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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:1. Abteilung
Rechtsgebiet:Zivilprozessrecht
Entscheiddatum:17.01.2017
Fallnummer:1B 16 58
LGVE:2017 I Nr. 10
Gesetzesartikel:Art. 59 Abs. 2 lit. b ZPO.
Leitsatz:Bei der Beurteilung der Zuständigkeit sind die doppelrelevanten Tatsachen (d.h. jene, die sowohl für die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts als auch für die Begründetheit der Klage erheblich sind) als wahr zu unterstellen, es sei denn, der klägerische Tatsachenvortrag erscheine auf Anhieb fadenscheinig oder inkohärent und könne von der Gegenseite unmittelbar und eindeutig widerlegt werden. Vorliegend überzeugen die Einwände der Gegenpartei nicht.
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:

Die Beklagten sind Miteigentümer der Stockwerkeinheit Nr. z. Sie kauften diese im Rohbau von der B AG. Der Grundstückkaufvertrag sah einen ausserkantonalen Gerichtsstand vor. In der in den Grundstückkaufvertrag ausdrücklich einbezogenen Beilage "Pauschalangebot für Wohnung Nr. z" wurden auch die Modalitäten und die Tragung der Innenausbaukosten der Stockwerkeinheit geregelt. Die Klägerin machte geltend, zwischen ihrer Rechtsvorgängerin A AG, welche ihr den eingeklagten Anspruch abgetreten habe, und den Beklagten, habe ein direktes Vertragsverhältnis bestanden. Das Bezirksgericht beschränkte das Verfahren auf die Frage der örtlichen Zuständigkeit. Es kam zum Schluss, die A AG sei nicht Partei des Grundstückkaufvertrags, weshalb die darin enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung auf die A AG als nicht beteiligte Dritte nicht anwendbar sei und der Wohnsitzgerichtsstand gemäss Art. 31 ZPO zum Zug komme. Die Behauptung des direkten Werkvertragsverhältnisses zwischen der A AG und den Beklagten sei als sog. doppelrelevante Tatsache sowohl für die Begründetheit des Anspruchs an sich als auch für die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts massgebend. Die Ausführungen der Klägerin seien nicht zum Vornherein abwegig und würden durch die Vorbringen der Beklagten nicht unmittelbar und eindeutig widerlegt. Dementsprechend bejahte die Vorinstanz sowohl ihre örtliche als auch ihre sachliche Zuständigkeit und trat auf die Klage ein. Die dagegen von den Beklagten erhobene Berufung wurde vom Kantonsgericht abgewiesen.

Aus den Erwägungen:

6.
6.1.
… Zu Recht bestreiten die Beklagten nicht, dass die bundesgerichtliche Rechtsprechung betreffend doppelrelevante Tatsachen (vgl. BGer-Urteil 4A_368/2016 vom 5.9.2016 E. 2.2 mit Hinweis auf BGE 141 III 294 E. 5) zur Anwendung gelangt. Sie machen indes geltend, die klägerischen Vorbringen seien auf Anhieb fadenscheinig und inkohärent.

6.2.
Die Einwendungen der Beklagten überzeugen nicht. Die Klägerin stellte sich im vorinstanzlichen Hauptverfahren auf den Standpunkt, zwischen den Beklagten und der A AG sei ein mündlicher Werkvertrag betreffend die Umsetzung des Innenausbaus durch die A AG erfolgt und letztere habe die eingeklagten Aufwendungen von Fr. 225'479.50 im Sinne einer Vorfinanzierung bezahlt, weshalb die Beklagten der Klägerin als Abtretungsgläubigerin diesen Betrag zu erstatten hätten. Diese Behauptungen wurden detailliert substanziiert und zu deren Beweis legte die Klägerin zahlreiche Urkunden ins Recht, beantragte mit D die Parteibefragung und verlangte zudem die Einvernahme verschiedener Zeugen. Alternativ berief sich die Klägerin auf Art. 672 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB; SR 210), wonach ihr ein ausservertraglicher Entschädigungsanspruch für den Materialeinbau und die getätigten Arbeitsleistungen auf dem Grundstück der Beklagten zustehe. Mit der Vorinstanz ist davon auszugehen, dass die von der Klägerin vorinstanzlich aufgelegten Urkunden deren Standpunkt stützen. Zunächst geht aus der E-Mail vom 5. Februar 2007 hervor, dass diese am 5. Februar 2007, 10:09 Uhr an die A AG und somit nicht an die B AG gesendet wurde. Dies lässt darauf schliessen, dass die A AG in die Innenausbauarbeiten involviert war. Die Beklagten machen zwar geltend, ihnen sei keine andere Adresse als jene der A AG bekannt gewesen. Dies wurde jedoch von der Klägerin ausdrücklich bestritten, weshalb im vorliegenden Verfahren von der klägerischen Darstellung auszugehen ist. Die Beklagten machten sodann geltend, beim Werkvertrag X sei die B AG Vertragspartei und andere Werkverträge würden durch die Klägerin nicht aufgelegt. Dem hält letztere zu Recht entgegen, dass die auf dem Werkvertrag X basierende Rechnung an die A AG gerichtet ist. Somit erscheint plausibel, dass der entsprechende Werkvertrag von der A AG übernommen wurde. Weitere Urkunden belegen, dass die Rechnungen für Fenster in Holz-Metall, für Elektroanlagen, für die Heizungsanlage, für Sanitäranlagen, für den Küchenbau, der Firma C, für Plattenarbeiten und für Malerarbeiten nicht an die B AG, sondern an die A AG gerichtet sind. Aus dem Umstand, dass die Klägerin keine weiteren Werkverträge aufgelegt hat, können die Beklagten nichts zu ihren Gunsten ableiten. Wie oben erwähnt, erscheint aufgrund der Rechnungsstellung nicht abwegig, dass allfällige mit der B AG abgeschlossene Werkverträge durch die A AG übernommen wurden. Entgegen der Ansicht der Beklagten wird die Sachdarstellung der Klägerin auch durch den Kaufvertragsentwurf vom 22. Januar 2008 im Sinne der Ausführungen der Vorinstanz und der Klägerin gestützt. Dass dieser Entwurf ohne Absprache mit den Beklagten erfolgt sein soll, wie sie behaupten, erscheint nicht plausibel. Unbehelflich ist auch ihr Einwand, es sei nicht nachvollziehbar, warum die A AG als Treuhandbüro Werkverträge abschliessen sollte. Wie dem Handelsregister zu entnehmen ist, umfasst der Zweck dieser Gesellschaft auch den Kauf, Verkauf, Miete und Vermietung von Grundstücken. Damit handelte sie keineswegs ausserhalb ihres Gesellschaftszwecks. Nicht entscheidswesentlich ist sodann, aus welchen Gründen sich die A AG anstelle der B AG für den Innenausbau engagierte. Schliesslich gilt es festzuhalten, dass gemäss der Darstellung der Klägerin die A AG unter anderem die eingeklagten Beträge vorfinanziert resp. bezahlt hat. Diese Sachdarstellung, die sich auf Urkunden abzustützen vermag, ist als wahr zu unterstellen.

6.3.
Nach dem Gesagten ergibt sich, dass sich die klägerischen Vorbringen, die A AG stehe in einem direkten Vertragsverhältnis mit den Beklagten, weshalb die eingeklagte Forderung vom ursprünglichen Kaufvertrag unabhängig sei, weder als fadenscheinig noch als inkohärent erweisen.