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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:4. Abteilung
Rechtsgebiet:Bau- und Planungsrecht
Entscheiddatum:23.05.2017
Fallnummer:7H 16 3
LGVE:
Gesetzesartikel:Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG.
Leitsatz:Mobilfunk; Pflicht zur Durchführung eines im Bau- und Zonenreglement der Gemeinde vorgesehenen Standortevaluationsverfahrens (E. 2)
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:

Aus den Erwägungen:

2.

2.1.

Die Beschwerdeführer rügen unter anderem eine Verletzung von Art. 38 Abs. 3 des Bau- und Zonenreglements (BZR). Dieser setze beim Bau von Mobilfunkanlagen ein Standortevaluationsverfahren voraus. Aus den Bauunterlagen gehe weder hervor, dass eine entsprechende Standortevaluation durchgeführt worden sei, noch dass eine umfassende Interessenabwägung stattgefunden habe.

Die Beschwerdegegnerin bringt diesbezüglich vor, für den Bau einer Mobilfunkantenne sei innerhalb der Bauzone grundsätzlich kein Bedürfnisnachweis erforderlich. Ohne entsprechende planungsrechtliche Vorschriften des Kantons oder der Gemeinden sei ebenso wenig zu prüfen, ob bessere Alternativstandorte vorhanden seien. Die zwischen den Mobilfunkbetreibern und dem Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement des Kantons Luzern (BUWD) im Oktober 2008 abgeschlossene Vereinbarung stelle keine planungsrechtliche Vorschrift dar, aus welcher sich ein klagbarer Anspruch auf einen Alternativstandort ableiten liesse. Wohl würden den Gemeinden gewisse Rechte eingeräumt, nicht aber Pflichten auferlegt, was deren Zustimmung erfordern würde. Es liege daher im Ermessen der Gemeinde als Baubewilligungsbehörde, in welcher Form sie von ihren Rechten in Bezug auf das Standortevaluationsverfahren Gebrauch machen wolle.

2.2.

2.2.1.

Voraussetzung für die Erteilung einer Baubewilligung ist unter anderem, dass das Bauvorhaben dem Zweck der Nutzungszone entspricht (Art. 22 Abs. 2 lit. a des Bundesgesetzes über die Raumplanung [RPG; SR 700]). Die Zonenkonformität beurteilt sich ausschliesslich nach Massgabe des Zwecks der betreffenden Zone und nach der Vereinbarkeit der Anlage damit. Innerhalb der Bauzonen sind Mobilfunkantennen als Infrastrukturanlagen grundsätzlich zonenkonform, soweit sie hinsichtlich Standort und Ausgestaltung in einer unmittelbaren funktionellen Beziehung zum Ort stehen, an dem sie errichtet werden sollen, und im Wesentlichen Bauzonenland abdecken. Darüber hinaus sind die Kantone und Gemeinden im Rahmen ihrer bau- und planungsrechtlichen Zuständigkeiten grundsätzlich befugt, Bau- und Zonenvorschriften in Bezug auf Mobilfunkanlagen zu erlassen, sofern sie die bundesrechtlichen Schranken beachten, die sich insbesondere aus dem Bundesumwelt- und Fernmelderecht ergeben. So ist der Schutz von Menschen gegen nichtionisierende Strahlung abschliessend im Bundesgesetz über den Umweltschutz (USG; SR 814.01) und in der Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV; SR 814.710) geregelt, weshalb insoweit kein Raum für kommunales und kantonales Recht besteht. Bau- oder planungsrechtliche Vorschriften müssen darüber hinaus den in der Fernmeldegesetzgebung konkretisierten öffentlichen Interessen, namentlich jenen an qualitativ hochstehenden Fernmeldediensten sowie an einem funktionierenden Wettbewerb zwischen den Fernmeldedienstanbietern, hinreichend Rechnung tragen (vgl. Art. 1 des Fernmeldegesetzes [FMG; SR 784.10]; zum Ganzen: BGE 133 II 353 E. 4.2, 133 II 321 E. 4.3.4; BGer-Urteil 1C_318/2011 vom 8.11.2011 E. 2, je mit Hinweisen).

Wird den letztgenannten Zielsetzungen hinreichend Rechnung getragen, so sind namentlich ortsplanerische Bestimmungen, die anderen als umweltschutzrechtlichen Interessen dienen, wie z.B. der Wahrung des Charakters oder der Wohnqualität eines Quartiers, grundsätzlich möglich. Als planungsrechtliches Mittel kommt einerseits die Negativplanung in Betracht, wonach Mobilfunkanlagen in bestimmten Gebieten grundsätzlich unzulässig sind. Denkbar sind aber auch positive Planungsmassnahmen, mit welchen besondere Zonen für Mobilfunksendeanlagen ausgewiesen werden, sofern es sich um Standorte handelt, die sich besonders gut eignen und eine genügende Versorgung durch alle Mobilfunkanbieter ermöglichen. Baupolizeilich kann auch vorgeschrieben werden, dass die Erstellung von Mobilfunkantennen eine Standortevaluation voraussetzt, wobei die Bewilligungsbehörde den Baustandort im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung festzulegen hat (BGE 138 II 173 E. 6.3 mit Verweis auf BGE 133 II 353 E. 4.2, 133 II 321 E. 4.3.4; BGer-Urteil 1C_318/2011 vom 8.11.2011 E. 2, je mit weiteren Hinweisen; Wittwer, Bewilligung von Mobilfunkanlagen, 2. Aufl. 2008, S. 107 ff., 119 f.). In jedem Fall ist eine gesetzliche Grundlage im kommunalen oder kantonalen Recht erforderlich (BGE 133 II 64 E. 5.4).

2.2.2.

Das luzernische Recht steht solch planerischen Lösungen für Mobilfunkanlagen nicht entgegen (LGVE 2014 IV Nr. 14 E. 2.3 mit Hinweis auf in BGE 138 II 173 nicht publ. E. 4.2 des BGer-Urteils 1C_449/2011, 1C_451/2011 vom 19.3.2012). Die Gemeinde Z hat denn von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht und als Voraussetzung für die Erstellung einer Mobilfunkanlage im Sinn einer planungsrechtlichen Massnahme zwingend die Durchführung eines Standortevaluationsverfahrens vorgeschrieben, wobei der Gemeinderat den Standort einer solchen Mobilfunkanlage im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung festzulegen hat (Art. 38 Abs. 3 BZR).

Daneben hat das BUWD mit den drei in der Schweiz aktiven Mobilfunkbetreiberinnen im Oktober 2008 eine Vereinbarung über die Standortevaluation und -koordination abgeschlossen, welche den Gemeinden gewisse Mitwirkungsrechte bei der Standortauswahl einräumt; anders als in Art. 38 Abs. 3 BZR ist darin aber keine Pflicht zur Durchführung eines Evaluationsverfahrens vorgeschrieben, sondern es werden den Gemeinden lediglich entsprechende Rechte eingeräumt (vgl. LGVE 2014 IV Nr. 14 E. 2.5 und Urteil des Verwaltungsgerichts Luzern V 12 274 vom 24.6.2013 E. 5.3).

2.3.

Dass und inwiefern Alternativstandorte rund um den von der Beschwerdegegnerin vorgeschlagenen Standort im Sinn der genannten ortsplanerischen BZR-Bestimmung hier in das Auswahlverfahren konkret miteinbezogen worden wären, lässt sich dem angefochtenen Entscheid nicht entnehmen. Die Vorinstanz erwog diesbezüglich lediglich, der Gemeinderat habe "Standortevaluationen in der Gemeinde Z durchgeführt". Daraus habe sich gezeigt, dass insbesondere in den bewohnten Gebieten der Bedarf nach einer besseren Netzabdeckung der Grundversorgung bestehe. Sodann verwies sie auf die zwischen dem BUWD und den Mobilfunkbetreibern geschlossene Vereinbarung vom Oktober 2008; die strittige Anlage sei von der kantonalen Fachstelle geprüft und für bewilligungsfähig befunden worden. Es sei daher davon auszugehen, dass die Notwendigkeit der Anlage genügend ausgewiesen sei.

Auch wenn im angefochtenen Entscheid die Rede davon ist, dass Standortevaluationen in der Gemeinde insofern durchgeführt worden seien, als dass sich daraus der Netzabdeckungsbedarf gezeigt habe, wird hieraus nicht ersichtlich, inwiefern die Vorinstanz im hier strittigen Bewilligungsverfahren konkret auch andere Standortmöglichkeiten in Betracht gezogen, solche jedoch wegen mangelnder Eignung nicht weiter verfolgt hätte. Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin ist Art. 38 Abs. 3 BZR indes zwingend und räumt der Gemeinde wie oben dargelegt nicht nur Rechte ein, sondern auferlegt ihr auch gewisse Pflichten, so namentlich die Pflicht zur Durchführung eines Standortevaluationsverfahrens mit entsprechender Interessenabwägung (vgl. auch den Bericht und Antrag des Gemeinderats Z Nr. x an den Einwohnerrat von Z betreffend Planungsbericht zur Standortevaluation von Mobilfunkantennen Ziff. 5 S. 4). Die Vorinstanz bringt auch vor Kantonsgericht nicht vor, dass sie im Sinn von Art. 38 Abs. 3 BZR verfahren wäre; dem Gericht erschliesst sich damit nicht, ob und inwiefern ein Standortevaluationsverfahren konkret durchgeführt wurde. Indem die Beschwerdegegnerin auf ihr Schreiben an die Gemeinde Z verweist, in welchem sie die Gemeinde über den geplanten Standort der strittigen Antenne orientierte und darlegte, aus welchen Gründen sie diesen als sehr geeignet erachte, verkennt sie, dass es in der Folge an der Vorinstanz gelegen wäre, bezüglich des fernmelderechtlich zu erschliessenden Gebiets konkret auch alternative Standorte zu prüfen und eine Evaluation mit entsprechender Interessenabwägung im Hinblick auf die weiteren betroffenen Interessen, wie z.B. des Orts- und Landschaftsbildschutzes, vorzunehmen. Entsprechende Hinweise auf ein solches Vorgehen respektive auf eine gemäss Art. 38 Abs. 3 BZR in genügender Weise durchgeführte Standortevaluation lassen sich den Akten jedenfalls nicht entnehmen.

2.4.

Die Beschwerde erweist sich damit als begründet und ist gutzuheissen. Der angefochtene Entscheid ist bereits aus diesem Grund vollständig aufzuheben und die Sache zur Durchführung eines Standortevaluationsverfahrens unter Berücksichtigung von Alternativstandorten an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Vollständigkeit halber ist zudem darauf hinzuweisen, dass die Akten des durchzuführenden Evaluationsverfahrens im Rahmen des vorinstanzlichen Verfahrens offenzulegen sind (vgl. LGVE 2016 IV Nr. 2 E. 3.4 mit Hinweis).