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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:4. Abteilung
Rechtsgebiet:Perimeter
Entscheiddatum:23.06.2014
Fallnummer:7H 13 153
LGVE:
Gesetzesartikel:§§ 3, 5, 7, 8 Abs. 1 und 2 und 9 PV; §§ 50 Abs. 1 und 2, 109 ff. und 132 Abs. 2 PBG; § 21 Abs. 1 WBG; Art. 26 Bau- und Zonenreglement der Gemeinde Flühli.
Leitsatz:Bei der Verteilung der Kosten bei Schutzbauten gegen Murgänge sind die Erhöhung der Sicherheit sowie raumplanerische Vorteile als Kriterien im Sinn von § 5 Abs. 1 PV zu berücksichtigen.
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
bestätigt durch BGer-Urteil 2C_672/2014 vom 29. Mai 2015
Entscheid:Nachdem der Regierungsrat das Wasserprojekt für Schutzbauten gegen Murgänge in der Gemeinde Flühli bewilligt und dessen Ausführung beschlossen hatte, legte der Gemeinderat Flühli die Beitragspflicht der Grundeigentümer am Wasserbauprojekt und die Kostenverteilung fest. Die von der Beschwerdeführerin erhobene Einsprache wies der Gemeinderat ab. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragte ihre Entlassung aus der Beitragspflicht sowie aus dem Perimeter für die Schutzbauten gegen Murgänge.

Aus den Erwägungen:

3.
3.1.
Gemäss § 3 PV können die Gemeinden bei öffentlichen Werken von den Eigentümern der interessierten Grundstücke Beiträge an die ihnen erwachsenden Bau-, Betriebs- und Unterhaltskosten erheben, wenn und soweit dies in einem Gesetz oder in einer gestützt darauf erlassenen Verordnung vorgesehen ist. Interessiert sind Grundstücke, denen aus dem öffentlichen Werk wirtschaftliche Sondervorteile erwachsen, deren Ausnützung möglich ist und die allfällige Nachteile übersteigen. § 21 Abs. 1 des Wasserbaugesetzes (WBG; SRL Nr. 760) sieht vor, dass die Gemeinde die Beiträge der Interessierten an die Kosten des Wasserbaus nach den §§ 109 bis 112 des Planungs- und Baugesetzes (PBG; SRL Nr. 735) im Perimeterverfahren festsetzt.

Die Festlegung des Perimeterkreises durch den Gemeinderat erfolgte gestützt auf die Abgrenzung der Planungszone über das vom Murgang betroffene Gebiet vom 20. September 2000. Demzufolge befand sich das Grundstück Nr. y vor Erstellung der Schutzbauten in der roten Gefahrenzone. Der Perimeterkreis des Wasserbauprojekts schliesst auch die an die rote anschliessende blaue Gefahrenzone mit ein (zur Bedeutung der Gefahrenzonen vgl. E. 3.2.). Das Grundstück der Beschwerdeführerin befindet sich damit nicht an der Grenze des Perimeterkreises. Inwiefern sich dessen Festlegung als willkürlich erweisen sollte, wird von der Beschwerdeführerin nicht weiter ausgeführt und ist denn auch nicht ersichtlich. Die nachfolgend aufgezeigten Sondervorteile aus raumplanerischer Sicht und mit Bezug auf die Sicherheit von Personen und Bauten zeigen, dass sich das Grundstück Nr. y zu Recht innerhalb des Perimeterkreises befindet.

3.2.
Nach § 5 Abs. 1 PV ist der Umfang der Beitragspflicht nach Massgabe der Vorteile unter Berücksichtigung allfälliger Nachteile, die den Grundstücken aus einem Werk entstehen, zu bemessen. Diese Vorschrift hält einen Hauptgrundsatz des Perimeterwesens fest und konkretisiert die allgemeinen Rechtsprinzipien der Rechtsgleichheit und der Verhältnismässigkeit (LGVE 1974 II Nr. 6). Die Beitragspflicht an Baukosten gründet im wirtschaftlichen Sondervorteil durch das öffentliche Werk (Otzenberger, Die Grundeigentümerbeiträge im Kanton Luzern, Luzern 1976, S. 64).

Aus der Gefahrenkarte D vor Realisierung der Schutzbauten geht hervor, dass sich das Grundstück Nr. y, GB Flühli, vollständig in der roten Gefahrenzone befand. Die rote Gefahrenzone bedeutet gemäss dem Bericht zur Gefahrenkarte, dass Personen sowohl innerhalb als auch ausserhalb von Gebäuden gefährdet sind und mit der Zerstörung von Bauten zu rechnen ist. Die Gefahrenkarte zeigt, wo welche Gefahrenprozesse, mit welcher Intensität und welcher Wiederkehrperiode zu erwarten sind. Die Intensitäten von Ereignissen werden dabei für drei Wiederkehrperioden bestimmt. Ohne Schutzbauten wäre das Grundstück bereits bei einem 30-jährlichen Murgangereignis mehrheitlich von schwacher bis mittlerer Intensität betroffen. Bei einem 100-jährlichen Ereignis wäre bereits das gesamte Gebäude von starker Intensität betroffen und bei einem 300-jährlichen Ereignis das gesamte Grundstück. Nach Realisierung der Schutzbauwerke ist das Grundstück bis zum 30-jährlichen Ereignis komplett vor Murgängen geschützt. Ein 100-jährliches Ereignis hat für das Gebäude und den Grossteil des Grundstücks schwache bis mittlere Intensitäten zur Folge und ein 300-jährliches Ereignis wirkt auf das gesamte Gebäude und einen grossen Teil des Grundstücks mit mittleren Intensitäten ein. Lediglich ein Teil des Grundstücks bleibt in diesem Fall von starker Intensität betroffen. Einzig dieser Teil verbleibt aufgrund dessen in der roten Gefahrenzone, während die restliche Grundstückfläche sowie das gesamte Gebäude der blauen Gefahrenzone zugeordnet werden können. Diese Zuordnung bedeutet, dass Personen innerhalb von Gebäuden kaum gefährdet sind. Plötzliche Gebäudezerstörungen sind nicht zu erwarten, falls die entsprechenden Auflagen bezüglich Bauweise beachtet werden, mit Schäden an Bauten ist jedoch weiterhin zu rechnen. Damit entstehen der Beschwerdeführerin durch die Schutzbauten eindeutig Vorteile bezüglich der Sicherheit, da sowohl die Gefährdung von Personen als auch von Bauten reduziert werden kann. So wird das Grundstück von einem 30-jährlichen Ereignis gar nicht mehr betroffen und ist mit einer Zerstörung des Gebäudes auch bei einem 300-jährlichen Ereignis nicht mehr zu rechnen. Damit führen die Schutzbauten auch zu einem raumplanerischen Vorteil, da ein Grossteil des Grundstücks (…) in der Bauzone verbleiben darf, während ohne Verbauung aufgrund der roten Gefahrenzone ein Bauverbot hätte auferlegt werden müssen. […].

Am raumplanerischen Vorteil vermag auch der Umstand, dass der in der Gefahrenzone rot verbleibende Teil des Grundstücks der Grünzone zugeteilt wurde, nichts zu ändern. Wie von der Vorinstanz zutreffend ausgeführt wurde, stellt die Grünzone nach § 50 PBG ebenfalls eine Bauzone dar. Dies ergibt sich aus Wortlaut und Systematik des PBG (vgl. §§ 35 Abs. 2 und 44 ff. PBG, insb. § 50 PBG; vgl. zum Ganzen Urteil des Verwaltungsgerichts Luzern V 08 73 / V 09 166 vom 1.2.2010 E. 4a). Nach § 50 Abs. 1 PBG dient die Grünzone der Erhaltung und Schaffung von Freiflächen im Baugebiet (lit. a), der Gliederung grösserer zusammenhängender Baugebiete, insbesondere zur Trennung von Wohn- und Arbeitsgebieten sowie von Quartieren und Gemeinden (lit. b) oder der Sicherung von Grund- und Quellwasserschutzzonen im Siedlungsgebiet (lit. c). In der Grünzone zulässig sind Bauten, Anlagen und Nutzungen, die dem Zonenzweck entsprechen und die das Bau- und Zonenreglement für die betreffende Zone konkret vorsieht (§ 50 Abs. 2 PBG). In der hier betroffenen Grünzone 2 ist die Nutzung als Hausumschwung oder eine parkartige Gestaltung zulässig. Zudem können Kleinbauten im Sinne von § 132 Abs. 1 PBG, die nicht dem dauernden Aufenthalt von Menschen und Tieren dienen können, zugelassen werden, sofern deren Erstellung nicht zu einer Erhöhung der Gefahr auf anderen Grundstücken führt. Ebenfalls zulässig sind Erschliessungsstrassen und Wege; im Übrigen landwirtschaftliche Bewirtschaftung oder Pflegeschnitte (Art. 26 des Bau- und Zonenreglements [BZR] der Gemeinde Flühli). Der Beschwerdeführerin ist damit nach wie vor eine entsprechende Nutzung dieses Grundstückteils möglich.

Das Grundstück Nr. y, GB Flühli, erfährt damit aus dem Wasserbauprojekt einen Sondervorteil sowohl in raumplanerischer Hinsicht als auch mit Bezug auf die Sicherheit. […].

3.3.
Die Beschwerdeführerin rügt weiter, der angefochtene Entscheid verletze § 7 PV. Dieser hält fest, dass Grundlagen für die Berechnung der Höhe des einzelnen Beitrags einerseits die Fläche, der Katasterwert, der Gebäudeversicherungswert oder ein anderes geeignetes Grundmass sowie andererseits die Klassenzahl des von der Gemeinde als beitragspflichtig erachteten Grundstücks oder Grundstückteils bilden. Das Grundmass ist ein mit dem jeweiligen Grundstück verbundener Wert, der losgelöst vom bestimmten Werk oder der öffentlichen Anlage besteht und so abstrakt eine rechnerisch nachvollziehbare Einordnung der in den Perimeter einbezogenen Grundstücke erlaubt (LGVE 2012 II Nr. 30 E. 5a). Dabei legt die Gemeinde für die Beitragsberechnung beim einzelnen Werk dasjenige Grundmass fest, das eine sachgerechte Verteilung der Beitragspflicht ermöglicht. Entstehen den interessierten Grundstücken aus dem öffentlichen Werk verschiedenartige Sondervorteile, kann die Gemeinde entsprechende Kostengruppen bilden. Für einzelne Kostengruppen können unterschiedliche Grundmasse festgelegt werden (§ 8 Abs. 1 und 2 PV).

Mit der Revision der Perimeterverordnung von 1994 wurde die Möglichkeit geschaffen, für den Kostenverteiler Kostengruppen mit unterschiedlichem Grundmass zu bilden, wenn Grundstücken aus einem öffentlichen Werk verschiedenartige Sondervorteile entstehen (vgl. § 8 Abs. 2 PV). Auf diese Weise soll es dem Gemeinderat ermöglicht werden, eine möglichst sachgerechte und dem Einzelfall angepasste Lösung zu finden (vgl. Erläuterungen des Baudepartements zur Revision 1994, S. 6). Kostengruppen mit unterschiedlichen Grundmassen sind folglich zulässig und widersprechen § 7 PV nicht.

Im vorliegenden Fall ist es denn auch sachgerecht, verschiedene Grundmasse anzuwenden. Diese dienen der besseren Annäherung an die konkreten Verhältnisse. Würde im Kostenverteiler nur eines der Grundmasse verwendet, kämen bei einem Abstellen auf dem Gebäudeversicherungswert unverhältnismässig hohe Kosten auf die Eigentümer überbauter Grundstücke zu. Würde einzig die Fläche als Grundmass genommen, profitierten die überbauten Grundstücke unverhältnismässig, weil der massgebende zu schützende Sachwert, das Gebäude, nicht berücksichtigt würde. Zudem entstehen Personenrisiken vor allem bei überbauten Grundstücken. Diesen resultiert deshalb ein zusätzlicher Vorteil bezüglich Sicherheit. Die Verwendung beider Grundmasse ist im vorliegenden Fall demnach notwendig, um den besonderen Verhältnissen der verschiedenen Grundstücke Rechnung zu tragen und eine angemessene Verteilung der Beiträge zu erzielen.

Zudem vermag die Beschwerdeführerin nicht aufzuzeigen, ob die Neuberechnung der Beitragspflicht anhand der von ihr vorgeschlagenen Kriterien eine wesentliche Änderung in der anteilsmässigen Beitragspflicht zu ihren Gunsten bewirken würde. Demgegenüber zeigt die Vorinstanz auf, dass die Beschwerdeführerin bei einem Verzicht auf Kostengruppen und einem Abstellen auf der Gebäudeversicherungssumme als Grundmass insgesamt einen höheren Beitrag bezahlen müsste. […].

3.4.
Ebenfalls nicht zutreffend sind die Ausführungen der Beschwerdeführerin, wonach die Vorinstanz darauf verzichtet habe, eine Klassenzahl festzulegen, sondern diese durch den raumplanerischen sowie sicherheitsrelevanten Nutzen ersetzt habe. Die Klasse ist ein Wert, der namentlich das Verhältnis des Grundstücks zum bestimmten Werk wiedergibt und insofern den konkreten Vorteil zum Ausdruck bringen soll. Grundsätzlich wird also mit der Klasse die Grösse des Vorteils berücksichtigt, die den Grundstücken aus dem betreffenden Werk erwachsen. Im Verhältnis zwischen Grundmass und Klassenzahl ist der zweite Faktor, die Klassenzahl, dem ersten Faktor von der Bedeutung her zumindest ebenbürtig, wenn nicht überlegen. Dies gründet darin, dass das Grundmass eine feste Grösse bildet, wogegen die Klassenzahl je nach Bedeutung der sie bestimmenden Elemente zwischen den Werten 1 und 12 oder ausnahmsweise einer höheren Klassenzahl liegen kann (LGVE 2012 II Nr. 30 E. 5a).

Die Vorinstanz hat sowohl in der Kostengruppe des raumplanerischen Nutzens als auch in jener der Sicherheit ein Punktesystem verwendet. In der ersten Kostengruppe wird die Gefahrenzone vor der Verbauung mit derjenigen nach der Verbauung verglichen. Je mehr ein Grundstück von der Verbauung profitiert, desto höher ist die Punktzahl. Dabei beträgt die maximale Punktzahl 24 und wird eingesetzt, wenn ein Grundstück vor der Verbauung der roten Gefahrenzone zugehörte und danach keiner Gefährdung mehr ausgesetzt ist. In der Kostengruppe Sicherheit werden Intensitäten von 300-, 100- und 30-jährlichen Ereignissen vor und nach der Verbauung verglichen und ebenfalls mit Punkten bewertet, wobei die maximale Summe wiederum 24 Punkte beträgt. Diese Punkte entsprechen der Klassenzahl im Sinne der §§ 7 lit. b und 9 PV. Die Perimeterverordnung sieht die bestehende und künftig mögliche Art der Nutzung (hier raumplanerischer Nutzen) sowie die Beseitigung drohender Gefahren (hier Sicherheit) ausdrücklich als zu berücksichtigende Aspekte vor. Auch gegen die hier verwendete Anzahl Klassen ist nichts einzuwenden. Zwar sind gemäss § 9 Abs. 1 PV im Regelfall nicht mehr als zwölf Klassen zu bilden. Für den Fall, dass diese zwölf Klassen für die Einreihung der Grundstücke nicht ausreichen sollten, kann die Anzahl der Klassen jedoch ausnahmsweise erhöht werden (LGVE 2012 II Nr. 30 E. 5a; Meyer, Zur neuen luzernischen Perimeterverordnung, ZBl 1979, S. 397). Mit der Revision der Perimeterverordnung von 1994 wurde der Grundsatz, wonach höchstens zwölf Kassen gebildet werden durften, bewusst geschwächt (vgl. Erläuterungen des Baudepartements zur Revision 1994, S. 8). Eine Einreihung in 24 statt 12 Klassen erscheint vorliegend sachgerecht, um den besonderen Verhältnissen Rechnung zu tragen und eine noch genauere Verteilung der Kosten zu erreichen.

[Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wurde abgewiesen.]