Instanz: | Kantonsgericht |
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Abteilung: | 1. Abteilung |
Rechtsgebiet: | Strafprozessrecht |
Entscheiddatum: | 22.12.2017 |
Fallnummer: | 2N 17 118 |
LGVE: | 2017 I Nr. 23 |
Gesetzesartikel: | Art. 30 Abs. 1 StGB; Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO, Art. 115 Abs. 1 StPO, Art. 115 Abs. 2 StPO, Art. 118 Abs. 1 StPO, Art. 118 Abs. 2 StPO, Art. 320 StPO, Art. 322 Abs. 2 StPO, Art. 382 Abs. 1 StPO, Art. 393 StPO, Art. 393 Abs. 2 StPO; Art. 17 ZGB, Art. 296 ZGB, Art. 306 Abs. 2 ZGB, Art. 306 Abs. 3 ZGB. |
Leitsatz: | Strafprozessuale Handlungen Minderjähriger, wie etwa die Anhebung eines Rechtsmittels, bedürfen der Zustimmung beider Elternteile, solange die Minderjährigen unter gemeinsamer elterlicher Sorge ihrer Eltern stehen. Bei Interessenkollision entfallen die Befugnisse der Eltern zur Vornahme der entsprechenden Prozesshandlungen von Gesetzes wegen. |
Rechtskraft: | Dieser Entscheid ist rechtskräftig. |
Entscheid: | A (nachstehend Beschwerdeführer) stellte Strafanzeige gegen seine von ihm getrennt lebende Ehefrau B (nachstehend Beschuldigte) wegen wiederholten Tätlichkeiten zum Nachteil ihrer minderjährigen gemeinsamen Kinder. Die Staatsanwaltschaft stellte die Untersuchung gegen die Beschuldigte ein. Gegen die Einstellungsverfügung erhob der Beschwerdeführer Beschwerde ans Kantonsgericht. Aus den Erwägungen: 2. 2.2. 2.2.1. 2.2.2. Der Beschwerdeführer bezeichnet sich selbst in der Beschwerdeschrift als Privatkläger bzw. als Partei und sieht sich daher zur Anhebung der Beschwerde befugt. Er führt in diesem Zusammenhang aus, seine Kinder seien durch die falsche Rechtsanwendung der Vorinstanz unmittelbar in ihren Rechten betroffen worden. 2.2.3. Der Beschwerdeführer hat in der Anzeige vom 27. Januar 2017 ausschliesslich gegen seine Kinder begangene Straftaten geltend gemacht. Inwiefern er durch die geltend gemachten wiederholten Tätlichkeiten unmittelbar in seinen eigenen Rechten verletzt worden wäre, macht er weder geltend und ist auch nicht von Amtes wegen ersichtlich. Er ist somit nicht als geschädigte Person im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO zu betrachten. Er konnte sich daher im zugrunde liegenden Strafverfahren auch nicht als Privatkläger im Sinne von Art. 118 Abs. 1 StPO bzw. als Partei des Strafverfahrens im Sinne von Art. 104 StPO konstituieren. Auch eine Privatkläger- bzw. Parteistellung kraft der Antragsbefugnis im Sinne der Art. 118 Abs. 2 und Art. 115 Abs. 2 StPO entfällt, da ausschliesslich ein Offizialdelikt angezeigt wurde. Dem Beschwerdeführer kommt die über Art. 382 Abs. 1 StPO vermittelte Beschwerdebefugnis somit mangels Parteistellung nicht zu. Dass ihm mittelbar auf Grundlage von Art. 105 Abs. 2 StPO eine Beschwerdebefugnis einzuräumen wäre, ist ebenfalls nicht ersichtlich. 2.2.4. 2.3. 2.3.1. Die gesetzliche Vertretungsbefugnis steht bei minderjährigen Kindern grundsätzlich den Eltern als Inhaber der elterlichen Sorge zu (vgl. Art. 304 Abs. 1 ZGB). Die Kinder stehen, solange sie minderjährig sind, gemäss Art. 296 ZGB unter der gemeinsamen elterlichen Sorge von Vater und Mutter (Abs. 2), welche die elterliche Sorge nach der Maxime des Kindeswohls ausüben (Abs. 1). Gemeinsame elterliche Sorge bedeutet nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers, dass die Eltern alles, was das Kind betrifft, im Prinzip gemeinsam regeln (Botschaft zu einer Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs [Elterliche Sorge] vom 16.11.2011, in: BBl 2011 9106; Affolter/Vogel, Berner Komm., Art. 296 ZGB N 51). Dies gilt insbesondere für wichtige rechtliche Vorkehren wie bspw. die Anhebung oder die Führung eines Prozesses (Schwenzer/Cottier, Basler Komm., 5. Aufl. 2014, Art. 304/305 ZGB N 11). Bei Interessenkollision entfallen von Gesetzes wegen die Befugnisse der Eltern in der entsprechenden Angelegenheit (Art. 306 Abs. 3 ZGB). Haben die Eltern in einer Angelegenheit Interessen, die denen des Kindes widersprechen, so ernennt die Kindesschutzbehörde einen Beistand oder regelt diese Angelegenheit selber (Art. 306 Abs. 2 ZGB). 2.3.2. Überdies liegt hinsichtlich des zugrunde liegenden Strafverfahrens (auch) auf Seiten des Beschwerdeführers eine offenkundige Interessenkollision vor. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass er damit bzw. mit der angehobenen Beschwerde in erster Linie Eigeninteressen verfolgt. Der Beschwerdeführer und die Beschuldigte befinden sich in einem intensiv geführten Eheschutzverfahren, in welchem unter anderem auch Kinderbelange im Streit stehen. Das Verhältnis zwischen den Elternteilen scheint massiv getrübt zu sein. Vor diesem Hintergrund ist es denkbar, dass der Beschwerdeführer die Strafanzeige gegen die Beschuldigte aufgrund persönlicher Beweggründe erhoben hat. Der Beschwerdeführer hätte somit weder seine Kinder als Privatkläger des Strafverfahrens konstituieren noch in ihrem Namen Prozesshandlungen wie eine Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung anheben können. Auf die Beschwerde könnte somit auch durch eine von Amtes wegen vorzunehmende Korrektur der fehlerhaft bezeichneten Parteistellung nicht eingetreten werden. 2.4. Darüber hinaus hätte der Beschwerdeführer auch nicht im Namen seiner Kinder Beschwerde erheben können und es hätte für deren Prozesshandlungen von Amtes wegen ein Prozessbeistand bestellt werden sollen. Auf weitere Vorkehren in dieser Hinsicht kann jedoch verzichtet werden. Im vorliegenden Fall erübrigt sich die Ernennung eines Prozessbeistands, da die Beschwerde auch – wie nachfolgend aufgezeigt wird – im Falle einer prozessual gültigen Anhebung keinen Bestand hätte. |