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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:4. Abteilung
Rechtsgebiet:Erlassprüfung
Entscheiddatum:10.08.2018
Fallnummer:7R 18 1
LGVE:2018 IV Nr. 13
Gesetzesartikel:§§ 127; 188; 191 und 201 VRG.
Leitsatz:Das Verfahren betreffend die verwaltungsgerichtliche Prüfung von Erlassen (Normprüfungsverfahren) ist nach der Konzeption des VRG/LU kein Rechtsmittelverfahren. Dem obsiegenden – bzw. teilweise obsiegenden – Antragsteller steht in diesem Verfahren daher grundsätzlich keine Parteientschädigung zu (Präzisierung der Praxis).
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:Aus den Erwägungen:

1.-6. (gekürzt)
Am 5. Juni 2016 nahmen die Stimmberechtigten von Ruswil das "Reglement über die Parkplatzgebühren" an. Der Regierungsrat genehmigte den Erlass. Mit einer als "Normprüfungsverfahren gemäss §§ 188 ff. des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege" (VRG; SRL Nr. 40) bezeichneten Eingabe an das Kantonsgericht liess – nebst einer Aktiengesellschaft (AG) – A zur Hauptsache den Antrag auf Aufhebung des Reglements stellen. Das Kantonsgericht wies den Prüfungsantrag ab. Dagegen erhob A Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, mit dem Antrag, Art. 1 Abs. 1 al. 4 des Erlasses sei aufzuheben. In seinem Urteil 2C_109/2017 vom 3. Juli 2018 hielt das Bundesgericht fest, Art. 1 Abs. 1 al. 4 des Reglements sei zu unbestimmt formuliert, weshalb es diese Bestimmung in Gutheissung der Beschwerde aufhob. Entsprechend diesem Ausgang des Verfahrens wies es die Sache zur Neubeurteilung der Kosten- und Entschädigungsfolgen an das Kantonsgericht zurück.

Das Kantonsgericht reduzierte die A im Verfahren 7R 16 1 auferlegten amtlichen Kosten um einen Drittel, sprach ihm aber trotz teilweisem Obsiegen vor Bundesgericht im kantonalen Normprüfungsverfahren keine Parteientschädigung zu.

7.
(…)

8.
8.1.
Anders als im kantonalen Normenkontrollverfahren 7R 16 1 beantragte A vor Bundesgericht nur noch die Aufhebung von Art. 1 Abs. 1 al. 4 des Reglements. Dieses Verfahrensziel erreichte er mit seiner Beschwerde im Verfahren 2C_109/2017. Vor Bundesgericht unbeanstandet blieben alle anderen Bestimmungen des Reglements, welche der Antragsteller noch im Verfahren vor Kantonsgericht zu Unrecht als mit übergeordnetem Recht nicht vereinbar erachtet hatte. Demzufolge ist davon auszugehen, dass der Antragsteller A im Verfahren vor Kantonsgericht – nicht wie zuvor angenommen – als vollumfänglich unterliegend gilt, sondern unter Berücksichtigung des Ausgangs des Verfahrens vor Bundesgericht als überwiegend unterliegend. Daher rechtfertigt es sich, die amtlichen Kosten des Verfahrens vor Kantonsgericht um einen Drittel zu reduzieren. Demnach hat der Antragsteller im Verfahren 7R 16 1 gestützt auf § 200 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRG; SRL Nr. 40) reduzierte amtliche Kosten in Höhe von Fr. z zu entrichten.

8.2.
Fraglich bleibt, ob nebst dem Antragsteller auch die Gemeinde Ruswil im Verfahren 7R 16 1 einen Anteil der amtlichen Kosten zu tragen hat. Das Bundesgericht hat im Urteil 2C_109/2017 vom 3. Juli 2018 in E. 5.6.3 festgehalten, dass die Gemeinde mit der Gebührenerhebungspflicht die optimale Nutzung des bestehenden knappen Parkraums erhöhen, das Verkehrsaufkommen lenken und das Mobilitätsverhalten beeinflussen will, um den Parkplatz-Suchverkehr einzuschränken, was – unter Umständen – legitime Anliegen sein können. Weiter hat es insbesondere erkannt, dass die Gemeinde mit dem streitbezogenen Reglement betreffend die Parkplatzgebühren keine Vermögensinteressen verfolgt (BGer-Urteil E. 6). Dieser Aspekt rechtfertigt, die Gemeinde im Verfahren 7R 16 1 nicht mit amtlichen Kosten zu belasten (vgl. § 200 Abs. 1 VRG).

8.3.
Zu prüfen ist weiter, ob der durch einen Rechtsanwalt vertretene Antragsteller A im Verfahren 7R 16 1 Anspruch auf eine Parteientschädigung hat.

8.3.1.
Zunächst ist festzuhalten, dass das Verfahren 7R 16 1 eine Normenkontrolle zum Gegenstand hat. Dabei handelt es sich nicht um ein Rechtsmittel (Kiener/Rütsche/Kuhn, Öffentliches Verfahrensrecht, 2. Aufl. 2015, N 1706; einlässlich: Ruckli, Zur Rechtsnatur der abstrakten Prüfung von Erlassen durch das Verwaltungsgericht unter spezieller Berücksichtigung des Luzerner Verwaltungsrechtspflegegesetzes, Diss. Basel 1978, S. 39 ff.). Daher ist das Normenkontrollverfahren in der VRG-Rechtsmittelliste gemäss § 127 lit. a - c VRG unerwähnt geblieben.

Gegenstand der Prüfung ist die Frage, ob eine Rechtsnorm gegen eine übergeordnete Bestimmung verstösst (§ 188 Abs. 1 VRG). Nach dem Gesagten ergibt sich, dass im Normenkontrollverfahren 7R 16 1 § 201 Abs. 1 VRG als Rechtsgrundlage für eine Parteientschädigung nicht zur Anwendung gelangt, weil diese VRG-Bestimmung explizit ein Rechtsmittelverfahren im Sinn des VRG voraussetzt (vgl. LGVE 1981 II Nr. 44).

8.3.2.
Beizufügen ist, dass die Rechtspflegeordnung im kantonalen Recht keine Rechtsgrundlage enthält, auf welche sich ein Antragsteller berufen könnte, um einen Parteientschädigungsanspruch geltend zu machen.

Anders als mit Bezug auf das Verfahren betreffend die verwaltungsgerichtliche Klage nach §§ 162 ff. VRG, bei welcher hinsichtlich der Kostenverlegung explizit auf die im VRG verankerten Bestimmungen betreffend die Verfahrenskosten verwiesen wird (§ 202 Abs. 2 VRG), fehlt in § 191 VRG ein analoger Rechtsverweis im Kontext der verwaltungsgerichtlichen Prüfung von Erlassen gemäss §§ 188 ff. VRG. Abgesehen davon wäre eine Anwendung von § 201 VRG im – atypischen – Verfahren der abstrakten Prüfung von Erlassen mit Blick auf prozessuale Belange auch nicht gerechtfertigt.

Wie bereits erwähnt, verfolgt die Gemeinde mit dem Reglement betreffend die Parkplatzgebühren andere als wirtschaftliche Interessen, worauf bereits das Bundesgericht im Urteil 2C_109/2017 verwiesen hat (E. 8.2). Weiter agiert die Gemeinde – bzw. präziser der Gemeinderat als Organ der Gemeinde – im vorliegenden Verfahren anders als eine Partei in einem Beschwerde- oder Klageverfahren. Hintergrund dafür ist die Erkenntnis, dass die abstrakte Normenkontrolle von vornherein nicht eine übliche, sondern eine atypische Aufgabe der Rechtspflege betrifft (vgl. dazu: Plüss, Kognition im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle, in: ZBl 2014 S. 423 ff.). Diese Überlegungen verdeutlichen, dass die Frage nach einer Parteientschädigung im Verfahren der verwaltungsrechtlichen Prüfung von Erlassen nicht gleich beantwortet werden kann, wie dies mit Bezug auf Verfahrensbeteiligte in Beschwerde- und Klageverfahren der Fall wäre (im Ergebnis in diesem Punkt analog: vgl. Fehmann-Leutwyler, Die prinzipale Normenkontrolle nach aargauischem Recht, Aarau 1988, S. 229 f. mit Hinweis auf die Aargauer Praxis). Beizufügen bleibt, dass dem im vorliegenden Verfahren handelnden Organ der Gemeinde, also dem Gemeinderat, weder grobe Verfahrensfehler noch eine offenbare Rechtsverletzung vorzuwerfen sind, weshalb sich ein Anspruch auf eine Parteientschädigung auch unter diesem Gesichtswinkel nicht rechtfertigen lässt (vgl. dazu auch § 201 Abs. 2 VRG).

8.3.3.
Sodann ist zu erwähnen, dass sich Antragsteller A mit Bezug auf den Anspruch auf eine Parteientschädigung auch nicht auf übergeordnetes Recht, insbesondere auf die Verfassung berufen kann, denn die Beantwortung der Frage nach einer Parteientschädigung in einem kantonalen Verfahren basiert auf der weitgehenden Organisationsautonomie der Kantone, soweit sie – wie hier – ihr eigenes Verfahrensrecht anwenden. Derlei verletzt weder Verfassungsrecht noch die Prinzipien der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ([EMRK; SR 0.101]; vgl. BGer-Urteil 1C_513/2015 vom 18.2.2016 E. 2 mit Hinweisen; LGVE 2005 II Nr. 47 E. 2a). Demnach bleibt es bei der Feststellung, dass im Verfahren 7R 16 1 keine Parteientschädigung zuzusprechen ist.

9.
(…)