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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:4. Abteilung
Rechtsgebiet:Steuererlass
Entscheiddatum:31.03.2017
Fallnummer:7W 16 43/44
LGVE:
Gesetzesartikel:Art. 12 BV, Art. 167 DBG, § 200 StG.
Leitsatz:Ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer steuerpflichtigen Person auf Dauer erheblich reduziert, so dass erlassrechtlich eine Notlage gegeben ist, kann ihr nicht mit dem Hinweis, dass sie bereits einmal von einem Erlass profitiert habe (Praxis der Einmaligkeit), ein erneuter Erlass verwehrt werden.
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:

Aus den Erwägungen:


3.1.

Das Steueramt begründet den abweisenden Einspracheentscheid damit, dass der Erlass einmalig sein solle und dem Beschwerdeführer bereits im Jahr 2010 Steuern im Betrag von Fr. 437.55 erlassen worden seien.


Zwar ist zutreffend, dass der vollumfängliche oder teilweise Steuererlass im Sinn der Rechtsgleichheit und in Anwendung einer einheitlichen Praxis eine seltene Ausnahme bilden soll, welche nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen gewährt wird (Beusch/Raas, in: Komm. zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [Hrsg. Zweifel/Beusch], 3. Aufl. 2016, Vor Art. 167-167g DBG N 8). Nach Luzerner Praxisfestlegung soll ein Erlass einmalig erfolgen und kein Mittel zur Steuerbefreiung über Jahre darstellen (Luzerner Steuerbuch [LU StB], Weisungen StG § 200 Nr. 1 Ziff. 1). Eine Einmaligkeit des Steuererlasses lässt sich den gesetzlichen Grundlagen indes nicht entnehmen. Mit dem harmonisierungsrechtlichen Systemwechsel zur Postnumerandobesteuerung mit einjähriger Gegenwartsbemessung wurde nicht nur die Veranlagungsfrequenz erhöht, sondern auch die Veränderungen der Einkommensverhältnisse zeitnaher erfasst. Es erfolgte damit im Vergleich zur zweijährigen Steuerperiode mit Vergangenheitsbemessung eine bessere Abstimmung auf die effektiven wirtschaftlichen Verhältnisse und die mehrfache Berücksichtigung von gleichen Bemessungsfaktoren wurde weitgehend beseitigt. Allerdings verkürzte sich unter steuererlassrechtlichem Gesichtswinkel zugleich die "Beobachtungsperiode", die für eine Sanierung oder eine wirtschaftliche Verschlechterung beachtlich wird. Die mit dem Erlass grundsätzlich angestrebte wirtschaftliche Erholung, die dem Steuerpflichtigen erlauben soll, inskünftig wieder nach Massgabe seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Steuern zu bezahlen, kann aber durchaus mehrere einjährige Steuerperioden in Anspruch nehmen. Hinzu kommt, dass nach der Rechtsprechung im Einkommenssteuerrecht keine allgemeine Steuerfreiheit des Existenzminimums besteht (Richner/Frei/Kaufmann/Meuter,
Handkomm. zum DBG, 3. Aufl. 2016, VB zu DBG N 68 m.H.). Gerade für den Fall, dass eine Abgabeforderung trotz aller tarifarischen Massnahmen oder kantonal angepasster Steuerfreibeträge in das lebensnotwendige Existenzminimum eingreift, muss aber nach dieser Rechtsprechung ausnahmsweise ein Steuererlass zur Sicherung des für ein menschenwürdiges Dasein erforderlichen Existenzminimums (vgl. Art. 12 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft [BV; SR 101]) gewährt werden. Ist also die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer steuerpflichtigen Person auf gewisse Dauer erheblich reduziert, so dass erlassrechtlich eine Notlage gegeben ist, kann ihr trotz auf diesem Leistungsfähigkeitsniveau angesetzter Steuerveranlagung nicht mit dem Hinweis, dass sie bereits einmal von einem Erlass profitiert habe, ein erneuter Erlass verwehrt werden. Es würde dem Sinn und Zweck des Erlasses, die langfristige und dauernde Sanierung der wirtschaftlichen Lage der steuerpflichtigen Person sicherzustellen (Beusch/Raas, a.a.O., Art. 167 DBG N 20), zuwiderlaufen, wenn einer Person ein Erlass verwehrt würde, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen dafür erfüllt wären und sich diese insbesondere ganz offensichtlich in einer Notlage befände. Der Argumentation der Vorinstanz kann demnach (…) nicht gefolgt werden.