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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:1. Abteilung
Rechtsgebiet:Zivilprozessrecht
Entscheiddatum:05.02.2019
Fallnummer:1C 19 1
LGVE:2019 I Nr. 2
Gesetzesartikel:Art. 160 Abs. 1 ZPO, Art. 161 Abs. 1 ZPO, Art. 163 ZPO, Art. 165 ZPO, Art. 166 ZPO, Art. 167 Abs. 1 und 3 ZPO
Leitsatz:Mitwirkungspflicht und Verweigerungsrecht bei der Beweiserhebung: Die Aufforderung des Gerichts zur Urkundenedition nach Prüfung der geltend gemachten Verweigerungsgründe ist mittels Beschwerde anfechtbar, die blosse Aufforderung zur Mitwirkung hingegen (noch) nicht.
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:Der Instruktionsrichter des Bezirksgerichts ersuchte die (am Prozess nicht als Partei beteiligte) Beschwerdeführerin mittels Verfügung, Unterlagen einzureichen. Die Verfügung enthielt u.a. die Hinweise, dass unter den Voraussetzungen von Art. 165 und 166 der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO; SR 272) die Herausgabe der Urkunden verweigert werden könne, dass ein entsprechendes Begehren geltend und glaubhaft zu machen sei, dass Säumnis die gleiche Wirkung wie eine unberechtigte Weigerung habe und dass das Gericht bei einer unberechtigten Weigerung die Sanktionen gemäss Art. 167 Abs. 1 ZPO anordnen könne. Sodann enthielt die Verfügung eine Rechtsmittelbelehrung, wonach sie innert zehn Tagen beim Kantonsgericht mit Beschwerde angefochten werden könne.

Aus den Erwägungen:

4.2.
Gemäss Art. 160 Abs. 1 ZPO sind Parteien und Dritte grundsätzlich zur Mitwirkung bei der Beweiserhebung verpflichtet. Sie haben insbesondere Urkunden herauszugeben, ausser es handle sich um anwaltliche Korrespondenz (vgl. Art. 160 Abs. 1 lit. b ZPO). Das Gegenstück zur Mitwirkungspflicht bilden die Verweigerungsrechte der Parteien (Art. 163 ZPO) und der Dritten (Art. 165 f. ZPO), welche die Mitwirkungsrechte eingrenzen. Das Gericht hat die Parteien und Dritte über die Mitwirkungspflicht, das Verweigerungsrecht und die Säumnisfolgen aufzuklären (Art. 161 Abs. 1 ZPO). Verweigert ein Dritter die Mitwirkung unberechtigterweise, so kann das Gericht eine Ordnungsbusse bis Fr. 1'000.-- anordnen, die Strafandrohung nach Art. 292 StGB aussprechen oder die zwangsweise Durchsetzung anordnen (Art. 167 Abs. 1 lit. a-c ZPO); der Dritte kann die gerichtliche Anordnung mit Beschwerde anfechten (Art. 167 Abs. 3 ZPO).

4.3.
In der Lehre ist umstritten, ob die Beschwerde nach Art. 167 Abs. 3 ZPO nur dann zulässig ist, wenn das Gericht effektiv Sanktionen androht, wobei es dann zulässig sein müsste, die Vorfrage von Bestand und Umfang der Mitwirkungspflicht mitzuprüfen, oder ob diese Beschwerde auch dann zur Verfügung steht, wenn das Gericht bloss die Mitwirkung bzw. eine bestimmte Beweismassnahme anordnet, ohne bereits Sanktionen vorzusehen. Das Bundesgericht hat diese Frage bislang offengelassen (BGer-Urteil 5A_384/2014 vom 12.12.2014 E. 4.1, mit Hinweisen).

Nach der Rechtsprechung des Obergerichts des Kantons Zürich ist die blosse Aufforderung zur Mitwirkung noch nicht mittels Beschwerde anfechtbar, sondern erst die definitive, mit Androhung einer Sanktion verbundene Aufforderung des Gerichts zur Urkundenedition nach Prüfung der geltend gemachten Verweigerungsgründe (Obergericht des Kantons Zürich, Beschluss RE150004-O/U vom 19.5.2015). Dem ist zuzustimmen. Als zu weitgehend erscheint, obwohl an sich dem Wortlaut von Art. 167 Abs. 3 ZPO entsprechend, die Auffassung, wonach auch die Androhung einer Sanktion noch nicht anfechtbar sein soll, sondern erst deren Anordnung (so z.B. Entscheid Kantonsgericht Graubünden vom 22.4.2014, PKG 2014 S. 82).

Die Urkundenedition Dritter erfolgt somit zweistufig: Zunächst wird der Dritte unter Hinweis auf die Verweigerungsrechte gemäss Art. 165 f. ZPO ersucht, bestimmte Urkunden einzureichen, und darauf aufmerksam gemacht, dass die unberechtigte Verweigerung im Sinne von Art. 167 Abs. 1 ZPO sanktioniert werden kann. Bestreitet der Dritte daraufhin seine Mitwirkungspflicht, so entscheidet das Gericht darüber, ob die geltend gemachten Verweigerungsgründe berechtigt sind oder nicht. Kommt es zum Schluss, dass die Verweigerung unberechtigt ist, erlässt es in einem zweiten Schritt eine erneute Aufforderung in Form einer Verpflichtung zur Einreichung der Urkunden unter Androhung der im Gesetz vorgesehenen Säumnisfolgen. Diese definitive Aufforderung ist mit Beschwerde anfechtbar, die blosse Anordnung der Mitwirkung hingegen noch nicht (Obergericht des Kantons Zürich, a.a.O., E. B.2).

4.4.
Die Vorinstanz hat vorliegend noch nicht definitiv über die Mitwirkungspflicht der Beschwerdeführerin entschieden und hat auch noch keine Sanktionen angedroht. Sie hat die Beschwerdeführerin in der angefochtenen Verfügung – in Anwendung des eben beschriebenen zweistufigen Verfahrens – erst zur Mitwirkung aufgefordert und sie ordnungsgemäss (Art. 161 Abs. 1 ZPO) über ihre Verweigerungsrechte, die Säumnisfolgen und mögliche Sanktionen bei ungerechtfertigter Verweigerung aufgeklärt. Gleichzeitig hat sie der Beschwerdeführerin Frist gesetzt, Verweigerungsrechte geltend und glaubhaft zu machen.

Die Beschwerdeführerin hat von der Möglichkeit, bei der Vorinstanz Einwendungen gegen die ihr auferlegte Urkundenedition zu erheben, Gebrauch gemacht, indem sie nicht nur die vorliegende Beschwerde erhob, sondern auch an die Vorinstanz gelangte und die Mitwirkungsverweigerung nach Art. 166 Abs. 2 ZPO geltend machte. Die Beschwerdeführerin gelangte sodann mit einer weiteren Eingabe an die Vorinstanz, nahm weiter Stellung zur Editionsverfügung, ersuchte um Berücksichtigung der Argumente in deren Entscheid und hielt an der Verweigerung der Mitwirkung fest. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin wird die Vorinstanz zu würdigen und danach über die Editionspflicht der Beschwerdeführerin definitiv zu entscheiden haben. Kommt sie zum Schluss, dass die Verweigerung unberechtigt ist, wird sie dies begründen und eine erneute Aufforderung in Form einer Verpflichtung zur Edition unter Androhung der Säumnisfolgen erlassen. Gegen eine solche Verfügung wäre dann nach dem Gesagten die Beschwerde gemäss Art. 167 Abs. 3 ZPO zulässig. Auf die vorliegend bereits gegen die Aufforderung zur Mitwirkung erhobene Beschwerde ist unter diesem Titel (vgl. Art. 319 lit. b Ziff. 1 i.V.m. Art. 167 Abs. 3 ZPO) nicht einzutreten (vgl. Obergericht des Kantons Zürich, a.a.O., E. B.2 f.).

4.5.
Soweit die Beschwerdeführerin allgemeine Beschwerdegründe vorbringt (unrichtige Rechtsanwendung, Verletzung des rechtlichen Gehörs, Vorliegen eines nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteils gemäss Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO), sind diese nicht stichhaltig. Entgegen ihrer Auffassung handelt es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um eine Beweisverfügung (solche ergehen vor den Beweisabnahmen, richten sich an die Parteien, bezeichnen die zugelassenen Beweismittel und bestimmen, welcher Partei zu welchen Tatsachen der Haupt- oder der Gegenbeweis obliegt; vgl. Art. 154 ZPO bzw. vorliegend Art. 158 ZPO) und sie bedurfte neben der Bezeichnung der Parteien und der zu edierenden Urkunden sowie den erfolgten Hinweisen auch keiner weiteren Begründung. Indem die Vorinstanz der Beschwerdeführerin Gelegenheit gab, vor Erlass der definitiven Aufforderung Einwendungen gegen die ihr auferlegte Urkundenedition zu erheben, wurde ihr rechtliches Gehör gewahrt. Deshalb und weil ihr auch noch keine Sanktionen angedroht wurden, hat sie derzeit nicht nur keinen nicht leicht wiedergutzumachenden, sondern noch gar keinen Nachteil erlitten. Der Vorinstanz ist mithin keine unrichtige Rechtsanwendung vorzuwerfen. Insoweit ist die Beschwerde abzuweisen.