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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:1. Abteilung
Rechtsgebiet:Zivilprozessrecht
Entscheiddatum:26.10.2016
Fallnummer:1B 16 36
LGVE:2016 I Nr. 26
Gesetzesartikel:Art. 56 ZPO, Art. 59 ZPO, Art. 66 f. ZPO, Art. 83 ZPO, Art. 247 ZPO, Art. 317 ZPO, Art. 318 ZPO.
Leitsatz:Aktivlegitimation, Partei- und Prozessfähigkeit, richterliche Fragepflicht, Verbesserung der Parteibezeichnung und Noven im Berufungsverfahren.
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:

Aus den Erwägungen:

3.
3.1.
Die Vorinstanz wies die Klage mangels Aktivlegitimation ab. Die Aktivlegitimation hat die Frage zum Inhalt, wer hinsichtlich des streitigen Anspruchs materiell-rechtlich berechtigt und demzufolge befugt ist, den Prozess zu führen. Sie fehlt, wenn der Anspruch nicht dem Kläger zusteht. Sie muss im Zeitpunkt des Urteils vorliegen und ihr Fehlen führt nicht zum Nichteintreten auf die Klage, sondern zur Abweisung. Dies hat die Vorinstanz zutreffend festgehalten. Gleiches gilt für die Feststellung, dass die Prüfung der Legitimation frei und von Amtes wegen erfolgt, wobei zu ergänzen ist, dass dies unter der Herrschaft der Verhandlungsmaxime bloss nach Massgabe des behaupteten und festgestellten Sachverhalts gilt (BGer-Urteil 4A_197/2012 vom 30.7.2012 E. 4.2). Die Aktivlegitimation der Klägerin blieb seitens der Beklagten unbestritten.

Zur Begründung führte die Vorinstanz aus, die Klägerin habe die Klage unter der Firmenbezeichnung AB eingereicht. Eine Aktiengesellschaft mit dieser Firmenbezeichnung existiere im Handelsregister nicht. Somit fehle es an der Partei- und Prozessfähigkeit, weshalb die Klage abzuweisen sei. Dazu ist festzuhalten, dass es sich bei der Partei- und Prozessfähigkeit (Art. 66 und 67 der Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO; SR 272]) um – von der Sachlegitimation zu unterscheidende – Prozessvoraussetzungen handelt (Art. 59 Abs. 2 lit. c ZPO), deren Fehlen nicht zur Klageabweisung, sondern zum Nichteintreten führen würde (Art. 59 Abs. 1 ZPO). Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass ein entsprechender Mangel nicht verbessert werden kann oder er überhaupt unheilbar ist.

Die Vorinstanz führte weiter aus, die "falsche" Parteibezeichnung könne vorliegend auch nicht von Amtes wegen korrigiert werden, da nicht klar sei, welcher der im Handelsregister aufgeführten 18 Aktiengesellschaften, welche in ihrer Firma neben weiteren Ergänzungen die Bezeichnung AB enthalten, die Forderung gegenüber der Beklagten genau zustehe. Zur Beseitigung solcher Unklarheiten statuiert die ZPO die richterliche Fragepflicht (Art. 56 ZPO), die in vereinfachten Verfahren wie dem vorliegenden (Streitwert unter Fr. 30'000.--, Art. 243 Abs. 1 ZPO) sogar noch verstärkt gilt (Art. 247 Abs. 1 ZPO; Mazan, Basler Komm., 2. Aufl. 2013, Art. 247 ZPO N 15). Das vereinfachte Verfahren soll laienfreundlich sein (Mazan, a.a.O., Art. 247 ZPO N 17). Die Vorinstanz wäre gehalten gewesen, bei der nicht anwaltlich vertretenen Klägerin nicht nur bezüglich Unklarheiten betreffend die Passivlegitimation nachzufragen, wie sie dies richtigerweise getan hat, sondern auch und insbesondere betreffend die "falsche" Parteibezeichnung. Die Klagebewilligung wurde der AB in X erteilt. Die Vorinstanz wäre gehalten gewesen, die Klägerin darauf aufmerksam zu machen, dass die Klage auch unter dieser Parteibezeichnung einzureichen gewesen wäre, und darauf hinzuwirken, dass die Parteibezeichnung entsprechend korrigiert wird. Eine solche Berichtigung der Parteibezeichnung wäre vorliegend ohne weiteres zulässig gewesen, da sie keinen Parteiwechsel im Sinne von Art. 83 ZPO bewirkt hätte.

3.2.
Zusammengefasst hat die Vorinstanz, welche die Klage mangels Aktivlegitimation abwies, zum einen in ihrem Urteil Fragen der Sachlegitimation, der Prozessvoraussetzungen und der unrichtigen Parteibezeichnung vermischt. Zum anderen ist sie, indem sie der Klägerin keine Gelegenheit gab, sich zu diesen Fragen (wie zu jener der Passivlegitimation) zu äussern und allfällige Unklarheiten oder Mängel zu beheben bzw. die Parteibezeichnung zu berichtigen, der richterlichen Fragepflicht gemäss Art. 56 und Art. 247 ZPO nicht nachgekommen (vgl. zum Ganzen auch Willisegger, Basler Komm., 2. Aufl. 2013, Art. 223 ZPO N 20, wonach über die Verfahrensfortsetzung bei Säumnis der beklagten Partei die Spruchreife der Angelegenheit entscheidet, wonach Spruchreife voraussetzt, dass die Vorbringen der [rechtsunkundigen] klagenden Partei nicht unklar, widersprüchlich unbestimmt oder offensichtlich unvollständig sind, ansonsten das Gericht seine Fragepflicht ausüben muss, und wonach es an der Spruchreife fehlen kann, wenn das Gericht eine Klage nicht schützen will und sich dabei auf eine Rechtsnorm stützt, mit der die klagende Partei vernünftigerweise nicht rechnen konnte und musste, und wonach die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Prozessstoffes durch das Gericht die Partei nicht überraschen darf).

4.
Die Klägerin hat die Bezeichnung im Berufungsverfahren korrigiert, wogegen die Beklagte nicht opponiert hat. Dabei handelt es sich nicht um einen (unzulässigen) Parteiwechsel im Sinne von Art. 83 ZPO und auch nicht um eine (unzulässige) Klageänderung im Sinne von Art. 317 Abs. 2 ZPO, sondern um eine (zulässige) Präzisierung einer unklaren Parteibezeichnung (Spühler, Basler Komm., 2. Aufl. 2013, Art. 317 ZPO N 17), wie sie nach dem Gesagten – unter entsprechender Mitwirkung des Gerichts – vorliegend bereits im vorinstanzlichen Verfahren hätte vorgenommen werden sollen. Sodann handelt es sich weder bei der berichtigten Parteibezeichnung noch bei den übrigen Vorbringen der Klägerin zu ihrer Organisation und ihrem Rechnungswesen nicht um (unzulässige) Noven im Sinne von Art. 317 Abs. 1 ZPO, da, wie dargelegt, erst der vorinstanzliche Entscheid zu diesen Vorbringen Anlass gab (vgl. Sterchi, Berner Komm., Bern 2012, Art. 317 ZPO N 10). Noven, die sich auf Prozessvoraussetzungen beziehen, sind im Übrigen ohnehin uneingeschränkt zulässig (Reetz/Hilber, in: Komm. zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [Hrsg. Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger], 3. Aufl. 2016, Art. 317 ZPO N 23).

Vor diesem Hintergrund ist darauf zu verzichten, die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie ihrer Fragepflicht nachkomme und der Klägerin Gelegenheit gebe, ihre Parteibezeichnung zu berichtigen, und allfällige weitere Unklarheiten beseitige (vgl. Art. 318 Abs. 2 lit. c ZPO). Die Sache ist nun spruchreif und es kann neu entschieden werden (Art. 318 Abs. 1 lit. b ZPO).