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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:1. Abteilung
Rechtsgebiet:Zivilprozessrecht
Entscheiddatum:28.03.2018
Fallnummer:1B 17 44
LGVE:2018 I Nr. 2
Gesetzesartikel:Art. 113 Abs. 1 und 2 ZPO; Art. 135 lit. b ZPO.
Leitsatz:Die Kosten- und Entschädigungsfreiheit im Schlichtungsverfahren bezieht sich auch auf das kantonale Rechtsmittelverfahren.



Es besteht kein Anspruch auf eine Terminverschiebung. Die Partei kann nicht davon ausgehen, dass ihrem Verschiebungsgesuch automatisch entsprochen wird, und einfach der Verhandlung fern-bleiben. Erscheint sie zum angesetzten Termin nicht, ohne sich nach dem Verschiebungsentscheid erkundigt zu haben, treffen sie die Säumnisfolgen.

Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:Aus den Erwägungen:

3.1.
Bei Säumnis der klagenden Partei an der Schlichtungsverhandlung gilt das Schlichtungsgesuch als zurückgezogen; das Verfahren wird als gegenstandslos abgeschrieben (Art. 206 Abs. 1 der Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO; SR 272]).

Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist die Abschreibung des Schlichtungsverfahrens als gegenstandslos wegen Säumnis der klagenden Partei infolge Nichterscheinens an der Schlichtungsverhandlung gemäss Art. 206 Abs. 1 ZPO ein gesetzlich besonders geregelter Fall der Abschreibung wegen Gegenstandslosigkeit nach Art. 242 ZPO. Eine entsprechende Abschreibungsverfügung stellt eine prozessleitende Verfügung besonderer Art dar und untersteht nach Massgabe von Art. 319 lit. b ZPO unabhängig vom Streitwert – den die Klägerin vorliegend mit Fr. 62'400.-- beziffert – der Beschwerde (BGer-Urteil 4A_131/2013 vom 3.9.2013 E. 2.2.2.2).

Die Berufung der Klägerin ist als Beschwerde (Art. 319 ff. ZPO) entgegenzunehmen.

(…)

6.1.
Gemäss Art. 135 lit. b ZPO kann das Gericht einen Erscheinungstermin aus zureichenden Gründen verschieben, wenn es vor dem Termin darum ersucht wird. Die Behörde "kann" einen Termin verschieben, d.h. es besteht kein Anspruch auf eine Verschiebung (BGer-Urteil 5A_121/2014 vom 13.5.2014 E. 3.3).

6.2.
Die Schlichtungsbehörde lud die Parteien am 4. Juli 2017 zur Schlichtungsverhandlung vom 14. Juli 2017 vor. Am 7. Juli 2017 wandte sich die Klägerin telefonisch an die Schlichtungsbehörde und teilte mit, dass sie am 14. Juli 2017 nicht an die Schlichtungsverhandlung kommen könne. Sie habe an diesem Tag Geburtstag, sie könne aus gesundheitlichen Gründen nie morgens an einer Verhandlung teilnehmen und sie habe einen behinderten Sohn, den sie betreuen müsse; am 14. Juli 2017 werde sie sicher nicht erscheinen. Die zuständige Fachbearbeiterin teilte der Klägerin mit, sie müsse ein Verschiebungsgesuch schriftlich und begründet stellen, und wies darauf hin, dass ein Nichterscheinen als unentschuldigtes Nichterscheinen qualifiziert würde.

Mit auf 10. Juli 2017 datiertem, am 12. Juli 2017 der Post übergebenem und am 13. Juli 2017 bei der Schlichtungsbehörde eingegangenem Schreiben wandte sich die Klägerin wie folgt an die Schlichtungsbehörde:

"Ich ersuche Sie höflichst, den Termin 14. Juli 2017, 10.15 Uhr zu verschieben. Wegen diversen Gründen kann ich morgens keine Termine vereinbaren. Für Ihr Verständnis besten Dank!"

Die Schlichtungsbehörde versah die Eingabe gleichentags, d.h. am 13. Juli 2017, mit dem Vermerk "nicht bewilligt" und versandte der Klägerin eine Kopie davon per A-Post.

6.3.
Im angefochtenen Abschreibungsbeschluss führte die Schlichtungsbehörde aus, obwohl die Klägerin bereits mit der Vorladung und dann noch einmal telefonisch über die Anforderungen an ein Verschiebungsgesuch und die Folgen eines ungenügenden Gesuchs informiert worden sei, habe sie ihr Gesuch vom 10. Juli 2017 nicht rechtsgenüglich begründet und spezifiziert.

Ob dies zutrifft oder ob bereits das Telefonat als Verschiebungsgesuch gelten konnte und die Klägerin der Aufforderung zum Ein- bzw. Nachreichen eines schriftlichen Gesuchs in der Folge korrekt nachkam, wie sie geltend macht, kann offenbleiben. Mit der Klägerin ist dazu immerhin festzuhalten, dass sie die im nachfolgenden schriftlichen Gesuch erwähnten "diversen Gründe" der zuständigen Sachbearbeiterin bereits anlässlich des Telefonats erläutert hatte (oben E. 6.2).
Offenbleiben kann auch, ob Verschiebungsgesuche formlos gestellt werden können, wie dies die Klägerin geltend macht. Dazu ist immerhin festzuhalten, dass sich die Klägerin diesfalls nicht darauf berufen könnte, die Zustellung der Ablehnung hätte nicht per A-Post versandt werden dürfen, sondern hätte gemäss Art. 138 Abs. 1 ZPO durch eingeschriebene Postsendung oder auf andere Art gegen Empfangsbestätigung zugestellt werden müssen. Jener Teil der Lehre, der die Möglichkeit eines formlosen Verschiebungsgesuchs befürwortet (vgl. z.B. Brändli/Bühler, Basler Komm., 3. Aufl. 2017, Art. 135 ZPO N 11), hält konsequenterweise fest, dass auch der Entscheid darüber an keine Form gebunden sei, was namentlich von Belang sei, wenn ein Verschiebungsgesuch – wie vorliegend (Eingang des Gesuchs am Vortag der Verhandlung) – erst kurz vor dem Vorladungstermin bei der Behörde eingehe (vgl. Brändli/Bühler, a.a.O., Art. 135 ZPO N 27).

Offenbleiben kann weiter, ob die Schlichtungsbehörde das Verschiebungsgesuch hätte gutheissen müssen, wie dies die Klägerin geltend macht. Dazu und zum Einwand der Klägerin, ihr hätte in Ausübung der richterlichen Fragepflicht nach Art. 56 ZPO eine Nachfrist zur Ergänzung der Begründung und zum Einreichen von Belegen angesetzt werden müssen, ist immerhin festzuhalten, dass die Klägerin bereits anlässlich des Telefonats vom 7. Juli 2017 darauf hingewiesen wurde, dass sie dem schriftlichen Gesuch ein allfällig vorhandenes Arztzeugnis beilegen solle, dass die Klägerin ihrem Gesuch keine Belege beifügte und dass die Eingabe erst am Vortag des Termins bei der Schlichtungsbehörde einging. Als zureichender Verschiebungsgrund gelten im Übrigen "(massive und vielfältige) gesundheitliche Probleme" nur dann, wenn sie eine Verhandlungsunfähigkeit begründen. Falls eine solche Krankheit längere Zeit dauert oder eine vorgeladene Person aus einem anderen zureichenden Grund längere Zeit verhindert ist, einer Vorladung Folge zu leisten und an einer Verhandlung teilzunehmen, ist diese Person im Schlichtungsverfahren berechtigt (Art. 204 Abs. 3 lit. b ZPO) und verpflichtet, sich vertreten zu lassen (Brändli/Bühler, a.a.O., Art. 135 ZPO N 12-14 und 19 f.).

Offenbleiben kann schliesslich auch die Frage, ob der ablehnende Verschiebungsentscheid eine (Kurz-) Begründung hätte enthalten müssen, wie dies die Klägerin geltend macht. Auch in diesem Zusammenhang ist immerhin daran zu erinnern, dass die Eingabe der Klägerin erst am Vortag des Termins bei der Schlichtungsbehörde einging; die Behörde darf ein verzögertes Gesuch ohne materielle Prüfung abweisen (vgl. Brändli/Bühler, a.a.O., Art. 135 ZPO N 9 und 34).

6.4.
Offenbleiben kann all dies aus folgendem Grund: Wie erwähnt besteht kein Anspruch auf eine Verschiebung (oben E. 6.1). Eine Vorladung ist solange gültig, als sie von der Behörde nicht widerrufen ist. Erhält eine Partei von der Behörde keine Antwort auf ein Verschiebungsgesuch, muss sie von der Gültigkeit der Vorladung ausgehen (BGer-Urteil 5A_121/2014 vom 13.5.2014 E. 3.3 mit Hinweisen). Eine vorgeladene Person darf sich – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht darauf verlassen, ihr Verschiebungsgesuch werde durch die Behörde schon bewilligt (Urteil des Obergerichts Zürich LC110072 vom 23.12.2011 E. 2.3). Sie kann nicht davon ausgehen, dass ihrem Verschiebungsgesuch automatisch entsprochen wird, und einfach der Verhandlung fernbleiben (LGVE 2006 I Nr. 30). Erscheint eine Partei zum angesetzten Termin nicht, ohne sich nach dem Verschiebungsentscheid erkundigt zu haben, treffen sie die Säumnisfolgen (BGer-Urteil 5A_121/2014 vom 13.5.2014 E. 3.3 mit Hinweisen).

Es besteht kein Grund, im vorliegenden Fall von dieser klaren und konstanten Rechtsprechung abzuweichen. Die Eingabe der Klägerin ging erst am Vortag des Termins bei der Schlichtungsbehörde ein; die Klägerin erkundigte sich nicht nach dem Verschiebungsentscheid und erschien zum angesetzten Termin nicht. Entsprechend treffen sie die Säumnisfolgen, d.h. ihr Schlichtungsgesuch hatte als zurückgezogen zu gelten und das Verfahren war als gegenstandslos abzuschreiben (Art. 206 Abs. 1 ZPO).

6.5.
Nach dem Gesagten ist die Berufung (recte: Beschwerde) bzw. der mit ihr gestellte Antrag auf Aufhebung des Abschreibungsbeschlusses und Rückweisung an die Schlichtungsbehörde zur Durchführung einer neuen Schlichtungsverhandlung abzuweisen.

7.
Aufgrund des Ausgangs des Verfahrens würde die Klägerin an sich kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Im Schlichtungsverfahren in Streitigkeiten aus Miete von Wohnräumen werden indes keine Gerichtskosten erhoben und generell in Schlichtungsverfahren keine Parteientschädigungen zugesprochen (Art. 113 Abs. 1 und Abs. 2 lit. c ZPO). Die Kosten- und Entschädigungsfreiheit bezieht sich grundsätzlich auch auf das kantonale Rechtsmittelverfahren (Beschlüsse des Obergerichts Zürich RU160084 vom 19.1.2017 E. 5, RU120053 vom 20.9.2012 E. 3 und PD110005 vom 23.6.2011 E. 2; Zotsang, Prozesskosten nach der Schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich 2015, S. 28 f. und 32 f., mit Hinweisen; Jenny, in: Komm. zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [Hrsg. Sutter-Somm/Hasenböhler/ Leuenberger], 3. Aufl. 2016, Art. 113 ZPO N 3; a.A. Rüegg/Rüegg, Basler Komm., 3. Aufl. 2017, Art. 113 ZPO N 6). Auch unter dem Aspekt, dass es ausschliesslich um die Frage ging, ob das eigentliche Schlichtungsverfahren (in Form einer erneuten Vorladung zum Schlichtungsversuch) weiterzuführen sei oder nicht, erweist sich die Entschädigungsfreiheit vorliegend als sachgerecht (vgl. Jenny, a.a.O., Art. 113 ZPO N 5 mit Hinweis auf Botschaft ZPO S. 7300).