Drucken

Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:2. Abteilung
Rechtsgebiet:Strafrecht
Entscheiddatum:03.05.2017
Fallnummer:4M 16 56
LGVE:2017 II Nr. 6
Gesetzesartikel:Art. 251 StGB.
Leitsatz:Falschbeurkundung: Die Kapitaleinzahlungsbestätigung der Depo-sitenstelle besitzt qualifizierte Beweiseignung im Sinn von Art. 251 StGB nur dafür, dass die zur Gesellschaftsgründung erforderlichen Mindesteinzahlungen auf dem Kapitaleinzahlungskonto hinterlegt sind und die Bank den Betrag erst nach erfolgter Eintragung ins Handelsregister den zeichnungsberechtigten Organen freigibt, nicht jedoch dafür, dass die Organe den Betrag nach Freigabe auch wirklich im Sinne der Gesellschaft verwenden.
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:

Aus den Erwägungen:

5.2.
Nach Art. 251 Ziff. 1 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs (StGB; SR 311.0) wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, eine Urkunde fälscht oder verfälscht, die echte Unterschrift oder das echte Handzeichen eines andern zur Herstellung einer unechten Urkunde benützt oder eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet oder beurkunden lässt, oder eine Urkunde dieser Art zur Täuschung gebraucht.

Für die Falschbeurkundung wird zur Abgrenzung von der straflosen schriftlichen Lüge eine qualifizierte Beweiseignung im Sinne einer erhöhten Überzeugungskraft verlangt, die gegeben ist, wenn objektive Garantien die Wahrheit einer Erklärung gewährleisten. Besondere Bedeutung kommt nach der neueren Praxis des Bundesgerichts dem Kriterium einer "garantenähnlichen Stellung" des Erklärenden zu (Trechsel/Erni, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskomm. [Hrsg. Trechsel/Pieth], 2. Aufl. 2013, Art. 251 StGB N 9 mit Hinweisen). Diese kann z.B. in der Prüfungspflicht einer Urkundsperson oder in gesetzlichen Vorschriften, welche gerade den Inhalt bestimmter Schriftstücke näher festlegen (z.B. die Bilanzvorschriften gemäss Art. 958 ff. OR), erblickt werden. Hingegen genügt die blosse Tatsache nicht, dass erfahrungsgemäss gewisse Schriftstücke besondere Glaubwürdigkeit geniessen, auch wenn im Geschäftsverkehr anerkannt ist, dass man sich auf solche Urkunden verlässt. Das Vertrauen darin, dass eine Urkunde nicht verfälscht wird, ist und darf grösser sein als das Vertrauen darauf, dass jemand in schriftlicher Form nicht lügt. Deshalb sind an die Beweisbestimmung und Beweiseignung einer Urkunde bei der Falschbeurkundung hohe Anforderungen zu stellen. Art. 251 StGB ist deshalb restriktiv anzuwenden, soweit es um die Falschbeurkundung geht. Die Grenze zwischen schriftlicher Lüge und Falschbeurkundung ist aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu ziehen (BGE 117 IV 35 E. 1d; BGE 126 IV 65 E. 2a = Pra 90 (2001) Nr. 91 E. 2a).

Das Bundesgericht hat in BGE 107 IV 128 die erhöhte Glaubwürdigkeit bzw. die Beweiseignung einer wahrheitswidrigen Bescheinigung einer Depositenstelle in einem analogen Fall wie dem vorliegenden (Scheineinzahlung des Aktienkapitals) offensichtlich als gegeben betrachtet, allerdings ohne darzulegen, woraus es diese konkret herleitete. Im neueren Urteil 6P.128/2001 vom 18. Dezember 2001 hielt das Bundesgericht in Erwägung 7d jedoch unter Bezugnahme auf und ausdrücklich abweichend von BGE 107 IV 128 fest, die Kapitaleinzahlungsbestätigung der Depositenstelle erbringe Beweis nur dafür, dass die Mindesteinzahlungen auf dem Kapitaleinzahlungskonto hinterlegt worden seien und die Bank den Betrag erst nach erfolgter Eintragung ins Handelsregister den zeichnungsberechtigten Organen freigebe. Dass die Bescheinigung der Depositenstelle bei der vorliegenden Konstellation materiell unrichtig sei, weil die Kapitaleinzahlung nur fingiert sei, möge zutreffen. Über den Rechtsgrund der Zahlung und den Willen der Gründer, ihrer Liberierungspflicht nachzukommen, sage sie indes nichts aus. Jedenfalls komme der Bescheinigung insofern keine erhöhte Glaubwürdigkeit zu. Das Bundesgericht konnte die Frage im konkreten Fall im Einzelnen aber offen lassen.

Nach Art. 633 Abs. 1 des Obligationenrechts (OR; SR 220) müssen Einlagen in Geld bei einem dem Bankengesetz vom 8. November 1934 unterstellten Institut zur ausschliesslichen Verfügung der Gesellschaft hinterlegt werden. Das Institut gibt den Betrag erst frei, wenn die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist (Abs. 2). Über den Inhalt der Bescheinigung der Depositenstelle lässt sich dem Gesetz nur wenig entnehmen. Nach Art. 43 Abs. 1 lit. f der Handelsregisterverordnung (HRegV; SR 221.411) muss dem Handelregisteramt bei Bareinlagen neben den übrigen Belegen eine Bescheinigung eingereicht werden, aus der ersichtlich ist, bei welchem Bankinstitut die Einlagen hinterlegt sind, sofern das Bankinstitut in der öffentlichen Urkunde nicht genannt wird. Angesichts der nicht weiter detaillierten gesetzlichen Regelung verdient die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichts Zustimmung. Anders als bei einer öffentlichen Urkunde, welche gemäss Rechtsprechung Gewähr für die Wahrheit der abgegebenen Erklärungen leistet (BGE 113 IV 77), besitzt die Bescheinigung der Depositenstelle nur dafür erhöhte Beweiseignung, dass der genannte Betrag beim Institut zur ausschliesslichen Verfügung der Gesellschaft hinterlegt wurde, nicht jedoch dafür, dass die Organe den Betrag nach Freigabe auch wirklich im Sinne der Gesellschaft verwenden (können). Da die Depositenstelle für letzteres keine Prüfungspflicht hat und faktisch in der Regel auch nicht über die Möglichkeit der Überprüfung verfügt, kann ihr auch keine garantenähnliche Stellung dafür zukommen. Daran ändert ein – wie vorliegend – bereits bestehender unwiderruflicher Zahlungsauftrag der künftigen Gesellschaft zu Gunsten einer Drittperson nichts. Damit ist im vorliegenden Zusammenhang bei beiden Gründungen objektiv keine Falschbeurkundung gegeben und der Beschuldigte ist vom Vorwurf der mehrfachen Urkundenfälschung nach Art. 251 Ziff. 1 StGB freizusprechen.