Drucken

Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:2. Abteilung
Rechtsgebiet:Kindes- und Erwachsenenschutz
Entscheiddatum:12.11.2019
Fallnummer:3H 19 24
LGVE:2020 II Nr. 5
Gesetzesartikel:Art. 404 Abs. 1 ZGB, Art. 404 Abs. 2 ZGB, Art. 404 Abs. 3 ZGB; § 38 Abs. 2 EGZGB, § 57 Abs. 3 EGZGB; § 21 Abs. 1 VKES, § 21 Abs. 2 VKES.
Leitsatz:Die KESB ist gestützt auf die einschlägigen zivilrechtlichen Bestimmungen sowohl befugt, verfügungsweise über die Höhe der Entschädigung der Beistandsperson zu befinden, als auch den Grundsatzentscheid zu fällen, ob die betroffene Person oder das unterstützungspflichtige Gemeinwesen für diese Kosten aufzukommen hat.

Ist strittig, welches (von mehreren in Frage kommenden) Gemeinwesen unterstützungspflichtig ist, hat die Klärung der Zuständigkeit im sozialhilferechtlichen Kompetenzkonfliktverfahren zu erfolgen. Der KESB kommt diesbezüglich keine abschliessende Entscheidungsbefugnis zu. Sie kann einzig innerkantonal das Gemeinwesen bezeichnen, welches im Sinn von § 57 Abs. 3 EGZGB für die Kosten der Massnahme als Vorleistung aufzukommen hat, bis die Zuständigkeit geklärt ist.

Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:
Aus den Erwägungen:

1.4.
Nach Art. 404 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB; SR 210) hat ein Beistand/eine Beiständin Anspruch auf eine angemessene Entschädigung und auf Ersatz der notwendigen Spesen aus dem Vermögen der betroffenen Person. Bei einem Berufsbeistand fallen die Entschädigung und der Spesenersatz an den Arbeitgeber (Abs. 1). Die Höhe der Entschädigung wird von der Erwachsenenschutzbehörde festgelegt; dabei hat sie insbesondere den Umfang und die Komplexität der dem Beistand oder der Beiständin übertragenen Aufgaben zu berücksichtigen (Abs. 2). Im Übrigen obliegt es den Kantonen Ausführungsbestimmungen zu erlassen und die Entschädigung und den Spesenersatz zu regeln, wenn diese nicht aus dem Vermögen der betroffenen Person bezahlt werden können (Abs. 3). Der Kanton Luzern hat den bundesrechtlichen Gesetzgebungsauftrag in § 38 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch (EGZGB; SRL Nr. 200) umgesetzt und für den Fall, dass die Entschädigung und der Spesenersatz nicht aus dem Vermögen der betroffenen Person bezahlt werden können, vorgesehen, dass diese Kosten vom unterstützungspflichtigen Gemeinwesen zu tragen sind (vgl. auch § 57 Abs. 1 und 2 EGZGB). § 21 der Verordnung über den Kindes- und Erwachsenenschutz (VKES; SRL Nr. 206) regelt die weitergehenden Modalitäten der Kostentragung sodann dahingehend, dass das unterstützungspflichtige Gemeinwesen die Kosten für die Massnahmen trägt, wenn das steuerrechtliche Reinvermögen der betroffenen Person nicht mehr als 12'000 Franken oder bei Ehepaaren nicht mehr als 18'000 Franken beträgt (Abs. 2). Ist die betroffene Person minderjährig, tragen die Eltern die Kosten (Abs. 1).

1.5.
1.5.1.
Der Entschädigungsanspruch steht – wie dargelegt (vgl. E. 1.4) – von Gesetzes wegen dem Beistand bzw. der Beiständin zu, wobei die Entschädigung und der Spesenersatz bei einem Berufsbeistand oder einer Berufsbeiständin an den Arbeitgeber fallen (Art. 404 Abs. 1 ZGB). Ist der Schuldner der Leistung (betroffene oder unterhaltspflichtige Person, Gemeinwesen) nicht bestimmt, fehlt der Rechtstitel für die Einforderung.

Mit Blick auf die gesetzlichen Vorgaben ist die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) ausschliesslich sachlich zuständig, die Höhe der Entschädigung und des Spesenersatzes der Beistandsperson festzusetzen (vgl. Art. 404 Abs. 2 ZGB; BGer-Urteil 5A_503/2016 vom 23.12.2016 E. 2.3). Entsprechend kommt der KESB hinsichtlich der Festsetzung der Mandatsentschädigung (Kostenhöhe) Verfügungskompetenz zu. In Bezug auf die Bestimmung des Kostenträgers sehen die einschlägigen zivilrechtlichen Erlasse vor, dass in erster Linie die betroffene Person und subsidiär das unterstützungspflichtige Gemeinwesen für die Entschädigung und den Spesenersatz aufzukommen hat (Art. 404 Abs. 1 und 3 ZGB i.V.m. § 38 Abs. 2 EGZGB und § 21 VKES). Die Abgrenzung, ob die Kosten dem Vermögen der betroffenen Person zu belasten oder aus der Staatskasse zu bezahlen sind, richtet sich somit nach (kantonalem) Zivilrecht (§ 21 Abs. 2 VKES; ferner BGer-Urteil 5A_534/2016 vom 15.2.2017 E. 1) und nicht nach Sozialhilferecht. Die Unterscheidung vorzunehmen ist folglich Aufgabe der mit der Sache befassten zivilrechtlichen Behörde. Aufgrund der gegebenen gesetzlichen Grundlage kommt der KESB somit (auch) bezüglich der Frage, ob die betroffene Person oder die öffentliche Hand die Kosten zu tragen hat, Verfügungskompetenz zu. Dies ist auch von der Sache her gerechtfertigt, hat der Beistand doch gemäss Art. 404 Abs. 1 ZGB Anspruch auf eine angemessene Entschädigung sowie Ersatz der notwendigen Spesen und muss von daher wissen, wer Schuldner seiner Ansprüche ist (vgl. auch BGer-Urteil 5A_503/2016 vom 23.12.2016 E. 2.3).

1.5.2.
Hat im Falle der Mittellosigkeit der betroffenen Person (bzw. der Eltern) die Allgemeinheit für die Kosten der Beistandschaft aufzukommen, stellt sich die Frage, welches konkrete Gemeinwesen kostenpflichtig ist. Massgebend ist wiederum das kantonale Recht (vgl. Art. 404 Abs. 3 ZGB). Die Ausführungsbestimmungen des Kantons Luzern sehen – wie in Erwägung 1.4 dargelegt – vor, dass die Mandatsführungskosten vom unterstützungspflichtigen Gemeinwesen zu tragen sind, wenn diese nicht aus dem Vermögen der betroffenen Person bezahlt werden können. Anknüpfungspunkt für die subsidiäre Kostentragungspflicht des Gemeinwesens für kindes- oder erwachsenenschutzrechtliche Massnahmen bildet somit wie bei der Sozialhilfe der Unterstützungswohnsitz (vgl. Botschaft B 50 des Regierungsrates vom 28.6.2016 zum Entwurf einer Änderung des EGZGB [Anpassungen im Kindes- und Erwachsenenschutzrecht], Kapitel 7.1 [Ausführungen zu § 57 Abs. 3 EGZGB]; ferner Botschaft B 13 des Regierungsrates vom 23.8.2011 zum Entwurf einer Änderung des EGZGB [Einführung neues Kindes- und Erwachsenenschutzrecht], Kapitel V.1 [Ausführungen zu § 56 EGZGB]). Der Unterstützungswohnsitz richtet sich dabei nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger (Zuständigkeitsgesetz, ZUG; SR 851.1; vgl. § 16 des Sozialhilfegesetzes [SHG; SRL Nr. 892], § 2 der Sozialhilfeverordnung [SHV; SRL Nr. 892a]; Reusser, Basler Komm., 6. Aufl. 2018, Art. 404 ZGB N 48).

Liegt zwischen mehreren in Frage kommenden Gemeinwesen ein negativer Kompetenzkonflikt vor, bedarf es einer förmlichen Klärung der Zuständigkeit. Dazu kennt das Sozialhilferecht für sozialhilferechtliche Leistungen ein spezielles Verfahren. Der KESB kommt darin indes keine Funktion zu (vgl. Affolter/Vogel, Berner Komm., Bern 2016, Art. 314 ZGB N 153). Entsprechend sehen auch die kantonalen Ausführungsbestimmungen keine Regelung vor, welche es der KESB erlauben würde, das unterstützungspflichtige Gemeinwesen im Streitfall durch ihren Entscheid definitiv zu bestimmen. Wie in Erwägung 1.5.1 dargelegt, kann die KESB (nach zivilrechtlicher Regelung) lediglich verbindlich entscheiden, ob die betroffene Person oder das unterstützungspflichtige Gemeinwesen zahlungspflichtig ist. Dies ergibt sich e contrario auch aus § 57 Abs. 3 EGZGB, welcher innerkantonal bei Meinungsverschiedenheiten unter Gemeinden betreffend ihre Unterstützungspflicht – analog der Regelung von § 16 Abs. 4 SHG – eine vorläufige Bestimmung des unterstützungspflichten Gemeinwesens vorsieht (vgl. Botschaft B 50, Kapitel 6.3). Zwar ist in § 57 EGZGB allgemein von "Kosten der Massnahmen" die Rede, doch ist darunter auch die Mandatsentschädigung zu verstehen (vgl. Botschaft B 13, Kapitel V.1 [Ausführungen zu § 57 Abs. 1 EGZGB]; sowie Präzisierung in § 21 Abs. 1 VKES). Auferlegt somit die KESB in ihrem Entscheiddispositiv die Mandatsführungskosten einer Gemeinde, die sich als nicht unterstützungspflichtig erachtet, und ist in der Folge die Unterstützungspflicht zwischen mehreren Gemeinwesen streitig, kann der Entscheid der KESB lediglich eine Vorleistungspflicht auslösen. Hingegen kommt der KESB betreffend die Bestimmung des definitiv unterstützungspflichtigen Gemeinwesens keine Verfügungskompetenz zu. Hier greift das sozialhilferechtliche Kompetenzbereinigungsverfahren.

1.5.3.
Zwar sind Mandatsführungskosten nicht ohne Weiteres der wirtschaftlichen Sozialhilfe zuzurechnen, zumal § 21 Abs. 2 VKES zur Ermittlung der Bedürftigkeit einen anderen Ansatz wählt als das Sozialhilferecht (Nichtberücksichtigung des Einkommens und des Bedarfs sowie höhere Vermögensgrenzen). Der Gesetzgeber sieht jedoch in § 57 Abs. 3 EGZGB eine Vorleistung vor und schafft damit den Bezug zur Sozialhilfe (vgl. Botschaft B 50, Kapitel 6.3 und 7.1 [Ausführungen zu § 57 Abs. 3 EGZGB]), sodass die Anwendbarkeit des sozialhilferechtlichen Kompetenzbereinigungsverfahrens bzw. der Regelung zum Kostenersatz – im innerkantonalen Verhältnis – ebenfalls Anwendung finden muss. Bezüglich der Rückerstattung der Vorleistung durch die tatsächlich zuständige Gemeinde wird in der Botschaft auf die §§ 15 ff. der Sozialhilfeverordnung verwiesen. Sodann wird ausgeführt, dass streitige Ansprüche auf Kostenersatz mit verwaltungsgerichtlicher Klage nach den §§ 164-172 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes geltend zu machen sind (vgl. § 162 Abs. 1b VRG). Nichts Anderes kann auch dem Hinweis entnommen werden, dass bei Bedarf in der Verordnung über den Kindes- und Erwachsenenschutz auf die sinngemässe Anwendung des Verfahrens nach Sozialhilferecht verwiesen werden kann (Botschaft B 50, Kapitel 7.1 [Ausführungen zu § 57 Abs. 3 EGZGB]).

1.5.4.
Ist klar und im Entscheid festgehalten, dass nicht die betroffene Person, sondern das (konkret bezeichnete) unterstützungspflichtige Gemeinwesen die Mandatsentschädigung zu tragen hat, braucht es keine Kostengutsprache des zuständigen Gemeinwesens. Das Gemeinwesen ist an die von der KESB festgesetzte Mandatsentschädigung gebunden (vgl. in Bezug auf Unterbringungskosten BGE 135 V 134 E. 4.3 ff.; LGVE 2019 II Nr. 6; Affolter/Vogel, a.a.O., Vorbem. Art. 307-327c ZGB N 284). Grundsätzlich könnte sich die KESB darauf beschränken festzustellen, dass die Kosten vom unterstützungspflichtigen Gemeinwesen zu tragen sind und es der anspruchsberechtigten Beistandsperson (bzw. bei einem Berufsbeistand oder einer Berufsbeiständin dem Arbeitgeber) überlassen, die ihr (bzw. ihm) zustehende Entschädigung beim vermeintlich zuständigen Gemeinwesen einzufordern. Da der Beistand oder die Beiständin aber von der KESB mandatiert bzw. eingesetzt ist und in deren Auftrag (staatliche) Aufgaben erfüllt, muss es auch möglich sein, dass die KESB den Finanzierungsprozess direkt in Gang setzt, indem sie im Entscheid festhält, welches Gemeinwesen sie als unterstützungspflichtig (und somit vorleistungspflichtig) erachtet. Mit der Zustellung des Entscheids löst sie den Finanzierungsvorgang aus. Dies erscheint umso mehr gerechtfertigt, als in der Mehrzahl der Fälle die Zuständigkeit des unterstützungspflichtigen Gemeinwesens nicht streitig sein dürfte und das Verfahren somit vereinfacht wird.

Ist die Frage nach dem unterstützungspflichtigen Gemeinwesen strittig, ist der Konflikt – wie in Erwägung 1.5.3 dargelegt – auf dem im Sozialhilferecht vorgegebenen Weg von den Gemeinden zu klären. Je nach Ausgang des sozialhilferechtlichen Kompetenzbereinigungsverfahrens hat die nicht unterstützungspflichtige Gemeinde gegenüber der unterstützungspflichtigen Gemeinde einen Rückforderungsanspruch. Der Streit zwischen den Gemeinden soll aber den Beistand oder die Beiständin nicht berühren (vgl. auch BGer-Urteil 5A_503/2016 vom 23.12.2016 E. 2.3, wonach der Entscheid der KESB i.S. Festsetzung der Entschädigung und des Spesenersatzes der Beistandsperson einen definitiven Rechtsöffnungstitel darstellt).

1.6.
Nach dem Gesagten ist die KESB gestützt auf die einschlägigen zivilrechtlichen Bestimmungen sowohl befugt, verfügungsweise über die Höhe der Mandatsentschädigung und der Spesen zu befinden, als auch den Grundsatzentscheid zu fällen, ob die betroffene Person oder das unterstützungspflichtige Gemeinwesen für diese Kosten aufzukommen hat. Hingegen ist die KESB gestützt auf die einschlägigen sozialhilferechtlichen Bestimmungen nicht befugt, durch ihren Entscheid abschliessend zu entscheiden, welches (von mehreren in Frage kommenden) Gemeinwesen tatsächlich zahlungspflichtig ist. Der Entscheid der KESB X vom 15. Februar 2019 stellt daher in Bezug auf den Streitgegenstand keine verbindliche Verfügung dar, sondern vermag lediglich im Sinn von § 57 Abs. 3 EGZGB das Gemeinwesen zu bezeichnen, welches bis zur Klärung der Zuständigkeit für die Kosten der Massnahme als Vorleistung aufzukommen hat. Die Klärung der definitiven Leistungspflicht hat, wie bereits erwähnt, im Rahmen des sozialhilferechtlichen Kompetenzkonfliktverfahrens zu erfolgen. Daran ändert nichts, dass die Vorinstanz vorliegend zwei vorleistungspflichtige Gemeinwesen bezeichnet hat. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist mangels Anfechtungsobjekt nicht einzutreten.

1.7.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Parteien verpflichtet sind, die Kosten für die Mandatsführung entsprechend dem Entscheid der KESB X vom 15. Februar 2019 zu bezahlen. Sollte eine der Parteien damit nicht einverstanden sein, kann das sozialhilferechtliche Kompetenzbereinigungsverfahren eingeleitet werden. Immerhin sind die Parteien darauf hinzuweisen, dass die Frage, wie die Regelung der subsidiären Kostenübernahme durch die öffentliche Hand bei einem Wohnsitzwechsel der betroffenen Person zu handhaben ist, im Gesetz nicht geregelt ist. Hinzuweisen ist auch auf die Stellungnahme des Arbeitsausschusses der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz (KOKES) zur Übernahme der Kosten für Entschädigung und Spesen der Führung der Beistandschaft durch das Gemeinwesen bei Wohnsitzwechsel (Art. 404 Abs. 3 ZGB) und deren Empfehlung, die Kosten für die Entschädigung und den Spesenersatz der Mandatsträger und Mandatsträgerinnen – soweit sie nicht dem Vermögen der betroffenen Person belastet werden können – bei einem Wohnsitzwechsel bis zum Zeitpunkt der formellen Übernahme der Massnahme durch die neu zuständige Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde dem bisherigen Gemeinwesen zu belasten (vgl. ZKE 2016 S. 152). Dieser Lösungsvorschlag erscheint einfach und praxistauglich und wird – soweit ersichtlich – von den meisten Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden im Kanton Luzern angewendet.