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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:1. Abteilung
Rechtsgebiet:Kostenbeschwerde
Entscheiddatum:27.01.2020
Fallnummer:1C 19 19
LGVE:2020 I Nr. 6
Gesetzesartikel:Art. 95 f. ZPO, Art. 110 ZPO, Art. 243 ff. ZPO; § 2 ff. JusKV, § 31 JusKV, § 33 JusKV
Leitsatz:Festsetzung des Anwaltshonorars im Zivilprozess; Kostenbeschwerde (Art. 110 ZPO)
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:Das Arbeitsgericht wies im vereinfachten Verfahren das Begehren einer Arbeitgeberin (Klägerin) auf Verpflichtung eines ehemaligen Angestellten (Beklagter) zur Bezahlung von Fr. 20'000.-- wegen Verletzung des vertraglich vereinbarten Konkurrenzverbots ab. Die vom Rechtsvertreter des Beklagten eingereichte Honorarnote von Fr. 16'005.50 kürzte die Vorinstanz im Urteil vom 24. Mai 2019 auf Fr. 9'000.--. Die Klägerin erhob Kostenbeschwerde und verlangte die Festsetzung des Honorars auf Fr. 4'500.--.

Aus den Erwägungen:
5.
5.1
In Bezug auf die Kostenfestsetzung, d.h. auf die Höhe der Kosten, kann als unrichtige Rechtsanwendung was folgt gerügt werden: Anwendung eines falschen Tarifs; unrichtige Festlegung des massgeblichen Streitwerts; unzutreffende Anwendung von Art. 95 lit. b oder c der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO; SR 272) (als Folge der Qualifikation einer Parteivertretung als berufsmässige bzw. nicht berufsmässige); rechtsfehlerhafte Ermessensausübung (z.B. übermässige, durch sachliche Gründe nicht zu rechtfertigende Kürzung des im Rahmen der Parteientschädigung geltend gemachten Stundenansatzes oder Zeitaufwandes des berufsmässigen Parteivertreters); willkürliche Qualifikation von Auslagen als nicht notwendig im Sinne von Art. 95 Abs. 3 lit. a ZPO. Als offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts kann etwa falsche Festlegung des Streitwerts zufolge Übersehens eines Teilanspruchs oder falscher Bewertung der Widerklage gerügt werden (Sterchi, Berner Komm., Bern 2012, Art. 110 ZPO N 6a f.).

5.2
Die Vorinstanz hat den Streitwert unbestrittenermassen korrekt auf Fr. 20'000.-- beziffert. Unbestritten ist auch, dass die Streitsache im vereinfachten Verfahren zu behandeln war und dass gemäss Art. 96 ZPO die Bestimmungen der kantonalen Verordnung über die Kosten in Zivil-, Straf- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren (JusKV; SRL Nr. 265) zur Anwendung gelangen.

Gemäss § 31 Abs. 1 JusKV beträgt die ordentliche Gebühr des berufsmässigen Parteivertreters in einem im vereinfachten Verfahren zu führenden Zivilprozess mit einem Streitwert bis Fr. 30'000.-- vor erster Instanz 75 bis 150 Prozent der Gerichtsgebühr nach § 6 Abs. 2 lit. a JusKV, d.h. 75 bis 150 Prozent des für die Gerichtsgebühr geltenden Rahmens von Fr. 500.-- bis Fr. 3'000.--. Die Obergrenze der ordentlichen Anwaltsgebühr gemäss Tarif beträgt somit (…) Fr. 4'500.--. (…)

Nicht stichhaltig ist der Einwand der Klägerin, die Vorinstanz habe die Begründungspflicht verletzt. Eine Begründung der Festsetzung der Kosten der berufsmässigen Vertretung ist in der Regel nicht erforderlich. Hat hingegen – wie vorliegend der Anwalt des Beklagten – eine spezifizierte Kostennote eingereicht und damit einen bezifferten und substanziierten Antrag gestellt, ist eine allfällige Kürzung stets zu begründen, desgleichen eine den ordentlichen Tarifrahmen über- oder unterschreitende Kostenfestsetzung (Sterchi, a.a.O., Art. 105 ZPO N 7 und 9; BGer-Urteile 5D_178/2012 vom 14.6.2013 E. 2.3.3, 5D_41/2016 vom 21.7.2017 E. 2.4).

Die Vorinstanz hat das vom Anwalt des Beklagten mit Kostennote vom 9. April 2019 geltend gemachte Honorar von Fr. 16'005.50 auf Fr. 9'000.-- gekürzt bzw. es damit auf einen die ordentliche Maximalgebühr übersteigenden Betrag festgesetzt. Sie hat dabei sowohl in Bezug auf die Kürzung des Honorars (und der geltend gemachten Auslagen) als auch in Bezug auf die Überschreitung des ordentlichen Tarifrahmens unter Hinweis auf die einschlägigen Bestimmungen der JusKV jene Überlegungen genannt, von denen sie sich hat leiten lassen und auf die sie ihren Entscheid stützte. Die Begründung war so abgefasst, dass sich sowohl der von der Kürzung betroffene Anwalt als auch die entschädigungspflichtige Gegenpartei über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen konnten. Damit ist die Vorinstanz ihrer aus Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV; SR 101) fliessenden Begründungspflicht nachgekommen (vgl. BGE 142 III 433 E. 4.3.2; BGer-Urteile 5D_178/2012 vom 14.6.2013 E. 2.3.3, 4A_479/2018 vom 26.2.2019 E. 2.2.1 f.).

5.3
Wie dargelegt, beträgt der ordentliche Kostenrahmen für die Anwaltsgebühr vorliegend zwischen Fr. 375.-- und Fr. 4'500.-- (§ 31 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 2 lit. a JusKV; oben E. 5.2). Innerhalb dieses Rahmens bemisst sich die Gebühr nach Umfang, Bedeutung und Schwierigkeit der Streitsache, nach der Art der Vertretung sowie nach dem sachlich gebotenen Zeitaufwand für die Verfahrensführung (§ 2 Abs. 1 JusKV). Bei besonderen Umständen kann die Gebühr ohne Bindung an den vorgegebenen Rahmen erhöht werden, insbesondere bei ausserordentlichem Umfang, grosser Bedeutung oder besonderer Schwierigkeit der Streitsache, bei Mitbeurteilung von Zivilforderungen im Strafverfahren oder wenn die Prozessführung einen ausserordentlichen Zeitaufwand erforderte (§ 2 Abs. 2 JusKV).

5.4
Dem erstinstanzlichen Richter kommt hinsichtlich der Kostenfestsetzung ein grosses Ermessen zu. Gerügt werden kann einzig, es liege eine rechtsfehlerhafte Ermessensausübung vor, also Ermessensmissbrauch, Ermessensüber- oder -unterschreitung. Blosse Unangemessenheit erfüllt den Beschwerdegrund der unrichtigen Rechtsanwendung nicht (Sterchi, a.a.O., Art. 110 ZPO N 5a und 6a).

Ein Ermessensmissbrauch liegt vor, wenn die im Rechtssatz umschriebenen Voraussetzungen und Grenzen des Ermessens zwar beachtet worden sind, aber das Ermessen unter unmassgeblichen Gesichtspunkten, insbesondere willkürlich und rechtsungleich betätigt wird. Dies bedeutet, dass sich die entscheidende Behörde zwar formell an ihren Entscheidungsspielraum hält, der Entscheid aber nicht nur unangemessen, sondern unhaltbar und somit willkürlich ist (vgl. Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2016, N 434 f.).

Willkürlich ist ein Entscheid nicht schon, wenn eine andere als die getroffene Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst dann, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkür liegt zudem nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines Entscheids, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 141 I 49 E. 3.4, 140 III 16 E. 2.1; BGer-Urteile 4A_237/2013 vom 8.7.2013 E. 3.2.5, 4A_479/2018 vom 26.2.2019 E. 2.1.3).

5.5
(…)
Wie die Klägerin an sich zu Recht geltend macht, erlaubt es die Regelung der JusKV, dass für die Anwaltsgebühr ein je nach Verfahren und Streitwert unterschiedlicher Maximalbetrag festgesetzt wird (§ 31 i.V.m. §§ 4-8 ff. JusKV), die grundsätzlich auf alle Streitsachen Anwendung findet, einerseits, die Entschädigung auf einen gewissen Betrag zu beschränken, und andererseits, die finanziellen Risiken eines Prozesses abzuschätzen. Die JusKV erlaubt indes klarerweise auch ein Abweichen von diesem Grundsatz, nämlich beim Vorliegen besonderer Umstände (§ 2 Abs. 2 JusKV). Der erstinstanzliche Richter verfügt nicht nur über ein Ermessen bei der Festsetzung des Anwaltshonorars innerhalb des ordentlichen Rahmens gemäss § 2 Abs. 1 JusKV nach den dort angeführten Kriterien, sondern er verfügt auch und insbesondere über ein Ermessen, ob er die "Kann-Bestimmung" von § 2 Abs. 2 JusKV anwenden will oder nicht bzw. ob er besondere Umstände im Sinne dieser Bestimmung für gegeben hält oder nicht.

Das mit Kostennote vom 9. April 2019 geltend gemachte Honorar von Fr. 16'005.50 berechnete der Anwalt das Beklagten ohne Berücksichtigung der Tarife und Regelungen der JusKV anhand eines Zeitaufwands von 48,5 Stunden zu einem Stundenansatz von Fr. 330.--. Ein Anwaltshonorar bemisst sich indes nicht direkt nach "Zeit x Ansatz". Der Zeitaufwand ist nur eines unter mehreren in § 2 JusKV genannten Kriterien, der Stundenansatz ist höchstens im Rahmen einer Kontrollrechnung hinsichtlich des Verhältnisses zwischen dem notwendigen und angemessenen Zeitaufwand und dem zuzusprechenden Honorar relevant. Das Vorgehen der Vorinstanz, sich nicht einlässlich mit den einzelnen Aufwandpositionen auseinanderzusetzen und sich nicht zum geltend gemachten Ansatz zu äussern, sondern festzuhalten, dass der ordentliche Maximalwert erheblich überschritten war und deshalb die Honorarnote nicht im geltend gemachten Umfang genehmigt werden konnte, ist ebenso wenig zu beanstanden wie die in der Folge vorgenommene Kürzung und pauschale Festsetzung. Soweit die Klägerin im Beschwerdeverfahren einzelne Positionen, namentlich den angeführten Aufwand für die beiden Verhandlungen, hinterfragt, wurde dieser Aufwand vom Anwalt des Beklagten plausibel erläutert. Ob ein Stundenansatz von Fr. 330.-- oder, wie die Klägerin postuliert, von maximal Fr. 300.-- angemessen wäre, kann auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren offenbleiben. Dafür, dass die Vorinstanz sich vom geltend gemachten Stundenansatz hätte "blenden lassen" oder ihn "zugelassen" hätte und aus diesem Grund vom Kostenrahmen abgewichen wäre, bestehen keine Hinweise. Die Vorinstanz begründete die gegenüber dem ordentlichen Maximalbetrag erhöhte Gebühr neben der grossen Bedeutung der Streitsache für den Beklagten namentlich mit einem ausserordentlichen Zeitaufwand seines Anwalts.

Der vorliegende Prozess war aufgrund des Streitwerts von Fr. 20'000.-- im vereinfachten Verfahren zu führen (Art. 243 Abs. 1 ZPO). Die wichtigsten Grundsätze des vereinfachten Verfahrens sind die Verfahrensbeschleunigung (Verfahrenserledigung möglichst am ersten Termin, Art. 246 Abs. 1 ZPO) sowie die Laientauglichkeit des Verfahrens (Formerleichterungen, weitgehende Mündlichkeit, richterliche Hilfestellung bei der Feststellung des Sachverhalts, Art. 244, 245 und 247 ZPO); nach dem Willen des Gesetzgebers verlangt die angestrebte Kostengünstigkeit des Verfahrens, dass ein Laie das Verfahren selbständig und ohne Beizug eines Anwalts führen kann (vgl. Mazan, Basler Komm., 3. Aufl. 2017, Art. 244 ZPO N 13). Der Vorwurf der Klägerin, die Vorinstanz habe eine erhöhte Parteientschädigung lediglich aufgrund dessen, dass sie eine unbegründete Klage eingereicht habe, zugesprochen und sie dafür "bestraft", dass sie von ihrem Recht Gebrauch gemacht habe, findet zum einen in der Begründung der Vorinstanz keine Stütze und wäre zum anderen auch nicht gerechtfertigt. Selbstverständlich kann auch ein (Fach-) Anwalt eine unbegründete Klage einreichen und (erst) an der Hauptverhandlung mit einer rund 12-seitigen Begründung aufwarten, (u.a.) weitere Urkunden einreichen und (u.a.) Zeugen benennen. Richtig ist auch, dass die Durchführung einer zweiten Verhandlung, wie sie vorliegend für die Zeugeneinvernahmen und Parteibefragungen erforderlich wurde (vgl. Mazan, a.a.O., Art. 246 ZPO N 11), auch im vereinfachte Verfahren nicht per se zur Annahme eines ausserordentlichen Aufwands führt. Richtig ist schliesslich wohl auch, dass bei einer begründeten Klage die Gegenpartei zwar weniger Zeit für die Verhandlungsvorbereitung und -führung benötigt, dafür aber mehr Zeit für die Ausarbeitung der Klageantwort und gegebenenfalls einer Duplik. Ob sich dies unter dem Strich in etwa ausgleicht, wie die Klägerin mutmasst, kann offenbleiben. Fest steht, dass vorliegend der Anwalt des Beklagten an zwei vergleichsweise lange dauernden Verhandlungen teilzunehmen und beide vergleichsweise aufwändig vorzubereiten hatte sowie nebst einer vergleichsweise umfangreichen Klageantwort auch einen vergleichsweise umfangreichen Schlussvortrag (inkl. Stellungnahme zum Beweisergebnis) verfasste; dass die Vorinstanz den detailliert aufgelisteten Aufwand (inkl. Instruktion, Studium von Akten und Rechtsfragen etc., vgl. § 30 JusKV) unter diesen Umständen als ausserordentlich qualifizierte, ist gut nachvollziehbar. Fest steht weiter, dass eine Parteientschädigung gemäss Tarif bei vergleichsweise geringen Streitwerten im Verhältnis zur Wichtigkeit und Schwierigkeit der Sache sowie zu der damit für den Anwalt verbundenen Verantwortung und der von ihm in gebotener Weise aufgewendeten Zeit (vgl. BGer-Urteil 4A_171/2017 vom 26.9.2017 E. 5.2) eher Grund und Anlass zu einer Erhöhung gemäss § 2 Abs. 2 JusKV bietet als eine Parteientschädigung gemäss Tarif bei hohen Streitwerten. Angesichts der zwar namentlich für den Beklagten bedeutsamen Sache, des vergleichsweise indes doch eher tiefen Streitwerts, erscheint die von der Vorinstanz vorgenommene Erhöhung auch unter diesem Aspekt gut nachvollziehbar.

5.6
Zusammenfassend und abschliessend ist festzuhalten, dass in Bezug auf die Festsetzung des Honorars des Anwalts des Beklagten auch andere Lösungen vertretbar gewesen wären als das Doppelte des ordentlichen Maximums gemäss Tarif, diese von der Vorinstanz vorgenommene Festsetzung indes nicht willkürlich ist. Die Vorinstanz hat weder das ihr in der Frage nach der Anwendung von § 2 Abs. 2 JusKV noch das ihr bei der Festsetzung des Honorars zustehende Ermessen missbraucht. Ein Honorar von Fr. 9'000.-- (und damit unter Berücksichtigung der zu Recht nach Massgabe von § 33 JusKV festgesetzten Auslagen von Fr. 150.-- sowie der zu Recht hinzugerechneten MWST von Fr. 704.55 eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 9'854.55) erscheint denn auch unter den konkreten Umständen des vorliegenden Falles nicht offensichtlich unhaltbar, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehend, eine Norm krass verletzend oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufend, wie dies zur Bejahung von Willkür und damit zur Gutheissung der Beschwerde erforderlich wäre (vgl. oben E. 5.4). Die Beschwerde ist somit abzuweisen.