Drucken

Rechtsprechung Luzern


Instanz:Aufsichtsbehörden und Kommissionen
Abteilung:Aufsichtsbehörde über die Anwältinnen und Anwälte
Rechtsgebiet:Anwaltsrecht
Entscheiddatum:07.11.2017
Fallnummer:AR 17 64
LGVE:2017 V Nr. 1
Gesetzesartikel:§ 14 Abs. 1 und 15 Abs. 1 AnwG.
Leitsatz:Der die Aufsichtsbehörde über die Anwältinnen und Anwälte um Entbindung vom Berufsgeheimnis ersuchende Anwalt hat Anlass zum Verfahren gegeben und wird damit kostenpflichtig, sofern er vorgängig nicht (erfolglos) um eine freiwillige Entbindungserklärung seiner Klientschaft ersucht hat.



Die Entbindung vom Berufsgeheimnis ist ein Akt der Justizverwaltung und stellt kein Zweiparteienverfahren im eigentlichen Sinne dar, weshalb keine Parteikostenentschädigungen zugesprochen werden.

Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:

Aus den Erwägungen:

4.
Wer Anlass zu einem Verfahren gibt, trägt in der Regel die Kosten (§ 15 Abs. 1 des Gesetzes über das Anwaltspatent und die Parteivertretung [Anwaltsgesetz, AnwG; SRL Nr. 280]). Diese bestehen grundsätzlich aus den Gerichtsgebühren, allfälligen Beweiskosten, Parteientschädigungen und Barauslagen (§ 14 Abs. 1 AnwG).

4.1
Die Gerichtsgebühr wird in Anwendung von § 15 Abs. 1 AnwG der Gesuchstellerin auferlegt. Gemäss konstanter Praxis der Aufsichtsbehörde wird gefordert, dass der Anwalt vor Einleitung des Verfahrens soweit möglich den Klienten (erfolglos) um freiwillige Entbindung vom Berufsgeheimnis ersucht. Die Entbindung durch die Aufsichtsbehörde ist insofern subsidiär (Fellmann, Anwaltsrecht, 2. Aufl. 2017, S. 251 N 590; Brunner/Henn/Kriesi, Anwaltsrecht, Zürich 2015, Kap. 5 N 57 und N 89). Die Gesuchstellerin hat die Gesuchsgegnerin vor Einleitung des Verfahrens nicht um freiwillige Entbindung vom Berufsgeheimnis ersucht und sie damit nicht über die von ihr für den Weigerungsfall geplante Anrufung der Aufsichtsbehörde orientiert. Damit ist die Subsidiarität des vorliegenden Verfahrens aufgrund des Verhaltens der Gesuchstellerin nicht gegeben. Die amtlichen Kosten werden auf Fr. 300.-- festgesetzt (§ 13 Abs. 1 der Verordnung über die Kosten in Zivil-, Straf- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren [Justiz-Kostenverordnung, JusKV; SRL Nr. 265]).

4.2
Das Gesuch um Entbindung vom Berufsgeheimnis wird von der Aufsichtsbehörde nicht in einem Zweiparteienverfahren im eigentlichen Sinne behandelt (vgl. RBOG 1993 S. 173; ZGGVP 1989 S. 126). Es richtet sich zwar formell gegen den Klienten in seiner Stellung als Geheimnisherr, der die Einwilligung verweigert (Kaspar Schiller, Schweizerisches Anwaltsrecht, Zürich 2009, Rz 621). Dem Klienten wird auch das rechtliche Gehör gewährt, um ihm Gelegenheit zu geben, aus seiner Sicht Interessen darzulegen, welche gegen die Entbindung vom Berufsgeheimnis sprechen könnten (vgl. Fellmann, a.a.O., S. 252 N 593). Während es dem Klienten freisteht, seine Einwilligung zu erteilen bzw. zu verweigern oder zum Gesuch um Entbindung Stellung zu nehmen, hat die Aufsichtsbehörde über das Gesuch um Entbindung zu entscheiden und ist dabei an die vom Gesetzgeber getroffenen Wertungen gebunden. Sie hat das Gesetz anzuwenden und darf nur vom Berufsgeheimnis entbinden, wenn ein vom Gesetz vorgesehener Rechtfertigungsgrund vorliegt (vgl. Nater/Zindel, in: Komm. zum Anwaltsgesetz [Hrsg. Fellmann/Zindel], 2. Aufl. 2011, Art. 13 BGFA N 137; vgl. Kaspar Schiller, a.a.O., Rz 624). Beim Entscheid über das Gesuch um Entbindung vom Berufsgeheimnis hat die Aufsichtsbehörde die Interessen des Anwalts an der Offenbarung des Geheimnisses gegen die Interessen des Klienten an der Geheimhaltung sowie das institutionell begründete Interesse an der Vertraulichkeit abzuwägen und in diesem Sinne eine Güterabwägung vorzunehmen. Dabei hat sie in Rechnung zu stellen, dass das Berufsgeheimnis einen hohen Stellenwert hat und sie grundsätzlich nur davon entbinden darf, wenn dem Geheimhaltungsinteresse des Klienten ein deutlich höheres öffentliches oder privates Interesse gegenübersteht (Fellmann, a.a.O., S. 252 N 594 mit Hinweisen). Die Entbindung vom Berufsgeheimnis stellt daher einen Akt der Justizverwaltung dar. Die Aufsichtsbehörde ist beim Entbindungsverfahren der Offizialmaxime verpflichtet und hat eine sachgerechte und möglichst umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Es ist dementsprechend auch nicht entscheidend, ob der Klient und Geheimnisherr als Gesuchsgegner am Verfahren beteiligt ist oder nicht. Es sei hier ergänzend darauf hingewiesen, dass es – aufgrund der zeitlichen Unbegrenztheit des Anwaltsgeheimnisses – Gesuche um Entbindung vom Berufsgeheimnis gibt, welchen kein Klient bzw. Geheimnisherr gegenübersteht. Da vorliegend nicht in einem Zweiparteienverfahren im eigentlichen Sinne entschieden wird, besteht für die Zusprechung einer Parteientschädigung keine Grundlage. Der diesbezügliche Antrag der Gesuchstellerin wäre auch aus diesem Grund abzuweisen. Ergänzend kann darauf hingewiesen werden, dass ein Anspruch auf eine Parteientschädigung im Kanton Zürich schon von Gesetzes wegen ausgeschlossen ist (Brunner/Henn/Kriesi, a.a.O., Kap. 5 N 119 mit Hinweis).

Schliesslich kann betreffend die Anforderungen an ein Gesuch um Entbindung vom Berufsgeheimnis festgehalten werden, dass bloss darzulegen ist, dass einerseits – aufgrund der Subsidiarität der Entbindung durch die Aufsichtsbehörde gegenüber der Einwilligung des Klienten – die Entbindung durch den Klienten verweigert werde bzw. dies anzunehmen sei oder die Erhältlichmachung einer solchen sich als unmöglich erweise sowie andererseits, die Entbindung für die gerichtliche Geltendmachung einer Honorarforderung notwendig sei. Dementsprechend erschöpfte sich das vorliegend zu behandelnde Gesuch – im Hauptpunkt – auch in einer kurzen Darlegung der Sachlage und verursachte keinen nennenswerten Aufwand. Zudem wird über allfällige Inkassokosten im Honorarprozess und nicht im Entbindungsverfahren entschieden, womit sich erst dann zeigen wird, ob das Gesuch um Entbindung vom Berufsgeheimnis zu Recht gestellt worden war.