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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:2. Abteilung
Rechtsgebiet:Zivilprozessrecht
Entscheiddatum:28.11.2018
Fallnummer:3C 18 16
LGVE:2019 II Nr. 1
Gesetzesartikel:Art. 99 Abs. 3 lit. b ZPO, Art. 284 Abs. 3 ZPO.
Leitsatz:Art. 99 Abs. 3 lit. b ZPO nennt ausdrücklich nur das Scheidungsverfahren, in welchem eine Sicherheitsleistung ausgeschlossen sein soll. Der Wortlaut dieser Bestimmung ist klar und bedarf keiner Auslegung. Gemäss Art. 284 Abs. 3 ZPO gelten für streitige Abänderungsverfahren die Vorschriften über die Scheidungsklage. Damit sind aber die Bestimmungen der Art. 290 ff. ZPO gemeint. Ein genereller gesetzlicher Verweis auf eine sinngemässe (oder auch akzessorische) Anwendung der Bestimmungen zum Scheidungsverfahren als solchem ist darunter nicht zu verstehen.

Somit ist festzuhalten, dass aufgrund des klaren Wortlauts der Bestimmung der Ausschluss von Art. 99 Abs. 3 lit. b ZPO für ein Urteilsabänderungsverfahren nicht gilt.

Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:Aus den Erwägungen:

2.2.
Dem Beschwerdegegner wurde die Beschwerde mit Verfügung vom 29. Oktober 2018 mit dem Hinweis, dass die Stellungnahme zur Beschwerde innert 10 Tagen seit Zustellung einzureichen sei, zugestellt (Zugang gemäss Sendungsnachverfolgung der Schweizerischen Post am 30.10.2018). Am 9. November 2018, dem letzten Tag der Frist zur Einreichung der Beschwerdeantwort, hat der Beschwerdegegner einen Sistierungsantrag eingereicht. Zusätzlich verlangte er, dass, falls dem Sistierungsantrag nicht entsprochen werde, eine erneute Frist zur Einreichung der Beschwerdeantwort anzusetzen sei.

Die Beschwerdeführerin widersetzte sich mit Eingabe vom 15. November 2018 dem Sistierungsantrag.

Anfechtungsgegenstand im vorliegenden Verfahren ist u.a. die Verfügung der Vorinstanz, in der das Gesuch der Beschwerdeführerin um Sicherheitsleistung für die Parteientschädigung abgewiesen worden ist. Der Beschwerdegegner macht nun geltend, er habe in der Zwischenzeit ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege eingereicht. Mit Gutheissung dieses Gesuchs würde das vorliegende Verfahren gegenstandslos.

Vorerst ist festzuhalten, dass gemäss Art. 326 Abs. 1 der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO; SR 272) neue Anträge, neue Tatsachenbehauptungen und neue Beweismittel im Beschwerdeverfahren ausgeschlossen sind. Von daher kann die Tatsache, dass der Beschwerdegegner am 8. November 2018 ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege eingereicht hat, im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden. Der Sistierungsantrag ist daher abzuweisen.

2.3.
Der Beschwerdegegner beantragt zudem, dass ihm bei Abweisung des Sistierungsantrags eine Frist zur Einreichung einer Beschwerdeantwort anzusetzen sei.

Die Beschwerdefrist gegen eine prozessleitende Verfügung beträgt 10 Tage (Art. 321 Abs. 2 ZPO). Gemäss Art. 322 Abs. 2 ZPO gilt für die Beschwerdeantwort die gleiche Frist wie für die Beschwerde.

Innert der gesetzlich vorgesehenen Frist hat der Beschwerdegegner keine Beschwerdeantwort eingereicht. Die mit Verfügung vom 29. Oktober 2018 angesetzte Frist endete am 9. November 2018. Spätestens an diesem Tag hätte der Beschwerdegegner gemäss Art. 143 Abs. 1 ZPO die Beschwerde­antwort einreichen müssen. Daran ändert auch das am letzten Tag der Frist eingereichte Sistierungsbegehren nichts. Der Beschwerdegegner konnte und durfte nicht darauf vertrauen, dass seinem Sistierungsantrag entsprochen wird. Mit einer Abweisung musste er rechnen und es musste ihm zudem auch bewusst sein, dass eine gesetzliche Frist gemäss Art. 144 Abs. 1 ZPO nicht erstreckt werden kann (vgl. BGE 141 III 554). Im Zeitpunkt des Eingangs des Sistierungsantrags beim Kantonsgericht, nämlich am 12. November 2018, war die gesetzliche Frist zur Abgabe der Beschwerdeantwort bereits abgelaufen. Auch eine Notfrist hätte dem Beschwerdegegner von Seiten des Gerichts nicht eingeräumt werden können, weil Art. 144 Abs. 1 ZPO die Erstreckung gesetzlicher Fristen explizit verbietet und dieses Verbot auch nicht mit einem solchen Vorgehen unterlaufen werden darf. Der Beschwerdegegner hätte die Möglichkeit gehabt, zusammen mit seinem Sistierungsantrag gleichzeitig die Beschwerdeantwort einzureichen.

Der Antrag auf erneute Ansetzung einer Frist zur Einreichung der Berufungsantwort ist daher abzuweisen.

3. Materielles
3.1.
Die Vorinstanz hat das Gesuch um Sicherheitsleistung mit Hinweis auf Art. 99 Abs. 3 lit. b ZPO abgewiesen. Die vom Beschwerdegegner beantragte Änderung der Scheidungsfolgen sei akzessorisch dem Scheidungsverfahren zuzuordnen.

Gemäss Art. 99 Abs. 3 lit. b ZPO ist im Scheidungsverfahren keine Sicherheit zu leisten. Es wäre mit der ehelichen Beistandspflicht und Unterhaltspflicht nicht vereinbar, die Einreichung einer Scheidungsklage oder eines Rechtsmittels in einem Scheidungsprozess von der Sicherheitsleistung eines Ehegatten abhängig zu machen (vgl. Rüegg/Rüegg, Basler Komm., 3. Aufl. 2017, Art. 99 ZPO N 21). Art. 99 Abs. 3 lit. b ZPO nennt ausdrücklich nur das Scheidungsverfahren, in welchem eine Sicherheitsleistung ausgeschlossen sein soll. Der Wortlaut dieser Bestimmung ist klar und bedarf keiner Auslegung. Hätte der Gesetzgeber eine Ausdehnung auf weitere Verfahren beabsichtigt, hätte er diese auch entsprechend bezeichnet. Gemäss Art. 284 Abs. 3 ZPO gelten für streitige Abänderungsverfahren die Vorschriften über die Scheidungsklage. Damit sind aber die Bestimmungen der Art. 290 ff. ZPO gemeint. Ein genereller gesetzlicher Verweis auf eine sinngemässe (oder auch akzessorische) Anwendung der Bestimmungen zum Scheidungsverfahren als solchem ist darunter nicht zu verstehen.

Somit ist festzuhalten, dass aufgrund des klaren Wortlauts der Bestimmung der Ausschluss von Art. 99 Abs. 3 lit. b ZPO für ein Urteilsabänderungsverfahren nicht gilt. Die Verfügung der Vorinstanz widerspricht daher den gesetzlichen Bestimmungen und ist aufzuheben (vgl. zum Ganzen auch den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft 410 18 55 vom 22.5.2018 E. 2.3).

3.2.
Gemäss Art. 327 Abs. 3 ZPO hebt die Rechtsmittelinstanz im Falle der Gutheissung der Beschwerde die prozessleitende Verfügung auf und weist die Sache an die Vorinstanz zurück oder entscheidet selbst bei Spruchreife der Sache. Spruchreife ist stets zu bejahen, wenn die Beschwerdeinstanz ohne zusätzliche Sachverhaltserhebungen entscheiden kann (Hoffmann-Nowotny/Stauber in: ZPO-Rechtsmittel Berufung und Beschwerde, Kommentar zu den Art. 308-327a ZPO, Kunz/Hoffmann-Nowotny/Stauber [Hrsg.], Basel 2013, Art. 327 ZPO N 13).

Vorliegend ist, entgegen den Darstellung der Beschwerdeführerin, Spruchreife nicht gegeben. Zwar wird in der Sache der Entscheid aufgehoben und über das Gesuch der Beschwerdeführerin wäre nun aufgrund der Aktenlage im Zeitpunkt der vorinstanzlichen Verfügung neu zu entscheiden. Nun ist aber zu beachten, dass selbst bei Gutheissung des Gesuchs um Sicherheitsleistung für die Parteientschädigung ein allfälliger Entscheid der Vorinstanz über das in der Zwischenzeit anhängig gemachte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege Auswirkungen auf die Pflicht zur Sicherheitsleistung haben kann. Art. 100 Abs. 2 ZPO sieht nämlich vor, dass das Gericht die zu leistende Sicherheit nachträglich erhöhen, herabsetzen oder aufheben kann. Es wäre daher nicht im Sinne der Prozessökonomie, wenn das Kantonsgericht nun einen Entscheid fällen würde, der je nach Ausgang des Verfahrens betreffend unentgeltliche Rechtspflege von der Vorinstanz gleich wieder abgeändert werden müsste. Nachdem über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege noch nicht entschieden worden ist, ist Spruchreife noch nicht gegeben und die Sache ist an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen.

3.3.
Bevor die Beschwerdeführerin im Urteilsabänderungsprozess zur Einreichung der Klageantwort aufzufordern ist, ist über das Gesuch um Sicherheitsleistung für die Parteientschädigung zu entscheiden. Daher sind Rechtsspruch Ziff. 2 und Ziff. 2 (recte Ziff. 3) der angefochtenen Verfügung vollumfänglich aufzuheben.