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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:3. Abteilung
Rechtsgebiet:Invalidenversicherung
Entscheiddatum:19.03.2018
Fallnummer:5V 16 469
LGVE:2018 III Nr. 5
Gesetzesartikel:Art. 26 Abs. 1 IVV.
Leitsatz:Auch wenn mit dem Erwerb eines Berufsattests zureichende berufliche Kenntnisse erworben wurden, ist zu prüfen, ob diese auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt verwertet werden können. Konnte die versicherte Person auf dem ersten Arbeitsmarkt von Anfang an nie eine ihrer Ausbildung entsprechende Leistung erbringen, ist das Valideneinkommen gestützt auf Art. 26 Abs. 1 IVV zu ermitteln.
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Eine gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde beim Bundesgericht wurde mit Urteil vom 12. Oktober 2018 abgewiesen (9C_356/2018).
Entscheid:Aus den Erwägungen:

6.1
6.1.1
Für die Ermittlung des Valideneinkommens ist rechtsprechungsgemäss entscheidend, was die versicherte Person im Zeitpunkt des frühestmöglichen Rentenbeginns nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit im Gesundheitsfall tatsächlich verdienen würde, und nicht, was sie bestenfalls verdienen könnte. Dabei wird in der Regel am zuletzt erzielten, nötigenfalls der Teuerung und der realen Einkommensentwicklung angepassten Verdienst angeknüpft, da erfahrungsgemäss die bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt worden wäre. Ausnahmen von diesem Erfahrungssatz müssen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt sein (BGE 135 V 58 E. 3.1). Die Einkommensermittlung hat so konkret wie möglich zu erfolgen.

Konnte die versicherte Person wegen der Invalidität keine zureichenden beruflichen Kenntnisse erwerben, so entspricht das Erwerbseinkommen, das sie als Nichtinvalide erzielen könnte, bestimmten, nach Alter abgestuften Prozentsätzen des jährlich aktualisierten Medianwerts gemäss der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) des Bundesamtes für Statistik (BFS; Art. 26 Abs. 1 der Verordnung über die Invalidenversicherung [IVV; SR 831.201]). Als Erwerb von zureichenden beruflichen Kenntnissen im Sinn von Art. 26 Abs. 1 IVV ist der Abschluss einer Berufsausbildung zu betrachten. Dazu gehören auch Anlehren, wenn sie auf einem besonderen, der Invalidität angepassten Bildungsweg ungefähr die gleichen Kenntnisse vermitteln wie eine eigentliche Lehre oder ordentliche Ausbildung und der versicherten Person in Bezug auf den späteren Verdienst praktisch die gleichen Möglichkeiten eröffnen (BGer-Urteil 8C_335/2017 vom 6.10.2017 E. 6.1).

6.1.2
Die Beschwerdeführerin hat vorliegend zwar eine Attestausbildung als Pferdewartin absolvieren und auch abschliessen können. Allein der Umstand, dass mit dem Erwerb eines Berufsattests offensichtlich zureichende berufliche Kenntnisse erworben wurden, reicht allerdings nicht aus. Vielmehr ist zu prüfen, ob die versicherte Person die erworbenen Fähigkeiten auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt auch verwerten kann (vgl. BGer-Urteil 8C_335/2017 vom 6.10.2017 E. 6.2). Wie sich aus dem Gutachten von Dr. A ergibt, ist die Beschwerdeführerin in der Auffassung, in der Verbalisation, im Antrieb sowie in der Kontaktfähigkeit limitiert. Es ist von einem vorgeburtlich entwicklungsbedingten hirnorganischen Psychosyndrom unklarer Ätiologie auszugehen. Dr. A bestätigt auch explizit, dass die gesundheitlich bedingten Einschränkungen bereits während der Schule und der beruflichen Ausbildung bestanden haben, sodass die Versicherte nie eine höhere Leistungsfähigkeit erreichen konnte. Auf dem ersten Arbeitsmarkt konnte die Beschwerdeführerin demnach von Anfang an nie eine ihrer Ausbildung entsprechende Leistung erbringen. Das Valideneinkommen ist daher gestützt auf Art. 26 Abs. 1 IVV zu ermitteln.

6.1.3
Nachdem sich die Beschwerdeführerin am 28. August 2015 zum Bezug von IV-Leistungen angemeldet hat, ist der frühestmögliche Rentenbeginn auf 1. Februar 2016 (vgl. Art. 29 Abs. 1 IVG) festzusetzen. Das Valideneinkommen ist daher auf diesen Zeitpunkt hin zu ermitteln. Die am 21. März 1993 geborene Beschwerdeführerin war damals 22-jährig. Als Valideneinkommen ist daher in Anwendung von Art. 26 Abs. 1 IVV von Fr. 66'000.-- auszugehen (80 % von Fr. 82'500.--; siehe dazu IV-Rundschreiben Nr. 329, in Kraft seit 1.1.2015). Daran hat sich auch bis zum Zeitpunkt der angefochtenen Verfügung vom 26. Oktober 2016 nichts geändert.