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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:4. Abteilung
Rechtsgebiet:Kostenbeschwerde
Entscheiddatum:26.01.2018
Fallnummer:7H 17 247
LGVE:
Gesetzesartikel:§ 213 VRG, § 215 VRG, § 218 VRG.
Leitsatz:Der Vollzug der Vollstreckung ist grundsätzlich mittels Aufsichtsbeschwerde gemäss § 218 VRG anfechtbar. Sofern jedoch unterschiedliche Vorgehensweisen, die mit unterschiedlichen Kostenfolgen zum gleichen Ziel führen, im Raum stehen, kann die Verhältnismässigkeit verschiedener Massnahmen im Rechtsmittelverfahren betreffend den Kostenentscheid überprüft werden (E. 2.1.1).
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:

Das Veterinäramt des Kantons Luzern verfügte gegenüber den Beschwerdeführerinnen verschiedene Massnahmen betreffend ihre Hunde. Nach Nichtbefolgung wurden die Hunde schliesslich durch den Veterinärdienst abgeholt, untergebracht und einzelne Tiere euthanasiert. Gegen die darauf folgende Kostenverfügung betreffend die Kremationskosten sowie die Spruch- und Schreibgebühren erhoben die Beschwerdeführerinnen Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Aus den Erwägungen:

1.
1.1.
Das Gebührengesetz (GebG; SRL Nr. 680) regelt die Erhebung von Gebühren und den Ersatz von Auslagen für Amtshandlungen oder für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen des Kantons und der Gemeinden, soweit es sich nicht um Verwaltungssachen handelt, die durch Entscheid gemäss Verwaltungsrechtspflegegesetz zu erledigen sind (§ 1 Abs. 1). Es stellt somit den Grunderlass für sämtliche Gebühren kantonalen und kommunalen Rechts dar. Gemäss § 2 GebG wird das Gesetz nur so weit angewendet, als nicht besondere eidgenössische, interkantonale oder kantonale Vorschriften bestehen. Das kantonale Tierschutzrecht regelt allein den frankenmässigen Rahmen der Gebühren für die Verwaltungstätigkeit des Veterinärdiensts (Entscheide und Dienstleistungen) (vgl. § 21 Abs. 3 der kantonalen Tierschutzverordnung vom 18.5.2010 [SRL Nr. 728] mit Verweis auf Gebührentarif und Kostenverordnung für die Staatsverwaltung vom 28.5.1982 [SRL Nr. 681] für besondere Dienstleistungen). Für amtliche Kosten im Zusammenhang mit der Vollstreckung gelangen, wie aus dem Verweis von § 215 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRG; SRL Nr. 40) zu folgern ist, die Bestimmungen des VRG zur Anwendung.

1.2.
Für die Vollstreckung der Entscheide sorgt, unter Vorbehalt abweichender Vorschriften und Anordnungen, die erstinstanzliche Verwaltungsbehörde (§ 209 VRG). Gemäss § 215 Abs. 1 VRG setzt die Behörde die vom Pflichtigen für die Vollstreckung zu vergütenden amtlichen Kosten fest. Gegen den Kostenentscheid kann der Pflichtige beim Kantonsgericht Beschwerde führen (Abs. 2).

Das Luzerner Verwaltungsgericht hielt für die im Zeitpunkt des damaligen Urteils geltende Fassung der Bestimmung von § 215 Abs. 2 VRG fest, dass der Gesetzgeber die eigentlichen Kosten einer Vollstreckung oder Ersatzvornahme nicht als amtliche Kosten betrachtete, was daraus hervorgehe, dass in Abs. 1 von amtlichen Kosten und in Abs. 3 von Vollstreckungskosten die Rede sei (LGVE 2002 II Nr. 45 E. 12c). Auch für die heutige Fassung von § 215 VRG, die anstelle des Regierungsstatthalters einfach die "Behörde" als Vollstreckungsbehörde bezeichnet, kann an dieser Unterscheidung festgehalten werden. Es kann sowohl gegen die amtlichen Kosten für die Vollstreckung (Abs. 1) wie auch gegen die Vollstreckungskosten (Abs. 3) gestützt auf Abs. 2 Beschwerde beim Kantonsgericht geführt werden, da beide Kostenarten Bestandteil des Kostenentscheids darstellen. Vorliegend werden von den Beschwerdeführerinnen sowohl die Spruch- und Schreibgebühren von Fr. 300.-- als auch die Kosten der Kremation im Umfang von Fr. 392.05 angefochten. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, kann auf die Beschwerde in Bezug auf die Kosten für die Vollstreckung eingetreten werden.

2.
2.1.
Gemäss § 206 Abs. 1 lit. a VRG werden Entscheide, die sich durch Einsprache oder ein Rechtsmittel mit aufschiebender Wirkung anfechten lassen, rechtskräftig und vollstreckbar, wenn die Einsprache- oder Rechtsmittelfrist unbenutzt abgelaufen ist. Entscheide, gegen die kein Rechtsmittel mit aufschiebender Wirkung zulässig ist, werden mit der Eröffnung rechtskräftig und vollstreckbar (§ 206 Abs. 2 VRG). Für die Vollstreckung der Entscheide sorgt, unter Vorbehalt abweichender Vorschriften und Anordnungen, die erstinstanzliche Verwaltungsbehörde (§ 209 Abs. 1 VRG).

2.2.
Im Vollstreckungsverfahren prüft die Behörde, ob der Entscheid richtig eröffnet wurde und vollstreckbar ist (vgl. § 213 Abs. 1 VRG). Sind diese Voraussetzungen gegeben, vollstreckt sie die Entscheide, die zu einem bestimmten Verhalten (Handeln, Dulden, Unterlassen) und nicht zu Zahlungen und Sicherheitsleistungen verpflichten. Wenn die Umstände es erfordern (vgl. § 213 Abs. 3 VRG), namentlich, wenn wie im vorliegenden Fall, die Duldung der Vollstreckung zufolge bestehender Beschlagnahme nicht gegenüber den Tierhaltern zwangsweise durchgesetzt werden muss, kann eine Androhung unterbleiben.

Die Kostenauflage hängt zwar inhaltlich von der Festsetzungs- bzw. Vollstreckungsverfügung ab, sie wird aber in der Bundesgesetzgebung wie auch in mehreren kantonalen Gesetzen (vgl. § 215 Abs. 1 und 2 VRG) formal als unabhängiger, eigenständiger Verwaltungsakt betrachtet (Urteil des Verwaltungsgerichts Luzern V 01 152 vom 14.11.2002 E. 2 m.H.; Ackermann Schwendener, Die klassische Ersatzvornahme als Vollstreckungsmittel des Verwaltungsrechts, Diss. Zürich 1999, S. 65). Gegenüber dem Betroffenen wird die Pflicht zur Kostentragung durch eine separat anfechtbare Verfügung über die Kostenauflage begründet, welche – allerdings ausschliesslich hinsichtlich des Kostenumfangs – anfechtbar ist (vgl. § 215 Abs. 1 und 2 VRG; Ogg, Die verwaltungsrechtlichen Sanktionen und ihre Rechtsgrundlagen, Diss. Zürich 2002, S. 19 f.). Gegen alle anderen Amtshandlungen im Vollstreckungsverfahren ist nur die Aufsichtsbeschwerde zulässig (§ 218 VRG; Urteil des Verwaltungsgerichts Luzern V 2004 42 vom 11.5.2005 E. 2a m.H.).

2.2.1.
Bei der Überprüfung des Kostenentscheids in einem Vollstreckungsverfahren durch die Rechtsmittelinstanz ist Folgendes zu beachten: Prinzipiell dürfen Kosten nur auferlegt werden, wenn der Pflichtige vor der Durchführung ordnungsgemäss auf die drohende Anwendung dieses Zwangsmittels und die damit verbundenen Kosten aufmerksam gemacht worden ist. Das Kantonsgericht hat daher in einem ersten Schritt abzuklären, ob die fragliche Vollstreckung begründeterweise erfolgte und dabei insbesondere die gesetzlichen Verfahrensschritte beachtet wurden (Urteile des Verwaltungsgerichts Luzern V 04 42 vom 11.5.2005 E. 2b, V 01 152 vom 14.11.2002 E. 2; Merkli/Aeschlimann/Herzog, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern, Bern 1997, N 16 zu Art. 117).

In einem zweiten Schritt (vgl. E. 3.2 unten) sind die mit der Vollstreckung entstandenen Kosten darauf zu prüfen, ob sie vollumfänglich auf die pflichtige Person überwälzt werden können. Dem Pflichtigen dürfen nämlich nicht alle, sondern nur die Ausgaben für eine zweckmässige Ausführung der Vollstreckung bzw. (bei der Ersatzvornahme) Ersatzhandlung im Rahmen der üblichen Preise auferlegt werden. Sowohl die Überwälzung von Kosten für nicht notwendige oder unzweckmässige Massnahmen als auch die Auferlegung von übermässigen bzw. nicht angemessenen Kosten verletzen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit (vgl. Ackermann Schwendener, a.a.O., S. 94 f.).

Die Grenze zwischen der Überprüfungsbefugnis des Kantonsgerichts beim vorliegend zu beurteilenden Kostenentscheid und jener der Aufsichtsbehörde gemäss § 218 VRG ist nach dem Gesagten folgendermassen zu ziehen: Insoweit der Vollzug der Vollstreckung als solcher in Frage steht, kann dieser nur mit aufsichtsrechtlicher Beschwerde angefochten werden. Sofern jedoch unterschiedliche Vorgehensweisen, die mit unterschiedlichen Kostenfolgen zum gleichen Ziel führen, im Raum stehen, können diese im Rechtsmittelverfahren betreffend den Kostenentscheid abgewogen werden. Dabei ist zu beachten, dass nicht generell jeder kostengünstigeren Vorgehensweise der Vorrang zu geben ist. Vielmehr dürfen die Kosten für die getroffenen Massnahmen nicht unverhältnismässig hoch sein.

3.
3.1.
Der Verfügung vom 27. Juni 2016 wurde die aufschiebende Wirkung entzogen, was im Verfahren vor Kantonsgericht mit Verfügung vom 26. August 2016 bestätigt wurde (vgl. 7H 16 178). Damit wurde die Verfügung, d.h. das Tierhalteverbot, bereits mit ihrer Eröffnung vollstreckbar.

Im Schreiben vom 26. März 2016 wurde unter ausführlicher Wiederholung der mit Verfügung vom 20. April 2015 auferlegten verwaltungsrechtlichen Massnahmen, angekündigt, dass im Falle der Nichterfüllung bis am 25. März 2016 Massnahmen auf Kosten der Beschwerdeführerinnen folgen würden. Insbesondere das Vorgehen betreffend die Hunde wurde ausführlich beschrieben: So wurden die einzuziehenden Hunde in vier verschiedene Gruppen eingeteilt. Für sämtliche Gruppen war vorgesehen – sofern nicht, wo beabsichtigt, eine erfolgreiche Übergabe der Tiere an deren Halter erfolgen sollte –, dass die Hunde tierärztlich untersucht werden. Falls nötig würden sie behandelt, vorübergehend an einem geeigneten Ort (Tierpension etc.) untergebracht und es würde versucht, sie zu vermitteln beziehungsweise zu verkaufen. Sollte keine Möglichkeit bestehen, die Tiere zu vermitteln, würden sie euthanasiert. Ein weiteres Mal wurde die Euthanasie – diesmal konkret für die Hunde Jay und Pinja – mit dem Schreiben "Rechtliches Gehör zur beabsichtigten Verfügung" vom 26. April 2017 angedroht.

3.2.
In Bezug auf die Kosten der Kremation machen die Beschwerdeführerinnen geltend, die Kosten könnten ihnen nicht überbunden werden, da die Euthanasie nicht rechtmässig erfolgt sei.

Gegenstand der Beschwerde sind die auferlegten Kosten, nicht aber die Rechtmässigkeit der rechtskräftigen Verfügungen im Allgemeinen bzw. deren Verhältnismässigkeit im Besonderen und damit insbesondere die Erforderlichkeit von verfügten Massnahmen. Im Kostenbeschwerdeverfahren sind allein die Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit und Wahrung der Schranken der gesetzlichen Kostenpflicht zu prüfen. Die Rüge der fehlenden Rechtmässigkeit kann deshalb im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden.

3.2.1.
Die Ankündigung einer möglichen Euthanasie erfolgte mit Verfügung vom 2. März 2016, welche indes unangefochten blieb. Mit Bezug auf das Tierhalteverbot erfolgte zwar eine gerichtliche Anfechtung, indessen führte das Gerichtsurteil nicht zu einer Änderung mit Bezug auf die hier infrage stehende Euthanasie.

Mit Schreiben vom 26. April 2017 kündigte der Veterinärdienst den Vollzug an, welcher nach Kenntnisnahme der Verzichtserklärung seitens der Beschwerdeführerinnen vom 15. Mai 2017 erfolgte. Die Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit waren im Zeitpunkt des Vollzugs gegeben.

3.2.2.
Die Beschwerdeführerinnen rügen zu Recht nicht, dass die Spruch- und Schreibgebühren überhöht angesetzt seien oder die Ausgaben für die Kremation bei zweckmässiger Ausführung den Rahmen der üblichen Preise sprengten.

Die angefochtenen amtlichen Kosten und die Vollstreckungskosten wurden demnach den Beschwerdeführerinnen zu Recht auferlegt und erweisen sich als verhältnismässig.

3.3.
Da die Rüge, es mangle an der Rechtmässigkeit der Euthanasie im Kostenbeschwerdeverfahren nicht geprüft werden kann, ist auch in diesem Punkt auf die Beschwerde nicht einzutreten.