Instanz: | Kantonsgericht |
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Abteilung: | 2. Abteilung |
Rechtsgebiet: | Kindes- und Erwachsenenschutz |
Entscheiddatum: | 26.10.2017 |
Fallnummer: | 3H 17 36 |
LGVE: | 2017 II Nr. 8 |
Gesetzesartikel: | Art. 314 Abs. 1 ZGB, Art. 327c Abs. 2 ZGB, Art. 400 ZGB, Art. 400 Abs. 1 ZGB, Art. 401 ZGB, Art. 401 Abs. 1 ZGB, Art. 401 Abs. 2 ZGB, Art. 401 Abs. 3 ZGB. |
Leitsatz: | Vorrangiges Ziel im Bereich des Kindesschutzes ist die Sicherung des Kindeswohls. Bei der Wahl der Beistandsperson für ein Kind besteht – anders als im Erwachsenenschutzrecht – keine Pflicht zur Befolgung der Vorschläge der betroffenen Personen. Eine analoge Anwendung der auf das Erwachsenenschutzrecht ausgerichteten Bestimmung von Art. 401 ZGB fällt ausser Betracht. Das urteilsfähige Kind und die betroffenen Eltern sind aber zur Wahl der Beistandsperson anzuhören. |
Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. |
Entscheid: | Aus den Erwägungen: 3.4. Das Kindesschutzrecht enthält – im Gegensatz zum Erwachsenenschutzrecht – keine Bestimmungen über die Ernennung der Mandatsperson. Der in Art. 314 Abs. 1 ZGB enthaltene Verweis auf die analoge Anwendung des Erwachsenenschutzrechts bezieht sich lediglich auf das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde (Art. 443 ff. ZGB), nicht aber auf die materiellen Bestimmungen (vgl. Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht] vom 28.6.2006, BBl 2006 7075 sowie 7101). Zu prüfen ist daher, inwieweit zur Füllung der bestehenden Gesetzeslücke (vgl. Art. 1 Abs. 2 ZGB) die erwachsenenschutzrechtlichen Bestimmungen der Art. 400 ff. ZGB in Kindesschutzverfahren analog heranzuziehen sind. In der Lehre wird grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass Bestimmungen des Erwachsenenschutzrechts im Kindesschutzrecht sinngemäss anwendbar sein können, sofern dieses die entsprechende Frage nicht selbst regelt und sich die betreffenden Bestimmungen inhaltlich nicht auf Massnahmen oder das Verfahren des Erwachsenenschutzes beschränken (vgl. Affolter/Vogel/Lienhard, Berner Komm., Bern 2016, Art. 327a ZGB N 51; Lienhard/Affolter, Basler Komm., 5. Aufl. 2014, Art. 327a ZGB N 48; Biderbost, Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 3. Aufl. 2016, Art. 314 ZGB N 4). Ein Teil der Lehre leitet die sinngemässe Anwendbarkeit erwachsenenschutzrechtlicher Bestimmungen im Kindesrecht aus Art. 314 Abs. 1 ZGB ab. Die Verweisnorm sei weit auszulegen und erfasse nicht nur die durch das Gesetz als solche bezeichneten Verfahrensbestimmungen, sondern grundsätzlich alle Bestimmungen des Erwachsenenschutzrechts (einschliesslich der Art. 400 ff. ZGB), soweit eine sinngemässe Anwendung im Kindesschutzverfahren sinnvoll erscheine und das Kindesrecht keine Spezialnorm enthalte (vgl. Lienhard/Affolter, a.a.O., Art. 327a ZGB N 48). In diesem Sinn hat auch das Bundesgericht eine analoge Anwendung der Bestimmungen über die Ernennung von Mandatspersonen in Kindesschutzverfahren nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl. BGer-Urteil 5A_869/2015 vom 18.3.2016 E. 2.2, zusammengefasst in: ZKE 3/2016 S. 233). Eine analoge Anwendbarkeit der Art. 400 ff. ZGB in Kindesschutzverfahren wird sodann von einem Teil der Lehre aus dem Verweis in Art. 327c Abs. 2 ZGB abgeleitet, wonach die Bestimmungen des Erwachsenenschutzes, namentlich über die Ernennung des Beistands, sinngemäss anwendbar sind, wenn für Minderjährige ein Vormund zu ernennen ist (vgl. Affolter/Vogel, Berner Komm., Bern 2016, Art. 308 ZGB N 149; Reusser, Basler Komm., 5. Aufl. 2014, Art. 400 ZGB N 13 sowie Art. 401 ZGB N 7). Auch hier wird indes dafürgehalten, dass eine analoge Anwendung der Art. 400 ff. ZGB in kindesschutzrechtlichen Verfahren nur insoweit in Frage kommt, als dies mit dem Ziel und Zweck des Kindesschutzes im Einklang steht (vgl. Affolter/Vogel, a.a.O., Art. 308 ZGB N 149). Nach dem Gesagten kann eine analoge Anwendung der erwachsenenschutzrechtlichen Bestimmungen über die Ernennung der Mandatsperson im Kindesschutzrecht – sowohl bei einer weiten Auslegung der Verweisnorm von Art. 314 Abs. 1 ZGB als auch bei der Heranziehung von Art. 327c Abs. 2 ZGB – nur insoweit Geltung finden, als sie sachlich gerechtfertigt ist. Dabei ist der besonderen Schutzbedürftigkeit von Kindern sowie dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Interessen der ebenfalls am Verfahren beteiligten Eltern von jenen der Kinder abweichen können (vgl. Kuhn, Das Verfahren vor der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde, in: recht 2014 S. 220 f.). 3.4.2. 3.4.3. 3.4.4. 3.5. 3.5.2. |