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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:4. Abteilung
Rechtsgebiet:Bau- und Planungsrecht
Entscheiddatum:26.09.2017
Fallnummer:7H 16 145
LGVE:2017 IV Nr. 10
Gesetzesartikel:§ 125 Anhang PBG.
Leitsatz:Definition der Unterniveaubaute (E 5.1-5.6). Messweise (E. 5.7) Überragt eine Einstellhalle das gewachsene Terrain auch an nur einer Stelle um mehr als 1 m, kann sie nicht mehr als Unterniveaubaute betrachtet werden und hat den ordentlichen Grenzabstand einzuhalten (E. 5.8).
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:

Aus den Erwägungen:

5.

5.1.

Der Beschwerdeführer beanstandet hinsichtlich der Einstellhalle eine Verletzung des Grenzabstands. Die Einstellhalle rage mindestens 1,2 m über das gewachsene Terrain hinaus, weshalb für das 1. Untergeschoss der ordentliche Grenzabstand zur Anwendung kommen müsse.

5.2.

Im Rahmen der eingangs erwähnten Revision wurden auch Teile der Kapitel zum Grenz- und Gebäudeabstand (§§ 120 ff. und §§ 130 ff. des Planungs- und Baugesetzes [PBG; SRL Nr. 735]) revidiert. Die Bestimmung von § 125 Anhang PBG beansprucht bis zur Inkraftsetzung der neuen an die Interkantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der Baubegriffe (IVHB; SRL Nr. 737) angepassten Bestimmungen indes weiterhin Geltung (vgl. BGer-Urteil 1C_169/2016 vom 18.8.2016 E. 2.5).

Die Grenzabstandsvorschriften des kantonalen Rechts sind in den §§ 120 ff. Anhang PBG enthalten. §§ 122 - 125 Anhang PBG enthalten Grenzabstände für Gebäude, Bauten, Anbauten und Unterniveaubauten. Damit sind mit Blick auf § 184 Abs. 1 PBG die baubewilligungspflichtigen Bauten gemeint (vgl. LGVE 1993 II Nr. 2 E. 2a). Der Grenzabstand ist die kürzeste horizontale Entfernung zwischen der Grundstücksgrenze und der Fassade (§ 120 Abs. 1 Anhang PBG). Bei den gesetzlichen Grenzabständen handelt es sich um Minimalabstände (§ 120 Abs. 2 Anhang PBG). Im Gebiet der Stadt Luzern beträgt der Grenzabstand für Massivbauten mindestens 3,5 m (§ 122 Abs. 3 Anhang PBG). Gemäss § 125 Anhang PBG beträgt bei Unterniveaubauten, die um nicht mehr als 1 m über das gewachsene Terrain hinausragen, der Grenzabstand 2 m, gemessen ab äusserstem Gebäudeteil. Diese Bestimmung kann durch eine öffentlich beurkundete Vereinbarung geändert werden. Eine solche Vereinbarung ist von der Gemeinde zu genehmigen (Abs. 1). Bauten, die vollständig unter das gewachsene Terrain zu liegen kommen, dürfen an die Grenze gebaut werden (Abs. 2).

Dabei ist ausschliesslich auf das gewachsene und nicht etwa – analog zu § 122 Abs. 4, § 138 Abs. 1 oder § 139 Abs. 3 Anhang PBG – auf das tiefer gelegte Terrain abzustellen, da § 125 Anhang PBG diese Differenzierung nicht trifft (Urteile des Verwaltungsgerichts Luzern V 00 95 vom 20.2.2001 E. 3b, V 99 113 vom 3.7.2000 E. 5c).

5.3.

Der Beschwerdegegner und die Vorinstanz vertreten die Auffassung, dass die Einstellhalle als Unterniveaubaute den gesetzlichen Grenzabstand nach § 125 Anhang PBG einhalte. Vernehmlassend führte die Vorinstanz aus, die Einstellhalle liege entlang des Grundstücks Nr. z unter der heute bestehenden Zufahrt zum Grundstück Nr. y des Beschwerdeführers. Aus dem Umgebungsplan gehe anhand der Höhenlinien hervor, dass der projektierte Geländeverlauf teilweise den bestehenden Höhenverhältnissen entspreche und teilweise auch tiefer gelegt werde. Entlang der Grenze zum Grundstück Nr. y entspreche der projektierte Geländeverlauf (bis zu einem Abstand von rund 4 m ab der Grenze gemessen) der bestehenden Situation. Nach Ansicht der Vorinstanz überragt die Einstellhalle mit Ausnahme der Einstellhallenzufahrt das bestehende Terrain nur auf der Nordwestseite. In diesem Teilbereich weise die Aussenkante der Einstellhalle einen Abstand von mindestens 2 m zum Grundstück Nr. y auf und die Abweichung in der Höhe messe weniger als 1 m.

5.4.

Umstritten ist, welchen Grenzabstand die Einstellhalle im 1. Untergeschoss einzuhalten hat. Es stellt sich insbesondere die Frage, ob für jede Fassade einzeln zu entscheiden ist, ob sie unter bzw. nicht mehr als 1 m über dem gewachsenen Terrain zu liegen kommt, um sodann von der Abstandsprivilegierung bzw. -befreiung nach § 125 Anhang PBG zu profitieren. Mit anderen Worten ist streitig, ob für die ganze Baute oder ob für jede Fassade einzeln zu beurteilen ist, ob eine abstandsprivilegierte bzw. -befreite Unterniveaubaute vorliegt.


Das ist eine Frage der Auslegung. Ausgangspunkt jeder Auslegung ist der Wortlaut des Gesetzes (grammatikalisches Element). Vom klaren, eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, so etwa dann, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Norm wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Sinn und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften ergeben. Ist der Text nicht klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente. Dabei ist namentlich auf die Entstehungsgeschichte (historisches Element), auf den Zweck der Norm (teleologisches Element), auf die ihr zugrunde liegenden Wertungen und auf ihre Bedeutung im Kontext mit anderen Bestimmungen (systematisches Element) abzustellen (BGE 139 II 404 E. 4.2; BGer-Urteil 1C.362/2015 vom 14.1.2016 E. 3). Vorab im Bereich des Baupolizeirechts kommt zudem der Rechtssicherheit ein besonderes Gewicht zu, weshalb auch der bisherigen Auslegungspraxis eine massgebliche Rolle zukommt (vgl. LGVE 2004 II Nr. 14).

5.5.

Der Wortlaut von § 125 Anhang PBG ist für sich allein klar und eindeutig. Der Tatbestand dieser Bestimmung umfasst Unterniveaubauten bzw. Bauten, welche gewisse Höchstmasse einzuhalten haben. In Anbetracht des Wortlauts ist zudem davon auszugehen, dass die gesamte Baute diese Höchstmasse erfüllen muss, um in den Anwendungsbereich der Bestimmung zu fallen. § 125 Anhang PBG unterscheidet dabei zwischen Unterniveaubauten, die um nicht mehr als 1 m über das gewachsene Terrain hinausragen (Abs. 1) und Bauten, die vollständig unter das gewachsene Terrain zu liegen kommen (Abs. 2). Während der Grenzabstand bei der erstgenannten Unterniveaubaute 2 m beträgt, darf letztere Baute bis an die Grenze gebaut werden. In Bezug auf den Wortlaut der Bestimmung ist überdies zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber weder den Begriff "Fassade" verwendet noch einen Vorbehalt gegenüber Nachbargrundstücken enthält (vgl. § 269 Planungs- und Baugesetz ZH [PBG ZH; Loseblattsammlung 700.1]). Nach dem klaren Wortlaut ist diese Bestimmung nicht eigenständig für jede Fassadenseite anzuwenden. Mit anderen Worten genügt es für die Anwendung des privilegierten Grenzabstands bzw. der Grenzabstandsbefreiung dem Wortlaut nach nicht, wenn lediglich eine Fassadenseite die Höchstmasse der Bestimmung einhält. Es lässt sich daher nur noch die Frage aufwerfen, ob der Wortlaut den Sinn der Bestimmung richtig wiedergibt.

In systematischer Hinsicht ist festzuhalten, dass es sich bei der Bestimmung von § 125 Anhang PBG um eine speziell auf Unterniveaubauten zugeschnittene Sonderregelung handelt. Das dem ordentlichen Grenzabstand zugrunde liegende Prinzip, wonach sich der Grenzabstand nach geltendem Recht je Fassadenseite in Abhängigkeit von der jeweiligen Fassadenhöhe (§ 122 Abs. 1 Anhang PBG) bestimmt und sich bei einem Regelhaus somit für die vier Fassaden vier verschiedene Grenzabstände ergeben (vgl. Botschaft des Regierungsrats an den Kantonsrat zu den Entwürfen eines Dekrets über die Genehmigung des Beitritts des Kantons Luzern zur IVHB vom 22.9.2005 und einer Teilrevision des PBG vom 25.1.2013 [B 62], Ziff. 3.1 S. 12), kann zudem nicht ohne Weiteres auf die weiteren Grenzabstandsbestimmungen übertragen werden. So sieht etwa die Regelung von § 122 Abs. 2 Anhang PBG einen einheitlichen Grenzabstand für Bauten in ein- und zweigeschossigen Wohnzonen vor (vgl. § 122 Abs. 2 Anhang PBG; vgl. LGVE 2004 II Nr. 14). In systematischer Hinsicht kann daher nicht gesagt werden, dass sich der Grenzabstand immer nach der Fassadenhöhe der einzelnen Fassadenseite bemisst. Ebenso stellen Anbauten und freistehende Bauten nach § 124 Anhang PBG nur dann abstandsprivilegierte Kleinbauten dar, wenn die in der Bestimmung vorgesehenen Höchstmasse auf jeder Fassadenseite eingehalten werden. Diesfalls kommt ein einheitlicher Grenzabstand von 3,5 m zur Anwendung, welcher für alle Fassadenseiten der Kleinbaute gleichermassen gilt. Aus der systematischen Stellung lässt sich somit nicht ableiten, dass der Grenzabstand bei Unterniveaubauten auf jede Fassadenseite separat angewendet werden kann, sofern diese die Höchstmasse von § 125 Anhang PBG einhält.


Eine Durchsicht der Materialien zeigt, dass die Frage, ob das Vorliegen einer Unterniveaubaute auf jede nachbarliche Grenze bezogen differenziert zu beurteilen ist, nicht ausdrücklich angesprochen wurde. Das Baugesetz für den Kanton Luzern vom 25. Mai 1931 (aBauG; in Kraft getreten am 9.7.1931) enthielt lediglich baupolizeiliche Vorschriften betreffend Gebäudeabstände, hingegen keine Bestimmungen in Bezug auf (Grenz-)Abstände von Unterniveaubauten. Demgegenüber wurde im Rahmen der Totalrevision des Baugesetzes des Kantons Luzern vom 15. September 1970 (BauG; in Kraft getreten am 1.1.1971) in § 79 BauG normiert, dass der Grenzabstand bei massiven Unterniveaubauten, die um nicht mehr als 1 m über das gewachsene Terrain herausragen, gemessen ab äußerstem Gebäudeteil, mindestens 2 m zu betragen hat, sofern die Grundeigentümer nicht in einem öffentlich beurkundeten Vertrag etwas anderes vereinbaren (Abs. 1). Nach dessen Absatz 2 durften massive Bauten, die vollständig unter das gewachsene Terrain zu liegen kommen, an die Grenze gebaut werden. In der dazugehörigen Botschaft des Regierungsrats wurde diese Bestimmung indes nicht näher erörtert (Botschaft des Regierungsrats vom 20.6.1969 zum Entwurf eines neuen Baugesetzes für den Kanton Luzern, in Verhandlungen des Grossen Rats [GR] 1969, S. 381 ff.).

In seiner Botschaft zum Entwurf eines Planungs- und Baugesetzes [Entwurf-PBG] verwies der Regierungsrat sodann auf die bisherige Bestimmung, ohne dies weiter zu kommentieren. Er hielt lediglich fest, dass die Bestimmung von § 79 BauG bezüglich des Grenzabstands bei Unterniveaubauten unverändert bleibe (Botschaft des Regierungsrats vom 12.8.1986 zum Entwurf eines PBG [B 119], in: Verhandlungen des GR 1986, S. 772). Im Zusammenhang mit dem Entwurf eines Planungs- und Baugesetzes wurde eine Motion eingereicht, in welcher auf die negativen Einflüsse unterirdischen Bauens hingewiesen und Massnahmen zur Behebung derselben gefordert wurde (Gallati und Mit., Motion Nr. 70, in: Verhandlungen des GR vom 26.10.1987, S. 937 ff.). Der Rat lehnte eine Erheblicherklärung der Motion indes ab (Verhandlungen des GR vom 25.1.1988, S. 10). Im Laufe der Beratung wurde sodann die ersatzlose Streichung von § 123 Abs. 2 Entwurf-PBG (nunmehr § 125 Abs. 2 Anhang PBG) beantragt, mit der Begründung, die oberirdischen und die unterirdischen Grenzabstände müssten identisch sein. Der Streichungsantrag wurde – nachdem sich der Regierungsrat bereit erklärte, das Problem des Bauens unter Niveau nochmals grundsätzlich zu überdenken – zurückgezogen (Verhandlungen des GR vom 14.3.1988, S. 176). Anlässlich der grossrätlichen Sitzung wurde auch der Vorschlag geäussert, in § 123 Abs. 1 Entwurf-PBG (nunmehr § 125 Abs. 1 Anhang PBG) die Erlaubnis aufzunehmen, dass Unterniveaubauten, die um nicht mehr als 1 m über das Terrain herausragen, an die Grenze gestellt werden dürften. Dies mit der Begründung, dass der Grenzabstand bei einem Massivbau, welcher nur 1 m über das Niveau rage, 2 m betrage, wohingegen eine Mauer bis zu einer Höhe von 1,50 m an die Grenze gestellt werde dürfe, obschon beide Bauten für die Nachbarn als Mauer erscheinen würden. Nach dieser Auffassung sollten beide Mauern an die Grenze gebaut werden können; der Unterniveaubau an sich dürfe auch bis an die Grenze gebaut werden, dies sollte auch erlaubt sein, wenn er 1 m über das Niveau rage. Die Kommissionsmitglieder hielten zu diesem Vorschlag fest, dass dieser Passus aus dem alten Gesetz übernommen worden sei. Weiter wurde ausgeführt, die Regelung sei bei Grenzmauern als Einfriedung sinnvoll; beispielsweise bei Garagen sei sie aber eventuell in bautechnischer Hinsicht nicht sinnvoll. Jedoch wurden Bedenken dahingehend geäussert, dass viele Bauten ungesetzlich seien, wenn die Bestimmung nun abgeändert werde. In der Abstimmung wurde schliesslich der vom Baudepartement eröffnete § 123 Absatz 1, welcher dem heutigen § 125 Abs. 1 Anhang PBG entspricht, in seiner neuen Fassung angenommen. Ein Streichungsantrag für § 123 Abs. 2 Entwurf-PBG wurde abgelehnt (Protokoll der Kommissionssitzung vom 16.6.1988 zum Entwurf eines PBG, S. 37 f.). Gestützt auf die Materialien zu § 125 Anhang PBG ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine fassadenseitige Betrachtungsweise des Grenzabstands bei Unterniveaubauten. Ein Wille des Gesetzgebers, den Grenzabstand bei Unterniveaubauten je nach Fassadenseite anzuwenden, lässt sich gestützt auf die Entstehungsgeschichte jedenfalls nicht entnehmen.

In teleologischer Hinsicht ist davon auszugehen, dass mit der Bestimmung von § 125 Anhang PBG jene Bauten abstandsprivilegiert bzw. -befreit werden sollen, die nicht wesentlich bzw. nicht in Erscheinung treten. Der angestrebten Privilegierung von Unterniveaubauten steht dabei nicht zum vornherein entgegen, dass in Bezug auf die gesamte Unterniveaubaute eine einheitliche Grenzabstandsprivilegierung festgelegt wird. Nicht in Abrede zu stellen ist zwar, dass für die Bestimmung des Grenzabstands insbesondere der optischen Erscheinung, d.h. der sichtbaren Höhe einer Baute, gegenüber den Nachbargrundstücken massgebende Bedeutung zukommen sollte. Die vorinstanzliche Auffassung, wonach für die Qualifikation als Unterniveaubaute auf eine die nachbarlichen Grenzen bezogene Betrachtungsweise abzustellen ist, erscheint deshalb durchaus nachvollziehbar. Indessen ist zu berücksichtigen, dass beim Grenzabstand bei Unterniveaubauten – im Unterschied zum ordentlichen Grenzabstand – lediglich das gewachsene Terrain, und nicht auch das tiefer gelegte Terrain, zu beachten ist (vgl. Botschaft des Regierungsrats zu einem Entwurf eines PBG vom 12.8.1986 [B 119], in: Verhandlungen des GR 1986, S. 771 f.). Dies hat zur Folge, dass eine Unterniveaubaute als solche an die Grenze gestellt werden darf bzw. abstandsprivilegiert ist und dennoch beliebig abgegraben und sichtbar gemacht werden kann und insoweit gegenüber einem bestimmten Nachbargrundstück in Erscheinung zu treten vermag. Die Bedeutung des Aspekts der optischen Erscheinung gegenüber dem jeweiligen Nachbargrundstück bedarf daher insofern einer Relativierung, als auch eine Unterniveaubaute Einwirkungen auf die Nachbarn zeitigen kann und deren Bedürfnis nach Einsichts- und Immissionsschutz nicht gänzlich entfällt. Dem Schutz der Nachbarn wird durch die Regelung in § 125 Anhang PBG sodann auch nicht dadurch Rechnung getragen, dass die Unterniveaubaute keine Öffnungen gegen Nachbargrundstücke oder dergleichen aufweisen darf. Hinzu kommt, dass die Grenzabstandsvorschriften – über die nachbarlichen Interessen nach Belichtung, Belüftung und Besonnung hinaus – sicherheits-, gesundheits- und feuerpolizeilichen Zwecken dienen, aber ebenso planerische und landschaftsschützerische Interessen berücksichtigen können oder auch die Verminderung von Geruchs- und Lärmimmissionen erreichen sollen (Urteil des Kantonsgerichts Luzern 7H 14 104 vom 23.4.2015 E. 6.4.1 m.w.H.). Mithin kann nicht gesagt werden, dass der Zweck der Bestimmung eindeutig ist. Die teleologische Auslegung lässt zumindest nicht bereits den Schluss zu, dass der Wortlaut nicht dem wahren Sinn der Bestimmung entspricht.

Die sich aus dem Wortlaut ergebende Sichtweise wird mit den Skizzen des Bau- und Verkehrsdepartements zur Erläuterung der Planungs- und Bauverordnung (PBV; SRL Nr. 736) und des PBG (Beilage zu SRL Nr. 735 und 736; Ausgabe vom 1.9.2002) bestätigt. Die zeichnerische Darstellung zu § 125 Abs. 1 Anhang PBG spricht für eine gesamthafte Berücksichtigung der Baute und nicht für eine separate Anwendung des Grenzabstands für Unterniveaubauten bezogen auf eine einzelne Fassadenseite (vgl. Skizze S. 2 f. und 5). Zwar sind die Erläuterungsskizzen nicht Bestandteil des PBG und der PBV und haben keine Rechtskraft. Gleichwohl haben sie den Charakter von Wegleitungen und liefern massgebende Hinweise für die Ermittlung der Absicht des Gesetzgebers, die er bei der Schaffung von § 125 Anhang PBG verfolgte (vgl. LGVE 1998 II Nr. 17).

Über die hier umstrittene Frage, ob eine Unterniveaubaute auf jede nachbarliche Grenze bezogen differenziert zu beurteilen ist, hatte das Kantonsgericht bisher im Übrigen nicht ausdrücklich zu befinden. In seiner bisherigen Rechtsprechung hat es zwar zugelassen, dass eine Privilegierung beim Grenzabstand sowohl ganze Bauten als auch Bauteile und Anlagen, sowohl einzelne Geschosse als auch Teile davon betreffen kann (Urteil des Kantonsgerichts Luzern 7H 14 301 vom 25.2.2016 E. 4.8.2; vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts Luzern V 11 167 vom 14.6.2012 E. 5d/bb f.). Wie in diesem Zusammenhang jedoch zu berücksichtigen ist, lagen den diesbezüglich ergangenen Urteilen Streitigkeiten über Räumlichkeiten zugrunde, bei welchen die Anwendung der Bestimmung betreffend den Grenzabstand bei Unterniveaubauten zu prüfen war. Unter Berücksichtigung jener Rechtsprechung lässt sich daher nicht bereits folgern, dass der Grenzabstand für jede Fassade einzeln zu beurteilen wäre.

5.6.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich weder aus der Systematik noch aus der Entstehungsgeschichte eine fassadenseitige Betrachtungsweise der Bestimmung von § 125 Anhang PBG ableiten lässt. Auch die Zweckbestimmung vermag die wörtliche Auslegung von § 125 Anhang PBG nicht in Frage zu stellen. Infolgedessen ist nicht auf jede nachbarliche Grenze bezogen differenziert zu beurteilen, ob eine Unterniveaubaute vorliegt.

5.7.

Es stellt sich in diesem Zusammenhang weiter die Frage nach der Messweise für die Prüfung, ob eine Unterniveaubaute vorliegt. Das (damalige) Verwaltungsgericht hatte sich mit § 79 Abs. 2 BauG (nunmehr § 125 Abs. 2 Anhang PBG) bereits in LGVE 1980 II Nr. 6 auseinandergesetzt. Demnach wurden von dieser Bestimmung nur jene Bauten abstandsbefreit, welche vollständig unter das gewachsene Terrain zu liegen kamen. Bauten, die auch nur in einem einzigen Punkt und auch nur ein wenig über das gewachsene Terrain herausragten, fielen nicht mehr unter diese Bestimmung (LGVE 1980 II Nr. 6 E. 6).

Im Urteil vom 25. Februar 2016 hat sich das Kantonsgericht sodann mit der Messweise für die Qualifikation einer Unterniveaubaute nach § 125 Abs. 1 Anhang PBG befasst. Es erwog, beim Mass von 1 m handle es sich um das zulässige Durchschnittsmass für das Herausragen der Unterniveaubaute (Urteil des Kantonsgerichts Luzern 7H 14 301 vom 25.2.2016 E. 4.8.2). Das Bundesgericht hiess am 18. August 2016 eine gegen dieses Urteil erhobene Beschwerde gut. In der Begründung verwies das Bundesgericht auf eine angebliche Rechtsprechung des (damaligen) Verwaltungsgerichts in LGVE 1989 III Nr. 20, wonach die Regel von § 79 Abs. 2 BauG in analoger Weise auch für § 79 Abs. 1 BauG gelte, weshalb ein Raum nur als Unterniveaubaute im Sinne dieser Bestimmung gelten könne, wenn er an keiner Stelle mehr als 1 m über das gewachsene Terrain herausrage. Dabei sei es nicht ersichtlich, dass der Luzerner Gesetzgeber mit der Übernahme von § 79 Abs. 1 BauG in § 125 Anhang PBG eine inhaltliche Änderung habe vornehmen wollen. Das Bundesgericht gelangte zum Schluss, dass gewichtige sachliche Gründe für die bisherige Rechtsprechung sprechen würden. Indessen verkannte das Bundesgericht, dass der Entscheid LGVE 1989 III Nr. 20 nicht vom (damaligen) Verwaltungsgericht, sondern vom Regierungsrat des Kantons Luzern gefällt worden war (Luzerner Gerichts- und Verwaltungsentscheide 1989, III. Teil: Regierungsrat, Nr. 20). Entgegen der Annahme im bundesgerichtlichen Urteil besteht somit keine publizierte Rechtsprechung des obersten kantonalen Gerichts zum früheren § 79 Abs. 1 BauG bzw. zum geltenden § 125 Abs. 1 Anhang PBG. Insofern erscheint der Vorwurf einer willkürlichen Praxisänderung als unzutreffend. Gleichwohl ist dem bundesgerichtlichen Urteil Nachachtung zu verleihen. Dies zumal der Begründung des Bundesgerichts folgend auch der Wortlaut der Bestimmung und die Skizzen des Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartements des Kantons Luzern [BUWD] dafür sprächen, dass die Unterniveaubaute an keiner Stelle um mehr als 1 m über das gewachsene Terrain hinausragen dürfe. Ungeachtet der verfehlten Rüge hinsichtlich der Praxisänderung durch die kantonale Rechtsprechung ist deshalb davon auszugehen, dass die in § 125 Abs. 1 Anhang PBG definierte Unterniveaubaute an keiner Stelle um mehr als 1 m über das gewachsene Terrain hinausragen darf und ist bei der Anwendung von § 125 Abs. 1 Anhang PBG nicht auf ein Durchschnittsmass abzustellen.

5.8.

Nach dem Gesagten darf die projektierte Einstellhalle an die Grenze gebaut werden, sofern sie vollständig, d.h. auf allen Fassadenseiten, unter dem gewachsenen Terrain zu liegen kommt. Soweit die Einstellhalle nicht vollständig unter dem gewachsenen Terrain, aber auch an keiner Stelle mehr als 1 m über dem gewachsenen Terrain liegt, wird diesbezüglich ein Grenzabstand von 2 m gegenüber sämtlichen Nachbargrundstücken einzuhalten sein. Überragt die Einstellhalle das gewachsene Terrain auch an nur einer Stelle um mehr als 1 m, kann sie nicht mehr als Unterniveaubaute betrachtet werden und hat den ordentlichen Grenzabstand einzuhalten. An diesem Ergebnis vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Eigentümer des benachbarten Grundstücks keine Einsprache gegen das Bauvorhaben erhoben hat, zumal dieses von der Baubewilligungsbehörde von Amtes wegen auf seine Übereinstimmung mit den öffentlich-rechtlichen Bau- und Nutzungsvorschriften zu überprüfen ist (vgl. § 195 Abs. 1 PBG).