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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Regierungsrat
Abteilung:-
Rechtsgebiet:Volksrechte
Entscheiddatum:19.02.2019
Fallnummer:RRE Nr. 152
LGVE:2019 VI Nr. 1
Gesetzesartikel:Art. 34 Abs. 2 BV; § 106 Abs. 1 StRG, § 10 Absatz 1 lit. c Ziff. 1 GG, § 11 FHGG
Leitsatz:Mit dem Beschluss über das Budget haben die Stimmberechtigten zwingend für jeden Aufgabenbereich einen Leistungsauftrag und ein entsprechendes Globalbudget in der Erfolgsrechnung beziehungsweise die entsprechenden Investitionsausgaben in der Investitionsrechnung festzusetzen. Anträge auf Budgetkürzungen sind von der Versammlungsleitung aufzunehmen. Es ist von ihr darzulegen, ob und wie diese umgesetzt werden können. Anträge auf eine pauschale Budgetkürzung sind nur insofern umsetzbar, als von den Stimmberechtigten konkrete Kürzungen in den Aufgabenbereichen beschlossen werden. Eine Delegation dieser Befugnis an die Exekutive ist nicht zulässig.
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:Im Dezember 2018 fand in der Gemeinde Z eine Gemeindeversammlung statt, an der über das Budget der Gemeinde für das Jahr 2019 zu beschliessen war. Im Rahmen der Diskussion zu diesem Traktandum stellte die Stimmberechtigte A den Antrag, dass das Globalbudget um 2 Prozent zu kürzen sei. Da der Gemeinderat die Ausgaben für die einzelnen Leistungen kenne, solle er entscheiden, wo diese Kürzungen am sinnvollsten umzusetzen seien. Vom Gemeindepräsidenten und der Gemeindeschreiberin wurde daraufhin erläutert, dass ein Antrag über eine generelle Ausgabenkürzung nicht entgegengenommen werden könne und ein solcher einer Budgetrückweisung entspreche. Der Antrag wurde nicht zur Abstimmung gebracht. In der Folge beschlossen die Stimmberechtigten das Budget mit dem Steuerfuss für das Jahr 2019. Gegen diesen Beschluss erhoben die Stimmberechtigten A und B Stimmrechtsbeschwerde.

Aus den Erwägungen:

5.1. Am 1. Januar 2018 ist das neue Gesetz über den Finanzhaushalt der Gemeinden vom 20. Juni 2016 (FHGG; SRL Nr. 160) in Kraft getreten. (…) Es sieht vor, dass alle kommunalen Aufgaben neu mittels politischer Leistungsaufträge mit Globalbudgets erfüllt werden. Damit lassen sich Aufgaben und Finanzen sinnvoll verknüpfen (vgl. Botschaft B 14 des Regierungsrates an den Kantonsrat vom 22. September 2015 betreffend das Gesetz über den Finanzhaushalt der Gemeinden, S. 2). Das Budget muss pro Aufgabenbereich einen politischen Leistungsauftrag sowie je einen Budgetkredit in der Erfolgsrechnung und in der Investitionsrechnung enthalten. Die Budgetkredite der Erfolgsrechnung werden als Saldo des Aufwandes und des Ertrags festgesetzt (Globalbudget). Aufwand und Ertrag werden separat ausgewiesen. Die Budgetkredite der Investitionsrechnung umfassen die Investitionsausgaben. Die Investitionseinnahmen werden separat ausgewiesen (§ 11 FHGG, vgl. Erläuterungen zu § 11 FHGG in der Botschaft B 14, S. 39; Handbuch zum FHGG, Kap. 2.3.1.1.3 Beschlussgegenstände). Globalbudgetierung bedeutet somit, dass für jeden Aufgabenbereich Aufwand und Ertrag nicht mehr kontenweise, sondern global als Saldo von den Stimmberechtigten beschlossen werden. Mit dem Budget beschliessen die Stimmberechtigten die Leistungen der Gemeinde und deren Finanzierung für ein Kalenderjahr (§ 10 Abs. 1 FHGG). Entsprechend bestimmt auch § 10 Absatz 1c Ziffer 1 des Gemeindegesetzes vom 4. Mai 2004 (GG; SRL Nr. 150), dass die Stimmberechtigten bei Finanzgeschäften mindestens über das Budget mit dem Steuerfuss zu beschliessen haben. Dies ist Ausfluss der Gewaltentrennung, wonach die Budgetkompetenz bei der Legislative liegt. Die Stimmberechtigten haben mit dem Beschluss über das Budget somit zwingend für jeden Aufgabenbereich einen Leistungsauftrag und ein entsprechendes Globalbudget in der Erfolgsrechnung beziehungsweise die entsprechenden Investitionsausgaben in der Investitionsrechnung festzusetzen. Eine Delegation dieser Befugnis an die Exekutive ist nicht zulässig.

(…)

5.3. Die Stimmberechtigten können an der Gemeindeversammlung Anträge in Bezug auf das Budget stellen. (….) Im Rahmen der Budgetdebatte ist nach erfolgter Diskussion über alle Anträge von Stimmberechtigten einzeln abzustimmen. Die Auswirkungen der angenommenen Anträge (also allenfalls Anpassungen bei den politischen Leistungsaufträgen, bei der Festsetzung eines Globalbudgets in der Erfolgsrechnung oder bei den Bruttoausgaben der Investitionsrechnung eines Aufgabenbereichs oder beim Steuerfuss) sind in den Antrag für die Schlussabstimmung zu übernehmen. Mit der Schlussabstimmung beschliessen die Stimmberechtigten in der Folge das Budget und legen damit gesamthaft jeweils die politischen Leistungsaufträge und die entsprechenden Budgetkredite in der Erfolgs- und in der Investitionsrechnung pro Aufgabenbereich verbindlich fest (vgl. §§ 106 und 118 Stimmrechtsgesetz [StRG] vom 25.10.1988, SRL Nr. 10; Handbuch FHGG, Kap. 2.3.1.1.3 Beschlussgegenstände Budget). Durch die Einführung von Globalbudgets verbunden mit Leistungsaufträgen für einen Aufgabenbereich werden die Aufgaben und die dazugehörigen Finanzen miteinander verknüpft (vgl. Botschaft B 14, S. 11), wobei es eben gerade in der Zuständigkeit der Legislative liegt, sowohl die Leistungen wie auch deren Finanzierung zu beschliessen (vgl. § 10 Abs. 1 FHGG). Anträge, welche eine pauschale Budgetveränderung verlangen, ohne dass zumindest dargelegt wird, bei welchen Leistungen beziehungsweise in welchen Aufgabenbereichen die Veränderungen vorgenommen werden sollen, widersprechen daher grundsätzlich dem System des neuen Finanzhaushaltsrechts der Gemeinden. (….) Anträge auf eine pauschale Budgetkürzung sind nur so weit möglich, als diese konkret mit Kürzungen in Aufgabenbereichen umgesetzt und entsprechend von den Stimmberechtigten beschlossen werden. Eine Delegation dieser Umsetzung an den Gemeinderat und die Verwaltung, wie dies die Beschwerdeführerinnen in der Beschwerde vorsehen, ist nicht zulässig. Ist eine solche Umsetzung direkt an der Gemeindeversammlung nicht möglich – was in der Regel insbesondere bei unangekündigten pauschalen Kürzungsanträgen der Fall sein dürfte –, hat dies zur Folge, dass der Gemeinderat bei Annahme eines solchen Antrags den Budgetentwurf – wie bei einem Rückweisungsantrag – im Sinn der beantragten Kürzung zu überarbeiten hat. Die Stimmberechtigten haben dann an einer späteren Gemeindeversammlung über den angepassten Budgetentwurf zu beschliessen.

5.4. Zur Umsetzung der Leitideen des neuen Finanzhaushaltsrechts sollte der Gemeinderat im Rahmen seiner Versammlungsleitung darauf hinwirken, dass an der Gemeindeversammlung in erster Linie über die Leistungen und deren Kosten und nicht über pauschale Budgetveränderungen diskutiert wird. Nur so kann er erfahren, welche Leistungen von einer Mehrheit der Stimmberechtigten gewünscht und welche nicht mehr oder in geringerem Masse gewünscht werden. Er hat jedoch gestellte Anträge aufzunehmen und darzulegen, ob und wie sie umgesetzt werden können. (…) Beim Antrag auf die pauschale Budgetkürzung wäre es Aufgabe der Versammlungsleitung gewesen, darauf hinzuweisen, dass es nicht möglich ist, nur das Gesamtbudget zu kürzen, sondern dass die Kürzung in Bezug auf die einzelnen Globalbudgets in den Aufgabenbereichen zu beschliessen ist. Um die Kürzung – wie von der Beschwerdeführerin A in der Gemeindeversammlung beantragt – in der gesamten Verwaltung umzusetzen, hätten die Stimmberechtigten somit beschliessen können, jedes Globalbudget um 2 Prozent zu kürzen oder die Einsparung der 2 Prozent in einer anderen Weise auf die verschiedenen Aufgabenbereiche zu verteilen. Erst wenn es an der Gemeindeversammlung nicht gelungen wäre, den Antrag auf pauschale Budgetkürzung dahingehend umzusetzen, dass die Globalbudgets in den verschiedenen Aufgabenbereichen ziffernmässig gekürzt und dergestalt beschlossen worden wären, hätte der Antrag der Beschwerdeführerin A bei Annahme eine Rückweisung des Budgets zur Folge gehabt.

Im Zusammenhang mit der Beratung und Diskussion eines solchen Antrages ist es für die Entscheidfindung der Stimmberechtigten hilfreich, wenn der Gemeinderat über die Auswirkungen einer derartigen Kürzung in den einzelnen Aufgabenbereichen informiert. So sind viele Ausgaben budgetmässig gebunden und müssen – zum Beispiel bei verbindlicher gesetzlicher Regelung oder unwiderruflicher Verpflichtung gegenüber Dritten – zwingend beschlossen werden (vgl. Handbuch FHGG, Kap. 2.3.2.5 Kürzungsmöglichkeit durch die Legislative). (…) Ob eine lineare Kürzung sämtlicher Aufgabenbereiche aufgrund der Gebundenheit vieler Ausgaben sachgerecht und überhaupt möglich wäre, erscheint fraglich. Wie ausgeführt wäre der Gemeinderat aber trotzdem gehalten gewesen, über die Umsetzungsmöglichkeiten des Antrags zu informieren und – soweit die Antragstellerin in Kenntnis der Auswirkungen den Antrag nicht zurückgezogen hätte – auch darüber abstimmen zu lassen. Aufgrund der Äusserung des Gemeinderates drehte sich die Diskussion in der Gemeindeversammlung indessen um die Rückweisung und deren Folgen, nämlich den budgetlosen Zustand. Daher ist es auch zu keiner Abstimmung über diesen Antrag gekommen. Indem der Gemeinderat den Antrag direkt als unzulässig beziehungsweise als Rückweisungsantrag qualifiziert hat, hat sie diesen nicht ordnungsgemäss behandelt. (…)

5.5. Zusammenfassend ist gemäss den obigen Ausführungen somit festzustellen, dass die Beschwerdeführerin A berechtigt war, an der Gemeindeversammlung (…) einen Antrag auf Kürzung des Budgets zu stellen. Der Gemeinderat hätte darüber informieren müssen, dass für die Umsetzung des Antrags durch die Stimmberechtigten Budgetkürzungen in den einzelnen Aufgabenbereichen zu beschliessen sind. Erst wenn an der Gemeindeversammlung nicht darüber hätte beschlossen werden können, wie die beantragte Kürzung auf die Globalbudgets der einzelnen Aufgabenbereiche umgesetzt werden soll, hätte dies nach Annahme des Antrags eine Rückweisung des Budgets zur Folge gehabt. Indem die Vorinstanz den Antrag direkt als unzulässig beziehungsweise als Rückweisungsantrag qualifiziert hat, hat sie diesen nicht ordnungsgemäss behandelt. Über den Antrag der Beschwerdeführerin A hätte daher, nach entsprechenden Erläuterungen durch die Vorinstanz (vgl. Erw. 5.4), abgestimmt werden müssen.