Drucken

Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:2. Abteilung
Rechtsgebiet:Zivilprozessrecht
Entscheiddatum:09.12.2019
Fallnummer:3B 18 67
LGVE:2020 II Nr. 4
Gesetzesartikel:Art. 289 Abs. 2 ZGB, Art. 293 Abs. 2 ZGB.
Leitsatz:Bei einer Herabsetzungsklage von Kinderunterhaltsbeiträgen ist die Passivlegitimation des bevorschussenden Gemeinwesens zu verneinen, da das Gemeinwesen kein Teilnahmeinteresse hat (E. 3.2.3.2), eine Interessenkollision drohen würde (E. 3.2.3.2), der Unterhaltsgläubiger gegenüber dem bevorschussenden Gemeinwesen meldepflichtig ist (E. 3.2.3.3), zahlreiche Praxisprobleme resultieren würden (E. 3.2.3.4), zessionsrechtliche Grundsätze missachtet würden (E. 3.2.3.5), gegen das Verbot des überspitzten Formalismus verstossen würde (E. 3.2.3.6), der Grundsatz der Unantastbarkeit des Existenzminimums des Unterhaltsschuldners verletzt würde (E. 3.2.3.7), bei der Bevorschussung durch das Gemeinwesen nicht das Stammrecht, sondern nur die mit der konkret bevorschussten Einzelforderung verbundenen Rechte und Nebenrechte subrogiert werden (E. 3.2.3.8), das kantonale Vollzugsrecht Vorrang vor dem bundesrechtlichen Kindesunterhaltsrecht erhalten würde (E. 3.2.3.9), keine passende zivilprozessuale Rechtsfigur besteht (E. 3.2.3.10), die Privatsphäre der Parteien eingeschränkt würde (E. 3.2.3.11) und das Ergreifen des Rechtsmittels in Fällen wie dem vorliegenden zur automatischen Verlängerung des überhöhten Unterhaltsanspruchs führen würde (E. 3.2.3.12).
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist noch nicht rechtskräftig.
Entscheid:
Aus den Erwägungen:

3. Passivlegitimation
(…)
3.2.
3.2.1.
Die Vorinstanz erwog, da die Gemeinde Z die Kinderunterhaltsbeiträge des Klägers bevorschusse, gehe der Kinderunterhaltsanspruch mit allen Rechten und Pflichten auf das Gemeinwesen über und dieses werde Gläubiger der Unterhaltsansprüche. Deshalb hätte der Kläger die Gemeinde Z neben dem Beklagten als Zweitbeklagte aufführen müssen. Die Klage sei daher aufgrund fehlender Passivlegitimation abzuweisen, soweit es sich um die bereits bevorschussten Unterhaltsbeiträge für die Vergangenheit handle. Bezüglich der künftigen Unterhaltsbeiträge ergebe sich ein solcher zwingender Beizug des bevorschussenden Gemeinwesens indes nicht (m.H. auf BGer-Urteil 5A_399/2016 vom 6.3.2017 E. 6 [= BGE 143 III 177], worin das Bundesgericht den vorinstanzlichen Entscheid bestätigt habe, die Unterhaltsbeiträge nur insoweit ab Rechtshängigkeit des Abänderungsverfahrens aufzuheben, als diese nicht bevorschusst worden seien und eine vollständige Aufhebung der Unterhaltsbeiträge erst auf den der Zustellung des Berufungsentscheids folgenden Monatsersten vorgenommen habe). Konkret bedeute dies, dass die Unterhaltsbeiträge, welche vorliegend vollumfänglich bevorschusst worden seien, frühestens nach Zustellung des vorinstanzlichen Urteils aufgehoben werden könnten (BG-Urteil E. 1.2).

Der Beklagte macht mit Hinweis auf BGE 143 III 177 geltend, das Urteil wirke erst nach Ablauf der bereits bis Mai 2019 bewilligten Bevorschussungen. Aufgrund der vom Beklagten beim Kantonsgericht eingereichten Verfügung der Stadt Z vom 22. Mai 2019, welche die Bevorschussung für ein weiteres Jahr bewilligte, ist implizit davon auszugehen, dass der Beklagte die Ansicht vertritt, das Urteil wirke erst nach Ablauf der inzwischen bereits bis Mai 2020 bewilligten Bevorschussung.

Der Kläger trägt dagegen vor, das Urteil wirke bereits rückwirkend per Zeitpunkt ein Jahr vor Rechtshängigkeit, auf jeden Fall per Rechtskraft des Abänderungsprozesses.

3.2.2.
Das Bundesgericht hat in BGE 143 III 177 E. 6 zur Frage der Passivlegitimation des Gemeinwesens im Zusammenhang mit der Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen Stellung bezogen. Als massgebliche gesetzliche Grundlage verwies es einleitend auf Art. 289 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB; SR 210), gemäss welchem der Anspruch auf Unterhaltsbeiträge dem Kind zustehe und, solange es minderjährig sei, durch Leistung an dessen gesetzlichen Vertreter oder an den Inhaber der Obhut erfüllt werde, soweit das Gericht es nicht anders bestimme (Art. 289 Abs. 1 ZGB). Komme jedoch das Gemeinwesen für den Unterhalt auf, so gehe der Unterhaltsanspruch mit allen Rechten auf das Gemeinwesen über (Art. 289 Abs. 2 ZGB). Die Bevorschussung erfolge nach kantonalem öffentlichem Recht (Art. 293 Abs. 2 ZGB). Beim Rechtsübergang nach Art. 289 Abs. 2 ZGB handle es sich um eine Legalzession (Subrogation).

Vor diesem gesetzlichen Hintergrund erwog das Bundesgericht, dass, soweit ein Gemeinwesen gerichtlich zugesprochene Unterhaltszahlungen bevorschusse, es zum Gläubiger der betreffenden Forderungen werde. Dies gelte auch für inskünftig fällig werdende Unterhaltsbeiträge, hinsichtlich derer die Bevorschussung bereits bewilligt sei. Nach allgemeiner Regel müsse der Unterhaltspflichtige daher (auch) das Gemeinwesen ins Recht fassen, wenn er den Umfang seiner Beitragsverpflichtung reduzieren lassen wolle. Insoweit seien im Falle einer teilweisen Subrogation sowohl das Kind (resp. dessen Vertreter) wie auch das Gemeinwesen nebeneinander passivlegitimiert. Es bestehe allerdings die Besonderheit, dass der Gegenstand der Herabsetzungsklage – nämlich das Dauerschuldverhältnis zwischen dem unterhaltsansprechenden Kind und dem unterhaltspflichtigen Elternteil – nicht identisch sei mit der konkreten, periodischen Unterhaltsforderung, die das Gemeinwesen (teilweise) bevorschusse bzw. bevorschussen werde. Die Passivlegitimation des Gemeinwesens durchbreche den Grundsatz, wonach allein der Zedent Adressat von Willenserklärungen des Schuldners bleibe, welche das Schuldverhältnis als Ganzes beträfen. Das Gemeinwesen subrogiere zunächst in die konkrete Unterhaltsforderung, zumal deren Bevorschussung massgebender Rechtsgrund – und Rechtfertigung – für den Eintritt des Gemeinwesens in die Rechtsstellung des Unterhaltsgläubigers sei. Mit der Legalzession würden abtretungsfähige Nebenrechte dieser periodischen Unterhaltsforderung auf den Zessionar übergehen (vgl. Art. 170 des Obligationenrechts [OR; SR 220]), darunter das Recht, die Schuldneranweisung zu verlangen (Art. 291 ZGB; BGE 137 III 193 E. 3.4 und 3.5), weiter gewisse betreibungsrechtliche Privilegien (BGE 138 III 145) und der Anspruch auf Sicherstellung (Art. 292 ZGB; vgl. BGE 138 III 145 E. 3.3.1). Im Falle einer Herabsetzungsklage verschaffe die Passivlegitimation dem Gemeinwesen darüber hinaus auch prozessuale Befugnisse, durch welche es auf das Dauerschuldverhältnis zwischen dem unterhaltsberechtigten Kind und dem unterhaltsverpflichteten Elternteil einwirken könne. Diese Befugnisse hätten gleichsam eine überschiessende Wirkung, weil sie nicht auf tatsächlich bevorschusste (oder noch zu bevorschussende) Unterhaltsansprüche beschränkt seien. Während das von der Herabsetzungsklage betroffene Kind die mit der einzelnen Forderung verbundenen Nebenrechte im Umfang der Legalzession verliere, tangiere die Subrogation die Gestaltungsrechte und prozessualen Befugnisse des Kindes hinsichtlich des Dauerschuldverhältnisses nicht. Mithin bleibe das Kind selbst dann neben dem Gemeinwesen passivlegitimiert, wenn dieses in zeitlicher und quantitativer Hinsicht vollständig in den Unterhaltsanspruch subrogiere (BGE 143 III 177 E. 6.3.3).

Eigenständige Bedeutung erlange – so das Bundesgericht in seiner weiteren Erwägung – die konkurrierende Passivlegitimation des Gemeinwesens, wenn sich das Kind einem Herabsetzungsbegehren des Unterhaltsschuldners nicht widersetze, weil es ihm nicht darauf ankomme, ob sein Barbedarf durch die Alimentenbevorschussung oder durch die Sozialhilfe gedeckt werde. Hier müsse das Gemeinwesen Herabsetzungsbegehren, die seiner Auffassung nach unbegründet seien, bestreiten können, was auch im wohlverstandenen Interesse des Kindes liege. Ohne – durch die Passivlegitimation vermittelte – Parteistellung wäre dies nicht möglich, weil das Gemeinwesen mangels entsprechender Rechtsgrundlage nicht zum Verfahren beigeladen werden könne. Überdies habe es ein eigenes Interesse daran, sich gegen eine Herabsetzung der während des Abänderungsverfahrens in ursprünglicher Höhe zu bevorschussenden Unterhaltsbeiträge zu wehren; denn soweit die Bevorschussung infolge einer Herabsetzung im Nachhinein ihren Rechtsgrund verliere, entfalle auch die Subrogation in einen Unterhaltsanspruch (BGE 143 III 177 E. 6.3.5).

Dieser Entscheid des Bundesgerichts wurde in der Lehre von Mani und Aebi-Müller bzw. Aebi-Müller/Droese erheblich kritisiert (siehe Mani, Praxisprobleme bei der Alimentenbevorschussung und der Vollstreckung von Unterhaltsbeiträgen, in: FamPra 2018 S. 940 ff. mit Hinweisen; Aebi-Müller, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2017; in: ZBJV 2018 S. 619 ff. mit Hinweisen; Aebi-Müller/Droese, Das Kind, der Staat und der Vorschuss, Das Bundesgericht und die Passivlegitimation im Abänderungsverfahren bei Bevorschussung des Kindesunterhalts durch das Gemeinwesen, in: Brücken bauen, Festschrift für Thomas Koller, Bern 2018, S. 1-34 mit Hinweisen).

(Es folgt eine Zusammenfassung der Kritik von Mani, a.a.O., und Aebi-Müller/Droese, a.a.O.)

Auch das Kantonsgericht St. Gallen, das zwar (offensichtlich trotz eigener Bedenken) der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gemäss BGE 143 III 177 mit Urteil FO.2015.18/1 vom 24. Mai 2017 folgte, kritisierte darin in E. 2d zugleich die bundesgerichtliche Rechtsprechung: So werde die Frage einer möglichen Interessenkollision beim bevorschussenden Gemeinwesen und der sich daraus ergebenden Folgen für die Legitimation im Abänderungsverfahren vom Bundesgericht zwar aufgeworfen, aber nicht eindeutig beantwortet. Die Feststellung des Bundesgerichts, die Legalzession umfasse nicht nur die einzelne Unterhaltsforderung, sondern auch das Unterhaltsverhältnis als Ganzes, und die im beurteilten Fall daraus gezogene Schlussfolgerung, für die Passivlegitimation des Kindes komme es nicht auf die Rechtshängigkeit, sondern auf den Zeitpunkt des Entscheids an, seien insofern nicht zwingend, als sich gestützt auf Art. 169 Abs. 1 OR die Frage stelle, ob die von der Legalzession betroffene Forderung bezüglich (ihrer Entstehung und) ihres Überganges bei einer rechtshängigen Abänderungsklage nicht unter dem Vorbehalt der möglichen Abänderung stehe. Hinzu würden Aspekte der Praktikabilität der Beteiligung des bevorschussenden Gemeinwesens am Verfahren kommen, vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass unterhaltsrechtliche Verfahren regelmässig auch von familiären Konflikten geprägt seien, an denen das Gemeinwesen zu beteiligen kein Anlass bestehe und derentwegen zu befürchten sei, dass das Gemeinwesen einen Weg suchen werde, in solchen Situationen die Bevorschussung einzustellen, um sich nicht an der im Übrigen auch Ressourcen bindenden Auseinandersetzung beteiligen zu müssen.

3.2.3.
3.2.3.1. Vorbemerkungen zur Problematik des bevorschussenden Gemeinwesens
Die Möglichkeit der rückwirkenden Herabsetzung von Unterhaltsbeiträgen durch Abänderungsurteil bringt die bevorschussenden Gemeinwesen regelmässig in eine schwierige Situation. Denn das bevorschussende Gemeinwesen hat in diesen Fällen ab Rechtshängigkeit des Herabsetzungsbegehrens die Entscheidung zu treffen, ob es die bisherigen Unterhaltsbeiträge trotz der drohenden rückwirkenden Herabsetzung weiterhin bevorschussen will oder ob es die Bevorschussung für den Zeitraum des rechtlichen Schwebezustands bis zum Abänderungsurteil einstellt. Falls sich das Gemeinwesen dazu entscheidet, die Unterhaltsbeiträge für den Zeitraum des Schwebezustands nicht mehr zu bevorschussen, dürfte dies in vielen Fällen dazu führen, dass der Unterhaltsgläubiger dadurch in finanzielle Not geraten würde, sodass er wirtschaftlicher Sozialhilfe bedürfte. Die dringend benötigte finanzielle Unterstützung würde er diesfalls vom Sozialamt allerdings unter Umständen solange nicht erhalten, bis nicht gerichtlich verbindlich entschieden ist, dass ihm tatsächlich kein Unterhaltsbeitrag mehr zusteht. Denn solange keine Herabsetzung des Unterhaltsbeitrags erfolgt ist, gilt grundsätzlich nach wie vor der bisherig geschuldete Unterhaltsbeitrag. Da die staatliche Sozialhilfe nur subsidiär zur familienrechtlichen Unterstützungspflicht zum Tragen kommt, besteht für den Unterhaltsgläubiger folglich in der Schwebezeit ab Rechtshängigkeit des Herabsetzungsbegehrens bis zum Abänderungsurteil grundsätzlich kein Anspruch auf wirtschaftliche Sozialhilfe. Die Beendigung der Bevorschussung durch das Gemeinwesen als Folge der Rechtshängigkeit des Herabsetzungsbegehrens würde also in vielen Fällen zu einer erheblichen finanziellen Not der Unterhaltsgläubiger führen. Das bevorschussende Gemeinwesen dürfte sich folglich in der Regel dazu entscheiden, die Bevorschussung des Unterhaltsbeitrags trotz des rechtlichen Schwebezustandes weiterhin vorzunehmen. Diese Vorgehensweise ist grundsätzlich auch unter dem Gesichtspunkt vorzuziehen, dass die bisherige Unterhaltspflicht weiterhin besteht, solange keine (rückwirkende) Herabsetzung durch Abänderungsurteil erfolgt ist. Gegen die Bevorschussung der bisherigen Unterhaltsbeiträge während der Schwebezeit spricht für das Gemeinwesen allerdings der Umstand, dass falls die Unterhaltsbeiträge durch Abänderungsurteil nachträglich rückwirkend aufgehoben werden, damit nachträglich auch der Rechtsgrund für die bereits erfolgte Bevorschussung entfällt, womit diese anschliessend nicht mehr beim (vermeintlichen) Unterhaltsschuldner eingefordert werden können. Das bevorschussende Gemeinwesen müsste das (nachträglich) zu Unrecht bevorschusste Geld somit allenfalls beim (vermeintlichen) Unterhaltsgläubiger zurückfordern. Dies könnte allerdings in vielen Fällen dazu führen, dass der Unterhaltsgläubiger ohne den bereits bevorschussten (vermeintlichen) Unterhaltsbeitrag in der Schwebezeit sozialhilfebedürftig gewesen wäre, womit ihm diesfalls quasi rückwirkend ein Anspruch auf wirtschaftliche Sozialhilfe zustehen würde. Im Grunde wäre es in solchen Fällen also theoretisch die Sozialhilfe bzw. das Sozialamt, das die zu Unrecht bevorschussten Unterhaltsbeiträge an das bevorschussende Gemeinwesen bzw. die Alimenteninkassostelle zurückzuerstatten hätte. Zu diesem Ergebnis führt zumindest die Überlegung nach rein logischen Gesichtspunkten. Realistischerweise würde das bevorschussende Gemeinwesen in solchen Fällen dagegen faktisch – mangels einer ausreichend ausgereiften kantonalen Regelung für eine derartige "Rückerstattung" – in der Regel wohl schlicht auf den Kosten für die zu Unrecht erfolgte Bevorschussung sitzen bleiben. Der (vermeintliche) Unterhaltsschuldner kann durch das bevorschussende Gemeinwesen, wie bereits ausgeführt, nach der Herabsetzung des Unterhaltsbeitrags nicht mehr belangt werden und der (vermeintliche) Unterhaltsgläubiger dürfte wohl in den meisten Fällen illiquide sein, da dieser aufgrund des Wegfalls der familiären Unterstützungspflicht womöglich selbst (rückwirkend) sozialhilfebedürftig würde. Lediglich in Fällen, wo der Unterhaltsgläubiger sein Existenzminimum auch ohne Unterhaltsbeitrag selber decken kann, würde ein nachträgliches Abänderungsurteil mit Herabsetzung der Unterhaltspflicht für das bevorschussende Gemeinwesen zu keinen grösseren Problemen führen, soweit der (vermeintliche) Unterhaltsgläubiger diesfalls in der Lage wäre, die (nachträglich) zu Unrecht erfolgte Bevorschussung an das Gemeinwesen zurückzuerstatten. Umgekehrt bestünde für einen solchen Unterhaltsgläubiger auch während der Schwebezeit keine finanzielle Notlage, falls das Gemeinwesen die Bevorschussung bereits ab Rechtshängigkeit der Herabsetzungsklage einstellen würde.

Das Bundesgericht hat sich in BGE 143 III 177 mit der soeben geschilderten Problematik des bevorschussenden Gemeinwesens auseinandergesetzt und diese im Ergebnis damit zu lösen versucht, dass es dem bevorschussenden Gemeinwesen eine neue Form der Passivlegitimation im Herabsetzungsprozess einräumte. Durch diese neue Form der nebenher bestehenden Passivlegitimation des bevorschussenden Gemeinwesens, die eine rückwirkende Gestaltungswirkung des Abänderungsurteils ausschliesst, sofern das bevorschussende Gemeinwesen nicht miteingeklagt wurde, kann das Gemeinwesen auch für den Zeitraum des Schwebezustands bis zum Abänderungsurteil die bereits bevorschussten Unterhaltsbeiträge beim Unterhaltsschuldner einfordern, ohne dass der materiell-rechtliche Unterhaltsanspruch für diese Zeit überhaupt noch überprüft wird.

Das Problem des bevorschussenden Gemeinwesens wurde damit aber nur für diejenigen Fälle gelöst, in denen das bevorschussende Gemeinwesen vom Unterhaltsschuldner nicht miteingeklagt wird. Für die anderen Fälle, in welchen das bevorschussende Gemeinwesen gemäss der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichts in BGE 143 III 177 ebenfalls miteingeklagt wird, besteht dagegen wiederum genau die gleiche Problematik wie eingangs geschildert. Denn unabhängig davon, ob das bevorschussende Gemeinwesen im Sinne von BGE 143 III 177 auf den Ausgang des Herabsetzungsprozesses Einfluss nehmen kann oder nicht, ändert dies nichts daran, dass ab Rechtshängigkeit des Herabsetzungsprozesses bis zum Zeitpunkt des Abänderungsurteils ein materiell-rechtlicher Schwebezustand besteht. Das bevorschussende Gemeinwesen steht also ungeachtet der Tatsache, dass es am Herabsetzungsprozess beteiligt ist, weiterhin vor der schwierigen Entscheidung, ob es die Unterhaltsbeiträge trotz des Schwebezustands weiterhin bevorschussen soll oder nicht. Sofern sich der Herabsetzungskläger folglich an die Vorgaben von BGE 143 III 177 hält, besteht wiederum genau dieselbe Problematik des bevorschussenden Gemeinwesens wie eingangs geschildert.

Es besteht klarerweise Handlungsbedarf, die geschilderte Problematik des bevorschussenden Gemeinwesens zu entschärfen. Allerdings lässt sich fragen, inwiefern durch die neu kreierte Passivlegitimation des Gemeinwesens gemäss BGE 143 III 177 eine Entschärfung der geschilderten Problematik des bevorschussenden Gemeinwesens langfristig, d.h. sobald die bevorschussenden Gemeinwesen ebenfalls standardmässig miteingeklagt werden, überhaupt stattfindet. Bedenken an der Passivlegitimation des bevorschussenden Gemeinwesens bestehen umso mehr, als diese zu zahlreichen rechtsdogmatischen und praktischen Problemen (nicht zuletzt der bevorschussenden Gemeinwesen) führt. Darauf ist nachfolgend mit Bezug auf den konkret zu beurteilenden Fall näher einzugehen (vgl. E. 3.2.3.2 ff.).

3.2.3.2. Kein Teilnahmeinteresse des Gemeinwesens und drohende Interessenkollision
Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass für das bevorschussende Gemeinwesen zu keinem Zeitpunkt ein effektives (d.h. nicht nur virtuelles) Interesse an der Beteiligung am Herabsetzungsprozess bestand. Nachdem der Kläger vorliegend seine Begehren um Herabsetzung der Unterhaltsbeiträge gestellt hatte, beantragte der Beklagte die Abweisung dieser Begehren. Das erstinstanzliche Gericht hatte folglich bei Geltung der Offizial- und Untersuchungsmaxime unter Würdigung aller wesentlicher Parameter, insbesondere der Obhutsregelung sowie der Einkommen und Auslagen der Parteien und der Kindsmutter, zu prüfen, ob eine Herabsetzung der Unterhaltsbeiträge berechtigt ist oder nicht. Es bestand somit vorliegend zu keinem Zeitpunkt die Gefahr, dass der Beklagte zum Schaden des bevorschussenden Gemeinwesens und der Sozialhilfe freiwillig auf Unterhaltsbeiträge verzichten würde. Nach Ergehen des erstinstanzlichen Urteils war es denn auch der Beklagte (und nicht etwa der Kläger), welcher sich mit der durch die Vorinstanz teilweise erfolgten Herabsetzung der Unterhaltsbeiträge nicht zufrieden zeigte und deshalb Berufung erhob, wobei er sogar noch zusätzlich eine Erhöhung der Unterhaltsbeiträge verlangte. Im vorliegenden Verfahren hat sich der Unterhaltsgläubiger somit vehement und umfassend gegen die vom Unterhaltsschuldner beantragte Herabsetzung der Unterhaltsbeiträge gewehrt. Ein effektives Teilnahmeinteresse des bevorschussenden Gemeinwesens bestand somit vorliegend nicht. Denn selbst unter Berücksichtigung des bis zur Rechtskraft des Abänderungsurteils bestehenden Interesses des Gemeinwesens an möglichst hohen Unterhaltsbeiträgen aufgrund der bereits erfolgten Bevorschussung war die Beteiligung des bevorschussenden Gemeinwesens am Herabsetzungsverfahren vorliegend zu keinem Zeitpunkt notwendig, da sich der Beklagte bereits selbst mit allen Mitteln gegen eine Herabsetzung der Unterhaltsbeiträge gewehrt hat und noch immer wehrt. Das Gericht hat zudem im Rahmen der geltenden Offizial- und Untersuchungsmaxime eine umfassende Prüfungspflicht des Kindesunterhaltsanspruchs vorzunehmen. Damit ist das vorliegende Teilnahmeinteresse des Gemeinwesens am Herabsetzungsverfahren als rein virtuell einzustufen und somit vernachlässigbar. Es besteht vorliegend folglich kein schutzwürdiges Interesse des bevorschussenden Gemeinwesens an der Beteiligung am Abänderungsprozess.

Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall eher gerade das entgegengesetzte Interesse des bevorschussenden Gemeinwesens hervorsticht, möglichst tiefe Unterhaltsbeiträge zu erwirken, um künftig weniger hohe Unterhaltsbeiträge bevorschussen zu müssen. Denn dem Gemeinwesen droht, dass das bevorschusste Geld anschliessend beim Unterhaltsschuldner nicht eingetrieben werden könnte. Dieses Interesse des Gemeinwesens an möglichst tiefen Unterhaltsbeiträgen widerspricht diametral dem Interesse des Unterhaltsgläubigers, der möglichst hohe Unterhaltsbeiträge erwirken möchte. Damit würde vorliegend beim Beizug des bevorschussenden Gemeinwesens zum Herabsetzungsverfahren eine direkte Interessenkollision des bevorschussenden Gemeinwesens mit dem Unterhaltsgläubiger drohen. Infolgedessen ist das bevorschussende Gemeinwesen aufgrund der drohenden Interessenkollision vom Herabsetzungsprozess eher auszuschliessen statt beizuziehen. Das Interesse des bevorschussenden Gemeinwesens an möglichst hohen Unterhaltsbeiträgen besteht nämlich nur für den Zeitraum ab Rechtshängigkeit bis zum Abänderungsurteil. Für den Zeitraum danach liegt das Interesse des Gemeinwesens dagegen bei möglichst tiefen Unterhaltsbeiträgen und läuft damit dem Interesse des betroffenen Kindes direkt zuwider.

Aus diesen beiden Gründen ist die Beteiligung des bevorschussenden Gemeinwesens am vorliegenden Herabsetzungsprozess abzulehnen.

3.2.3.3. Meldepflicht des Unterhaltsgläubigers
Das effektive Interesse des Gemeinwesens beschränkt sich im vorliegenden Fall auf die Informationen über die Rechtshängigkeit des Herabsetzungsbegehrens und das Abänderungsurteil. Denn aufgrund dieser Informationen kann das Gemeinwesen allenfalls eine Korrektur der bereits bewilligten Bevorschussungen vornehmen. Die Meldepflicht an das bevorschussende Gemeinwesen betreffend die Rechtshängigkeit des Herabsetzungsbegehrens und das Abänderungsurteil trifft jedoch nicht den Unterhaltsschuldner, sondern den Unterhaltsgläubiger.

Es ist die Aufgabe der Gemeinwesen und der Kantone, die Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen derart auszugestalten, dass die geschilderte Problematik des bevorschussenden Gemeinwesens (vgl. oben E. 3.2.3.1) entschärft werden kann. Zu denken ist dabei insbesondere an Mitwirkungs- und Meldepflichten des Unterhaltsgläubigers (vgl. zur Informationspflicht im Kanton Luzern: § 7 des Sozialhilfegesetzes [SHG; SRL Nr. 892]). Sofern das Gemeinwesen die Bevorschussung trotz Schwebezustands weiterhin vornimmt, sich jedoch aufgrund des rückwirkenden Abänderungsurteils nachträglich ergibt, dass die Bevorschussung ohne Rechtsgrund erfolgte, ist die zu Unrecht erfolgte Bevorschussung grundsätzlich vom Unterhaltsgläubiger an das Gemeinwesen zurückzuerstatten (vgl. § 49 Abs. 2 SHG). Auch der im vorliegenden Fall ins Recht gelegten Verfügung der Stadt Z vom 22. Mai 2019 betreffend Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen sind folgende Mitwirkungspflichten und Vorbehalte des Unterhaltsgläubigers zu entnehmen: "Bitte melden Sie uns allfällige Änderungen Ihrer persönlichen und finanziellen Verhältnisse unverzüglich. Unrechtmässig bezogene Alimente, unter anderem bei Nichteinhaltung der Meldepflicht beziehungsweise verspäteter Mitteilung von Angaben gemäss dem beiliegenden Merkblatt für Alimentenhilfe, Seite 4 sind rückerstattungspflichtig." Nach dem Gesagten – und dies ist für die Beurteilung des vorliegenden Falls zentral – handelt es sich bei der Bevorschussung nicht bestehender Unterhaltsbeiträge um ein Problem des bevorschussenden Gemeinwesens (und allenfalls indirekt des Unterhaltsgläubigers), nicht jedoch des Unterhaltsschuldners. Dieses kantonale Vollzugsproblem ist demnach auch vom bevorschussenden Gemeinwesen und gegebenenfalls vom Kanton bzw. der kantonalen Gesetzgebung zu lösen und nicht vom (vermeintlichen) Unterhaltsschuldner durch Einführung einer neuen Form der Passivlegitimation des bevorschussenden Gemeinwesens, welche die rückwirkende Gestaltungswirkung von Abänderungsurteilen ausschliesst, sofern das bevorschussende Gemeinwesen nicht miteingeklagt wurde.

3.2.3.4. Praxisprobleme
Die Passivlegitimation des bevorschussenden Gemeinwesens führt auch zu weiteren Praxisproblemen. So besteht insbesondere die bereits angesprochene Problematik, dass ein Unterhaltsschuldner im Zeitpunkt der Klageeinreichung mitunter gar nicht weiss, ob eine Bevorschussung durch das Gemeinwesen vorliegt oder wie weit sie bewilligt wurde. Eine Bevorschussung kann bspw. auch noch während eines laufenden Herabsetzungsprozesses bewilligt werden. Der Unterhaltsschuldner wäre damit gezwungen, vorsorglich in jedem Unterhaltsprozess das in Frage kommende Gemeinwesen miteinzuklagen, obschon eine Bevorschussung möglicherweise gar nicht vorliegt.

Hinzu kommt der grosse personelle und damit auch finanzielle Aufwand für das bevorschussende Gemeinwesen, das als Prozesspartei sämtliche Prozessakten studieren und Eingaben tätigen müsste, obschon die Alimentenbevorschussungsstellen dafür grundsätzlich nicht über die notwendigen personellen Ressourcen verfügen.

Weiter wäre auch fraglich, inwiefern das Gemeinwesen überhaupt einen relevanten Einfluss auf das (je nachdem bereits fortgeschrittene) Verfahren nehmen könnte. In aller Regel (so auch im vorliegenden Fall; vgl. oben E. 3.2.3.2) würde der Antrag des bevorschussenden Gemeinwesens bis zur Rechtskraft des Abänderungsurteils nämlich deckungsgleich mit dem Antrag des Unterhaltsgläubigers sein, d.h. namentlich die Abweisung des Herabsetzungsbegehrens. Es ist somit kein praktischer Nutzen aus der Beteiligung des Gemeinwesens ersichtlich. Der Einfluss des Gemeinwesens auf den Ausgang des Prozesses wäre damit aufgrund der bereits erwähnten geltenden Untersuchungs- und Offizialmaxime trotz grossen Aufwands für die Bevorschussungsstellen verschwindend gering bis gar nicht vorhanden (so etwa auch im vorliegenden Fall; vgl. oben E. 3.2.3.2).

3.2.3.5. Missachtung zessionsrechtlicher Grundsätze
Im vorliegenden Fall, in dem der Unterhaltsschuldner das bevorschussende Gemeinwesen nicht miteinklagt hat, erscheint die Passivlegitimation des bevorschussenden Gemeinwesens und deren Wirkung gemäss BGE 143 III 177 des Weiteren insofern problematisch, als damit gegen zentrale zessionsrechtliche Grundsätze verstossen wird. Es kann dabei, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, grundsätzlich vorweg auf die Ausführungen von Aebi-Müller/Droese verwiesen werden (vgl. E. 3.2.2 hiervor, Aebi-Müller/Droese, a.a.O., S. 13-15 mit Hinweisen). Im Wesentlichen liegt die zessionsrechtliche Problematik darin, dass aufgrund der geforderten Passivlegitimation des bevorschussenden Gemeinwesens dem (Unterhalts-)Schuldner die Möglichkeit genommen wird, Einwendungen im Sinne von Art. 169 Abs. 1 OR gegenüber dem Zessionar (Gemeinwesen) geltend zu machen, sofern er dieses nicht miteingeklagt hat. Dies, obschon die Rechtsstellung des Schuldners nach zessionsrechtlichen Grundsätzen durch die Forderungsabtretung (bzw. Legalzession) in keiner Weise verschlechtert werden darf (vgl. dazu Bucher, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil [ohne Deliktsrecht], 2. Aufl. 1988, S. 560; Girsberger/Hermann, Basler Komm., 6. Aufl. 2015, Art. 164 OR N 46a und 49 mit Hinweisen; Schwenzer, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 7. Aufl. 2016, Rn 90.34 S. 588 f. mit Hinweisen; Gauch/Schluep/Emmenegger, OR AT, Band II, 10. Aufl. 2014, Rn. 3473). Dies ist vorliegend besonders problematisch, da der Schuldner gestützt auf die geforderte Passivlegitimation des bevorschussenden Gemeinwesens dazu gezwungen wäre, dem Zessionar (Gemeinwesen) eine "Forderung" zu bezahlen, die aufgrund des rückwirkenden Abänderungsentscheids gar nie existiert hat, d.h. dem Zedenten (Kind) zu keinem Zeitpunkt zustand. Trifft eine Einwendung zu, wonach die Forderung gar nie bestanden hat, so liegt in Wirklichkeit gar keine gültige Abtretung vor. Denn ein Nichts kann nicht abgetreten werden (Gauch/Schluep/Emmenegger, a.a.O., Rn. 3477; vgl. Girsberger/Hermann, a.a.O., Art. 164 OR N 46a).

Die Verschlechterung der Rechtsstellung des Unterhaltsschuldners liesse sich allenfalls damit begründen, dass er es selbst zu verantworten habe, wenn er das bevorschussende Gemeinwesen nicht miteingeklagt habe. Dieses Argument gilt jedoch in all jenen Fällen nicht, in welchen der Unterhaltsschuldner gar keine Kenntnis von der Bevorschussung hatte. Hinzu kommt auch für alle anderen Fallkonstellationen, dass das Problem des bevorschussenden Gemeinwesens, die bereits bevorschussten Unterhaltsbeiträge allenfalls nicht vollumfänglich beim Unterhaltsschuldner eintreiben zu können, nicht aus dem Umstand des absichtlichen Nichtbezahlens von Unterhaltsbeiträgen resultiert, sondern darin begründet liegt, dass der Unterhaltsschuldner aufgrund einer (unverschuldeten) Verschlechterung seiner finanziellen Verhältnisse nicht mehr in der Lage ist, die bisherigen Unterhaltsbeiträge zu bezahlen. Ungeachtet des Umstands, dass der Unterhaltsschuldner womöglich in einem früheren Zeitpunkt unwillig war, die Unterhaltsbeiträge zu bezahlen, weshalb eine Bevorschussung erfolgte, resultiert das vorliegende Problem des bevorschussenden Gemeinwesens nicht aus der Leistungsunwilligkeit, sondern der unverschuldeten Leistungsunfähigkeit des Unterhaltsschuldners. Folglich ist kein schützenswertes Interesse des bevorschussenden Gemeinwesens darin zu erblicken, Geldbeträge, die es (nachträglich) ohne Rechtsgrund dem (vermeintlichen) Unterhaltsgläubiger bevorschusst hat, beim nicht (mehr) existierenden Unterhaltsschuldner einfordern zu können, nur weil es nicht am Herabsetzungsprozess beteiligt wurde.

3.2.3.6. Überspitzter Formalismus
Es erscheint zudem überspitzt formalistisch, wenn ein Unterhaltsschuldner, der unverschuldet ein tieferes Einkommen erzielt als bisher und deshalb eine Herabsetzungsklage einreicht, alleine wegen des Unterlassens der Nennung des bevorschussenden Gemeinwesens in der Herabsetzungsklage über mehrere Jahre hinweg zu überhöhten Unterhaltsbeiträgen verpflichtet werden kann, die womöglich gar massiv in sein Existenzminimum eingreifen, obwohl ein effektives Teilnahmeinteresse des Gemeinwesens am Herabsetzungsprozess, wie im vorliegenden Fall, gar nicht besteht (vgl. oben E. 3.2.3.2). Die Formvorschrift der Passivlegitimation des bevorschussenden Gemeinwesens dient so letztlich nicht der Durchsetzung des materiellen Kindesunterhaltsrechts, sondern ausschliesslich der Eintreibung der durch das Gemeinwesen geleisteten Bevorschussung, und zwar unabhängig davon, ob dafür (nachträglich noch) ein Rechtsgrund existiert oder nicht.

3.2.3.7. Kein Eingriff in das Existenzminimum des Unterhaltsschuldners
Es ist ein zentraler Grundsatz des Kindesunterhaltsrechts, dass die Kinderunterhaltspflicht nicht dazu führen darf, dass in das Existenzminimum des Unterhaltsschuldners eingegriffen wird (vgl. BGE 137 III 59 E. 4.2.1 f., 135 III 66 E. 2 ff.). Dieses zentrale familienrechtliche Prinzip würde durch die Wirkung der Passivlegitimation des bevorschussenden Gemeinwesens gemäss BGE 143 III 177 wohl in vielen Fällen verletzt werden, so auch im vorliegenden Fall (vgl. oben Sachverhalt lit. A und unten E. 4.5).

3.2.3.8. Kein Übergang des Stammrechts
Weiter ist übereinstimmend mit der Kritik von Aebi-Müller/Droese (vgl. E. 3.2.2. hiervor; Aebi-Müller/Droese, a.a.O., S. 15-20) festzuhalten, dass der Übergang des Stammrechts als Versuch einer möglichen Begründung der Passivlegitimation des bevorschussenden Gemeinwesens hinsichtlich der Herabsetzungsklage abzulehnen ist. Einzig der Anspruch auf Geldzahlung ist Gegenstand der Subrogation und nicht das der Zahlung bzw. Zahlungspflicht zugrunde liegende Schuldverhältnis (vgl. Hegnauer, Berner Komm., Bd. II, Bern 1997, Art. 289 ZGB N 81). Letzteres bleibt somit von der Zession der Einzelforderung unberührt. Mit Bevorschussung der Alimentenforderung subrogiert das Gemeinwesen daher nur (aber immerhin) in die mit der konkret bevorschussten Einzelforderung verbundenen Rechte und Nebenrechte. Dass dagegen das auf dem rechtlichen Kindesverhältnis beruhende Schuldverhältnis nicht auf das Gemeinwesen übergehen kann, ergibt sich bereits aus seiner höchstpersönlichen Natur und ferner daraus, dass die Höhe der Unterhaltsforderung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Obhut bzw. Betreuung des Kindes steht. Wie Aebi-Müller/Droese zutreffend ausführen, ist der vertretene Ansatz des Bundesgerichts in BGE 143 III 177 (der als Übergang des Stammrechts auf das Gemeinwesen interpretiert werden kann) auch widersprüchlich. Denn wenn mit der Subrogation tatsächlich das Stammrecht übergehen würde, so ist nicht verständlich, warum sich das Gemeinwesen dann ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteilszeitpunkts den ausschliesslich gegen das Kind erstrittenen (geringeren) Unterhaltsbeitrag entgegenhalten lassen müsste. Vielmehr wäre alsdann aufgrund des Übergangs des Stammrechts die Klage gegen das Kind ohne Weiteres aufgrund fehlender Passivlegitimation abzuweisen und der Prozess müsste ausschliesslich gegen das Gemeinwesen geführt werden (vgl. zum Ganzen Aebi-Müller/Droese, a.a.O., S. 15-20 mit Hinweisen).

Aebi-Müller/Droese weisen weiter zutreffend und prägnant darauf hin, dass selbst wenn man vom Übergang des Stammrechts auf das Gemeinwesen ausgehen würde, dies nichts daran ändern würde, dass sich das Gemeinwesen sämtliche Änderungen mit Bezug auf dieses Stammrecht entgegenhalten lassen müsste – mithin auch eine kraft Abänderungsurteil und rückwirkend auf die Klageeinreichung ergangene Aufhebung der Verpflichtung. Unter Annahme des Übergangs des Stammrechts auf das Gemeinwesen bei der Subrogation (was abzulehnen ist) müsste die Klage also entweder mangels Passivlegitimation vollumfänglich abgewiesen werden oder aber das Gemeinwesen müsste sich die rückwirkende Herabsetzung der Unterhaltsbeiträge vollumfänglich (und nicht erst ab Rechtskraft des Urteils) entgegenhalten lassen (Aebi-Müller/Droese, a.a.O., S. 20 mit Hinweisen).

Des Weiteren hätte der Übergang des Stammrechts auf das Gemeinwesen auch die inakzeptable Folge, dass das Kind mit der Subrogation den Unterhaltsanspruch verlieren würde, der fortan in den Händen des Gemeinwesens läge. Dass dies in keiner Weise akzeptabel ist und nicht dem Sinn und Zweck der Bevorschussung des Unterhaltsbeitrags durch das Gemeinwesen und der daraus resultierenden Legalzession bzw. Subrogation liegt, braucht keiner näheren Erläuterung. Dies war vom Bundesgericht offensichtlich auch nicht so beabsichtigt worden, sprach es doch in BGE 143 III 177 von einer nebeneinander bestehenden Passivlegitimation des bevorschussenden Gemeinwesens und des Unterhaltsgläubigers. Dass sich das bevorschussende Gemeinwesen allerdings selbst bei einer nebeneinander bestehenden Passivlegitimation in der Sache gleichwohl eine rückwirkende Aufhebung der Unterhaltsbeiträge entgegenhalten lassen müsste, sofern nicht eine Klageabweisung aufgrund fehlender Passivlegitimation erfolgt, wurde bereits ausgeführt.

3.2.3.9. Kein Vorrang des kantonalen Vollzugsrechts gegenüber dem Bundesrecht
Fraglich erscheint weiter der Umstand, dass gemäss BGE 143 III 177 bis zur Rechtskraft des Abänderungsurteils das kantonale Vollzugsrecht statt des bundesrechtlichen Kindesunterhaltsrechts über die Höhe der Kindesunterhaltspflicht entscheiden würde, sofern der Unterhaltsschuldner das bevorschussende Gemeinwesen nicht miteinklagt. Massgebend für die Höhe der geschuldeten Kinderunterhaltsbeiträge bis zur Rechtskraft des Abänderungsurteils wäre diesfalls nämlich alleine die Höhe und Zeitdauer der bewilligten Bevorschussung durch das Gemeinwesen. Das kantonale Vollzugsrecht würde damit für die Schwebezeit ab Rechtshängigkeit bis zum Abänderungsurteil das bundesrechtliche Kindesunterhaltsrecht verdrängen. Abgesehen von damit einhergehenden kantonalen Unterschieden könnte dies im Extremfall dazu führen, dass sich ein Nicht-Vater (sofern sich nachträglich zeigt, dass der vermeintliche Unterhaltsschuldner gar nicht der Vater des Kindes ist) aufgrund des kantonalen Vollzugsrechts und der bereits erfolgten Bevorschussung für mehrere Jahre, bis zum rechtskräftigen oberinstanzlichen Urteil, einen Unterhaltsbeitrag an sein Nicht-Kind bezahlen müsste, ohne je eine Rückerstattung verlangen zu können. Denn das kantonale Vollzugsrecht würde diese geleisteten Beiträge nun als effektiv zustehende Unterhaltsbeiträge definieren, obschon dazu keine bundesrechtliche Gesetzesgrundlage im Kindesunterhaltsrecht besteht. Dies nur, weil der vermeintliche Unterhaltsschuldner (im Extrembeispiel der Nicht-Vater) in der Klage das Gemeinwesen nicht als Partei aufgeführt hatte. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb sich die rechtliche Grundlage für einen Unterhaltsspruch aufgrund einer prozessualen Nachlässigkeit einer Partei verändern sollte und sich der Anspruch fortan statt aus dem bundesrechtlichen Kindesunterhaltsrecht aus dem kantonalen Vollzugsrecht ergeben sollte. Es muss dabei auch betont werden, dass es sich bei der Alimentenbevorschussung von der Konzeption her keineswegs um wirtschaftliche Sozialhilfe, sondern ausschliesslich um eine Inkassohilfe handelt. Erst die gestützt auf das Bundesrecht erfolgte Festlegung des Unterhalts lässt die kantonal geregelte Bevorschussung somit überhaupt zu (vgl. Mani, a.a.O., S. 6 mit Hinweisen).

3.2.3.10. Keine passende zivilprozessuale Rechtsfigur
Die Passivlegitimation des bevorschussenden Gemeinwesens gemäss BGE 143 III 177 würde weiter zur Frage führen, wie das bevorschussende Gemeinwesen prozessual überhaupt zu behandeln wäre, da eine solche nebeneinander bestehende Passivlegitimation zivilprozessual nicht vorgesehen ist. Es besteht keine passende Rechtsfigur (weder notwendige, einfache Streitgenossenschaft, Streitverkündigung, Haupt- oder Nebenintervention; vgl. Mani, a.a.O., S. 943-945 mit Hinweisen; Aebi-Müller/Droese, a.a.O., S. 24-30 mit Hinweisen).

3.2.3.11. Schutz der Privatsphäre
Nebst dem ohnehin fragwürdigen Umstand, inwiefern das Eintreiben materiell-rechtlich (nachträglich) nicht existenter Forderungen überhaupt ein schutzwürdiges fiskalisches Interesse darstellen soll (vgl. oben E. 3.2.3.2 und 3.2.3.5), besteht überdies kein Anlass, das Gemeinwesen aufgrund dessen rein fiskalischen Interesses an privaten familiären Konflikten zu beteiligen und über Fragen der elterlichen Sorge und Obhutsregelung mitwirken zu lassen. Dabei ist nicht nur die Einflussnahme des bevorschussenden Gemeinwesens auf die genannten familienrechtlichen Rechtsverhältnisse höchst bedenklich, sondern bereits der Umstand, dass das bevorschussende Gemeinwesen bzw. die dafür tätigen Personen aufgrund der Prozessbeteiligung solche weitreichenden Informationen über private familiäre Details erhalten, die für gewöhnlich nur den Parteien, den Rechtsvertretungen und dem Gericht zugänglich sind. Die Beteiligung des bevorschussenden Gemeinwesens am Herabsetzungsprozess erscheint folglich auch in dieser Hinsicht als heikel.

3.2.3.12. Keine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs durch Ergreifen eines Rechtsmittels
Schliesslich wäre auch bedenklich, wenn das Versäumnis des Unterhaltsschuldners, das bevorschussende Gemeinwesen miteinzuklagen, dazu führen würde, dass der Unterhaltsgläubiger lediglich durch Ergreifen des Rechtsmittels die bisherige Unterhaltspflicht des Unterhaltsschuldners völlig ungeachtet der materiell-rechtlichen Rechtslage ohne Weiteres um mehrere Monate, namentlich bis zum zweitinstanzlichen Entscheid, hinauszögern könnte. Das vorliegende Abänderungsverfahren ist bereits seit dem 18. Mai 2016 rechtshängig. Bis zum zweitinstanzlichen Urteil des Kantonsgerichts sind somit über dreieinhalb Jahre vergangen. In dieser ganzen Zeit müsste der Kläger den bisherigen über seinen Verhältnissen liegenden Unterhaltsbeitrag (vgl. E. 4.5) weiterhin bezahlen, sofern dem bevorschussenden Gemeinwesen im Herabsetzungsprozess die Passivlegitimation gemäss BGE 143 III 177 zuerkannt würde. Dies nur, weil er bzw. sein Rechtsvertreter das bevorschussende Gemeinwesen in der Klage nicht im Rubrum der Klage aufgeführt hatte. Dies wäre im vorliegenden Einzelfall überdies auch deshalb unbillig, da der inzwischen publizierte Entscheid des Bundesgerichts BGE 143 III 177 im Zeitpunkt der vorliegenden Klageeinreichung noch gar nicht ergangen war.

3.2.3.13. Fazit
Nach dem Gesagten ist festzuhalten, dass im vorliegenden Fall keine Notwendigkeit der Beteiligung des bevorschussenden Gemeinwesens (Stadt Z) am vorliegenden Herabsetzungsprozess bestand oder besteht. Dies namentlich deshalb, da vorliegend zu keinem Zeitpunkt ein effektives Teilnahmeinteresse des bevorschussenden Gemeinwesens bestand und umgekehrt bei Beteiligung des bevorschussenden Gemeinwesens eine Interessenkollision mit dem Unterhaltsgläubiger drohen würde (vgl. oben E. 3.2.3.2). Des Weiteren erschiene eine Beteiligung des bevorschussenden Gemeinwesens am Herabsetzungsprozess auch aus zahlreichen weiteren Gründen als problematisch, was gegen eine Beteiligung des bevorschussenden Gemeinwesens am vorliegenden Herabsetzungsprozess spricht (vgl. E. 3.2.3.3-3.2.3.12).

3.3.
Zusammenfassend ist der Beklagte allein passivlegitimiert.