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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:4. Abteilung
Rechtsgebiet:Bau- und Planungsrecht
Entscheiddatum:09.05.2017
Fallnummer:7H 16 251
LGVE:2017 IV Nr. 5
Gesetzesartikel:§ 207 Abs. 1 lit. c PBG.
Leitsatz:Der Einwand der Schutzwürdigkeit eines Biotops kann auch im Rahmen eines Baubewilligungsverfahrens erhoben werden, sofern diese Rüge ausreichend konkretisiert und glaubhaft gemacht wird. Für die Bejahung der Legitimation genügt es, wenn die Beschwerdeführer ausreichend konkretisiert glaubhaft machen, dass ein nach Art. 18 ff. NHG schützenswertes Biotop vorhanden ist.
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:

Aus den Erwägungen:

3.

3.1

Die Beschwerdeführer bringen gegen das Nichteintreten auf ihre Baueinsprache vor, sie seien Organisationen gemäss § 207 Abs. 1 lit. c und d PBG sowie Art. 12 des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz (NHG; SR 451). Nebst den nach Bundesrecht im Bereich des Umwelt-, Natur- und Heimatschutz beschwerdeberechtigten Organisationen sowie ihren im Kanton Luzern tätigen Sektionen seien auch weitere kantonale Organisationen im Bereich des Umwelt-, Natur- und Heimatschutzes im Rahmen ihres statutarischen Zwecks zur Erhebung von Einsprachen und Beschwerden befugt. Die Beschwerdeführer 2 und 3 würden kantonale Umwelt-, Natur- und Heimatschutzorganisationen im Sinn von § 207 Abs. 1 lit. d PBG darstellen. Als kantonale Organisationen, die sich seit mehr als fünf Jahren dem Umwelt-, Natur- und Heimatschutz widmen, seien sie somit ohne Weiteres zur Einsprache legitimiert.

Des Weiteren sei auch die Beschwerdeführerin 1 als eine nach dem Bundesrecht im Bereich des Umwelt-, Natur- und Heimatschutzes beschwerdeberechtigte Organisation ohne Weiteres zur Einsprache legitimiert. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz berühre deren Entscheid sehr wohl die Erfüllung einer Bundesaufgabe. Der Weiher auf dem fraglichen Grundstück Nr. x stelle einen wertvollen Lebensraum für einheimische Tier- und Pflanzenarten im Sinn von Art. 18 Abs. 1 NHG dar. Der fragliche Weiher sei zweifelsohne als Biotop zu qualifizieren, das für die Erhaltung der einheimischen Tier- und Pflanzenarten unabdinglich sei.

3.2

Die Vorinstanz entgegnet den Ausführungen der Beschwerdeführer, sie anerkenne, dass die Beschwerdeführer 2 und 3 kantonale Umwelt-, Natur- und Heimatschutzorganisationen im Sinn von § 207 Abs. 1 lit. d PBG seien. Diesen kantonalen Organisationen komme jedoch nur die gleiche Beschwerdelegitimation wie den gesamtschweizerischen Organisationen zu. Die Behauptung der Beschwerdeführer, die Beschwerdeführer 2 und 3 seien ohne Weiteres gestützt auf § 207 Abs. 1 lit. d PBG legitimiert, sei folglich falsch.

In Anwendung von Art. 18 NHG sei die Ausscheidung der Schutzobjekte seitens der Vorinstanz vor ein paar Jahren vorgenommen worden. Es obliege den Kantonen, genügend grosse Lebensräume zu bezeichnen, die betreffenden Schutzzwecke festzusetzen und geeignete Massnahmen anzuordnen, um dieses Ziel zu erreichen. Soweit sich als schutzwürdig erscheinende Gebiete noch in der Bau- und Landwirtschaftszone befänden, seien diese nicht unmittelbar geschützt; die Zonenordnung bleibe in Kraft, sofern der Kanton nicht andere Sicherungsmassnahmen getroffen habe. Wenn feststehe, dass das fragliche Retentionsbecken weder kantonal noch kommunal in irgendeiner Form unter Schutz gestellt worden sei, stelle sich die Frage, ob dann überhaupt noch im Rahmen eines Baubewilligungsverfahrens die Frage der Schutzwürdigkeit erhoben werden könne. Sie gehe davon aus, dass dies grundsätzlich nicht mehr möglich sei.

3.3

3.3.1

Zur Einreichung eines Rechtmittels sind nebst den nach § 207 Abs. 1 lit. a PBG legitimierten Personen auch andere Personen, Organisationen und Behörden befugt, welche die Rechtsmittelordnung dazu ermächtigt (§ 129 Abs. 2 VRG). § 207 Abs. 1 lit. c PBG spricht die Beschwerdebefugnis u.a. den nach dem Bundesrecht im Bereich des Umwelt-, Natur- und Heimatschutzes beschwerdeberechtigten Organisationen sowie ihren im Kanton Luzern tätigen Sektionen in den dort vorgesehenen Fällen zu. Von Bundesrechts wegen sind gesamtschweizerisch tätige Organisationen, die sich seit mindestens zehn Jahren statutarisch festgelegt dem Naturschutz, dem Heimatschutz, der Denkmalpflege oder verwandten Zielen widmen und rein ideelle Zwecke verfolgen, gestützt auf Art. 89 Abs. 2 lit. d des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG; SR 173.110) i.V.m. Art. 12 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 NHG beschwerdeberechtigt (sog. ideelle Verbandsbeschwerde). Gemäss Art. 12 Abs. 3 NHG bezeichnet der Bundesrat die zur Beschwerde berechtigten Organisationen. Es kann hierzu auf die Verordnung über die Bezeichnung der im Bereich des Umweltschutzes sowie des Natur- und Heimatschutzes beschwerdeberechtigten Organisationen (VBO; SR 814.076) verwiesen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts steht die Verbandsbeschwerde dann offen, soweit der angefochtene Entscheid die Erfüllung einer Bundesaufgabe im Sinn von Art. 78 Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV; SR 101) und Art. 2 NHG betrifft (BGE 139 II 271 E. 3 mit Hinweisen; BGer-Urteil 1C_700/2013 vom 11.3.2014 E. 2.1, auch zum Folgenden). Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung kann eine Bundesaufgabe auch dann vorliegen, wenn eine kantonale Behörde verfügt hat, beispielsweise bei der Erteilung einer raumplanungsrechtlichen Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG (BGE 139 II 271 E. 9.2) oder einer Rodungsbewilligung (Art. 2 Abs. 1 lit. b NHG; BGE 121 II 190 E. 3c/cc), bezüglich ordentlicher Baubewilligungen, die schutzwürdige Biotope berühren (Art. 18 ff. NHG; BGE 139 II 271 E. 10.2) oder des Schutzes von Mooren und Moorlandschaften von besonderer Schönheit und nationaler Bedeutung (BGE 118 Ib 11 E. 2e; vgl. zum Ganzen: BGE 139 II 271 E. 9.2). Voraussetzung ist jedoch in allen Fällen, dass die Verfügung eine Rechtsmaterie betrifft, die in den Zuständigkeitsbereich des Bundes fällt, bundesrechtlich geregelt ist und einen Bezug zum Natur-, Landschafts- und Heimatschutz aufweist. Das ist einerseits der Fall, wenn die bundesrechtliche Regelung (zumindest auch) den Schutz von Natur, Landschaft oder Heimat bezweckt; andererseits ist eine Bundesaufgabe zu bejahen, wenn der bundesrechtliche Auftrag die Gefahr der Beeinträchtigung schützenswerter Natur-, Orts- und Landschaftsbilder in sich birgt (BGE 139 II 271 E. 9.3 und 9.4 mit Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung). Das rechtsprechungsgemäss auf Bundesrecht gestützte Kriterium der Erfüllung einer Bundesaufgabe gilt nach dem Wortlaut von § 207 Abs. 1 lit. c PBG ("in den dort vorgesehenen Fällen") auch für die kantonalen Sektionen der erwähnten Organisationen.

3.3.2

Es ist unstreitig, dass A und die Beschwerdeführerin 1 zu den nach Art. 12 Abs. 1 lit. b NHG beschwerdeberechtigten Organisationen im Bereich des Natur- und Heimatschutzes gehören (Ziff. 4 und 6 des Anhangs zur VBO).

Gemäss Art. 78 Abs. 1 BV sind für den Natur- und Heimatschutz grundsätzlich die Kantone zuständig; Bundeskompetenzen bestehen lediglich im Bereich des Biotop- und Artenschutzes (Abs. 4) und zum Schutz von Mooren und Moorlandschaften von nationaler Bedeutung (Abs. 5). Beim Biotopschutz gemäss Art. 18 ff. NHG handelt es sich folglich um eine den Kantonen übertragene Bundesaufgabe.

Das Recht zur Beschwerdeführung setzt nicht voraus, dass ein vom Bund nach Art. 5 NHG inventarisiertes Schutzobjekt betroffen wird; es genügt vielmehr, dass die Verletzung von Bestimmungen gerügt wird, die der Erfüllung der Bundesaufgaben im Bereich des Natur- und Heimatschutzes dienen. Solche Bestimmungen sind insbesondere im NHG enthalten; sie können sich aber auch aus der jeweiligen Spezialgesetzgebung ergeben (BGE 139 II 271 E. 9.3).

Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind Natur- und Heimatschutzverbände zur Beschwerde gegen ordentliche Baubewilligungen und Nutzungspläne befugt, die schutzwürdige Biotope berühren (BGE 139 II 271 E. 10.2). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz kann somit der Einwand der Schutzwürdigkeit eines Biotops auch im Rahmen eines Baubewilligungsverfahrens erhoben werden, sofern diese Rüge ausreichend konkretisiert und glaubhaft gemacht wird.

Die Beschwerdeführer haben in ihrer Einsprache vom 20. September 2016 beantragt, dass der Schulpavillon so zu positionieren sei, dass der Weiher und das ruderale Weiherumfeld vollumfänglich erhalten bleiben. Weiher seien ausgesprochen wertvolle Lebensräume von zahlreichen mehrheitlich gefährdeten Tier- und Pflanzenarten. Es seien Lebensräume, die stark unter Druck stehen und zunehmend seltener werden. Das eidgenössische Natur- und Heimatschutzgesetz halte fest, dass Lebensräume einheimischer Tier- und Pflanzenarten zu erhalten seien. Die Beschwerdeführer haben sich in ihrer Einsprache folglich auf die Bestimmungen von Art. 18 f. NHG betreffend den Schutz von Tier- und Pflanzenarten berufen und damit die Verletzung von Bestimmungen gerügt, die eine Bundesaufgabe betreffen. Ihre Vorbringen haben sie im vorliegenden Verfahren anhand eines von ihnen bei der Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz (karch) in Auftrag gegebenen Kurzgutachtens untermauert. In diesem Kurzgutachten vom 20. Oktober 2016 ist festgehalten, dass der Weiher permanent wasserführend sei. Die Gewässer seien in eine naturnahe Umgebung eingebettet (Ufervegetation, artenreiche Wiesen, Gehölze, Hecken und Kleinstrukturen) und bildeten einen wertvollen Lebensraum. Der Weiher beherberge als Amphibienart den Wasserfrosch. Er habe ein grosses Potenzial für die Fortpflanzung von weiteren Amphibienarten. Anhand des Kurzgutachtens haben die Beschwerdeführer glaubhaft gemacht, dass Art. 18 ff. NHG vorliegend betroffen sein könnten.

Damit ist die Legitimation der Beschwerdeführerin 1 mit Verweis auf die dargestellte Rechtslage gestützt auf § 207 Abs. 1 lit. c PBG zu bejahen. Bei der Beschwerdeführerin 2 sowie der Beschwerdeführerin 3 handelt es sich um kantonale Sektionen einer nach dem Bundesrecht im Bereich des Umwelt-, Natur- und Heimatschutzes beschwerdeberechtigten Organisation, weshalb auch die Beschwerdeführerinnen 2 und 3 gestützt auf § 207 Abs. 1 lit. c PBG legitimiert sind.

3.4

Für die Bejahung der Legitimation genügt es, wenn die Beschwerdeführer ausreichend konkretisiert glaubhaft machen, dass ein nach Art. 18 ff. NHG schützenswertes Biotop vorhanden ist. Wie oben ausgeführt, ist dies vorliegend der Fall. Die Vorinstanz hätte deshalb auf die Einsprache eintreten müssen. Die Beschwerde ist in diesem Punkt gutzuheissen und die Sache zur materiellen Beurteilung der Einsprachen und gestützt hierauf zur Neubeurteilung des Baugesuchs vom 31. August 2016 an die Vorinstanz zurückzuweisen. Dabei wird abschliessend zu klären sein, ob es sich bei dem Retentionsbecken tatsächlich um ein nach Art. 18 ff. NHG schützenswertes Biotop handelt.