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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:2. Abteilung
Rechtsgebiet:Strafvollzug
Entscheiddatum:14.07.2020
Fallnummer:4H 19 44
LGVE:
Gesetzesartikel:Art. 64 StGB, Art. 75a StGB, § 1 JVG, § 2 JVG, § 3 JVV, § 4 JVV.
Leitsatz:Für den Entscheid über Vollzugsöffnungen i.S.v. Art. 75a StGB bei Verwahrungen nach Art. 64 StGB ist die Dienststelle Militär, Zivilschutz und Justizvollzug zuständig.
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.


Entscheid:
Aus den Erwägungen:

4.1.1.
Gemäss § 3 Abs. 2 der Verordnung über den Justizvollzug (JVV; SRL Nr. 327) handeln die Abteilungen der Dienststelle Militär, Zivilschutz und Justizvollzug in ihren Zuständigkeitsbereichen im Namen und nach Weisung der Dienststelle, ausser in den in Abs. 3 bis 5 aufgeführten Fällen. Nach § 3 Abs. 3 JVV ist die Dienststelle Militär, Zivilschutz und Justizvollzug zuständig für den Entscheid über Vollzugsöffnungen im Sinne von Art. 75a des Schweizerischen Strafgesetzbuchs (StGB; SR 311.0) bei Verwahrungen nach Art. 64 StGB und bei lebenslänglichen Freiheitsstrafen. Der Wortlaut des § 3 Abs. 3 JVV legt nahe, dass über sämtliche Vollzugsöffnungen im Zusammenhang mit Verwahrungen nach Art. 64 StGB und bei lebenslänglichen Freiheitsstrafen – als Beispiele für Vollzugsöffnungen nennt Art. 75a Abs. 2 StGB insbesondere die Verlegung in eine offene Anstalt, die Gewährung von Urlaub, die Zulassung von Arbeitsexternat oder zum Wohnexternat und die bedingte Entlassung – die Dienststelle zu befinden hat.

4.1.2.
Das wird durch das historische und das teleologische Auslegungselement untermauert. Gemäss § 94 i.V.m. § 95 Abs. 1 JVV wurde die bisher massgebliche Verordnung über den Justizvollzug vom 12. Dezember 2006 (aJVV) auf Ende Juni 2016 aufgehoben. Die altrechtliche Fassung der Verordnung, welche als Ausführungserlass zum damaligen Gesetz über den Straf- und Massnahmenvollzug vom 3. Juni 1957 (SMG; SRL Nr. 305) ergangen war, sah anders als das neue (Verordnungs-)Recht keine Zuständigkeit der Dienststelle bei Vollzugssachen bei besonders gelagerten Fällen vor. § 3a aJVV (Dienststelle Militär, Zivilschutz und Justizvollzug) hielt Folgendes fest: Die Dienststelle Militär, Zivilschutz und Justizvollzug ist mit ihren Abteilungen Haft- und Untersuchungsgefängnis Grosshof, Strafanstalt Wauwilermoos und Vollzugs- und Bewährungsdienste zuständig für den Justizvollzug. Die Abteilungen handeln in ihrem Zuständigkeitsbereich im Namen und nach Weisung der Dienststelle. Demgegenüber war der Vollzug der Strafentscheide und -urteile der Staatsanwaltschaft und der kantonalen Gerichte gemäss § 4 aJVV (Vollzugs- und Bewährungsdienste) dem Vollzugs- und Bewährungsdienst (VBD) übertragen, soweit die Zuständigkeit nicht einer anderen Dienststelle beziehungsweise das Bundesrecht einer richterlichen Behörde übertragen würde (Abs. 1). Indem der Verordnungsgeber in § 3 Abs. 3 und 4 JVV (in der geltenden Fassung) abweichend vom bisherigen Recht einzelne (Vollzugs-)Aufgaben vom VBD auf die Dienststelle übertrug, ging es ihm offenkundig darum, dass in den dort angesprochenen Fällen nicht mehr der VBD, sondern die Dienstelle als vorgesetzte Stelle über die potentiell heiklen und brisanten Vollzugsöffnungen verfügen solle. Darin liegt denn auch der intendierte Sinn und Zweck der Gesetzesnovelle.

Unter dem Gesichtspunkt der systematischen Auslegung resultieren keine von den bisherigen Schlussfolgerungen abweichenden Erkenntnisse.

4.1.3.
Zusammenfassend ergibt sich, dass mit Inkrafttreten des des Gesetzes über den Justizvollzug (JVG; SRL Nr. 305) bzw. der dazugehörigen – revidierten – JVV ab 1. Juli 2016 die Dienststelle Militär, Zivilschutz und Justizvollzug – und nicht mehr wie bisher der VBD – u.a. für den Entscheid über Vollzugsöffnungen bei Verwahrungen nach Art. 64 StGB (und bei lebenslänglichen Freiheitsstrafen) zuständig ist.