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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:4. Abteilung
Rechtsgebiet:Bau- und Planungsrecht
Entscheiddatum:16.07.2020
Fallnummer:7H 19 193
LGVE:
Gesetzesartikel:§ 133 Abs. 1 und 2 PBG, § 184 Abs. 1 PBG, § 122 Abs. 1 und 2 Anhang PBG, § 123 Anhang PBG, § 124 Anhang PBG, § 125 Anhang PBG, § 126 Abs. 1 und 2 Anhang PBG.
Leitsatz:Einzuhaltender Grenzabstand eines Lagerplatzes für Barellen und Gerüstteile; Abgrenzung zwischen Bauten und Anlagen gemäss kantonalem Recht (E. 5).
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Auf eine gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist das Bundesgericht mit Urteil 1C_437/2020 vom 31. August 2020 nicht eingetreten.
Entscheid:Aus den Erwägungen:

2.
Am 1. Januar 2014 wurde die am 17. Juni 2013 vom Kantonsrat beschlossene Änderung des Planungs- und Baugesetzes (PBG; SRL Nr. 735) sowie die totalrevidierte Planungs- und Bauverordnung (PBV; SRL Nr. 736) in Kraft gesetzt. Gleichzeitig erlangte die Interkantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der Baubegriffe (IVHB; SRL Nr. 737) für den Kanton Luzern Gültigkeit (vgl. Dekret über die Genehmigung des Konkordats vom 22.9.2005; Beschluss des Kantonsrats vom 17.6.2013 [KR 2013 1876]). Bei dem revidierten PBG und der totalrevidierten PBV ist beachtlich, dass mehrere Normen vom Regierungsrat gemeindeweise bis Ende 2023 in Kraft gesetzt werden (vgl. § 224 PBG und § 69 Abs. 2 PBV). Während dieser Anpassungsfrist für die Gemeinden gelten bestimmte bisherige Bestimmungen des PBG und der PBV weiterhin, die sich in den jeweiligen Anhängen zu diesen beiden Erlassen finden (vgl. LGVE 2016 IV Nr. 1).

Die Stadt X hat ihre baurechtlichen Grundlagen noch nicht angepasst, weshalb die in den Anhängen des PBG und der PBV aufgelisteten Normen für sie weiterhin anwendbar bleiben (zit.: Anhang PBG resp. PBV).

3.
3.1.
Das vorliegende Verfahren ist vom Untersuchungsgrundsatz (§ 53 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege [VRG; SRL Nr. 40]) und von der Rechtsanwendung von Amtes wegen (§ 37 Abs. 2 VRG) beherrscht. Diese Grundsätze gelten indessen nicht uneingeschränkt. Sie werden ergänzt durch die verschiedenen Mitwirkungspflichten der Parteien (§ 55 VRG), namentlich deren Begründungspflicht (§ 133 Abs. 1 VRG). Zu beachten ist ferner das Rügeprinzip, wonach die Beschwerdeinstanz nur die vorgebrachten Beanstandungen prüft und nicht untersucht, ob sich der angefochtene Entscheid unter schlechthin allen in Frage kommenden Aspekten als korrekt erweist. Im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht hat die Beschwerde führende Partei darzutun, in welchen Punkten und weshalb der angefochtene Entscheid beanstandet wird (vgl. zum Ganzen: LGVE 2012 II Nr. 28 E. 1c mit Hinweis).

3.2.
Als einzige kantonale Rechtsmittelinstanz verfügt das Kantonsgericht im vorliegenden Verfahren über uneingeschränkte Kognition (§ 161a VRG sowie § 156 Abs. 2 i.V.m. §§ 144-147 VRG). Obwohl dem Gericht damit nicht nur Sachverhalts- und Rechts-, sondern auch Ermessenskontrolle zusteht (vgl. auch Art. 33 Abs. 3 lit. b des Bundesgesetzes über die Raumplanung (RPG; SR 700)), auferlegt es sich eine gewisse Zurückhaltung. Diese gilt zunächst, wenn die Beurteilung von einer Würdigung der örtlichen Verhältnisse abhängt, welche die kommunalen Behörden besser kennen und überblicken (vgl. BGE 135 I 302 E. 1.2). Gerichtliche Zurückhaltung ist ferner geboten gegenüber der sachkundigen Verwaltung bezüglich technischer Fragen. Gleich verhält es sich in Bezug auf ausgesprochene Ermessensfragen, deren Beantwortung den vorrangig für den Vollzug des Baurechts verantwortlichen Behörden überlassen sein muss. Das Kantonsgericht ist aufgrund der ihm zugedachten Funktion nicht befugt, sein Ermessen an die Stelle desjenigen der Vorinstanz zu setzen. Es hat sich zudem im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden zurückzunehmen (§ 144 Abs. 2 VRG; vgl. zum Ganzen: BGE 139 II 185 E. 9.3; LGVE 2000 II Nr. 18 E. 3a).

3.3.
Der rechtserhebliche Sachverhalt für die vorliegend zu entscheidenden Fragen ergibt sich hinlänglich aus den Akten, insbesondere aus den eingereichten fotografischen Aufnahmen sowie den Feststellungen anlässlich des Augenscheins durch das Bezirksgericht X vom 24. September 2018 im Rahmen einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung zwischen den Beschwerdeführerinnen und dem Rechtsvorgänger der Beschwerdegegnerin. Auf weitere Beweismassnahmen – insbesondere den beantragten Augenschein – kann entsprechend dem Ausgang des Verfahrens und mit Verweis auf die nachfolgenden Erwägungen verzichtet werden (antizipierte Beweiswürdigung; vgl. BGE 141 I 60 E. 3.3, 136 I 229 E. 5.3 mit Hinweisen).

4.
4.1.
Die Beschwerdeführerinnen bringen im Wesentlichen vor, der Lagerplatz für Gerüstmaterial sei nicht als Anlage, sondern als Baute zu qualifizieren, weshalb der ordentliche Grenzabstand zur Anwendung gelange. Die Vorinstanz habe verkannt, dass die kantonale Rechtsprechung im Zusammenhang mit dem Bautenbegriff eine Praxisänderung erfahren habe. Neu sei der Begriff der Baute weit zu fassen und es komme nicht darauf an, ob eine Baukonstruktion über Wände und ein Dach verfüge. Sie verweisen diesbezüglich auf die Urteile des Verwaltungsgerichts Luzern V 12 13 vom 8. Oktober 2012, V 11 164 vom 5. Januar 2012 sowie LGVE 2011 II Nr. 6, des Kantonsgerichts Luzern LGVE 2016 IV Nr. 4 sowie des Bundesgerichts 1C_267/2011 vom 16. September 2011, mit welchem das Urteil des Verwaltungsgerichts Luzern V 11 9/10 bestätigt wurde.

4.2.
Die Vorinstanz qualifizierte den Lagerplatz im angefochtenen Entscheid unter Verweis auf LGVE 2009 II Nr. 16 sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts Luzern V 09 28 (vom 3.11.2009) als Anlage, weshalb für diesen keine Grenzabstände gelten würden. Der streitbetroffene Lagerplatz weise Stapel von Gerüstteilen auf, welche von der Beschwerdegegnerin an Dritte vermietet würden und mithin nicht ortsfest seien. Sie seien mit dem Boden nicht physisch verbunden. Die Verbindung zum Boden sei vielmehr lose und vorübergehender Natur. Sowohl der genaue Standort der einzelnen Gerüststapel wie auch deren Höhe würden ständig variieren. Sie verhinderten den Durchblick nicht und führten auch nicht zum Entzug von Licht und Sonne. Sie seien insbesondere keine Mauern oder Einfriedungen bzw. hätten keine entsprechende Funktion.

5.
5.1.
Das Luzerner Planungs- und Baugesetz unterscheidet die baubewilligungspflichtigen Vorrichtungen in Bauten und Anlagen (§ 184 Abs. 1 PBG). Es enthält verschiedene Bestimmungen über die einzuhaltenden Grenzabstände: Der ordentliche Grenzabstand für Massiv- und Weichbauten ist in den §§ 122 - 123 Anhang PBG geregelt. Für Kleinbauten gilt § 124 Anhang PBG, für Unterniveaubauten § 125 Anhang PBG sowie für Mauern, Einfriedungen, Böschungen und Gewächse § 126 Anhang PBG. Ist schliesslich von einer Anlage auszugehen, so sieht das kantonale Baupolizeirecht keine Mindestgrenzabstände vor, welche einzuhalten wären (LGVE 2016 IV Nr. 4 E. 4.4; vgl. auch BGer-Urteil 1C_267/2011 vom 16.9.2011 E. 2.1).

Während somit für die Frage der Bewilligungspflicht als solcher die Unterscheidung zwischen Bauten und Anlagen nicht von Bedeutung und die grundsätzliche Baubewilligungspflicht des Lagerplatzes nicht mehr strittig ist, da der Voreigentümer der Beschwerdegegnerin ein nachträgliches Baugesuch eingereicht hat, gilt dies nicht bezüglich der erwähnten Grenzabstandsvorschriften. Im Gegensatz zu anderen kantonalen Regelungen ist die Qualifikation als Baute, Kleinbaute oder Anlage von entscheidender Bedeutung für die Frage, ob, und falls ja, welcher einschlägige, baupolizeiliche Grenzabstand vom Lagerplatz bzw. den darauf gelagerten Barellen und Gerüstteilen einzuhalten ist.

5.2.
Die Vorinstanz verweist in ihrer Vernehmlassung ergänzend zu den Erwägungen im angefochtenen Entscheid (vgl. vorne E. 4.2) insbesondere auf die Rechtsprechung des Regierungsrats und des damaligen Verwaltungsgerichts, wonach ein schutzbietendes Dach Voraussetzung für die Qualifikation als Baute darstellt (LGVE 1988 III Nr. 18, 1993 II Nr. 2 und 1993 III Nr. 20).

5.3.
Zwischen den beiden die Baubewilligungspflicht auslösenden Objekten "Bauten" und "Anlagen" besteht keine scharfe Trennlinie. Als Bauten gelten im Allgemeinen ober- und unterirdische Gebäude oder gebäudeähnliche Objekte. Die ständige Verwaltungspraxis qualifiziert dabei ein Gebäude oder eine überdachte bauliche Anlage dann als Baute, wenn diese/s Menschen, Tiere oder Sachen gegen äussere Einflüsse zu schützen vermag und mehr oder weniger abgeschlossen ist. Wände sind nicht Voraussetzung, doch muss in der Regel zumindest ein schutzbietendes Dach vorhanden sein (Urteil des Verwaltungsgericht Luzern V 10 364 vom 31.5.2011 E. 5b; Leutenegger, Das formelle Baurecht der Schweiz, 2. Aufl. 1978, S. 94). Generell ausgedrückt liegt eine Baute erst dann vor, wenn sie eine in irgendeiner Art ausgestaltete Aussenhülle aufweist, in welche etwas hineingestellt oder von der etwas herausgenommen werden kann. Als Anlagen werden hingegen eher Einrichtungen bezeichnet, die das Gelände oder den umliegenden Raum verändern, wie beispielsweise Parkplätze, Steinbrüche, Kiesgruben, Autofriedhöfe, Campingplätze, Vitaparcours, Rampen, Bootsstege, u.a.m. (Waldmann/Hänni, Raumplanungsgesetz, Bern 2006, Art. 22 RPG N 11; LGVE 1993 III Nr. 20 E. 2, vgl. auch: LGVE 1986 III Nr. 33 E. 1.2.4 mit Hinweisen; Urteile des Verwaltungsgerichts Luzern V 09 28 vom 3.11.2009 E. 6b/cc und V 97 195 vom 12.3.1998 E. 3a, mit Hinweis). Der raumplanerische Bautenbegriff hat in der Praxis eine sehr umfassende Bedeutung erhalten mit Einschluss all dessen, was mancherorts als "bauliche Anlage" irgendwelcher Art bezeichnet wird, wobei es auf die Erscheinungsformen nicht ankommt (Zimmerlin, Baugesetz des Kantons Aargau, 2. Aufl. 1985, § 10 BauG N 2). Dem folgend fasst das Kantonsgericht in seiner jüngeren Rechtsprechung den raumplanerischen Bautenbegriff weit und nimmt in Abgrenzung dazu eine Subsumtion unter den Begriff der Anlage nur mit Zurückhaltung vor (LGVE 2016 IV Nr. 4 E. 4.4.1, 2011 II Nr. 6 E. 5c/cc; vgl. dazu BGer-Urteil 1C_267/2011 vom 16.9.2011 E. 2.3).

Insbesondere qualifizierte das damalige Verwaltungsgericht (heute Kantonsgericht) in seinem Urteil vom 6. Mai 2011 eine nicht überdachte Reklametafel als Kleinbaute (LGVE 2011 II Nr. 6 E. 5c/cc). Diese Ausweitung des Bautenbegriffs basierte im Wesentlichen auf dem Einbezug der Auswirkungen des jeweiligen Bauvorhabens auf seine Umgebung im Rahmen der Anwendung von Grenzabstandsvorschriften. Das Bundesgericht bestätigte diese Beurteilung und kam zum Schluss, dass sich die vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid vorgenommene Ausweitung des Bautenbegriffs sachlich begründen lasse und damit nicht unhaltbar sei (BGer-Urteil 1C_267/2011 vom 16.9.2011).

Der Bautenbegriff wurde damit stark ausgedehnt. Er hat in der Praxis eine sehr umfassende Bedeutung erhalten mit Einschluss all dessen, was mancherorts als "bauliche Anlage" irgendwelcher Art bezeichnet wird, wobei es auf die Erscheinungsformen nicht ankommt (vgl. zum Ganzen: LGVE 2011 II Nr. 6 E. 5c/bb). Welche Bauvorhaben von dieser Ausdehnung tatsächlich betroffen sind, ist im jeweiligen Fall zu beurteilen. Ziel muss eine sachgerechte Handhabung dieser Begriffe bleiben.

Aus diesen Ausführungen erhellt, dass die Frage, ob ein bestimmtes bauliches Vorhaben als Baute oder Anlage zu qualifizieren ist, einer einlässlichen Beurteilung der konkreten Verhältnisse bedarf.

5.4.
5.4.1.
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Gerüststapel, -teile und -barellen an- und aufeinandergereiht auf dem Platz gelagert werden. Sie sind dabei nicht fest mit dem Boden verbunden, sondern werden mittels Barellen und/oder durch Festzurren mit Spannseilen gesichert. Die Anzahl und damit auch die Höhe der gelagerten Teile variiert zudem – je nach Auftragslage der Beschwerdegegnerin – stark, was sich auch den Ausführungen der Beschwerdeführerinnen im Einspracheverfahren entnehmen lässt. Die Barellen selber sind dabei, soweit ersichtlich, ebenfalls nicht fest mit dem Boden verbunden.

Doch letzterer Umstand, dass die streitbetroffenen Stapel nicht fest mit dem Boden verbunden sind, ist in Bezug auf die Qualifikation als Baute oder Anlage für sich allein nicht entscheidend. So hat das damalige Verwaltungsgericht in seinem Entscheid V 07 314 vom 16. April 2008 bezüglich der Lagerung von Mulden auf einem Lagerplatz, die zum Teil auch übereinandergestapelt und aneinandergereiht abgestellt wurden, entschieden, dass die praktisch geschlossene Reihe von Mulden "wie eine Mauer oder eine Einfriedung" wirke (E. 5d). Dass diese Mulden ebenfalls nicht fest mit dem Boden verbunden waren und auch das Ausmass und die Ausgestaltung der Muldenstapel variierte, änderte nichts an ihrer Qualifikation als Anlage, die einer Einfriedung gleichkam und die Grenzvorschriften von § 126 Abs. 1 und 2 PBG (heute Anhang PBG) einzuhalten hatte.

5.4.2.
Aus den Unterlagen des Baubewilligungsverfahrens ergibt sich weiter, dass die Lage und Höhe der einzelnen Barellenstapel im mit der Baubewilligung genehmigten Plan vom 12. Oktober 2018 verzeichnet und damit auch deren Anordnung und Vermassung verbindlich festgelegt wurde. Aufgrund der entsprechenden Bewilligung ist auch anzunehmen, dass die Beschwerdegegnerin von den Lagerplätzen wie bewilligt Gebrauch machen würde, auch wenn es aufgrund der Nutzung zu einem regelmässigen Umschlag kommen dürfte. Dem Plan ist sodann zu entnehmen, dass die Barellen- bzw. Gerüststapel im Norden der Parzelle unmittelbar an der östlichen und westlichen Grundstücksgrenze zu stehen kommen und damit im Westen auch direkt an das Grundstück der Beschwerdeführerinnen grenzen.

5.4.3.
Ferner trifft es zu, dass permanente Lager- und Abstellplätze in der Regel als künstliche Veränderungen des natürlich gewachsenen Terrains als Anlagen qualifiziert werden; so wie auch Parkplätze, Steinbrüche, Kiesgruben, Autofriedhöfe, Campingplätze, Vitaparcours, Tennisplätze, Aussichtstürme, Denkmäler, Rampen, freistehende Kamine, Werkplätze, offene Schwimmbäder oder Stützmauern etc. (vgl. vorne E. 5.3). Doch dies schliesst nicht aus, dass die Sachen, die auf einem Lagerpatz gelagert werden, aufgrund ihrer Ausgestaltung und Auswirkungen nicht mehr von der grundsätzlichen Qualifikation als Anlage erfasst werden, sondern in baurechtlicher Hinsicht ein gesondertes Schicksal erfahren und mithin separat zu qualifizieren sind. Insofern verhindert die Qualifikation eines Lagerplatzes als Anlage oder dessen langjährige Nutzung nicht, dass die darauf abgestellten Gerüststapel eine davon abweichende baurechtliche Qualifikation erfahren können.

5.4.4.
Fest steht zudem, dass die streitbetroffenen Gerüststapel weder ein Dach aufweisen noch dazu dienen, Menschen, Tiere oder Sachen gegen äussere Einflüsse zu schützen. Doch wie das Bundesgericht in seinem Urteil 1C_267/2011 vom 16. September 2011 festhielt, ist die Frage, ob und wie stark störend sich eine bauliche Vorrichtung auf die Nachbarschaft auswirkt, jedenfalls nicht in erster Linie davon abhängig, ob sie überdacht ist oder nicht (E. 2.3). Daher ist hier nicht entscheidend, dass die Gerüststapel nicht über ein Dach verfügen.

5.4.5.
Sodann ist daran zu erinnern, dass die Qualifikation einer baulichen Vorrichtung als Baute oder Anlage nach geltendem kantonalen Recht in Bezug auf die Frage der Grenzabstandsvorschriften von entscheidender Bedeutung ist. Da Grenz- wie Gebäudeabstände neben öffentlichen auch nachbarliche und damit private Interessen wahren, erscheint es sachgerecht, diesen Kontext auch bei der Frage der Qualifikation einer baulichen Vorrichtung zu beachten. Diesem Grundsatz folgend hat das damalige Verwaltungsgericht seine Praxis geändert und eine nicht überdachte Plakatwand (LGVE 2011 II Nr. 6 E. 5c/cc) als eine Baute qualifiziert. Diese Erweiterung des Bautenbegriffs bestätigte das Bundesgericht und führte insbesondere aus, es sei kaum einsichtig, dass nach der vorbestehenden Praxis des Verwaltungsgerichts etwa ein Aussichtsturm oder ein Baudenkmal wegen der fehlenden Überdachung unabhängig von ihrer Grösse als Anlage gelte, die auf die Grenze gestellt werden dürfe (§ 126 Anhang PBG e contrario), währenddem ein Materialschopf einen Grenzabstand von mindestens drei Metern einhalten müsse (BGer-Urteil 1C_267/2011 vom 16.9.2011 E. 2.3).

5.4.6.
Nach Lage der Akten weisen die Stapel regelmässig vier bis fünf Lagen auf, wobei eine Lage 1,03 m hoch ist. Mit einer Gesamthöhe von vier bis fünf Metern und ihrer Anordnung direkt entlang der Grundstücksgrenze erscheinen diese als eine Art Mauer bzw. eine Einfriedung. Aus den bei den Akten liegenden Fotografien ergibt sich zudem, dass die Barellen- bzw. Gerüststapel zwar nicht komplett blickdicht sind, aber immerhin nicht gesagt werden kann, dass eine freie Durchsicht gewährleistet bliebe. Hierzu sind die Gerüstteile in den Barellen zu eng gestapelt. Dass die Höhe der Stapel regelmässig Veränderungen erfährt, indem die Gerüstteile auf Baustellen verwendet werden, ändert nichts an der abgrenzenden Wirkung, die diesen Stapeln zukommt. Ebenso wenig führt der entlang der Grundstücksgrenze installierte Maschendrahtzaun dazu, dass diese dicht beieinanderstehenden Stapel nicht wie eine Einfriedung oder eine Mauer erscheinen. Auch wenn diesen Stapeln nicht die Funktion einer Einfriedung bzw. Mauer zukommen mag, so lassen deren Erscheinungsbild und Wirkung auf diese baurechtliche Qualifikation schliessen. Eine solche Wirkung kann den eingereichten fotografischen Aufnahmen entnommen werden. Dass diese sich von der aktuellen Situation unterscheiden würden, macht keine der Verfahrensbeteiligten geltend. In Nachachtung der bereits dargestellten kantonalen Rechtsprechung betreffend gestapelte Mulden auf einem Lagerplatz gemäss Entscheid V 07 314 vom 16. April 2008 haben die streitbetroffenen Gerüststapel daher als Anlage sui generis zu gelten, die wie eine Einfriedung bzw. Mauer wirken und die analog der Bestimmung von § 126 Abs. 1 und 2 Anhang PBG die entsprechenden Grenzvorschriften einzuhalten haben. Dies führt dazu, dass Stapel, die nicht mehr als 1,5 m über das gewachsene Terrain hinausragen, an die Grenze gestellt werden dürfen. Stapel zwischen 1,5 m und 2 m Höhe sind danach um das Doppelte ihrer Mehrhöhe von der Grenze zurückzusetzen (§ 126 Abs. 1 Anhang PBG). Für Stapel, die mehr als 2 m über das gewachsene Terrain hinausragen, sind die Grenzvorschriften für Bauten massgebend, da mit den Barellenstapeln jedenfalls kein freier Durchblick gewahrt ist (vgl. § 126 Abs. 2 Satz 2 Anhang PBG). Damit bleibt noch zu klären, ob die über 2 m hohen Gerüststapel wie Massiv- oder wie Weichbauten zu behandeln sind (§ 121 Anhang PBG). Da es sich überwiegend um Metallgerüste handelt und auch die Barellen selber aus Metall und damit nicht brennbar sind, erscheint es angezeigt, für die Bestimmung des einzuhaltenden Grenzabstands auf die Regeln für Massivbauten abzustellen.

5.4.7.
Umgekehrt sind diese Gerüststapel entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen nicht als Bauten zu qualifizieren, und zwar aus folgenden Gründen:

Solche Stapel direkt im Anschluss an den Grenzzaun bringen zwar erhebliche Auswirkungen mit sich. Doch aufgrund der konkreten topografischen Verhältnisse werden diese Auswirkungen auf das Grundstück der Beschwerdeführerinnen verringert. So liegt ihr Stammgrundstück topografisch höher als der Lagerplatz, weshalb die privaten Interessen an der nachbarschützenden Funktion der Grenzabstandsvorschriften hier zu relativieren sind. Ferner ist zu beachten, dass diese Gerüststapel immer wieder Veränderungen erfahren. Auch wenn damit ihre Mauerwirkung nicht verhindert wird (vgl. vorne E. 5.4.5), mindert diese Veränderbarkeit die störenden Auswirkungen auf die angrenzende Wohnzone, weshalb es hier insgesamt nicht als sachgerecht erscheint, den gemäss LGVE 2011 II Nr. 6 erweiterten Bautenbegriff auch auf diese Gerüststapel anzuwenden. Dies umso weniger, als das Stammgrundstück der Beschwerdeführerinnen an die Arbeitszone grenzt und sie damit mit zonenkonformen Nutzungen innerhalb dieser Zone rechnen mussten. Im Übrigen sind hier auch keine Umstände ersichtlich, welche erhöhte Anforderungen an die Eingliederung der baulichen Vorrichtungen stellen würden.

Diese Unterschiede im Vergleich zur Sachlage, die es gemäss LGVE 2011 II Nr. 6 zu beurteilen galt, untermauern die Schlussfolgerung, dass die Barellen und Gerüststapel aufgrund der konkreten Situation wie eine Einfriedung bzw. Mauer wirken, damit gleichsam als Anlagen sui generis erscheinen und mithin integral als Anlagen zu behandeln sind, sodass die Grenzabstandsvorschriften analog § 126 Anhang PBG zu beachten sind. Darin ist insbesondere auch keine Abkehr von der damaligen Praxisänderung (LGVE 2011 II Nr. 6) zu erkennen.

5.5.
Vor diesem Hintergrund erweist sich die Qualifikation der Vorinstanz, wonach diese Gerüststapel keinen Grenzabstand einhalten müssten bzw. an die Grundstückgrenze gestellt werden dürften, als nicht stichhaltig. Es sind zwar – entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen – nicht die Grenzabstände für Bauten im Sinn von § 122 Abs. 2 Anhang PBG zu beachten, doch es kommen hier die entsprechenden Grenzabstandsvorschriften von § 126 Abs. 1 und 2 Anhang PBG analog zur Anwendung. Dies bedeutet, dass Barellen- bzw. Gerüststapel grundsätzlich nur bis zu einer Höhe von 1,5 m direkt an die Grenze zum beschwerdeführerischen Grundstück gestellt werden dürfen. Stapel zwischen 1,5 m und 2 m Höhe sind danach um das Doppelte ihrer Mehrhöhe, höchstens aber 4 m von der Grenze zurückzusetzen (§ 126 Abs. 1 Anhang PBG). Für solche Stapel, die die Höhe von 2 m übersteigen, ist sodann der Grenzabstand für Massivbauten massgebend, der grundsätzlich die Hälfte der Fassadenhöhe, mindestens aber 4 m einzuhalten hat (§ 126 Abs. 2 in Verbindung mit § 122 Abs. 1 Anhang PBG). Der maximal einzuhaltende Grenzabstand richtet sich nach Art. 34 des Bau- und Zonenreglements der Gemeinde X vom 26. September 2013 (Inkraftsetzung 19.8.2014) und beträgt demnach 8 m. Bereits aus diesem Grund ist der angefochtene Entscheid aufzuheben.

5.6.
Gemäss § 133 Abs. 1 PBG können Ausnahmen von den Grenz- und Gebäudeabstandsvorschriften unter anderem in ausserordentlichen Fällen gestattet werden (lit. l). Voraussetzung einer Ausnahmebewilligung ist nach § 133 Abs. 2 PBG, dass die öffentlichen Interessen und schutzwürdigen privaten Interessen nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Gemäss Rechtsprechung wird für das Vorliegen eines ausserordentlichen Falls nicht ein eigentlicher Härtefall verlangt. Vielmehr können ausserordentliche Verhältnisse durch alle wesentlichen Interessen der Bauherrschaft begründet werden, die sich auf Zweck, Umfang und Gestaltung des Bauvorhabens beziehen und in den geltenden Vorschriften nicht hinreichend Berücksichtigung finden. Sie müssen jedoch mit den Besonderheiten des Baugrundstücks oder des Bauvorhabens zusammenhängen (vgl. LGVE 2006 II Nr. 6 E. 2f; Urteil des Verwaltungsgerichts Luzern V 05 126 vom 16.2.2006 E. 4). Erforderlich ist mithin eine umfassende planerische Abwägung der tangierten privaten und öffentlichen Interessen im Sinn von § 133 Abs. 2 PBG (Urteil des Kantonsgerichts 7H 16 266 vom 28.7.2017 E. 5.2.1). Immerhin bleibt zu erwähnen, dass mit Blick auf die besondere Situation und Lage des Grundstücks (unterliegend zum Stammgrundstück der Beschwerdeführerinnen, Lage an der Zonengrenze und spitzwinklige Form; vgl. auch vorne E. 5.4.7) nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint, den Grenzabstand zumindest für zweilagige Barellen- bzw. Gerüststapel, die knapp über zwei Meter Höhe aufweisen würden, ausnahmsweise bis an die Grenze zu verkürzen. Wie es sich im Einzelnen damit verhält, ist aber vorliegend nicht weiter zu behandeln. Zum einen hatte die Beschwerdegegnerin noch keine Veranlassung, ein solches Gesuch zu stellen, zum anderen war die Vorinstanz aufgrund ihrer bisherigen Beurteilung auch nicht gehalten, die Voraussetzungen für eine allfällige Ausnahmebewilligung zu prüfen. Mit Blick auf den gesetzlich vorgesehenen funktionalen Instanzenzug geht es nicht an, dass das Gericht solche Abklärungen gleichsam erstinstanzlich vornimmt, weshalb sich eine Rückweisung der Sache an die Vorinstanz aufdrängt.

6.
Nach dem Gesagten erweist sich der angefochtene Entscheid als nicht rechtens und ist daher aufzuheben. Die dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist insofern teilweise gutzuheissen, als die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, damit diese im Sinn der vorstehenden Erwägungen darüber neu befindet. Insofern die Beschwerdeführerinnen die Gerüststapel als Bauten qualifizieren und mithin die Anwendung der Grenzabstandsvorschriften von § 122 Anhang PBG zur Anwendung bringen wollten, ist ihre Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen.