wahrung der Dispositionsmaxime zu verhalten, ihr für die Monate Januar bis März 2017 den anerkannten Ehegattenunterhalt von Fr. 2'794.-- zu bezahlen. Mit Blick auf die Monate April bis Juni 2017 verbietet sich hingegen eine Verteilung des Überschusses zugunsten der Gesuchstellerin: A kommt für diese Periode basierend auf der Betreuungsquotenmethode ein Betreuungsunterhaltsanspruch zugunsten des Gesuchsgegners und zulasten der Gesuchstellerin von circa Fr. 1'000.-- zu, an den der Gesuchsgegner seinen Restüberschuss von ungefähr Fr. 900.-- anrechnen können soll.


Zusammenfassend hat der Gesuchsgegner der Gesuchstellerin für die Monate Januar bis Juni 2017 sonach Kinderalimente in Höhe von Fr. 1'350.--, bestehend aus dem Barunterhalt von Fr. 600.-- und dem Betreuungsunterhalt von Fr. 750.--, sowie einen Ehegattenunterhalt von Fr. 2'794.-- (Januar bis März 2017) resp. Fr. 2'500.-- (April bis Juni 2017) zu entrichten.


5.4.

Die finanzielle Situation der Parteien im Zeitintervall von Juli 2017 bis April 2018 weicht insofern von jener im ersten Halbjahr 2017 ab, als der Gesuchstellerin nunmehr ein hypothetisches Erwerbseinkommen von Fr. 4'350.-- netto angerechnet wird. Weil damit fortan beide Parteien ihr Existenzminimum vollumfänglich selbst zu finanzieren vermögen, können die miteinander konkurrierenden Betreuungsunterhaltsansprüche von A vollständig verrechnet werden. Theoretisch resultiert – in Anwendung der Betreuungsquotenmethode – zwar noch ein bescheidener Betreuungsunterhaltsanspruch von A zugunsten des Gesuchsgegners von circa Fr. 250.-- (≈ Fr. 1'000.-- - Fr. 750.--). Da dieser Anspruch jedoch lediglich (rechnerisch) den Überschuss des Gesuchsgegners und mithin seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöht, muss er in entsprechend höherem Ausmass einen Beitrag an die übrigen Bedürfnisse der Familie leisten, weshalb der Betreuungsunterhaltsanspruch im Ergebnis in der Überschussverteilung aufgeht und nachfolgend nicht weiter thematisiert wird.


Die Gesuchstellerin wird mit einem Nettoeinkommen von Fr. 4'350.-- und anrechenbaren Auslagen von Fr. 3'240.-- einen Budgetüberschuss von Fr. 1'110.-- erzielen, während der Gesuchsgegner weiterhin einen solchen Fr. 5'390.-- verzeichnen wird. Daraus werden die Parteien vorab den Barbedarf von A von Fr. 1'240.-- zu finanzieren haben. Während des ehelichen Zusammenlebens stand ihnen unbestritten allein das Einkommen des Gesuchsgegners zur Verfügung. Die Aufhebung des gemeinsamen Haushalts verursacht nunmehr Mehrkosten von insgesamt rund Fr. 2'800.-- (Grundbeträge: Fr. 1'000.--; Wohnkosten: Fr. 1'800.--). Zugleich wird die Gesuchstellerin ab Juli 2017 jedoch Mehreinnahmen im Umfang von Fr. 4'350.-- generieren, sodass sich der gemeinsame Überschuss der Parteien gegenüber der Situation während des Zusammenlebens um circa Fr. 1'600.-- (≈ Fr. 4'350.-- - Fr. 2'800.--) erhöht. Infolgedessen ist dem Gesuchsgegner eine Sparquote im Umfang dieses Differenzbetrags zuzugestehen, die bei der Überschussverteilung keine Berücksichtigung erfährt. Denn er ist nicht gehalten, mittels Unterhaltsleistungen einen Lebensstandard der Gesuchstellerin zu finanzieren, der den ehelich gepflegten markant übersteigt. Der Restüberschuss der Parteien in Höhe von Fr. 3'660.-- (= Fr. 5'390.-- + Fr. 1'110.-- - Fr. 1'240.-- - Fr. 1'600.--), der ungefähr jenem während des gemeinsamen Haushalts gleichkommt, ist schliesslich im Verhältnis 2:2:1 auf sie und A aufzuteilen, sodass auf sie je rund Fr. 1'460.-- und auf A circa Fr. 730.-- entfallen.


Die Gesuchstellerin hat folglich ab Juli 2017 zur Finanzierung ihres gebührenden Unterhalts Anspruch auf einen Betrag von insgesamt Fr. 4'700.-- (= Fr. 3'240.-- + Fr. 1'460.--), A auf einen solchen von Fr. 1'970.-- (= Fr. 1'240.-- + Fr. 730.--). Nach Subtraktion ihres eigenen Erwerbseinkommens wird der Bedarf der Gesuchstellerin noch um Fr. 350.-- (= Fr. 4'700.-- - Fr. 4'350.--) nicht gedeckt sein, weshalb der Gesuchsgegner ihr einen persönlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 350.-- schuldet.


Von den auf A entfallenden Fr. 1'970.-- trägt der Gesuchsgegner Fr. 640.-- bereits selbst durch direkt erbrachte Unterhaltsleistungen; zudem soll ihm der hälftige Überschussanteil von A zufliessen, da er sie während mindestens der Hälfte der Woche persönlich betreut. Für die restlichen Kosten hat gemäss unangefochten gebliebener Ziff. 2.3 des Dispositivs des vorinstanzlichen Entscheids die Gesuchstellerin aufzukommen; desgleichen soll ihr angesichts ihrer Betreuungsleistungen knapp die Hälfte des für A reservierten Überschussanteils zur Verfügung stehen. Da die Gesuchstellerin bereits ihren eigenen Unterhalt nicht vollumfänglich zu finanzieren vermag, hat der Gesuchsgegner ihr deshalb Kinderalimente in Höhe von Fr. 950.-- (≈ Fr. 1'970.-- - Fr. 640.-- - Fr. 365.--) auszurichten.

(vgl. LGVE 2017 II Nrn. 2 und 4)