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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Bildungs- und Kulturdepartement
Abteilung:-
Rechtsgebiet:Bildungsrecht
Entscheiddatum:12.08.2019
Fallnummer:BKD 2019 4
LGVE:2019 VI Nr. 4
Gesetzesartikel:Art. 19 BV; § 1 Abs. 2 GymBV
Leitsatz:Lernende, welche das Gymnasium besuchen möchten, können sich nicht im gleichen Masse auf die Zumutbarkeit ihres Schulweges berufen wie Lernende der Volksschule. Beim Übertritt aus der Volksschule ins Gymnasium können Lernende den gewünschten Schulstandort angeben (beschränkte Schulstandortwahl). Es besteht jedoch kein Anspruch auf den Besuch des Gymnasiums am gewünschten Schulstandort.

Hobbys oder familiäre Gewohnheiten können als Kriterium für die Zuteilung zu einer Kantonsschule nicht berücksichtigt werden.
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:Aus den Erwägungen:

3.1 Art. 19 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV) gewährleistet den Anspruch auf ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulunterricht. Der Grundschulunterricht ist obligatorisch und an öffentlichen Schulen unentgeltlich (Art. 62 Abs. 2 BV). Dieser Verfassungsanspruch garantiert den Lernenden einerseits unentgeltlichen Unterricht in der Wohnsitzgemeinde, und andererseits beinhaltet er nach ständiger Rechtsprechung den Anspruch auf einen zumutbaren Schulweg. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung erstreckt sich dieser Anspruch jedoch nicht auf den Unterricht an Untergymnasien, obwohl dieser noch in die obligatorische Schulzeit fällt. Der untergymnasiale Unterricht stellt nicht bloss eine dritte, qualifizierte Variante der schulischen Oberstufe dar mit dem Ziel, eine Elementarausbildung zu vermitteln, welche mit dem Ende der Schulpflicht abgeschlossen wird. Er führt im Rahmen des Langzeitgymnasiums als erster Teil der gymnasialen Ausbildung über die Maturität zur Hochschulreife. Auch hinsichtlich des Lehrplanes unterscheidet sich der untergymnasiale Unterricht vom Unterricht an den Volksschulen der gleichen Stufe. Es werden häufig Fächer angeboten oder Fächer in einer Tiefe behandelt, welche über den im Rahmen einer elementaren Schulbildung zu vermittelnden Lerninhalt hinausgehen. Ein Kanton kommt seiner verfassungsrechtlichen Pflicht zur Gewährung eines ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulunterrichts während der obligatorischen Schulzeit nach, wenn er diesen an einer Volksschule anbietet. Das Bundesgericht vertritt die Ansicht, dass einer an einer Gymnasialbildung interessierten Lernenden in der Regel zugemutet werden könne, die obligatorische Schulzeit statt am Untergymnasium an einer Sekundarschule zu verbringen (BGE 133 I 156, E. 3.6.1 f.).

3.2 Der Kanton Luzern führt acht Gymnasien an unterschiedlichen Schulstandorten (§ 1 Abs. 1 Verordnung zum Gesetz über die Gymnasialbildung vom 19. Juni 2001 [GymBV; SRL Nr. 502]). Die Zuweisung des Schulstandortes für den Besuch des Gymnasiums nimmt die Dienststelle Gymnasialbildung vor. Die Lernenden können bei Übertritt aus der Volksschule ins Gymnasium den gewünschten Schulstandort angeben. Ein Schulwechsel ist möglich im Zusammenhang mit der Wahl des Schwerpunktfachs, wenn das gewünschte Schwerpunktfach an der besuchten Schule nicht angeboten wird (vgl. § 1 Abs. 2 GymBV). Für die am Gymnasium interessierten Lernenden ergibt sich daraus lediglich eine beschränkte Schulstandortwahl in dem Sinn, dass sie Wünsche zum Schulstandort äussern können. Einen Anspruch auf einen bestimmten Schulstandort beziehungsweise auf den Besuch eines bestimmten Gymnasiums besteht hingegen nicht.

3.3 Die Beschwerdeführerin ist im Zeitpunkt des vorliegenden Beschwerdeentscheides 13-jährig und hat ihre obligatorische Schulzeit demnach noch nicht abgeschlossen. Sie möchte aber ab Schuljahr 2019/2020 das Langzeitgymnasium besuchen. Gestützt auf die vorgängigen Darlegungen ergibt sich für ihren Schulweg an eine Kantonsschule zusammengefasst, dass sich die Rechtsprechung zur Zumutbarkeit eines Schulweges vor allem auf die Absolvierung des obligatorischen Grundschulunterrichts an der Volksschule bezieht. Das Untergymnasium gehört jedoch nicht zum obligatorischen Grundschulunterricht. Das Gymnasium ist als «besonderes» Angebot zu betrachten, worauf grundsätzlich kein Anspruch besteht. Ausreichend für die Erfüllung der Schulpflicht im Rahmen des obligatorischen Grundschulunterrichts wäre daher auch der Besuch der Sekundarstufe I am Wohnort. Das Gymnasium kann dagegen in der Regel nicht am Wohnort besucht werden. Ein längerer Schulweg ist daher grundsätzlich in Kauf zu nehmen. Aus dem Umstand, dass kein Anspruch auf den Besuch einer bestimmten Kantonsschule besteht, gilt dies auch für Schulwege, welche nicht in die nächstgelegene Kantonsschule führen. Eine Lernende, welche das Gymnasium besuchen möchte, kann sich nicht im gleichen Masse auf die Zumutbarkeit ihres Schulweges berufen wie Lernende der Volksschule. (…).

4.2 Vorliegend wird davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin unabhängig davon, ob sie die Kantonsschule A oder die Kantonsschule B besuchen würde, den Schulweg grundsätzlich mit dem öffentlichen Bus absolviert. Die Konsultation eines gängigen, digitalen Routenplaners (Google Maps) zeigt entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Zeiten und den Anzahl Buslinien für den Weg von Tür zu Tür an die beiden Kantonsschulen.

4.2.2 Die vorangehenden Darlegungen zeigen auf, dass zwischen der Wegstrecke bis zur Kantonsschule Z und der Wegstrecke bis zur Kantonsschule Y in zeitlicher Hinsicht kein wesentlicher Unterschied besteht. Zwischen den Wegstrecken, welche vorwiegend mit zwei Buslinien (also mit einmaligem Umsteigen) absolviert werden, besteht lediglich ein zeitlicher Unterschied von 8 Minuten pro Strecke, somit insgesamt 16 Minuten pro Tag. Im Gegensatz zur Wegstrecke an die Kantonsschule Y hat die Beschwerdeführerin für die Wegstrecke an die Kantonsschule Z die Möglichkeit, die Wegstrecke nur mit einer Buslinie und somit ohne Umsteigen zu absolvieren. Für den Rückweg beträgt der zeitliche Unterschied der beiden Wegstrecken gar nur eine bis sechs Minuten. Dies wird vorliegend als zumutbar betrachtet. Im Übrigen wies die Vorinstanz wiederholt darauf hin, dass eine weitere Lernende aus der gleichen Strasse die Kantonsschule Z besuche. Somit ist es für die Beschwerdeführerin möglich, den Schulweg in Begleitung zu absolvieren.

4.2.3 Die Beschwerdeführerin bringt vor, es sei wahrscheinlich, dass sie die Anschlussbusse verpassen werde, weil sie in der Hauptverkehrszeit umsteigen müsse und die Umsteigezeit nur vier Minuten betrage. Diesbezüglich ist ihr entgegenzuhalten, dass die Fahrpläne der verschiedenen Buslinien aufeinander abgestimmt sind. Es kann deshalb grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Anschlussbus erreicht wird. Die Frage der Verspätung stellt sich im Übrigen auch bei einem Besuch der Kantonsschule Y, weil die Beschwerdeführerin auch auf dieser Wegstrecke umsteigen muss. Wie die Vorinstanz zutreffend festhält, ist nicht ersichtlich, weshalb sich die Busse gerade im Falle der Beschwerdeführerin verspäten sollten. Hätte ein Bus tatsächlich Verspätung, würde dies zudem alle Lernenden im Bus betreffen. Um Verspätungen zu vermeiden, kann die Beschwerdeführerin einen früheren Bus nehmen, ohne dass sich die Dauer der Wegstrecke wesentlich verlängert. Es trifft denn auch nicht zu, dass der Schulweg pro Tag über zwei Stunden dauert, wenn die Beschwerdeführerin einen früheren Bus nimmt. Eine frühere Ankunft in der Schule kann sie zur Erledigung von Hausaufgaben nutzen. Wie gesagt, hat die Beschwerdeführerin zudem die Möglichkeit, eine Buslinie ohne Umsteigen zu nutzen. Insgesamt ist der etwas längere Schulweg an die Kantonsschule Z daher als zumutbar zu betrachten und die Beschwerde wird in diesem Punkt abgewiesen.

(...)

5.3.1 Mit ihren Rügen kritisiert die Beschwerdeführerin die Unvereinbarkeit ihrer Hobbys und ihres Familienlebens mit dem Unterricht an der Kantonsschule Z. Mit dem Antrag auf Zuteilung an die Kantonsschule Y geht es ihr folglich darum, ihre privaten Interessen mit dem Besuch des Gymnasialunterrichts zu vereinbaren. Im Lichte der vorgängigen Ausführungen zu den Ansprüchen bezüglich Zuteilung an einen Schulstandort (vgl. Ziff. 3) ist ihr aber entgegenzuhalten, dass Einschränkungen der persönlichen Freiheit durch den Besuch eines Gymnasiums hingenommen werden müssen. Die Vorinstanz wies deshalb in ihrer Stellungnahme zurecht darauf hin, dass Hobbys oder familiäre Gewohnheiten als Kriterium für die Zuteilung zu einer Kantonsschule nicht berücksichtigt werden können. Die diesbezüglichen heterogenen Präferenzen der Familien würden die öffentliche Hand überfordern.

(…)