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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:2. Abteilung
Rechtsgebiet:Zivilrecht
Entscheiddatum:20.11.2017
Fallnummer:3B 17 40
LGVE:2017 II Nr. 10
Gesetzesartikel:Art. 120 OR, Art. 125 Ziff. 2 OR.
Leitsatz:Wird ein Ehegatte in einem Eheschutzentscheid rückwirkend zur Bezahlung von Unterhaltsbeiträgen verpflichtet, so können tatsächlich erbrachte Unterhaltsleistungen, welche vor Erlass des Entscheids ergangen sind, in Abzug gebracht werden. Anders verhält es sich, wenn der Unterhaltsschuldner eine Verrechnung zu viel bezahlter Unterhaltsbeiträge mit künftig geschuldeten Unterhaltsbeiträgen verlangt.
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:Aus den Erwägungen:

5.
5.1.
Der Gesuchsteller verlangte im vorinstanzlichen Verfahren, dass Zahlungen von ihm von Juli 2015 bis Dezember 2015 in der Höhe von Fr. 13'000.-- an die von ihm geschuldeten Unterhaltsbeiträge anzurechnen seien. Die Vorinstanz hat dieses Begehren abgewiesen mit dem Hinweis darauf, dass der Gesuchsteller bereits im Eheschutzverfahren Unterhaltszahlungen habe anrechnen lassen. Im Entscheid vom 25. Mai 2016 sei der Gesuchsteller berechtigt erklärt worden, bisher erbrachte Zahlungen im Umfang von Fr. 38'800.-- mit den ausstehenden Unterhaltsbeiträgen zu verrechnen. Soweit der Gesuchsteller die Bezahlung von weitergehenden Beiträgen hätte geltend machen wollen, hätte er gegen den Eheschutzentscheid ein Rechtsmittel ergreifen müssen.

Der Gesuchsteller bringt in der Berufung vor, die jetzt im Abänderungsverfahren geltend gemachten Bezahlungen seien nicht Gegenstand des früheren Eheschutzverfahrens gewesen. Das Gericht habe damals lediglich die Zahlungen rückwirkend für ein Jahr per Gesuchseinreichung, also vom Juli 2014 bis Juni 2015 beurteilt. Die Zahlungen des Gesuchstellers von Juli 2015 bis Dezember 2015 habe das Gericht gar nie beurteilt. Mithin handle es sich nicht um eine abgeurteilte Sache.

Die Gesuchsgegnerin ihrerseits führt aus, die Eheschutzrichterin habe sich mit den Parteivorbringen betreffend anzurechnender, in der Zeit zwischen Beginn der Unterhaltspflicht und Entscheidszeitpunkt geleisteten Unterhaltszahlungen auseinandergesetzt. Dabei habe sie festgestellt, dass ein Betrag von Fr. 38'800.-- mit den ausstehenden Unterhaltsbeiträgen zu verrechnen sei. Der Gesuchsteller habe das Urteil der Eheschutzrichterin akzeptiert. Soweit er die Bezahlung von weitergehenden Unterhaltsbeiträgen geltend machen wolle, hätte er gegen den Eheschutzentscheid ein Rechtsmittel ergreifen müssen. Der Eheschutzentscheid datiere vom 25. Mai 2016. Der Gesuchsteller hätte hinreichend Zeit gehabt, die behaupteten Zahlungen während des Verfahrens geltend zu machen. Für eine Verrechnung bestehe mithin kein Raum mehr.

5.2.
Bei einer rückwirkenden Verpflichtung zur Leistung von Unterhaltsbeiträgen sind schon tatsächlich erbrachte Unterhaltsleistungen zu berücksichtigen bzw. anzurechnen (Bräm, in: Komm. zum schweizerischen Zivilgesetzbuch [Hrsg. Bräm/Hasenböhler], Zürich 1998, Art. 163 ZGB N 150; ZR 107 Nr. 60; BGE 135 III 315 E. 2; BGE 138 III 583 = Pra 2013 Nr. 25). Wenn somit der Unterhaltschuldner behauptet, dem Unterhaltsgläubiger seit der Trennung der Ehegatten bereits Unterhaltsleistungen bezahlt zu haben, dann ist es notwendig, dass der Sachrichter über die Beträge entscheidet, die an die ausstehende Schuld angerechnet werden, und zwar gestützt auf die Behauptungen und die am Verfahren offerierten Beweise. Wenn das Urteilsdispositiv den Schuldner rückwirkend und vorbehaltlos zur Bezahlung von bestimmten Unterhaltsbeiträgen verpflichtet und wenn aus der Urteilsbegründung hervorgeht, dass der Richter mangels Beweisen den seit der Trennung bereits bezahlten Betrag nicht festgelegt hat, gilt dieses Urteil als definitiver Rechtsöffnungstitel für den ganzen ausstehenden Unterhaltsbetrag, weil diese Schuld klar beziffert ist (vgl. BGE 138 III 583 E. 6.1). Dabei ist aufgrund der summarischen Natur des Eheschutzverfahrens das Beweisverfahren beschränkt. Glaubhaftmachen reicht in der Regel (vgl. dazu Vetterli, in: FamKomm. Scheidung [Hrsg. Schwenzer/Fankhauser], 3. Aufl. 2017, Anh. Art. 271 ZPO N 5). Da Entscheide im Summarverfahren den Richter im nachfolgenden ordentlichen Prozess nicht binden (Zürcher, in: Komm. zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [Hrsg. Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger], 3. Aufl. 2016, Art. 59 ZPO N 44), kann diesbezüglich auch nicht von einer abgeurteilten Sache gesprochen werden. Dem Unterhaltsschuldner muss es möglich sein, seine (nicht berücksichtigten) Forderungen im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung geltend zu machen (vgl. BGer-Urteil 5A_850/2016 vom 25.9.2017 E. 2). Gleich verhält es sich auch mit Ansprüchen, welche der Unterhaltsschuldner im Eheschutz- oder Massnahmenverfahren nicht geltend gemacht hat.

Wird ein Ehegatte rückwirkend zur Bezahlung von Unterhaltsbeiträgen verpflichtet, so können – wie bereits erwähnt – tatsächlich erbrachte Unterhaltsleistungen, welche vor Erlass des Entscheids ergangen sind, in Abzug gebracht werden (BGE 138 III 583 E. 6.1, 135 III 315 E. 2). Anders verhält es sich, wenn der Unterhaltsschuldner – wie vorliegend – eine Verrechnung zu viel bezahlter Unterhaltsbeiträge mit künftig geschuldeten Unterhaltsbeiträgen verlangt. In der Literatur wird dabei die Meinung vertreten, dass darüber in einem allfälligen Vollstreckungsverfahren zu entscheiden sei (vgl. Six, Eheschutz, 2. Aufl. 2014, Rz 2.183). Indessen ist darauf hinzuweisen, dass der Vollstreckungsrichter die entsprechende Einrede des Schuldners unter Umständen nicht schützen wird, da nach dem klaren Wortlaut von Art. 81 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG; SR 281.1) Tilgung einredeweise nur geltend gemacht werden kann bei Zahlungen, welche nach Erlass des vollstreckbaren Urteils erfolgt sind. Dem Unterhaltsschuldner ist es zusätzlich aber auch verwehrt, dem Unterhaltsgläubiger die Verrechnung im Sinne von Art. 120 des Obligationenrechts (OR; SR 220) zu erklären. Verpflichtungen, deren besondere Natur die tatsächliche Erfüllung an den Gläubiger verlangt, wie Unterhaltsansprüche, die zum Unterhalt des Gläubigers und seiner Familie unbedingt erforderlich sind, können wider den Willen des Gläubigers nämlich nicht durch Verrechnung getilgt werden (Art. 125 Ziff. 2 OR). Allerdings schützt Art. 125 Ziff. 2 OR den (Unterhalts)gläubiger nur insoweit vor der Verrechnung, als die diversen Ansprüche zu seinem Unterhalt und zum Unterhalt seiner Familie unbedingt notwendig sind (Peter, Basler Komm., 6. Aufl. 2015, Art. 125 OR N 9). Die Prüfung solcher Fragen fällt aber nicht in den Zuständigkeitsbereich des Eheschutz- oder Massnahmenrichters (vgl. Art. 172 Abs. 3 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs [ZGB; SR 210] i.V.m. Art. 271 lit. a und Art. 276 Abs. 1 ZPO). Will der Unterhaltsverpflichtete im Rahmen eines vorsorglichen Massnahmenverfahrens feststellen lassen, in welchem Ausmass seine Forderung verrechenbar ist, so hat er diesbezüglich ein Rechtsschutzinteresse glaubhaft zu machen (vgl. Art. 59 Abs. 2 lit. a ZPO).

5.3.
Vorliegend verlangt der Gesuchsteller die Berechtigung, seine in der Vergangenheit zu viel bezahlten Unterhaltsbeiträge im Umfang von Fr. 13'100.-- mit künftigen Unterhaltsbeiträgen der Gesuchsgegnerin verrechnen zu dürfen. Der Gesuchsteller unterlässt es diesbezüglich, sein Rechtsschutzinteresse an der beantragten Berechtigung glaubhaft zu machen. Selbst wenn aber auf den Antrag einzutreten wäre, müsste er abgewiesen werden, nachdem die Gesuchsgegnerin der Verrechnung opponiert und der Gesuchsteller auch nicht behauptet, die Gesuchsgegnerin sei auf den Betrag nicht unbedingt angewiesen. (vgl. Art. 125 Ziff. 2 OR).