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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:4. Abteilung
Rechtsgebiet:Bau- und Planungsrecht
Entscheiddatum:20.08.2019
Fallnummer:7H 18 103
LGVE:
Gesetzesartikel:Art. 5 und 17 WaG, § 136 PBG, § 14 KWaG.

Leitsatz:Zu den Voraussetzungen für die Erteilung einer Sonderbewilligung zur Unterschreitung des Waldabstands: Eine Bewilligung zur Unter-schreitung des Kantonalen Waldabstands unter 15 m für Wohn- und Arbeitsräume sowie 10 m für übrige Bauten und Anlagen kann von der zuständigen Kantonalen Dienststelle nur erteilt werden, wenn die für eine Rodung notwendigen Voraussetzungen sinngemäss erfüllt sind (E. 4.5.3). Es müssen somit wichtige Gründe für die Unterschreitung des Waldabstands sprechen, die das Interesse an der Einhaltung des Waldabstands überwiegen, und auch die weiteren Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 2 lit. a - c WaG müssen erfüllt sein (E. 4.6.3). Insbesondere ist auch die Standortgebundenheit des Werks im Waldunterabstand zu prüfen, was eine Standortevaluation voraussetzt. Allein das raumplanerische Interesse an einer baulichen Verdichtung genügt hierfür nicht, denn eine solche hat grundsätzlich innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen zu erfolgen (E. 4.6.4 und 4.6.6).
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:Aus den Erwägungen:

[…]

4.
4.1.
Die Beschwerdeführer rügen, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Sonderbewilligung zur Unterschreitung des Waldabstands seien nicht erfüllt. Gemäss § 136 Abs. 2 des Planungs- und Baugesetzes (PBG; SRL Nr. 735) i.V.m. § 14 des Kantonalen Waldgesetzes (KWaG; SRL Nr. 945) hätten neue Bauten und Anlagen mindestens einen Abstand von 20 m zum Waldrand einzuhalten. Über die Bewilligung von Ausnahmen bis minimal 15 m Waldabstand für Wohn- und Arbeitsräume sowie 10 m für übrige Bauten und Anlagen entscheide die Baubewilligungsbehörde unter Berücksichtigung der Wohnhygiene, der Sicherheit und der Erhaltung des Waldes und seiner Funktion (§ 136 Abs. 3 PBG). Für Bauten und Anlagen unterhalb der Minimalabstände gemäss § 136 Abs. 3 PBG bedürfe es einer Sonderbewilligung der zuständigen Amtsstelle. Diese könne nur erteilt werden, wenn die für eine Rodungsbewilligung bestehenden Voraussetzungen sinngemäss erfüllt würden (§ 136 Abs. 4 PBG). Die geplanten Wohnhäuser würden einen Waldabstand von 10 m und die geplanten Sickerpackungen, Leitungen und Schächte einen solchen von 5 m aufweisen. Die Vorinstanz habe die ihr obliegende Interessenermittlung und -abwägung unvollständig und rechtsfehlerhaft vorgenommen, indem sie das Interesse an der Erhaltung des Waldes und seiner Funktion ausser Acht gelassen habe. An der Beachtung des gesetzlich vorgeschriebenen Waldabstands bestehe ein gewichtiges öffentliches Interesse, diene der Waldabstand einerseits der Abwehr polizeilicher Gefahren, die vom Wald ausgehen könnten, andererseits auch der Walderhaltung. Angemessen sei der Mindestabstand von Bauten und Anlagen, wenn er den Schutz dieser im öffentlichen Interesse liegenden Zwecke gewährleisten würde, welche durch eine zu enge Nachbarschaft von Bauten und Anlagen beeinträchtigt wären. Das Baugrundstück weise eine äusserst grosszügige Grundstücksfläche (7'209 m2) vor, die auch in Nachachtung raumplanungsrechtlicher Verdichtungsvorgaben eine sinnvolle Überbauung zulassen würde, ohne dass in den gesetzlichen "Norm"-Abstand von 20 m eingegriffen werden müsste. Das Baugrundstück könne auch unter Einhaltung sämtlicher Abstände (raumplanerisch und wirtschaftlich) sinnvoll überbaut werden. Das rawi bzw. die Vorinstanz habe dem Erhalt des Waldes und seiner Funktion und namentlich der besonderen Schutzwürdigkeit des Waldrandes keinerlei Beachtung geschenkt. Mit einem Abstand der Hochbauten von lediglich 10 m bzw. einem Abstand der Tiefbauten von nur 5 m zum bestehenden, dicht bestockten Wald werde dem hoch zu gewichtenden öffentlichen Interesse an der Erhaltung der Quantität und Qualität des Waldrandes nicht nachgelebt. Vielmehr würde die Nähe der geplanten Baukörper zum bestehenden Waldrand eine hohe Gefahr der Beeinträchtigung für Flora und Fauna in diesem Waldstück darstellen.

4.2.
Der Beschwerdegegner stellt sich demgegenüber auf den Standpunkt, die Vorinstanz habe das Vorliegen des Tatbestands von § 136 PBG (i.V.m. § 14 KWaG) eingehend geprüft und bejaht. Die Dienststelle rawi habe eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen und richtig erkannt, dass im vorliegenden Fall die Interessen an einer haushälterischen Nutzung von Bauland vorgehe und keine konkrete Gefährdung von Waldinteressen vorliege. Sodann sei richtig erkannt worden, dass die Wohnhygiene sowie die Sicherheitskriterien eingehalten und auch nicht gefährdet würden. Dasselbe gelte für die standortgebundenen Leitungen und Schächte, die von den Beschwerdeführern nicht thematisiert würden.

4.3.
Die Dienststelle rawi führt in ihrer Vernehmlassung aus, nur eine kantonale waldrechtliche Ausnahmebewilligung für Wohnbauten erlaube (im Verhältnis zu den heutigen Gegebenheiten) eine verdichtete Bauweise auf dem strittigen Grundstück Nr. z, GB Z, respektive den haushälterischen Umgang mit Bauflächen im Siedlungsgebiet. Das raumplanerische Verdichtungsziel gelte als höheres öffentliches Interesse, welches einen Näherbau zum Wald rechtfertigen könne. Die sinngemässe Erfüllung der Rodungsvoraussetzung bezüglich der relativen Standortgebundenheit sei somit unter der Bedingung, dass eine Verdichtung bei den geplanten Bauten stattfinde, erstellt. Auch die weiteren Rodungsvoraussetzungen seien erfüllt. Im Weiteren sei festzuhalten, dass die Waldparzelle unterliegend sei, Baufelder teilweise über das Eck lägen und somit kein wesentliches Sicherheitsrisiko für die geplanten oberliegenden Wohnbauten entstünden. Die Erhaltung des Waldes und seiner weiteren Funktionen würden nicht wesentlich beeinträchtigt.

4.4.
Die Gemeinde hielt in ihrer Stellungnahme ebenfalls dafür, dass eine Interessenabwägung bezüglich der Sonderbewilligung für den Waldabstand stattgefunden habe. Gemäss zutreffender Feststellung der Dienststelle rawi stocke der Wald südwestlich und abfallend zum Bauvorhaben. Mit anderen Worten werde trotz des Unterabstands eine natürliche Trennung zwischen dem Bauvorhaben und dem Wald erreicht. Eine Beeinträchtigung des Waldes habe die Dienststelle daher verneint. Forstrechtliche Interessen stünden nicht auf dem Spiel. Andererseits werde trotz des geringen Abstands die Wohnhygiene genügend beachtet. Auch Sicherheitsrisiken durch den Unterabstand seien nach Beurteilung der Dienststelle rawi vernachlässigbar. Nebst forstrechtlichen und baupolizeilichen Interessen seien auch noch andere öffentliche Interessen in die Beurteilung miteinzubeziehen. So das nicht minder erhebliche öffentliche Interesse an einer haushälterischen Nutzung des Baulands. Die Anordnung der zwei Mehrfamilienhäuser in die Geländekammer des Baugrundstücks sei optimal gelungen. Einher mit der Verdichtung spiele auch die Platzierung des Bauvolumens eine entscheidende Rolle. Sodann erachtet sie die Voraussetzungen einer Rodungsbewilligung als sinngemäss erfüllt. Die von der Raumplanung geforderte Verdichtung gelte als hohes öffentliches Interesse, welches eine solche Sonderbewilligung bezüglich Unterschreitung des Waldabstands rechtfertigen könne. Daher sei dem haushälterischen Umgang mit Bauflächen im Siedlungsgebiet, wie vorliegend, Beachtung zu schenken. Zu bedenken sei, dass bereits das heutige Gebäude und Nebenbauten im Unterabstand stünden bzw. den Grenzabstand noch mehr unterschreiten würden als die projektierten Bauten. Vor diesem Hintergrund sei es im Einklang mit der kantonalen Sonderbewilligung gerechtfertigt, den nachgesuchten Unterabstand zu bewilligen.

4.5.
4.5.1.
Für die Bewilligung von Bauten im Waldabstandsbereich ist zunächst auf das Bundesgesetz über den Wald (Waldgesetz, WaG; SR Nr. 921.0) hinzuweisen. Danach sind Bauten in Waldesnähe nur zulässig, wenn sie die Erhaltung, Pflege und Nutzung des Waldes nicht beeinträchtigen (Art. 17 Abs. 1 WaG). Dabei haben die Anlagen vom Wald im Interesse seiner Erhaltung einen angemessenen Mindestabstand einzuhalten, welcher von den Kantonen unter Berücksichtigung der Lage und der zu erwartenden Höhe des Bestandes festzusetzen ist (Art. 17 Abs. 2 WaG). Aus wichtigen Gründen können die zuständigen Behörden die Unterschreitung des Mindestabstands unter Auflagen und Bedingungen bewilligen (Art. 17 Abs. 3 WaG).
Mit einem angemessenen Waldabstand soll der Wald vor natürlicher oder menschlicher Zerstörung bewahrt werden. Weiter soll er die zweckmässige Bewirtschaftung und Erschliessung des Waldes ermöglichen, den Wald vor Feuer schützen, sowie insbesondere dem hohen ökologischen Wert des Waldrands angemessen Rechnung tragen (BGer-Urteile 1C_139/2017 vom 6.2.2018 E. 9.2.1 und 1C_476/ 2008 vom 6.7.2009 E. 5.4.1; Dajcar, in: Fachhandbuch Öffentliches Baurecht [Hrsg. Griffel/Liniger/Rausch/Thurnherr], Zürich 2016, N 4.192; Jäger/Bühler, Schweizerisches Umweltrecht, Bern 2016, N 912; Hänni, Planungs-, Bau- und besonderes Umweltschutzrecht, 6. Aufl. 2016, S. 456). Waldränder sind sowohl wegen ihres landschaftlichen, biologischen und ästhetischen Werts als auch angesichts ihrer vermehrten Gefährdung besonders zu schützen. Zu erhalten ist nicht allein die Quantität, sondern auch die Qualität des Waldes. Der Waldrand ist für die Qualität des Waldes wesentlich (BGE 113 Ib 403 E. 4c/aa). Angemessen ist der Waldabstand, wenn er diesem Schutzziel Rechnung trägt. Andernfalls besteht die Gefahr, dass der Wald zufolge einer zu engen Nachbarschaft von Bauten und Anlagen beeinträchtigt würde (BGer-Urteil 1C_119/2008 vom 21.11.2008 E. 2.4, nicht publ. in: BGE 135 II 30, aber publiziert in: URP 2009 S. 138). Dabei liegt eine Beeinträchtigung bereits dann vor, wenn eine oder mehrere der gesetzlich vorgeschriebenen Schutzfunktionen des Waldes ernsthaft gefährdet erscheinen und eine solche Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Eine aktuelle und konkrete Gefährdung braucht nicht vorzuliegen (BGer-Urteil 1A.93/2005/1P.251/2005 vom 23.8.2005 E. 2.3 mit Hinweis).
An der Beachtung des gesetzlich vorgeschriebenen Waldabstands besteht somit ein gewichtiges öffentliches Interesse (BGer-Urteil 1C_415/2014 vom 1.10.2015 E. 2.5). Der Waldabstand ist stets einzuhalten, es sei denn, es liege eine Ausnahmesituation im Sinn der kantonalen Gesetzgebung vor (BGer-Urteil 1C_139/2017 vom 6.2.2018 E. 9.2.1).

4.5.2.
Als wichtige Gründe, die einen verminderten Waldabstand zu rechtfertigen vermögen, können berücksichtigt werden: die aussergewöhnliche Topografie des Geländes, eine grössere Anzahl vorbestandener Gebäude im Abstandsbereich oder der Umstand, dass das betroffene Grundstück nur aufgrund eines verkürzten Abstands überbaut werden kann. Allerdings müssen diese Verhältnisse gegenüber den gewichtigen öffentlichen Interessen, die für das Regelmass sprechen, abgewogen werden (vgl. BGer-Urteil 1C_428/2014 vom 22.4.2015 E. 2.1). Der zuständigen Behörde kommt dabei ein Ermessensspielraum zu. Dabei hat sie ihr Ermessen pflichtgemäss auszuüben, womit der Entscheid nicht nur rechtsgleich, diskriminierungsfrei und verhältnismässig (vgl. BGE 140 I 99 E. 3.1 mit Hinweis), sondern auch – im Sinn der Berücksichtigung besonderer Verhältnisse und einer zutreffenden Interessenabwägung – angemessen sein muss. Dabei dürfen insbesondere auch das Interesse an einem haushälterischen Umgang mit Boden, das Interesse an der Realisierung eines hochstehenden Wohnprojekts oder das Interesse an der Schaffung von neuem Wohnraum gegen die forstrechtlichen Interessen abgewogen werden (vgl. BGer-Urteil 1C_119/2008 vom 21.11.2008 E. 2.3, nicht publiziert in BGE 135 II 30).

4.5.3.
In der Luzerner Rechtsordnung ist der Waldabstand im PBG geregelt, worauf § 14 Abs. 1 KWaG verweist. Massgebend ist § 136 Abs. 1 PBG. Danach haben neue Bauten und Anlagen zur Waldgrenze prinzipiell einen minimalen Abstand von 20 m einzuhalten, es sei denn, Baulinien regelten den Waldabstand abweichend. Über die Bewilligung von Ausnahmen bis minimal 15 m Waldabstand für Wohn- und Arbeitsräume sowie 10 m für übrige Bauten und Anlagen entscheidet die Baubewilligungsbehörde unter Berücksichtigung der Wohnhygiene, der Sicherheit und der Erhaltung des Waldes und seiner Funktion (§ 136 Abs. 3 PBG).
Für Bauten und Anlagen unterhalb der Minimalabstände gemäss § 136 Abs. 3 PBG bedarf es einer Sonderbewilligung der zuständigen kantonalen Dienststelle. Diese kann nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen für eine Rodungsbewilligung sinngemäss erfüllt sind. Die Bewilligung kann zudem durch das Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement erteilt werden, wenn in ausserordentlichen Fällen historische oder wichtige raumplanerische Gründe für ein Bauvorhaben sprechen und diese Gründe gegenüber den forstlichen Interessen überwiegen (§ 136 Abs. 4 PBG). Eine Rodung wiederum kann nur ausnahmsweise bewilligt werden, denn Rodungen sind an sich untersagt (Art. 5 Abs. 1 WaG). Das Verbot ist die Konsequenz des aus Art. 1 und 3 WaG fliessenden Walderhaltungsgebots (dazu: BBl 1988 III 191). Eine Ausnahmebewilligung darf nur erteilt werden, wenn nachgewiesen ist, dass für die Rodung wichtige Gründe bestehen, die das Interesse an der Walderhaltung überwiegen und zudem die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen nach Art. 5 Abs. 2 lit. a - c WaG erfüllt sind (BGE 119 Ib 401 E. 5b; vgl. dazu E. 4.6.3 hernach). Weiter ist dem Natur- und Heimatschutz Rechnung zu tragen (Art. 5 Abs. 4 WaG; BGer-Urteil 1C_448/2011 vom 5.7.2012 E. 3.1).

4.6.
4.6.1.
Wie bereits ausgeführt, hat die Dienststelle rawi als hierfür zuständige Instanz die Sonderbewilligung für die Unterschreitung des Waldabstands gemäss § 14 KWaG i.V.m. § 136 Abs. 4 PBG auf 10 m erteilt. Die Begründung für diesen Entscheid ist indessen knapp ausgefallen. Sie argumentierte in erster Linie mit dem Hinweis auf die öffentlichen und privaten Interessen an der haushälterischen Nutzung von Bauland. Zusätzlich verwies sie darauf, dass der Wald südwestlich stocke und abfallend zum Bauprojekt liege, so dass aufgrund der Lage des Waldes und der geplanten Bauten keine Beeinträchtigung der Wohnhygiene und Sicherheit zu erwarten sei.

4.6.2.
Diese knappen Erwägungen vermögen indessen den Anforderungen an die Begründungspflicht und an eine umfassende Interessenabwägung im Zusammenhang mit einer Sonderbewilligung nach § 136 Abs. 4 PBG nicht zu genügen, und zwar aus folgenden Gründen:

4.6.3.
Für eine derart weitreichende Unterschreitung des Waldabstands auf 10 m, was einer Halbierung des gesetzlich vorgesehenen Waldabstands entspricht, müssen – wie bereits erwähnt – auch die Voraussetzungen einer Rodungsbewilligung sinngemäss erfüllt sein. Gemäss Art. 5 Abs. 2 WaG darf eine Bewilligung dann erteilt werden, wenn der Gesuchsteller nachweist, dass für die Rodung wichtige Gründe bestehen, die das Interesse an der Walderhaltung überwiegen und zudem die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: das Werk, für das gerodet werden soll, muss auf den vorgesehenen Standort angewiesen sein (lit. a); das Werk muss die Voraussetzungen der Raumplanung sachlich erfüllen (lit. b) und die Rodung darf zu keiner erheblichen Gefährdung der Umwelt führen (lit. c). Nicht als wichtige Gründe gelten finanzielle Interessen, wie die möglichst einträgliche Nutzung des Bodens oder die billige Beschaffung von Land für nichtforstliche Zwecke (Abs. 3). Dem Natur- und Heimatschutz ist Rechnung zu tragen (Abs. 4). Diese Bestimmungen umschreiben die materiellen Voraussetzungen, welche kumulativ erfüllt sein müssen, damit eine Rodung (oder hier eine Unterschreitung des Waldabstands) ausnahmsweise gestattet werden darf. Dabei hat die Bewilligungsbehörde eine umfassende Interessenabwägung zwischen den verschiedenen Belangen des Umweltschutzes, des Natur- und Heimatschutzes sowie des Raumplanungsrechts vorzunehmen (BGE 122 II 81 E. 6d/dd).

4.6.4.
Inwiefern in Anbetracht der konkreten Umstände diese Anforderungen an eine Rodungsbewilligung bei einem Waldabstand für die Neubauten von bloss 10 m sinngemäss erfüllt sein sollten, begründet die Dienststelle rawi im angefochtenen Entscheid nicht explizit und ist auch nicht ersichtlich. Insbesondere zeigten weder sie noch der Beschwerdegegner nachvollziehbar auf, weshalb die beiden geplanten Mehrfamilienhäuser auf den vorgesehenen Standort im Unterabstand zum Wald angewiesen und eine zonengemässe Nutzung des Grundstücks andernfalls nicht möglich sein sollen. Zwar muss es sich im Sinn der relativen Standortgebundenheit nicht um den einzig möglichen Standort handeln, doch muss es objektive Gründe für dessen Wahl geben. Deshalb ist im Zusammenhang mit der Standortgebundenheit abzuklären, ob geeignetere Alternativen in Frage kommen (vgl. Dajcar, a.a.O., N 4.182). Dementsprechend verlangt auch die Dienststelle rawi für die Beurteilung der Voraussetzung der Standortgebundenheit nach Art. 5 Abs. 2 lit. a WaG den Nachweis von "explizit geprüften Varianten" (vgl. https://lawa.lu.ch/wald/waldrecht/Rodung, Seite zuletzt besucht am 20.8.2019). Sinngemäss ist ein entsprechender Nachweis auch im Rahmen einer Sonderbewilligung gemäss § 136 Abs. 4 PBG erforderlich; insbesondere wenn – wie hier – ein grösseres Bauprojekt und eine masslich derart erhebliche Unterschreitung des Waldabstands zu beurteilen ist. Dass die Standortgebundenheit als eine der Voraussetzungen der Rodungsbewilligung bei dieser Sonderbewilligung nach § 136 Abs. 4 PBG erfüllt sein muss, wurde auch in der Botschaft zum kantonalen Waldgesetz, mit welchem die Waldabstandsvorschrift neu im PBG geregelt wurde, explizit betont (Botschaft Nr. 398 des Grossen Rats vom 19.8.1977 [B 99], in: Verhandlungen des Grossen Rats 1997 S. 1033). Damit eine Standortgebundenheit im Unterabstand zum Wald bejaht werden kann, ist daher erforderlich, dass die Baute zur Realisierung darauf angewiesen ist und eine andere Variante (z.B. Verschiebung des Baukörpers vom Waldrand weg), welche der Schutzfunktion des Waldes besser Rechnung trägt, aufgrund der konkreten Umstände namentlich raumplanerisch, weder zweckmässig noch sachgerecht ist. Die Beweislast hierfür trägt die Bauherrschaft als Gesuchstellerin der Sonderbewilligung.

Dieser Nachweis wurde von der Bauherrschaft nicht erbracht. Insbesondere gibt auch die Vorstudie zum Projekt vom 5. Mai 2015 keine schlüssige Antwort auf die Frage, weshalb für die Überbauung des Grundstücks eine Unterschreitung des Waldabstands zwingend sein soll. Wohl werden darin gewisse Einschränkungen der Bebaubarkeit des Grundstücks durch die gesetzlichen Vorschriften aufgezeigt, doch finden sich keine Überlegungen dazu, weshalb die geplanten Bauten auf eine Halbierung des gesetzlichen Waldabstands angewiesen sein sollten bzw. ohne diese massive Unterschreitung eine sinnvolle Überbauung gar nicht realisierbar wäre. Die erforderliche Standortgebundenheit kann auch nicht allein mit dem Hinweis begründet werden, dass damit eine bauliche Verdichtung realisiert werden kann. Denn diese Sichtweise lässt ausser Betracht, dass eine bauliche Verdichtung grundsätzlich innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen anzustreben ist. Dass eine entsprechende Überbauung vorliegend unter Einhaltung des gesetzlichen Waldabstands nicht möglich sein soll, ist weder hinreichend dokumentiert noch erstellt. Insofern erweist sich das Baugesuch als auch die Beurteilung durch die zuständige Fachbehörde als unvollständig. Der Beschwerdegegner hat als Gesuchsteller für die Sonderbewilligung mithin die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen.

4.6.5.
Bei der Beurteilung der Waldabstandbestimmungen geht es um die Anwendung von kantonalem Recht, weshalb bei der Interessenabwägung gemäss der kantonalen Praxis auch dem öffentlichen Interesse an der haushälterischen Nutzung des Bodens Rechnung getragen werden darf (vgl. auch vorne E. 4.5.2). Letzteres stellt aber nur einen Aspekt dar, den es im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller massgeblichen Faktoren und öffentlichen Interessen im Einzelfall zu berücksichtigen gilt. Es muss eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen werden, welche auch die gegenteiligen (öffentlichen und privaten) Interessen in diese Gesamtsicht miteinbezieht und allen Aspekten von Art. 5 Abs. 2 WaG Rechnung trägt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine Sonderbewilligung kein taugliches Mittel dafür darstellen kann, der Bauherrschaft durch Abweichung von bestimmten Vorschriften eine optimale Ausnützung des Grundstücks zu gewährleisten oder ihr – sei es in wirtschaftlicher oder architektonischer Hinsicht – zur besten Lösung der Bauaufgabe zu verhelfen (vgl. BGE 107 Ia 214 E. 5; vgl. LGVE 2001 II Nr. 17 E. 4d; Urteil des Kantonsgerichts Luzern 7H 14 128 vom 13.11.2015 E. 4.4.1; vgl. Rhinow/Krähenmann, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel 1990, Nr. 37 III; Zimmerlin, Baugesetz des Kantons Aargau, 2. Aufl. 1985, § 155 BauG N 6 m.w.H.). Wer eine Ausnahme- bzw. Sonderbewilligung beansprucht, hat – wie erwähnt – nachzuweisen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen und insbesondere der Erteilung einer Sonderbewilligung keine öffentlichen Interessen entgegenstehen. Insofern ist auch die Rechtsprechung beachtlich, wonach (betriebs-)wirtschaftliche Gründe wohl eine Ausnahmebewilligung zu rechtfertigen vermögen, nicht aber rein finanzielle, auf Rendite gerichtete Überlegungen oder nur persönliche Gründe (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts Luzern 7H 18 5 vom 26.2.2019 E. 6.4.2.2 mit Hinweisen). Dies ergibt sich auch aus Art. 5 Abs. 3 WaG, wonach finanzielle Interessen, wie die möglichst einträgliche Nutzung des Bodens oder die billige Beschaffung von Land für nichtforstliche Zwecke, nicht als wichtige Gründe gelten.

4.6.6.
Im angefochtenen Entscheid wurde von der Dienststelle rawi weder eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen noch die sinngemäss zu erfüllenden Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 2 WaG geprüft. Vielmehr hat sie, wie sie auch in der Vernehmlassung festhielt, pauschal das raumplanerische Verdichtungsziel als höheres öffentliches Interesse qualifiziert, welches einen Näherbau zum Wald rechtfertigen könne. Allein deshalb erachtete sie auch die relative Standortgebundenheit der geplanten Bauten als erfüllt. Diese Sichtweise erweist sich indessen als zu undifferenziert. Zwar kann dieses raumplanerische Ziel für die Bewilligung eines Waldunterabstands sprechen, doch reicht dieser Aspekt für sich allein nicht aus, um eine Halbierung des gesetzlichen Waldunterabstands zu begründen, wenn der Bauherrschaft eine so grosse Grundstücksfläche zur Verfügung steht, die zumindest teilweise für die Umsetzung ihrer zonenkonformen Nutzung herangezogen werden kann. So verfügt das Baugrundstück über eine Fläche von 7'209 m2, wovon zwar die geschlossene Waldfläche 3'291 m2 (ausserhalb der Bauzone) sowie die Fläche "Fluss, Bach, Kanal" 41 m2, total 3'332 m2, beträgt, doch verbleibt eine grundsätzlich nutzbare Grundstücksfläche von 3'877 m2. Selbst unter Einhaltung des ordentlichen Waldabstands erscheint deshalb aufgrund der Akten eine im Vergleich zur heutigen Überbauung dichtere Bauweise nicht als ausgeschlossen. In diesem Zusammenhang hätte auch diskutiert werden müssen, ob der beantragten Sonderbewilligung vornehmlich wirtschaftliche Gründe bzw. finanzielle Interessen wie die möglichst einträgliche Nutzung des Bodens zugrundeliegen. Diesen Aspekt hat die Dienststelle rawi in ihrer Interessenabwägung aber ebenfalls nicht beleuchtet, was gerade bei einem derart grossen und aufwendigen Bauprojekt zu beanstanden ist. Damit vermag aber das öffentliche Interesse an der haushälterischen Nutzung des Bodens die waldrechtlichen Interessen an der Einhaltung des ordentlichen Waldabstands nicht zu überwiegen, wenn eine Halbierung des gesetzlichen Waldabstands geplant ist. Gleichzeitig ist aber nicht ausgeschlossen, dass eine weniger weitreichende Unterschreitung des Waldabstands bewilligungsfähig wäre (vgl. dazu auch nachfolgende E. 4.6.7). Entsprechende Abklärungen hat der Beschwerdegegner zu treffen und anschliessend mit den erforderlichen Unterlagen (insbesondere zur Angewiesenheit des Standorts) der zuständigen Behörde zur Prüfung vorzulegen.

4.6.7.
Bezüglich der Aspekte der Wohnhygiene (Besonnung) und der Sicherheit sind namentlich die Lage (Expositionen N/S/W/O), die Höhe und die Topographie (abfallend oder aufsteigend) des Waldes zu berücksichtigen. Stockt der Wald topographisch aufsteigend, tangiert dies hinsichtlich des Baumfalls Aspekte der Sicherheit. Stockt er im Süden, betrifft dies Belange der Wohnhygiene (Urteil des Kantonsgerichts Luzern 7H 17 235 vom 5.4.2018 E. 7.5.1). Hier stockt der Wald südwestlich vom geplanten Bauprojekt und ist topographisch absteigend. Zudem verläuft der Waldrand teilweise über Eck, insbesondere im südwestlichen Bereich des geplanten Hauses B. Diese Punkte können durchaus dafür herangezogen werden, dass der Waldabstand mit Blick auf die Wohnhygiene und Sicherheit verkürzt werden könnte. Doch wurde der Waldabstand vorliegend auf zehn Meter reduziert. Eine derart grosse Unterschreitung des Waldabstands trägt hier aber dem Umstand zu wenig Rechnung, dass der bestehende Baumbestand am Waldrand teilweise hohe Bäume aufweist. Gerade bei einem teils so hohen Baumbestand gilt es – trotz abfallendem Gelände – insbesondere die Gefahr herabfallender Äste speziell zu berücksichtigen. Bereits bei der Einführung des Waldgesetzes wurde festgehalten, dass selbst bei einem Waldabstand von 15 - 20 m und angrenzenden Bäumen von bis zu 30 m Höhe Schäden durch herabfallende Äste oder umstürzende Bäume nicht ausgeschlossen seien (vgl. Botschaft Nr. 398 des Grossen Rats vom 19.8.1977 [B 99], in: Verhandlungen des Grossen Rats 1997 S. 1033). Auch diesbezüglich sind bei der Beurteilung eines angepassten Bauprojekts zusätzliche Abklärungen durch die zuständige Behörde erforderlich, sollte wiederum über eine Waldabstandsunterschreitung zu befinden sein.

4.7.
Damit steht fest, dass die Voraussetzungen zur Erteilung einer Sonderbewilligung nach § 14 Abs. 1 i.V.m. § 136 Abs. 4 PBG zur Unterschreitung des Waldabstands auf lediglich 10 m nicht gegeben sind.

[…]