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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:4. Abteilung
Rechtsgebiet:Strassenverkehrsrecht
Entscheiddatum:20.02.2018
Fallnummer:7H 17 314
LGVE:2019 IV Nr. 1
Gesetzesartikel:§ 6 Abs. 1 lit. a und b des Gesetzes über die Verkehrsabgaben und den Vollzug des eidgenössischen Strassenverkehrsrechtes; § 5 Abs. 1 Strassenverkehrsverordnung.
Leitsatz:Erlass der Verkehrssteuer. Eine Behinderung genügt nur, wenn der Gesuchsteller deswegen zur Fortbewegung auf ein Fahrzeug angewiesen ist. Prüfung, ob im vorliegenden Fall diese Voraussetzungen erfüllt sind (E. 4).
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:Aus den Erwägungen:

1.
(Eintretensvoraussetzungen)

2.
2.1.
Gemäss § 6 Abs. 1 lit. a des Gesetzes über die Verkehrsabgaben und den Vollzug des eidgenössischen Strassenverkehrsrechtes (SRL Nr. 776; nachfolgend: Verkehrsabgabengesetz) wird die Verkehrssteuer auf Gesuch hin erlassen oder ermässigt für Fahrzeuge von Behinderten, die zur Fortbewegung auf die Benützung eines Fahrzeugs angewiesen sind und nicht in guten finanziellen Verhältnissen leben. Anspruch auf Erlass oder Ermässigung der Verkehrssteuer nach § 6 Abs. 1 lit. a und b des Gesetzes haben Personen, deren steuerbares Einkommen Fr. 60'000.-- nicht übersteigt (§ 5 Abs. 1 der Verordnung zum Gesetz über die Verkehrsabgaben und den Vollzug des eidgenössischen Strassenverkehrsrechtes [Strassenverkehrsverordnung; SRL Nr. 777]).

Damit müssen für den Erlass der Verkehrssteuer drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein: Die gesuchstellende Person ist behindert, ist aufgrund dieser Behinderung zur Fortbewegung auf die Benützung eines Fahrzeugs angewiesen und ihr steuerbares Einkommen liegt unter Fr. 60'000.--.

2.2.
Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass das Einkommen des Beschwerdeführers weniger als Fr. 60'000.-- beträgt. Strittig ist dagegen, ob die weiteren Voraussetzungen gemäss Verkehrsabgabengesetz erfüllt sind. Der Beschwerdeführer macht geltend, aufgrund seiner Krankheit sei er in seiner Fortbewegungsfähigkeit eingeschränkt (vgl. dazu hinten E. 4.1), weshalb er behindert im Sinn des Verkehrsabgabengesetzes sei. Demgegenüber gelangte die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid zum Schluss, die Umstände beim Beschwerdeführer würden nicht vom Behindertenbegriff nach § 6 Verkehrsabgabengesetz erfasst. Grundsätzlich ist mittels Auslegung – wie dies die Vorinstanz getan hat – zu ermitteln, wie der Behindertenbegriff im Bereich der Verkehrssteuer zu verstehen ist. Die diesbezüglichen Ausführungen der Vorinstanz erscheinen auf den ersten Blick und ohne nähere Prüfung im Grundsatz als nachvollziehbar. Wie es sich damit verhält und ob die Darlegungen des Beschwerdeführers in diesem Zusammenhang sich als genügend erweisen, kann aus nachfolgenden Gründen aber ebenso wie die Auslegung des Behindertenbegriffs dahingestellt bleiben (vgl. hinten E. 4.2).

3.
Generell stellt ein Steuererlass den Verzicht des Gemeinwesens auf einen ihm zustehenden Anspruch dar, mit welchem das öffentliche Vermögen vermindert wird (vgl. Blumenstein/Locher, System des Schweizerischen Steuerrechts, 7. Aufl. 2016, S. 421; Beusch, Der Untergang der Steuerforderung, Zürich 2012, S. 188). Anders als im Recht der direkten Steuern geht es aber beim Erlass der kantonalen Verkehrssteuer nicht darum, aus humanitären, sozialpolitischen oder volkswirtschaftlichen Gründen auf die Person des Gesuchstellers Rücksicht zu nehmen, um ihn nicht in seiner wirtschaftlichen Existenz zu gefährden (Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Handkomm. zum des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer [DBG; SR 642.11], 3. Aufl. 2016, Art. 167 DBG N 2), sondern dem Umstand Rechnung zu tragen, dass gewisse Verkehrs-Steuerpflichtige für die Fortbewegung auf ein Motorfahrzeug angewiesen (vgl. § 6 Verkehrsabgabengesetz) und deshalb Halter eines Motorfahrzeugs mit luzernischen Kontrollschildern sind (vgl. zur Steuerpflicht § 2 Verkehrsabgabengesetz).

Bei der Prüfung eines einen Verzicht auf Verkehrssteuern betreffenden Beschwerdeentscheids rechtfertigt es sich im Gegensatz zum Einsprache- und Verwaltungsbeschwerdeverfahren für das Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren, das mithin die Überprüfung eines bereits dreimal (im Gesuchs-, im Einsprache- und im Verwaltungsbeschwerdeverfahren) festgestellten Sachverhalts zum Gegenstand hat, eine Erweiterung der Mitwirkung in dem Sinn, dass der Betroffene die Richtigkeit seiner Vorbringen durch substantiierte Sachdarstellung und durch die Beschaffung bzw. Bezeichnung von Beweismitteln nachzuweisen hat (LGVE 1998 II Nr. 57; vgl. auch Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, a.a.O., Art. 140 DBG N 55 betreffend direkte Bundessteuer).

Genügend substantiiert ist die Sachdarstellung dann, wenn sie hinsichtlich Art, Motiv und Rechtsgrund all jene Tatsachenbehauptungen enthält, gestützt auf die – aber unter Vorbehalt einer Beweiserhebung – eine rechtliche Würdigung des geltend gemachten Verkehrssteuererlasses möglich ist. Das heisst, der Betroffene muss hinreichend substantiiert darlegen, weshalb er wegen seiner Behinderung zur Fortbewegung auf die Benützung eines Fahrzeugs angewiesen ist. Der Betroffene kann dies auch mithilfe neuer Tatsachen und Beweismittel tun (vgl. BGE 143 I 177 E. 2.5.3 und 135 II 369 E. 3.3). Fehlt es an einer in diesem Sinn genügenden Substantiierung, kann diese im Beweisverfahren nicht nachgeholt werden. Ebenso muss eine Beweisabnahme unterbleiben mit der Wirkung, dass der Nachweis für den Verkehrssteuererlass zuungunsten des hierfür beweisbelasteten Betroffenen als gescheitert zu betrachten ist (s. LGVE 2014 IV Nr. 12 E. 2.3 mit Hinweisen betreffend direkte Bundessteuer).

4.
4.1.
Der Beschwerdeführer bringt vor, wegen seiner Krankheit (Morbus Crohn) sei er für den Arbeitsweg auf die Benützung eines Autos angewiesen, weshalb ihm die Verkehrssteuer zu erlassen sei. Dazu ergibt sich was folgt:

4.1.1.
Bei Morbus Crohn handelt es sich um eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung. Typische Beschwerden sind vor allem Durchfälle, Bauchschmerzen, Fieber, Gewichtsverlust, Darmverengungen sowie Fisteln. Es werden vier typische Verlaufsformen unterschieden. Erstens, die Intensität der Symptome nimmt im Krankheitsverlauf ab (ca. 44 % der Betroffenen). Zweitens, die Symptome treten kontinuierlich im Krankheitsverlauf auf (ca. 24 % der Betroffenen). Drittens, die Symptome treten chronisch mit Unterbrüchen auf (ca. 29 % der Betroffenen) und viertens, die Intensität der Symptome nimmt zu (ca. 3 % der Betroffenen). Insgesamt ist das Krankheitsbild höchst unterschiedlich (vgl. Ausführungen der Schweizerischen Morbus Crohn Vereinigung, einsehbar unter: www.smccv.ch, Rubriken "Krankheit/Was ist Morbus Crohn").

4.1.2.
Der Beschwerdeführer legt dar, er leide unter häufigen und plötzlichen Darmentleerungen, die jederzeit und überall auftreten könnten. Durch die Erkrankung sei er beruflich und privat nach wie vor stark eingeschränkt. Insbesondere könne er nur in grossen Einkaufscentern mit genügenden WC-Anlagen einkaufen. Zudem sei es ihm nicht möglich, eine Konzert- oder Theateraufführung zu geniessen.

4.2.
Ob seine Krankheit den Beschwerdeführer derart beeinträchtigt, dass sie den Behinderungsbegriff des Verkehrsabgabengesetzes erfüllt, wäre erlassrechtlich allein dann relevant und zu prüfen, wenn die gesuchstellende Person deswegen zur Fortbewegung auf die Benützung eines Fahrzeugs angewiesen ist.

4.2.1.
Die diesbezüglichen Angaben genügen den Anforderungen an eine substantiierte Sachdarstellung, welche für sich schon die rechtliche Beurteilung erlaubte, nicht. So beschreibt der Beschwerdeführer sein Krankheitsbild sehr bruchstückhaft. Aus seinen Vorbringen wird nur klar, dass er an unkontrollierten Darmentleerungen leidet (vgl. vorne E. 4.1.2) und – offenbar – die Öffentlichkeit deswegen scheut. Darüber hinaus beschränkt er sich im Wesentlichen darauf, die Krankheit allgemein zu erläutern. Insbesondere legt er nicht, geschweige denn substantiiert, dar, inwiefern die Krankheit ihn in seiner Fortbewegungsfähigkeit ohne Motorfahrzeug einschränkt. Der blosse Hinweis, er müsse stets im Blick haben, wo sich die nächste Toilettenanlage befinde, lässt den erforderlichen Rückschluss nicht zu. Ebenso wenig ist ersichtlich, weshalb das Einkaufen in grösseren Einkaufscentern seine Bewegungsfreiheit einschränken sollte. Weiter lässt sich den Ausführungen des Beschwerdeführers auch nicht entnehmen, dass er im Auto (anders als in der Öffentlichkeit oder in öffentlichen Verkehrsmitteln) keine Krankheitsschübe erlebt. Erahnen lässt sich immerhin, dass er mutmasslich die Privatheit des eigenen Fahrzeugs bei allfälligen Darmentleerungen vorzieht. Offen bleibt aufgrund seiner Vorbringen aber weiter, ob er für die Bewältigung alltäglicher Lebensverrichtungen, wozu auch das Verlassen des Hauses gehört, nicht ohnehin entsprechende Vorkehren zur Vermeidung eines unerwünschten Aufsehens treffen muss. Im Weiteren ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer nur für den Arbeitsweg auf ein Auto angewiesen sein sollte. Schliesslich bleibt unklar, ob der Beschwerdeführer an weiteren Symptomen wie z.B. Bauchschmerzen leidet und inwiefern sich solche beim Lenken des eigenen Fahrzeuges beherrschen lassen.

4.2.2.
Unbehelflich ist sodann der Verweis des Beschwerdeführers auf das Arztzeugnis seiner behandelnden Ärztin, wonach er darauf angewiesen sei, mit dem Auto zur Arbeit fahren zu können. Im vorinstanzlichen Verfahren war es nach Ansicht der gleichen Ärztin aus psychiatrischen Gründen nur sinnvoll, wenn der Beschwerdeführer mit dem Auto zur Arbeit fährt. Die Gründe dafür (z.B. eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes), weshalb es im aktuellen Verfahren nicht mehr nur sinnvoll, sondern notwendig ist, werden weder von ihm dargelegt noch durch seine Ärztin dargetan und sind auch aus den Akten nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass der Verkehrssteuererlass mit der Behinderung zufolge des Morbus Crohn begründet, nicht aber wegen psychischer Gründe geltend gemacht wird. Für das Vorliegen von allfälligen Zwangsstörungen, die allenfalls ein Angewiesensein auf ein Fahrzeug zu begründen vermöchten, fehlen jegliche Anhaltspunkte.

4.2.3.
Insgesamt genügen die Ausführungen des Beschwerdeführers den Anforderungen an eine hinreichend substantiierte Sachdarstellung (vgl. vorne E. 3) nicht, so dass der Nachweis, weshalb er zur Fortbewegung auf die Benützung eines Fahrzeugs angewiesen sein sollte, von vornherein als gescheitert zu betrachten ist. Wie dargelegt (vgl. vorne E. 3), kann die geforderte Substantiierung im Beweisverfahren nicht nachgeholt werden. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Parteibefragung ist daher abzuweisen. Infolgedessen ist nicht zu prüfen, ob die Gefahr einer plötzlichen Darmentleerung den Erlass von der Verkehrssteuer rechtfertigen kann.

4.3.
Nach dem Gesagten ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz dem Beschwerdeführer den Erlass der Motorfahrzeugsteuer nicht gewährt hat. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

5.
(Kosten- und Entschädigungsfolgen)