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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:4. Abteilung
Rechtsgebiet:Bau- und Planungsrecht
Entscheiddatum:03.01.2018
Fallnummer:7H 17 134
LGVE:2018 IV Nr. 7
Gesetzesartikel:Art. 33 Abs. 3 lit. b RPG; § 146 VRG, § 156 Abs. 2 VRG, § 161a VRG.
Leitsatz:Intertemporales Recht. Ohne Baubewilligung realisierte baubewilligungspflichtige Massnahmen sind – prinzipiell – nach Massgabe desjenigen Rechts zu beurteilen, welches zur Zeit der Realisierung der umstrittenen Bauten oder Anlagen in Kraft stand, es sei denn, später in Kraft getretenes Recht erweise sich aus Sicht der Bauherrschaft als das "mildere" Recht. In diesem Fall gebietet der Grundsatz der Verhältnismässigkeit, dass die Baumassnahmen auf der Grundlage des geänderten milderen Rechts beurteilt werden.
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:

A.

A ist Eigentümerin des Grundstücks Nr. x, Grundbuch (GB) Eich. Nach dem Zonenplan der Gemeinde Eich liegt die überbaute Liegenschaft in der Wohnzone B. Am 8. März 2016 zeigte ein Nachbar dem kommunalen Bauamt an, dass auf diesem Grundstück Baumassnahmen realisiert würden. Daraufhin verschaffte sich die kommunale Verwaltung im Beisein von A (…) ein Bild darüber. Es wurde festgestellt, dass an der Hanglage eine Konstruktion gebaut wurde, die als eine Art Podest bzw. Terrasse in Erscheinung tritt und nach den Angaben der Eigentümerin der Liegenschaft als Sitzplatz genutzt wird. Weiter wurde entlang der Grenze zum benachbarten Grundstück Nr. y, GB Eich, eine hölzerne Sichtschutzwand aufgestellt. A wurde aufgefordert, für die bewilligungslos realisierten baulichen Massnahmen nachträglich ein Baugesuch einzureichen. Am 27. Juni 2016 kamen A und ihr Ehemann dieser Aufforderung nach, worauf die Gemeindeverwaltung die an das Baugrundstück direkt angrenzenden Eigentümer orientierte, dass das nachträgliche Baugesuch vom 25. Juli bis 3. August 2016 öffentlich aufliege und dagegen Baueinsprache erhoben werden könne. Von diesem Recht machten die Nachbarn Gebrauch. Mit Entscheid vom 6. April 2017 erteilte der Gemeinderat für die erwähnte Baumassnahme nachträglich die Baubewilligung. Gleichzeitig wies er die Baueinsprache im Wesentlichen ab. Die unterlegene Baueinsprecherin zog den Entscheid an das Kantonsgericht weiter.


B.

Die vormalige integrale Ortsplanungsrevision der Gemeinde Eich stammte aus dem Jahr 2002. Später wurden kleinere Revisionen und Planänderungen durchgeführt. Nach diversen Vorarbeiten begannen im März 2014 Arbeiten im Hinblick auf eine Gesamtrevision der Ortsplanung. Am 18. Mai 2016 unterbreitete das Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement (BUWD) gestützt auf § 19 Abs. 1 des Planungs- und Baugesetzes (PBG; SRL Nr. 735) dem Gemeinderat Eich dazu den Vorprüfungsbericht. Vom 20. Juni bis 19. Juli 2016 lagen die Entwürfe des Zonenplans und des BZR (je datiert vom 9.6.2016) auf der Gemeindekanzlei öffentlich auf. Gleichzeitig wies der Gemeinderat auf § 85 PBG hin, wonach die neuen Nutzungspläne und die geänderten Bau- und Nutzungsvorschriften ab dem Zeitpunkt ihrer öffentlichen Auflage als "Planungszone" gelten würden. Die Publikation dieser Auflage erfolgte auch im Kantonsblatt Nr. 24 vom 18. Juni 2016. An der (ausserordentlichen) Gemeindeversammlung vom 18. Januar 2017 beschlossen die Stimmberechtigten der Gemeinde Eich schliesslich die Gesamtrevision der Ortsplanung, bestehend aus dem Zonenplan (im Massstab 1:4'000) und dem BZR (nachfolgend: BZR/2017). Mit Beschluss vom 4. Juli 2017 genehmigte der Regierungsrat gestützt auf §§ 20 Abs. 1 und 64 Abs. 1 PBG die Gesamtzonenplanung der Gemeinde Eich, einschliesslich des BZR/2017 mit Ausnahme der von den Stimmberechtigten beschlossenen Art. 8 Abs. 6 sowie Art. 9. Anzumerken ist, dass die nicht genehmigten Art. 8 und 9 BZR/2017 von im vorliegenden Fall nicht interessierenden Aspekten handeln. Beizufügen ist weiter, dass der Regierungsrat die Genehmigung von Art. 32 BZR/2017 zurückstellte. Die letztgenannte Bestimmung handelt von "Antennen" und ist im vorliegenden Sachzusammenhang ebenfalls nicht von Belang (RRE Nr. 773, Rechtsspruch Ziffn. 1 und 2). Gleichzeitig beschloss der Regierungsrat gestützt auf Teil III der Änderung des PBG (in der Fassung vom 17.6.2013) sowie § 69 Abs. 2 der Planungs- und Bauverordnung ([PBV; SRL Nr. 736] in der Fassung vom 29.10.2013), dass mit dieser Genehmigung in der Gemeinde Eich die §§ 23 - 25, 27, 28, 75 Abs. 1 und 2, 112a Abs. 1, 120 - 126, 130, 132, 138 und 139 PBG, in der Fassung gemäss Änderung vom 17. Juni 2013, gelten würden und nicht mehr die älteren Bestimmungen gemäss den jeweiligen Anhängen 1 des PBG und PBV. Diesen Beschluss publizierte der Regierungsrat unter SRL Nr. 736a (Stand 4.7.2017).



Aus den Erwägungen:


1.

1.1.

Der angefochtene Entscheid des Gemeinderats Eich stützt sich u.a. auf das PBG sowie die PBV und unterliegt daher unmittelbar der Anfechtbarkeit durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde (§ 148 lit. d des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege [VRG; SRL Nr. 40] in Verbindung mit § 206 PBG).


1.2.

Ein Sachentscheid setzt laut § 107 Abs. 2 lit. d VRG die Befugnis zur Rechtsvorkehr voraus. Gemäss der massgeblichen Spezialvorschrift von § 207 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 lit. a PBG sind zur Erhebung von Beschwerden diejenigen Personen befugt, die an der Änderung oder Aufhebung eines angefochtenen Entscheids ein schutzwürdiges Interesse haben und sich am Einspracheverfahren als Partei beteiligt haben.


Die Beschwerdeführerin hat sich im vorinstanzlichen Verfahren als Baueinsprecherin beteiligt. Sie ist sodann Eigentümerin des Grundstücks Nr. y, welches unmittelbar an das Grundstück Nr. x der Beschwerdegegner grenzt. Die Legitimation der Beschwerdeführerin ist angesichts der unmittelbaren Nachbarschaft mithin ohne weiteres zu bejahen, was im Übrigen weder von der Vorinstanz noch von den Beschwerdegegnern bestritten wird (vgl. zum Ganzen: Wiederkehr, Die materielle Beschwer von Nachbarinnen und Nachbarn sowie von Immissionsbetroffenen, in: ZBl 2015 S. 364 m.w.H.; zum Ganzen: Urteil des Kantonsgerichts Luzern 7H 15 73 vom 14.9.2015 E. 3.2).


1.3.

Die übrigen Prozessvoraussetzungen nach § 107 Abs. 2 VRG geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wurde insbesondere form- und fristgerecht eingereicht, weshalb darauf einzutreten ist.


1.4.

Als einzige Rechtsmittelinstanz verfügt das Kantonsgericht im vorliegenden Verfahren über uneingeschränkte Kognition (§ 161a VRG sowie § 156 Abs. 2 in Verbindung mit §§ 144-147 VRG). Obwohl dem Gericht damit nicht nur Sachverhalts- und Rechts-, sondern auch Ermessenskontrolle zusteht (vgl. auch Art. 33 Abs. 3 lit. b des Bundesgesetzes über die Raumplanung [RPG; SR 700]), auferlegt es sich eine gewisse Zurückhaltung. Diese gilt zunächst, wenn die Beurteilung von einer Würdigung der örtlichen Verhältnisse abhängt, welche die kommunalen Behörden besser kennen und überblicken (vgl. BGE 135 I 302 E. 1.2). Gerichtliche Zurückhaltung ist ferner geboten gegenüber der sachkundigen Verwaltung bezüglich technischer Fragen. Gleich verhält es sich in Bezug auf ausgesprochene Ermessensfragen, deren Beantwortung den vorrangig für den Vollzug des Baurechts verantwortlichen Behörden überlassen sein muss. Das Kantonsgericht ist aufgrund der ihm zugedachten Funktion nicht befugt, sein Ermessen an die Stelle desjenigen der Vorinstanz zu setzen. Es hat sich zudem im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden zurückzunehmen (§ 144 Abs. 2 VRG; vgl. zum Ganzen: BGE 139 II 185 E. 9.3; LGVE 2000 II Nr. 18 E. 3a).


1.5.

Das vorliegende Verfahren ist vom Untersuchungsgrundsatz (§ 53 VRG) und von der Rechtsanwendung von Amtes wegen (§ 37 Abs. 2 VRG) beherrscht. Diese Grundsätze gelten indessen nicht uneingeschränkt. Sie werden ergänzt durch die verschiedenen Mitwirkungspflichten der Parteien (§ 55 VRG), namentlich deren Begründungspflicht (§ 133 Abs. 1 VRG). Zu beachten ist ferner das Rügeprinzip, wonach die Beschwerdeinstanz nur die vorgebrachten Beanstandungen prüft und nicht untersucht, ob sich der angefochtene Entscheid unter schlechthin allen in Frage kommenden Aspekten als korrekt erweist. Im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht hat die Beschwerde führende Partei darzutun, in welchen Punkten und weshalb der angefochtene Entscheid beanstandet wird (vgl. zum Ganzen: LGVE 2012 II Nr. 28 E. 1c mit Hinweis).


1.6.

1.6.1.

Die Kognition bzw. das Prüfungsprogramm des Kantonsgerichts in seiner Funktion als einzige innerkantonale Rechtsmittelinstanz wirkt sich insbesondere auch hinsichtlich der in diesem Verfahren zu beachtenden Rechtslage aus. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf § 146 VRG. Danach sind – nebst den tatsächlichen – auch die rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Urteils des Kantonsgerichts massgebend. Noch in den 1960-er Jahren war längere Zeit kontrovers, ob während eines Rechtsmittelverfahrens in einem Baurechtsstreit neues, geändertes Recht zur Anwendung gelangen sollte. Noch vor dem Inkrafttreten des VRG am 1. Juni 1973 (§ 222 VRG) stellte das Bundesgericht klar, dass Baugesuche regelmässig nach Massgabe jenes Rechts zu überprüfen sind, welches im Zeitpunkt der Beurteilung durch die Rechtsmittelinstanz in Kraft steht (dazu: Gadola, Das verwaltungsinterne Beschwerdeverfahren, Zürich 1991, S. 418 mit Hinweisen u.a. auf Imboden/Rhinow, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Band I, Nr. 15 B. II, S. 96; BGE 99 Ia 122 E. 4b). Anhaltspunkte dafür, hinsichtlich der Rechtsmittelverfahren im Kontext des interessierenden Baupolizeirechts auf Abweichendes zu schliessen, sind nicht erkennbar. Für den Fall, dass das Kantonsgericht bei einem einstufigen innerkantonalen Instanzenzug die Funktion der Verwaltungsbeschwerdeinstanz übernommen hat – und dies entspricht nach § 156 Abs. 2 VRG i.V.m. § 146 VRG der VRG-Rechtspflegekonzeption – dann ist vor Gericht gegebenenfalls geändertes neues Recht anzuwenden (vgl. Wiederkehr/Richli, Praxis des allgemeinen Verwaltungsrechts, Band I, Bern 2012, N 811 und 812, mit Hinweis auf BGer-Urteil 1C_505/2011 vom 1.2.2012 E. 3.1.2; im Ergebnis analog: Moser/Beusch/Kneubühler, Prozessieren vor Bundesverwaltungsgericht, 2. Aufl. 2013, N 2.202 (u.a.) mit Hinweis auf Kölz, Intertemporales Verwaltungsrecht, ZSR 1983 II 175 und 204).


Das wiedergegebene Rechtspflegekonzept stimmt im Übrigen mit der Übergangsordnung gemäss § 226 PBG überein, welche Bestimmung den Grundsatz wiederholt, wonach – prinzipiell – dasjenige Recht anwendbar sein soll, das beim Entscheid einer Behörde mit voller Prüfungsbefugnis gilt. Demnach wird in Bausachen grundsätzlich auf die im Zeitpunkt der kantonsgerichtlichen Beurteilung geltende Rechtslage abgestellt. Zuweilen hat dies zur Folge, dass die Rechtsmittelinstanz bauliche Massnahmen gestützt auf Normen prüft, welche vor der erstinstanzlich zuständigen Baubewilligungsbehörde noch keine Gültigkeit hatten. Diese Konsequenz ist unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an der (prinzipiell) sofortigen Anwendung des neuen Rechts vertretbar, erscheint indes aus funktionaler Sicht nicht immer unbedenklich. Von vornherein unproblematisch ist derlei dann, wenn die Streitsache nach alter und neuer Rechtslage gleich zu beurteilen ist, Änderungen von anwendbaren Normen letztlich also keinen Einfluss auf den Entscheid haben. Vom erwähnten Grundsatz der sofortigen Anwendung geänderter Normen kann und soll aber abgewichen werden, wenn z. B. ein Verfahren ungebührlich lange gedauert hat und die Anwendung des neuen (aus Sicht der Bauherrschaft) strengeren Rechts unverhältnismässig wäre – insbesondere, wenn die Verzögerung durch Einsprachen und Beschwerden Dritter verursacht wurde – oder aber bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten einer der Parteien (Urteil des Kantonsgerichts Luzern 7H 14 128 vom 13.11.2015 E. 1.3). Anhaltspunkte dafür, dass solches im vorliegenden Verfahren zu vermuten wäre, machen die Verfahrensbeteiligten nicht geltend und sind auch nicht ersichtlich.


1.6.2.

Am 1. Januar 2014 wurde die am 17. Juni 2013 vom Kantonsrat beschlossene Änderung des PBG sowie die totalrevidierte PBV vom 29. Oktober 2013 in Kraft gesetzt. Gleichzeitig erlangte die Interkantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der Baubegriffe (IVHB; SRL Nr. 737) für den Kanton Luzern Gültigkeit (vgl. Dekret über die Genehmigung des Konkordats vom 22.9.2005; Beschluss des Kantonsrats vom 17.6.2013 [KR 2013 1876]). Bei dem revidierten PBG und der totalrevidierten PBV ist indes beachtlich, dass mehrere Normen vom Regierungsrat gemeindeweise erst im Verlauf der nächsten zehn Jahre in Kraft gesetzt werden sollten (vgl. § 224 PBG und § 69 Abs. 2 PBV). Während dieser Anpassungsfrist für die Gemeinden gelten bzw. galten bestimmte bisherige Bestimmungen des PBG und der PBV zunächst weiterhin. Dabei handelt es sich um jene PBG- und PBV-Bestimmungen, die sich in den jeweiligen Anhängen zu diesen beiden Erlassen finden (vgl. LGVE 2016 IV Nr. 1).


1.6.3.

Diese Hinweise zeigen auf, dass in den Luzerner Gemeinden zunächst auch noch nach dem 1. Januar 2014 (in der Regel) das bisherige kantonale Planungs- und Baurecht anwendbar blieb. Wie erwähnt, ist das BZR der Gemeinde Eich inzwischen allerdings revidiert worden. Wie im Sachverhalt dazu festgehalten, beschlossen die Stimmberechtigten von Eich am 18. Januar 2017 die Gesamtrevision ihrer Ortsplanung. Mit Beschluss vom 4. Juli 2017 genehmigte der Regierungsrat diese Gesamtzonenplanung, einschliesslich des totalrevidierten BZR unter dem Vorbehalt hier nicht interessierender Bestimmungen über die ÜZ und die Antennen. Gleichzeitig beschloss der Regierungsrat gestützt auf Teil III der Änderung des PBG und der PBV, dass in der Gemeinde Eich die §§ 23 - 25, 27, 28, 75 Abs. 1 und 2, 112a Abs. 1, 120 - 126, 130, 132, 138 und 139 PBG, in der Fassung gemäss Änderung vom 17. Juni 2013, gelten würden und nicht mehr die älteren Bestimmungen gemäss den jeweiligen Anhängen 1 des PBG und des PBV. Diese Rechtsänderung bildet mit Blick auf § 146 VRG die massgebliche Grundlage für die rechtliche Beurteilung der Streitsache im vorliegenden Rechtsmittelverfahren.


1.6.4.

Noch im vorinstanzlichen Verfahren präsentierte sich die Rechtslage hinsichtlich der umstrittenen baulichen Massnahmen anders als mit Blick auf das (später) geänderte Recht. In diesem Zusammenhang ist in Erinnerung zu rufen, dass die Frage der materiellen Rechtmässigkeit einer, wie hier, ohne Baubewilligung erstellten Baute prinzipiell auf der Grundlage des zur Zeit der Errichtung in Kraft gestandenen Rechts zu überprüfen und zu beurteilen ist (Waldmann, in: Handbuch Öffentliches Baurecht [Hrsg.Griffel/Liniger/Rausch/Thurnherr], Zürich 2016, N 6.9). Es ist in diesem Fall genauer gesagt auf dasjenige Recht abzustellen, das im Zeitpunkt Geltung hatte, in dem das Baugesuch ordentlicherweise hätte gestellt werden müssen. Denn im Rahmen der Beurteilung einer – ohne Baubewilligung – realisierten (baubewilligungsbedürftigen) Baumassnahme ist zu prüfen, ob die Baute oder baurechtserhebliche Änderung bei rechtzeitiger Einreichung des Baugesuchs hätte bewilligt werden können. Für diese Praxis spricht das Argument, dass es mit dem Gebot der Verhältnismässigkeit nicht vereinbar wäre, wenn aufgrund eines nachträglichen verschärften Rechts eine Baute abgebrochen werden müsste, die zur Zeit, als sie erstellt wurde, zwar nicht bewilligt war, aber dennoch materiell den Bauvorschriften entsprach (BGE 104 Ib 304 E. 5c; Ruoss Fierz, Massnahmen gegen illegales Bauen – unter besonderer Berücksichtigung des zürcherischen Rechts, Diss. Zürich 1999, S. 118). Andererseits ist zu beachten, dass das später in Kraft getretene geänderte Recht massgebend ist, wenn es von objektiver Warte aus Sicht der Bauherrschaft günstiger ist oder – was hier nicht von Belang ist – wenn die Bauherrschaft das Bewilligungserfordernis deshalb missachtet hätte, weil das später in Kraft getretene Recht strenger ist (BGE 123 II 248 E. 3a/bb; BGer-Urteile 1C_179/2013 vom 15.8.2013 E. 1.2 und 1C_337/2008 vom 18.11.2008 E. 2.1; Urteil des Kantonsgericht Luzern 7H 15 246 vom 27.9.2016 E. 5.4; Urteil des Verwaltungsgerichts Luzern V 10 225 vom 11.6.2012 E. 2c; Mäder, Das Baubewilligungsverfahren, Diss. Zürich 1991, N 655).


Bezogen auf die vorliegende Streitsache führen diese Überlegungen zur Frage, ob sich die geänderte Rechtslage zu Gunsten des Bauherrn verändert hat oder nicht. Für den Fall, dass sich das neue Recht im Vergleich zur Rechtslage im Zeitpunkt der Realisierung der umstrittenen Baumassnahmen (aus Sicht der Bauherrschaft) günstiger präsentiert, kommt – wie aufgezeigt – aus Gründen der Verhältnismässigkeit nicht das vormalige, zur Zeit der bewilligungslos realisierten Baumassnahmen in Kraft gestandene Recht zur Anwendung, sondern das neue, in der Zwischenzeit in Kraft getretene mildere Recht, zumal dieses mit Blick auf die Rechtspflegekonzeption (E. 1.4) die (prinzipielle) Grundlage der Beurteilung von Streitsachen vor dem Kantonsgericht ist. Umgekehrt wäre die Streitsache auch vor Gericht nach Massgabe des "alten Rechts" zu beurteilen, wenn dieses "alte Recht" für den betroffenen Bauherrn als das "mildere Recht" zu qualifizieren wäre (Ruoss Fierz, a.a.O., S. 119). Ob das geänderte, in Kraft stehende Recht hier das mildere ist, gilt es im Rahmen der materiellen Beurteilung der Streitsache zu prüfen.


1.6.5.

Nach dem Gesagten ist in Bezug auf die Frage nach der massgeblichen Rechtslage Folgendes festzuhalten: Mit den umstrittenen Baumassnahmen auf dem Grundstück Nr. x wurde nach Lage der Akten vor dem 8. März 2016 begonnen. Ferner ist davon auszugehen, dass diese vor dem 24. Mai 2016 realisiert wurden. Der Entwurf des revidierten BZR datiert vom 9. Juni 2016 und lag einige Wochen später, genauer gesagt vom 20. Juni 2016 bis 19. Juli 2016 öffentlich auf. Damit vermochte der damalige Entwurf des revidierten BZR im Verfahren der Überprüfung des nachträglichen Baugesuchs betreffend die umstrittenen Baumassnahmen auf dem Grundstück Nr. x keine mit der Planungszone gemäss § 85 PBG verknüpfte negative Vorwirkung zu entfalten (zur Tragweite der so genannten "negativen Vorwirkung": BGer-Urteil 1C_516 vom 26.9.2017 E. 5.5). Gleiches gilt mit Bezug auf einen – in den Akten nicht vorhandenen – BZR-Entwurf, welcher laut einem nicht verifizierbaren Hinweis in der angefochtenen Baubewilligung vom 6. April 2017 angeblich das spätere Datum vom "20. Oktober 2016" getragen habe.


1.7.

Im Sinn eines Zwischenergebnisses steht fest, dass das Kantonsgericht in der Regel die Streitsache auf der Grundlage des geänderten kantonalen und kommunalen Rechts zu beurteilen hat, falls sich dieses als das mildere erweist. Die Vorinstanz ihrerseits hatte die wiedergegebene intertemporalrechtliche Problematik im Rahmen der Prüfung der Streitsache demgegenüber nicht zu erwägen. Vielmehr war sie im Rahmen der Rechtsanwendung von Amtes wegen (§ 37 Abs. 2 VRG) gehalten, die strittigen baulichen Massnahmen (u.a.) auf der Grundlage des BZR 2002 und des PBG sowie der PBV in den Fassungen, welche vor der Genehmigung des neuen BZR am 4. Juli 2017 in Kraft standen, zu beurteilen, denn erst ab diesem Datum erfolgte mit Bezug auf die Gemeinde Eich die Inkraftsetzung der geänderten kantonalen PBG- und PBV-Bestimmungen (E. 1.6.2 und 1.6.3). Beizufügen ist, dass die Vorinstanz nach Lage der Akten von vornherein nicht zu überprüfen hatte, ob die umstrittenen baulichen Massnahmen einem BZR-Entwurf entgegenstehen würden, weil ein BZR-Entwurf im Sinn von "Planungszonen" nach § 85 Abs. 1 PBG eine negative Vorwirkung hätten entfalten können (E. 1.6.4). Eine solche Überprüfung hat sich erübrigt, weil die in Rede stehenden baulichen Massnahmen vor der öffentlichen Auflage der geänderten kommunalen Rechtsquellen realisiert worden sind (E. 1.6.5).