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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:1. Abteilung
Rechtsgebiet:Zivilrecht
Entscheiddatum:14.06.2017
Fallnummer:1B 16 2
LGVE:2017 I Nr. 13
Gesetzesartikel:Art. 82 OR, Art. 107 OR.
Leitsatz:Sukzessivlieferungsvertrag: Voraussetzungen für einen Rücktritt vom gesamten Vertrag, für eine Kündigung aus wichtigem Grund und für ein Leistungsverweigerungsrecht.
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:

Bei den Parteien handelt es sich um zwei im Bereich der Ausbeutung bzw. der Aufbereitung und des Transports von Sand- und Kiesmaterialien tätige Unternehmen. Mit Kiesliefervertrag vom 20. März 2003 verkaufte die Beklagte der Klägerin die Gesamtmenge von 540'000 m3 Kies, aufgeteilt in Abbauphase 1 (150'000 m3 gemäss bestehender Abbaubewilligung, verteilt auf drei Jahre à 50'000 m3) und in Abbauphase 2 (390'000 m3 nach Erhalt der Abbaubewilligung, verteilt auf sechs Jahre à 65'000 m3). Die Beklagte verpflichtete sich, die genannten Mengen zu festgelegten, teuerungsbereinigten Preisen zu liefern. Die bezogenen Kiesmengen waren der Beklagten von der Klägerin innert 15 Tagen nach jeweils wöchentlich erstellter und genehmigter Abrechnung zu bezahlen. Ab 1. Juli 2004 lieferte die Beklagte keinen Kies mehr. Mit Klage vom 31. Dezember 2010 gelangte die Klägerin an das damalige Amtsgericht Z und beantragte, die Beklagte habe ihr in Erfüllung des Kiesliefervertrags 474'000 m3 Kies zu liefern. Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Zur Begründung machte sie unter anderem geltend, sie sei mit Erklärungen vom 26. Mai 2004 und 27. Juli 2004 vom Vertrag zurückgetreten, da die Klägerin im Umfang von Fr. 47'110.40 bzw. von mindestens Fr. 27'970.85 in Zahlungsverzug gewesen sei. Anlässlich der Hauptverhandlung vor Bezirksgericht Z vom 9. Juli 2015 führte die Beklagte aus, für den Fall, dass die Rücktrittserklärung nicht geschützt werde, kündige sie hiermit den Kiesliefervertrag aus wichtigem Grund; falls der Kiesliefervertrag weder durch Rücktritt noch durch die Anrufung eines wichtigen Grunds aufgelöst sein sollte, bleibe immer noch festzustellen, dass sie die Einrede gemäss Art. 82 OR erheben könne. Mit Urteil vom 27. November 2015 verpflichtete das Bezirksgericht Z die Beklagte, der Klägerin in Erfüllung des Kiesliefervertrags 466'500 m3 Kies zu liefern. Die von der Beklagten erhobene Berufung wies das Kantonsgericht mit Urteil vom 14. Juni 2017 ab.

Aus den Erwägungen:

2.2.
Hauptthema des vorliegenden Verfahrens war und ist die Beurteilung der Fragen, ob die Beklagte gültig vom Kiesliefervertrag zurückgetreten ist (vgl. dazu E. 3 nachstehend) bzw. ob sie den Vertrag gültig aus wichtigem Grund gekündigt hat (vgl. dazu E. 4 nachstehend) bzw. ob die Beklagte ihre Leistung gestützt auf Art. 82 des Obligationenrechts (OR; SR 220) verweigern kann (vgl. dazu E. 5 nachstehend).

3.5.
3.5.1.
Wenn sich ein Schuldner bei zweiseitigen Verträgen im Verzug befindet, so ist der Gläubiger berechtigt, ihm eine angemessene Frist zur nachträglichen Erfüllung anzusetzen oder durch die zuständige Behörde ansetzen zu lassen (Art. 107 Abs. 1 OR). Wird auch bis zum Ablauf dieser Frist nicht erfüllt, so kann der Gläubiger immer noch auf Erfüllung nebst Schadenersatz wegen Verspätung klagen, stattdessen aber auch, wenn er es unverzüglich erklärt, auf die nachträgliche Leistung verzichten und entweder Ersatz des aus der Nichterfüllung entstandenen Schadens verlangen oder vom Vertrag zurücktreten (Art. 107 Abs. 2 OR).

Zur Situation bei Sukzessivlieferungsverträgen bzw. beim Verzug mit Zahlungsraten hat das Bundesgericht in einem Entscheid aus dem Jahre 1993 wie folgt entschieden: Gerät der Schuldner bei einem zweiseitigen Vertrag mit nacheinander fällig werdenden Zahlungsraten in Verzug, so kann der Gläubiger nur für die bereits verfallenen Raten nach Art. 107 OR vorgehen. Von diesem Grundsatz darf ausnahmsweise abgewichen werden, wenn auch die künftige ordnungsgemässe Vertragserfüllung als ausgeschlossen (so die Regeste von BGE 119 II 135), zumindest aber gefährdet oder in Frage gestellt erscheint. Die fruchtlose Ansetzung einer Zahlungsfrist für verfallene Raten berechtigt nicht zum Rücktritt vom gesamten noch nicht erfüllten Vertrag. Mit der Fristansetzung ist der Rücktritt anzudrohen. Eine auch die künftigen Raten erfassende Rücktrittserklärung erübrigt sich jedoch, wenn eine solche in Anbetracht des Schuldnerverhaltens als nutzlos erscheint oder wenn der Gläubiger aufgrund einer besonderen Vertragsbestimmung auch mit Bezug auf nicht verfallene Raten zur Ausübung der Rechte nach Art. 107/109 OR ermächtigt ist (BGE 119 II 135 [= Pra 1993 Nr. 209] E. 3). Diese Rechtsprechung hat das Bundesgericht in einem Entscheid aus dem Jahre 2015 für Sukzessivlieferungen oder sonstige Teillieferungen ausdrücklich bestätigt (BGE 141 III 106 E. 16.2).

3.5.2.
Die Rechtsprechung des Bundesgerichts, auf die sich auch die Vorinstanz stützte, ist eindeutig und steht im Übrigen in Einklang mit der Lehre. Bei Ratenverzug – unter Raten versteht man Teilleistungen, deren Fälligkeiten gestaffelt eintreten; als Raten können zudem die in einem Sukzessivlieferungsvertrag begründeten einzelnen Lieferpflichten bezeichnet werden – stehen dem Gläubiger die Wahlrechte gemäss Art. 107 Abs. 2 OR grundsätzlich lediglich bezüglich der verspäteten Rate(n) zu, d.h. nicht auch bezüglich erst später fällig werdender Raten bzw. des ganzen Vertrags (Furrer/Wey, in: Handkomm. zum Schweizer Privatrecht [Hrsg. Furrer/ Schnyder], 3. Aufl. 2016, Art. 107 OR N 59 f., mit Hinweisen). Nur wenn auch die künftige ordnungsgemässe Vertragserfüllung als gefährdet oder gar ausgeschlossen erscheint (z.B. dauernde Schlechtlieferung, ungehöriges Schuldnerverhalten), so ist dem Gläubiger ausnahmsweise auch ein Leistungsverzicht auf nicht verfallene Raten und damit ein Recht auf Rücktritt vom ganzen Vertrag zuzugestehen. Ein Verzug mit einer oder mehreren Raten lässt (nur) dann auf eine Gefährdung der künftigen Erfüllung schliessen, wenn die Umstände dafür sprechen, namentlich mit Blick auf die Gründe, aus denen der Schuldner die verfallene Leistung nicht erbringen wollte (Furrer/Wey, a.a.O., Art. 107 OR N 61, mit Hinweisen; vgl. zum Ganzen auch Wiegand, Basler Komm., 6. Aufl. 2015, Art. 107 OR N 21).

Die Beweislast hinsichtlich der Voraussetzungen, die für die Wahlmöglichkeiten gemäss Art. 107 Abs. 2 OR erfüllt sein müssen, obliegt dem Gläubiger (Furrer/Wey, a.a.O., Art. 107 OR N 69), vorliegend somit der Beklagten.

3.5.3.
Die Beklagte begründete den am 26. Mai 2004 erklärten und am 27. Juli 2004 bekräftigten Rücktritt vom gesamten Kieslieferungsvertrag damals und im gesamten vorinstanzlichen Verfahren ausschliesslich mit dem Zahlungsverzug der Klägerin in der behaupteten Höhe von insgesamt Fr. 47'110.40. Vor dem Hintergrund der oben zitierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung ergibt sich klar, dass die Beklagte mit dieser Begründung nicht zum Rücktritt vom gesamten noch nicht erfüllten Vertrag berechtigt war. Dass sie den Rücktritt erklärt habe, weil ihr damals auch die künftige ordnungsgemässe Vertragserfüllung (durch die Klägerin) als ausgeschlossen oder zumindest als gefährdet oder in Frage gestellt erschienen sei, hat die Beklagte im vorinstanzlichen Verfahren weder behauptet noch belegt. Damit ist die Frage nach der Berechtigung zum Rücktritt vom gesamten Vertrag bereits geklärt; sie ist mit der Vorinstanz zu verneinen.

3.5.4.
Der Vollständigkeit halber anzufügen ist, dass sich die Beklagte vor Bezirksgericht nicht nur nicht auf eine Gefährdung der künftigen ordnungsgemässen Erfüllung des Vertrags durch die Klägerin berufen hat, sondern auch keine Umstände dargetan hat, die auf eine solche Gefährdung und damit auf eine ausnahmsweise vorliegende Berechtigung zum Rücktritt vom gesamten Vertrag hätten schliessen lassen.

Grundlegend auseinanderzuhalten sind das – diesbezüglich massgebende – Erfordernis der Gefährdung der künftigen ordnungsgemässen Erfüllung des Vertrags durch die Klägerin und das – diesbezüglich nicht massgebende – Bestreben der Beklagten, aus einem aus welchen Gründen auch immer missliebig gewordenen Vertrag "auszusteigen".

Die Klägerin hat vor Bezirksgericht gute Gründe dafür vorgebracht, dass sie die verlangte Zahlung von Fr. 47'110.40 im Umfang von Fr. 19'139.55 verweigert und im Umfang von Fr. 27'970.85 auf ein Sperrkonto eingezahlt hatte. Nach eigener Darstellung der Beklagten stellte die Klägerin im März 2004 fest, dass die Beklagte das Raumgewicht für die Umrechnung von Tonnen in Kubikmeter ohne Benachrichtigung der Klägerin verändert hatte. Die Beklagte räumte ein, dass die von der Klägerin gerügten Abweichungen in der Tat teils auffällig waren und wohl auf fahrlässige Messungen zurückzuführen gewesen seien. Über diese Differenzen betreffend Schüttgewicht und die daraus resultierenden Differenzen betreffend Abrechnungen über die erfolgten Kieslieferungen einigten sich die Parteien am 26. März 2004. Unter Berücksichtigung einer von der Beklagten gleichentags gewährten Gutschrift von Fr. 19'139.35 für die Kiesbezüge im Jahr 2003 ergab sich ein Saldo zu Gunsten der Beklagten von Fr. 39'889.75; dieser Betrag wurde unbestrittenermassen von der Klägerin beglichen.

Der Einwand der Klägerin, die Beklagte habe die am 26. März 2004 gewährte und in der gleichentags von der Beklagten genehmigten Abrechnung enthaltene Gutschrift am 13. April 2004 (im Umfang von Fr. 19'139.55) zu Unrecht widerrufen, ist berechtigt. Die Gutschrift war, wie die Klägerin bereits mit Schreiben vom 2. August 2004 zu Recht festhielt, Teil der Per-Saldo-Vereinbarung vom 26. März 2004 und konnte nicht einseitig widerrufen werden. In Bezug auf diese Fr. 19'139.55 war die Forderung der Beklagten klarerweise unberechtigt. In Bezug auf die – Abrechnungen aus im März/April 2004 erfolgten Kieslieferungen betreffende – Restanz von Fr. 27'970.85 (Fr. 47'110.40 ./. Fr. 19'139.55) hat die Klägerin nach der zweiten Fristansetzung der Beklagten, jener vom 27. Juli 2004, die Rechnungen grundsätzlich, aber nicht masslich anerkannt, und behielt sich die gemeinsame Ermittlung der korrekten Schüttgewichte oder die Annahme ihres diesbezüglichen Vergleichsvorschlags durch die Beklagte vor. Um sich von jeglichen Vorwürfen zu entbinden, bezahlte die Klägerin die Fr. 27'970.85 am 2. August 2004 und damit innert gesetzter Frist auf ein Sperrkonto ein. Damit – und weil sie in Bezug auf geltend gemachte Gegenforderungen nicht ausdrücklich Verrechnung erklärte – hat sich die Klägerin zwar diesbezüglich nicht befreit. Sie hat aber (auch) damit ihren Willen am grundsätzlichen Festhalten am Vertrag sowie ihre grundsätzliche Zahlungs- bzw. Erfüllungsbereitschaft dokumentiert, wie dies die Vorinstanz zutreffend und unangefochten festhielt.

Umstände, die damals auf eine Gefährdung der künftigen Erfüllung des Vertrags (durch die Klägerin) hätten schliessen lassen, sind damit weder dargetan noch ersichtlich. Die Ausführungen der Beklagten im Berufungsverfahren betreffend Labilität von Dauerschuldverhältnissen im Allgemeinen und des Kieslieferungsvertrags im Besonderen (…), ändern daran nichts. Ein Ausnahmefall, der es der Beklagten ermöglicht hätte, Art. 107 Abs. 2 OR bezüglich des ganzen Vertrags anzuwenden, lag somit nicht vor. Wenn er vorgelegen hätte, wäre der Vertragsrücktritt im Übrigen nach auch diesbezüglich klarer bundesgerichtlicher Rechtsprechung zusammen mit der Nachfristansetzung anzudrohen gewesen, was vorliegend nach unbestritten gebliebener Feststellung der Vorinstanz nicht erfolgte; die Nachfristansetzung vom 12. Mai 2004 enthielt keine Rücktrittsandrohung. Die Frage nach der Verhältnismässigkeit zwischen einem Zahlungsverzug von Fr. 27'970.85 und dem Rücktritt von einem Kieslieferungsvertrag mit einem Volumen von knapp Fr. 6 Mio. konnte die Vorinstanz im Rahmen der Prüfung der Rechtmässigkeit des Rücktritts gemäss Art. 107 Abs. 2 OR offenlassen und hat dies auch getan (zur Prüfung dieser Frage unter dem Aspekt der Leistungsverweigerung im Sinne von Art. 82 OR vgl. E. 5 nachstehend).

3.6.
Zusammenfassend hat die Vorinstanz die Rücktrittserklärungen der Beklagten vom 26. Mai 2004 und vom 27. Juli 2004 im Ergebnis zutreffend als unwirksam qualifiziert. Ihr ist diesbezüglich weder falsche Sachverhaltsfeststellung noch falsche Rechtsanwendung vorzuwerfen.

4.
4.1.
Anlässlich der Hauptverhandlung vom 9. Juli 2015 vor Bezirksgericht führte die Beklagte im Rahmen ihres Schlussvortrags – und damit nach Massgabe der noch anwendbaren Luzerner Zivilprozessordnung prozessual rechtzeitig – aus, für den Fall, dass die Rücktrittserklärung nicht geschützt werde, kündige sie hiermit den Kiesliefervertrag 5 aus wichtigem Grund; diese Kündigung gehe der Einrede gemäss Art. 82 OR vor.

In Bezug auf den wichtigen Grund machte die Beklagte geltend, sie habe im Rechtsschriftenwechsel aufgezeigt, wie die Klägerin alles daran gesetzt habe, die von ihr, der Beklagten, nachgesuchte Abbaubewilligung für die zweite Phase der zweiten Etappe in der Kiesgrube Y zu verhindern. Die Abbaubewilligung sei am 5. April 2007 erteilt worden. Die Klägerin habe diese Bewilligung bis vor Bundesgericht angefochten und damit eine Verzögerung um gute drei Jahre bis zum Bundesgerichtsurteil vom 7. Juni 2010 provoziert. Sodann bekämpfe die Klägerin bis heute ihre Fahrwegberechtigung auf der vorgegebenen Transportachse. Die Klägerin stelle sich auf den Standpunkt, dass sie, die Beklagte, jene Strecke teilweise nicht befahren dürfe, unter deren Beanspruchung sie die Klägerin mit Kies zu beliefern habe. Im Kiesliefervertrag sei ihr Recht postuliert worden, solche Transporte vornehmen zu dürfen und nicht nur Transportfahrzeuge der Klägerin in der Kiesgrube zu beladen. Somit sei der Kiesabbau unmöglich; der Kiesliefervertrag könne nicht gelebt werden. Nicht von ungefähr habe die mit der Klägerin verbundene D AG unter anderem gegen sie, die Beklagte, eine Eigentumsfreiheitsklage angestrengt, um ihr die Benutzung der Strassengrundstücke gerichtlich untersagen zu lassen. Das Verhalten der Klägerin sei inakzeptabel. Sie könne keine Leistung fordern, deren Erfüllung sie zu verunmöglichen versucht habe und heute noch verhindern wolle. Ihr, der Beklagten, stehe deshalb ein Recht auf Auflösung des Kiesliefervertrags aus wichtigem Grund zu. Die Klägerin habe die allgemeine Pflicht einer jeden Vertragspartei verletzt, alle Handlungen zu unterlassen, die geeignet seien, den Vertragszweck zu gefährden oder zu vereiteln.

(…)

4.4.
4.4.1.
Das Recht, einen Vertrag aus wichtigem Grund aufzulösen, ist für Dauerschuldverhältnisse allgemein anerkannt. Dieses Recht besteht, ohne dass es dazu einer expliziten gesetzlichen Regelung (wie z.B. Art. 266g OR betreffend Mietvertrag, Art. 297 OR betreffend Pachtvertrag, Art. 337 OR betreffend Arbeitsvertrag, Art. 418r OR betreffend Agenturvertrag und Art. 545 Abs. 1 Ziff. 2 OR betreffend einfache Gesellschaft) oder einer entsprechenden vertraglichen Abrede bedarf (Wolfer, Die vertragliche Regelung der Vertragsauflösung "aus wichtigem Grund", in: AJP 2014 S. 621 f. mit Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung).

Das Recht besteht dann, wenn ein wichtiger Grund das weitere Festhalten am Vertrag für eine Partei unzumutbar macht. Ein wichtiger Grund liegt dabei vor, wenn die Bindung an den Vertrag für die Partei wegen veränderter Umstände ganz allgemein unzumutbar geworden ist, also nicht nur unter wirtschaftlichen, sondern auch unter anderen die Persönlichkeit berührenden Gesichtspunkten. Der wichtige Grund ist hierbei aus subjektiver und aus objektiver Sicht zu beurteilen (BGE 138 III 304 E. 7). Das Bestehen eines objektiv wichtigen Grundes zur Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses kann mit der Frage beantwortet werden, ob einer vernünftigen Person in den Schuhen der kündigenden Partei aufgrund der vorliegenden Umstände die Weiterführung des Dauerschuldverhältnisses bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin bzw. bis zum Vertragsablauf ebenfalls nicht mehr zuzumuten wäre. Bei den objektiv wichtigen Gründen ist zwischen absolut und relativ wichtigen Gründen zu unterscheiden. Ein absolut wichtiger Grund ist gegeben, falls ein entscheidendes Ereignis die Auflösung des Dauerschuldverhältnisses rechtfertigt. Ein relativ wichtiger Grund liegt vor, wenn dieser alleine aufgrund seiner Schwere die Vertragsauflösung zwar nicht zulässt, er jedoch wiederholt, nach ausdrücklichen Verwarnungen oder kumuliert mit anderen relativ wichtigen Gründen auftritt. Ein subjektiv wichtiger Grund liegt vor, wenn die Fortsetzung des Dauerschuldverhältnisses für die kündigungswillige Partei unzumutbar ist. Ein subjektiv wichtiger Grund ist unter anderem dann zu verneinen, wenn die kündigungswillige Partei mit der Kündigung zu lange zögert. Ob ein wichtiger Grund vorliegt, ist ein Ermessensentscheid, der auf einer Interessenabwägung unter Beachtung der konkreten Umstände beruht (BGE 128 III 428 E. 4; ausführlich Vetter/Gutzwiller, Voraussetzungen und Rechtsfolgen der ausserordentlichen Beendigung von Dauerschuldverhältnissen, in: AJP 2010 S. 699 ff. mit Hinweisen).

4.4.2.
Die Beklagte hält dafür, auch eine ungerechtfertigte Kündigung beende ein Dauerschuldverhältnis unwiderruflich. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung sowie herrschender Lehre ist dem indes grundsätzlich nicht so. Wenn die Auflösung zu Recht erklärt wurde, wird der Vertrag – bei Dauerschuldverhältnissen in der Regel mit Wirkung ex nunc, bei anderen Verträgen mit Wirkung ex tunc – aufgelöst. Ist der wichtige Grund hingegen nicht erstellt, bleibt der Vertrag – anders als bei einigen der gesetzlich ausdrücklich normierten Auflösungsrechte (wie z.B. Art. 337c OR, wonach auch eine zu Unrecht erfolgte fristlose Entlassung das Arbeitsverhältnis beendet) – grundsätzlich weiterhin in Kraft (vgl. BGE 133 III 360 [= Pra 2008 Nr. 6] E.8.1.3; Wolfer, a.a.O., S. 623 mit Hinweisen; ausführlich Vetter/Gutzwiller, a.a.O., S. 708 ff. mit Hinweisen). Es besteht weder Grund noch Anlass, vorliegend davon abzuweichen, zumal die in diesem Zusammenhang erfolgte Argumentation der Beklagten, wonach der Streit um den wichtigen Grund einen solchen wichtigen Grund produziere, auf jeden Fall zu kurz greift und deshalb nicht zu überzeugen vermag. Vorbehalten ist die Möglichkeit der Gegenpartei, eine Partei, welche zu Unrecht die Vertragsauflösung aus wichtigem Grund ausgesprochen hat, auf ihrer Erklärung zu behaften und dadurch die Beendigung des Vertragsverhältnisses zu bewirken (Wolfer, a.a.O., S. 623). Ein solcher Fall liegt hier unbestrittenermassen nicht vor.

4.4.3.
Liegt ein wichtiger Grund vor, so ist die Auflösung des Dauerschuldverhältnisses in der Regel – anderslautende gesetzliche Bestimmungen vorbehalten (z.B. Art. 266g OR, wonach die ausserordentliche Kündigung des Mietverhältnisses nur unter Einhaltung der gesetzlichen Frist erfolgen kann) – fristlos möglich. Sie muss aber "sofort" ausgesprochen werden, d.h. jene Vertragspartei, welche das Dauerschuldverhältnis ausserordentlich beenden will, muss dies unmittelbar nach dem Vorfall des wichtigen Grundes tun. Die dabei zugestandene Bedenkfrist hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Die ausserordentliche Kündigung eines Arbeitsvertrags ist in der Regel innert zwei bis drei Arbeitstagen, in Ausnahmefällen innert einer Woche nach zuverlässiger Kenntnis des Kündigungsgrundes auszusprechen, andernfalls die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu verneinen und das ausserordentliche Kündigungsrecht verwirkt ist. Bei der Auflösung eines Alleinvertriebsvertrags etwa wurde in der Rechtsprechung eine Bedenkfrist von rund einer Woche zugelassen. Die Bedenkfrist mag länger sein, wenn nicht ein absolut wichtiger Grund, sondern mehrere relative Gründe für die Vertragskündigung ausschlaggebend sind. Übt die kündigungswillige Partei jedoch eine zu lange Bedenkfrist aus, ist die subjektive Wesentlichkeit zu verneinen und das Recht auf ausserordentliche Kündigung des Dauerschuldverhältnisses verwirkt (Vetter/Gutzwiller, a.a.O., S. 705 mit Hinweisen; Wolfer, a.a.O., S. 622 f.; vgl. auch Schwenzer, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 7. Aufl. 2016, Rz 3.11).

(…)

Daraus ergibt sich, dass das Verhalten der Klägerin bzw. die Umstände und Ereignisse, auf die sich die Beklagte als wichtige Gründe für eine Kündigung des Dauerschuldverhältnisses beruft und mit denen sie die am 9. Juli 2015 vor Bezirksgericht ausgesprochene Kündigung des Kiesliefervertrags begründete (inakzeptables Verhalten der Klägerin durch Verhinderung bzw. Verzögerung der Abbaubewilligung für die zweite Phase der zweiten Etappe und durch Bekämpfung der Fahrwegberechtigung), schon seit Jahren bekannt waren. Die Beklagte hat weder unmittelbar nach Einleitung der diversen Verfahren durch die Klägerin noch unmittelbar nach Erhalt der (für sie im Übrigen mehrheitlich positiv ausgefallenen) diversen Entscheide eine Kündigung aus wichtigem Grund ausgesprochen. Dass eine Bedenkfrist von mehreren Jahren nicht zulässig ist, bedarf keiner weiteren Erläuterungen.

(…)

Zusammenfassend hat die kündigungswillige Beklagte eine (viel) zu lange Bedenkfrist ausgeübt, wie dies die Klägerin zutreffend einwendet. Die subjektive Wesentlichkeit der angeführten Gründe ist deshalb zu verneinen und das Recht auf ausserordentliche Kündigung des Dauerschuldverhältnisses verwirkt. Zu diesem Ergebnis ist letztlich und nach dem Gesagten zu Recht auch die Vorinstanz gelangt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nicht, ob die späte Berufung der Beklagten auf die genannten Gründe treuwidrig oder gar rechtsmissbräuchlich sei oder nicht. Auch die Frage nach der objektiven Wesentlichkeit dieser Gründe kann offenbleiben. Gleiches gilt für die Frage, ob das Verhalten der Klägerin die Reaktion auf das Verhalten der Beklagten gewesen sei, und für die Frage nach einem allfälligen (Teil-) Verschulden. Der Vollständigkeit halber ist diesbezüglich immerhin daran zu erinnern, dass es die Beklagte war, die unbestrittenermassen das Raumgewicht für die Umrechnung von Tonnen in Kubikmeter ohne Benachrichtigung der Klägerin verändert hatte, dass die Beklagte die aus der diesbezüglichen vergleichsweisen Einigung der Parteien über die Schüttgewichte der Kieslieferungen 2003 resultierende Gutschrift grundlos widerrief, dass die Rücktrittserklärungen der Beklagten vom 26. Mai 2004 und vom 27. Juli 2004 erstelltermassen ungerechtfertigt waren und dass es die Beklagte war, welche die Kieslieferungen unbestrittenermassen per 1. Juli 2004 komplett eingestellt hatte. Dass die Klägerin als Reaktion darauf verhindern wollte, dass die Beklagte das gemäss Vertrag ihr zu liefernde Kies abbaut, abführt und an Dritte liefert, erscheint mit der Vorinstanz zumindest nachvollziehbar. Weiterungen dazu sind indes nicht erforderlich.

4.5.
Nach dem Gesagten erweist sich die am 9. Juli 2015 von der Beklagten ausgesprochene Kündigung des Kiesliefervertrags als ungerechtfertigt. Die Beklagte hat die Kündigung nicht innert angemessener Frist nach Eintritt bzw. Kenntnis der geltend gemachten wichtigen Gründe ausgesprochen. Deshalb ist die subjektive Wesentlichkeit dieser Gründe zu verneinen und das Recht auf ausserordentliche Kündigung des Vertrags verwirkt (oben E. 4.4.3). Die ungerechtfertigt ausgesprochene Kündigung entfaltet nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung und herrschender Lehre grundsätzlich keine Rechtswirkungen (oben E.4.4.2). Der Kiesliefervertrag 5 ist deshalb nicht beendet, sondern weiterhin in Kraft. Die Klägerin konnte und kann weiterhin auf Erfüllung des Vertrags klagen (vgl. Vetter/Gutzwiller, a.a.O., S. 713).

5.
5.1.
Anlässlich der Hauptverhandlung vom 9. Juli 2015 vor Bezirksgericht führte die Beklagte im Rahmen ihres Schlussvortrags – und damit nach Massgabe der noch anwendbaren Luzerner Zivilprozessordnung prozessual rechtzeitig – aus, für den Fall, dass der Kiesliefervertrag weder durch Rücktritt noch durch die Anrufung eines wichtigen Grunds aufgelöst sein sollte, bleibe immer noch festzustellen, dass sie die Einrede gemäss Art. 82 OR erheben könne. Die Klägerin schulde ihr Fr. 47'110.40 bzw., falls man davon die Materialgutschrift von Fr. 19'139.55 in Abzug bringen wolle, Fr. 27'970.50. Bis zur Begleichung dieses Ausstands dürfe sie weitere Leistungen verweigern. Da die Einrede nur durch vertragsgemässe Erfüllung beseitigt werde, könne die Klägerin die Einrede nicht mit dem Hinweis darauf beseitigen, dass sie die Fr. 27'970.50 auf ein Sperrkonto hinterlegt habe. Daraus folge, dass die Klage zur Zeit abzuweisen sei, wie sie das bereits als Eventualbegehren beantragt habe.

(…)

5.4.
5.4.1.
Wer bei einem zweiseitigen Vertrag den anderen zur Erfüllung anhalten will, muss entweder bereits erfüllt haben oder die Erfüllung anbieten, es sei denn, dass er nach dem Inhalt oder der Natur des Vertrags erst später zu erfüllen hat (Art. 82 OR).

Die Vorinstanz hat zutreffend und unangefochten festgehalten, dass die – an sich auf Güteraustausch nach dem Zug-um-Zug-Prinzip zugeschnittene – Regel des Art. 82 OR analog auf Dauerschuldverhältnisse und damit auch auf Sukzessivlieferungsverträge anwendbar ist (vgl. BGE 136 III 313 E. 2.3.1; Wullschleger, in: Handkomm. zum Schweizer Privatrecht [Hrsg. Furrer/Schnyder], 3. Aufl. 2016, Art. 82 OR N 18; Schraner, Zürcher Komm., Zürich 2000, Art. 82 OR N 40 und 112; ausführlich Weber, Berner Komm., 2. Aufl. 2005, Art. 82 OR N 83-90a, jeweils mit Hinweisen). Zutreffend ist und unangefochten blieb auch, dass die Beklagte als Verkäuferin bzw. Lieferantin grundsätzlich vorleistungspflichtig ist.

5.4.2.
Ihre Schranke findet die Einrede aus Art. 82 OR am Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 2 ZGB). Ob ein Verstoss gegen diesen Grundsatz vorliegt, beurteilt sich nach den konkreten Umständen. Immerhin können typische Tatbestände unterschieden werden: So ist ein Leistungsverweigerungsrecht ausgeschlossen, soweit ein solches wegen der Geringfügigkeit des ausstehenden Betrags in einem offensichtlichen Missverhältnis zur geforderten Leistung steht. Sodann ist eigene Vertragstreue eine ungeschriebene Voraussetzung des Leistungsverweigerungsrechts. Art. 82 OR will die gleichzeitige Erfüllung von zwei miteinander verknüpften Leistungen durchsetzen, um eine einseitige Vorleistung zu vermeiden; wer vom Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch machen will, darf sich deshalb nicht gänzlich vom Vertrag lossagen und die Erbringung der Gegenleistung schlechthin ablehnen. Weiter ist die Einrede aus Art. 82 OR demjenigen verwehrt, der durch eigenes vertragswidriges Verhalten die mangelnde Erfüllungsbereitschaft der Vertragspartei veranlasst hat (ausführlich Weber, a.a.O., Art. 82 OR N 192-196, sowie Schraner, a.a.O., Art. 82 OR N 169-174, jeweils mit Hinweisen).

5.4.3.
Vorliegend steht fest, dass die von der Beklagten abgemahnte Forderung nicht im geltend gemachten Umfang von Fr. 47'110.40, sondern (nach Abzug der von der Beklagten zu Unrecht widerrufenen Gutschrift von Fr. 19'139.55) höchstens im Umfang von Fr. 27'970.85 für Kieslieferungen aus den Monaten März/April 2004 besteht. Diese Forderung hat die Klägerin unter Vorbehalt der gemeinsamen korrekten Ermittlung des Schüttgewichts oder der Annahme ihres diesbezüglichen Vergleichsvorschlags durch die Beklagte grundsätzlich, aber nicht masslich anerkannt und den Betrag von Fr. 27'970.85 auf ein Sperrkonto einbezahlt.

Die Frage, ob die Klägerin damit ihre Erfüllungsbereitschaft für die Bezahlung der im März/April 2004 erfolgten Kieslieferungen hinreichend bekundet hat, kann offenbleiben. In Bezug auf künftige Lieferungen ist mit der Vorinstanz von der Bereitschaft der Klägerin auszugehen, diese nach Massgabe der diesbezüglichen vertraglichen Regelungen zu bezahlen. Offenbleiben kann auch die Frage, ob die Klägerin aufgrund des Verhaltens der Beklagten – vorgängige Veränderung des Raumgewichts für die Umrechnung von Tonnen in Kubikmeter ohne Benachrichtigung der Klägerin; ungerechtfertigter Widerruf der aus der diesbezüglichen vergleichsweisen Einigung der Parteien über die Schüttgewichte der Kieslieferungen 2003 resultierenden Gutschrift usw. – Anlass hatte, die Höhe der Rechnungen für die Kieslieferungen März/April 2004 in Frage zu stellen bzw. deren (volle) Bezahlung von der gemeinsamen Feststellung des korrekten Schüttgewichts oder der Annahme ihres diesbezüglichen Vergleichsvorschlags abhängig zu machen und bis dahin den (vollen) Betrag auf ein Sperrkonto einzuzahlen. Ebenfalls offenbleiben kann sodann die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem in Rechnung gestellten Betrag für die im März/April 2004 erfolgten Kieslieferungen (Fr. 27'970.85) und des Betrags bzw. des Anteils davon, der vom Schüttgewicht abhängig war (gemäss Darstellung der Beklagten 2,77 %), d.h. die Frage der Verhältnismässigkeit innerhalb dieses Teilleistungspaars. Offenbleiben kann schliesslich die Frage nach der Relevanz des – allerdings klarerweise krassen – Missverhältnisses zwischen dem Betrag von Fr. 27'970.85 und dem Volumen der vertraglich vereinbarten und noch ausstehenden Kieslieferungen und dessen Wert in Millionenhöhe.

Selbst wenn alle diese Fragen zu Gunsten der Beklagten zu entscheiden wären, würde dies nichts an der Tatsache ändern, dass sie diesfalls zwar in analoger Anwendung von Art. 82 OR dazu berechtigt gewesen wäre, die eine oder andere anstehende Kieslieferung bis zur Bezahlung derjenigen von März/April 2004 zu verweigern, nicht aber dazu, sich unter Einstellung sämtlicher Kieslieferungen gänzlich vom Vertrag loszusagen, wie sich aus der nachfolgenden Erwägung ergibt.

5.4.4.
Beim Dauerschuldverhältnis hat eine Vertragspartei der Natur der Sache nach mindestens für einen bestimmten Zeitabschnitt (z.B. Monat, Woche oder Tag) vorzuleisten, weil das auf die vertragstypische Leistung entfallende Entgelt nicht für jede noch so geringe Zeitspanne gleichzeitig erbracht werden kann (so z.B. beim Mietvertrag oder beim Arbeitsvertrag). Vorliegend ist die Beklagte gemäss Kiesliefervertrag mit ihren einzelnen Kieslieferungen vorleistungspflichtig und hat die Klägerin der Beklagten die bezogenen Kiesmengen innert 15 Tagen nach jeweils wöchentlich zu erstellender und zu genehmigender Abrechnung zu bezahlen.

Aus solcher Beschränkung der Vorleistungspflicht folgt, dass die beidseitige Erfüllung der auf einen Zeitabschnitt entfallenden beidseitigen Teilleistungen (Leistungspaare) Voraussetzung für die Erzwingbarkeit einer Teilleistung des nächsten Zeitabschnitts ist. So kann beispielsweise ein Arbeitnehmer die Arbeit im Monat August verweigern, wenn er den Juli-Lohn noch nicht erhalten hat. Ebenso wird beim Sukzessivlieferungsvertrag dem Verkäufer das Recht zugestanden, eine fällige Lieferung auch bei angebotenem Preis zu verweigern, wenn der Käufer eine frühere Lieferung noch nicht bezahlt hat (BGE 136 III 313 E. 2.3.1; Schraner, a.a.O., Art. 82 OR N 112; Weber, a.a.O., Art. 82 OR N 85).

Darum, d.h. um das Verweigern einer Teilleistung des nächsten Zeitabschnitts bis zur Bezahlung der im März/April 2004 erfolgten Lieferungen, ging und geht es der Beklagten indes nicht. Vielmehr wollte und will sie sich gänzlich vom Kiesliefervertrag und damit von der Pflicht, in einer vertraglich festgelegten Zeitspanne von mehreren Jahren die ausstehenden rund 437'500 m3 Kies (540'000 m3 abzüglich der von der Klägerin bis und mit Juni 2004 bezogenen 102'498.53 m3) zu liefern, lossagen. Dafür steht die Einrede aus Art. 82 OR, die eigene Vertragstreue voraussetzt, nicht zur Verfügung (oben E. 5.4.2). Wer nicht mehr an einen Vertrag gebunden sein will, kann sich nicht auf Art. 82 OR berufen, sondern hat andere Rechtsbehelfe (z.B. Rücktritt) anzustrengen (Schraner, a.a.O., Art. 82 OR N 173; Weber, a.a.O., Art. 82 OR N 195), wie dies die Beklagte denn auch getan hat, allerdings ohne Erfolg.

5.5.
Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass der Beklagten kein Leistungsverweigerungsrecht aus Art. 82 OR zusteht. Die kontrovers diskutierte Frage, ob im Falle einer erfolgreich erhobenen Einrede aus Art. 82 OR die Klage abzuweisen sei oder zumindest "zur Zeit" abzuweisen sei oder ob ein suspensiv bedingtes Urteil auf Leistung Zug um Zug zu fällen sei (Wullschleger, a.a.O., Art. 82 OR N 35; ausführlich Weber, a.a.O., Art. 82 OR N 222 ff.; Schraner, a.a.O., Art. 82 OR N 206 ff.), stellt sich nicht, da die Einrede der Beklagten erfolglos bleibt.

6.
Zusammenfassend sind die Rücktrittserklärungen der Beklagten vom 26. Mai 2004 und vom 27. Juli 2004 ebenso unwirksam wie ihre am 9. Juli 2015 ausgesprochene Kündigung. Der Kiesliefervertrag ist deshalb nicht beendet, sondern weiterhin in Kraft (oben E. 3.6 und 4.5). Die Klägerin konnte und kann weiterhin auf Erfüllung des Vertrags klagen. Dies hat sie getan. Insoweit ist die Klage unter Abweisung der Berufung und in Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils gutzuheissen. Da der Beklagten kein Leistungsverweigerungsrecht aus Art. 82 OR zusteht (oben E. 5.5), fällt die Abweisung der Klage "zur Zeit", wie sie die Beklagte eventualiter beantragt, nicht in Betracht.