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Rechtsprechung Luzern


Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:4. Abteilung
Rechtsgebiet:Bürgerrecht
Entscheiddatum:24.08.2020
Fallnummer:7H 20 47
LGVE:
Gesetzesartikel:Art. 38 Abs. 2 BV; Art. 9 BüG, Art. 13 BüG, Art. 15 Abs. 1 BüG, Art. 31 Abs. 1 BüG, Art. 50 Abs. 2 BüG; Art. 12 aBüG, Art. 15 Abs. 1 und 2 aBüG, Art. 15a Abs. 1 aBüG, Art. 33 aBüG, Art. 34 Abs. 1 aBüG, Art. 34 Abs. 2 aBüG; § 10 KBüG, § 12 Abs. 1 KBüG, § 12 Abs. 4 KBüG, § 38 Abs. 1 KBüG; § 10 aKBüG, § 13 aKBüG, § 14 Abs. 1 aKBüG, § 14 Abs. 4 aKBüG.
Leitsatz:Prüfung der Wohnsitzfrist als formelle Voraussetzung der Einbürgerung bei Einreichung eines eigenständigen Einbürgerungsantrags durch ein minderjähriges Kind im Zusammenhang mit dem Rückzug des väterlichen Gesuchs. Der Zeitpunkt der Gesuchseinreichung bestimmt das anwendbare Recht.
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Entscheid:Sachverhalt

A.
Am 22. August 2014 reichte A (geb. 17.3.1977), Staatsangehöriger von Z, für sich und seine vier Kinder B (geb. 25.9.2002), C (geb. 3.1.2005), D (geb. 2.7.2008) und E (geb. 27.7.2015) bei der Einbürgerungskommission Y ein Gesuch um Erteilung des Schweizer Bürgerrechts ein. Anlässlich ihrer Sitzung vom 26. August 2016 beschloss diese, das Einbürgerungsgesuch bis am 26. August 2018 zu sistieren. Als Gründe für die Sistierung wurden mangelnde Deutschkenntnisse, mangelnde staatspolitische Kenntnisse und mangelnde Integration angegeben. Weiter wurde angeführt, dass medizinische Abklärungen laufen würden, die Arbeitsfähigkeit und die berufliche Eingliederung sowie die wirtschaftliche Erhaltungsfähigkeit unklar seien. Zudem wollte die Einbürgerungskommission wissen, wie sich die Kinder von A in zwei Jahren entwickeln würden. A stimmte der Sistierung am 23. Dezember 2016 zu.

B.
Mit Schreiben vom 29. August 2018 informierte die zuständige Verwaltungsstelle Y A darüber, dass das Dossier erneut der Einbürgerungskommission Y zum Entscheid vorgelegt werde.

C.
Unter Bezugnahme auf ein Telefongespräch mit der zuständigen Mitarbeiterin bestätigte A mit Schreiben vom 5. Dezember 2018, dass er das Einbürgerungsgesuch für sich persönlich zurückziehe, das Einbürgerungsgesuch für seine Kinder bestehe jedoch weiterhin.

D.
Anlässlich der Sitzung vom 25. Januar 2019 beschloss die Einbürgerungskommission Y, D das Bürgerrecht zuzusichern, vorbehältlich der Erfüllung der gesetzlich geforderten Wohnsitzdauer.

Mit Schreiben vom 8. Februar 2019 teilte die zuständige Verwaltungsstelle Y den Eltern von D den Beschluss der Einbürgerungskommission mit. Gleichzeitig wurden die Eltern darüber informiert, dass das Einbürgerungsgesuch von D im Juli 2019 weiterverarbeitet werde. Die Eltern erklärten sich am 12. Februar 2019 damit einverstanden.

E.
Ende August 2019 stellte die Einbürgerungskommission Y dem Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern (JSD) ihren Entscheid vom 25. Januar 2019 zu, mit welchem D das Bürgerrecht zugesichert wurde. Im Entscheid wurde insbesondere festgehalten, dass D seit dem 2. Juli 2008 in der Schweiz und seit dem 1. Juni 2010 in Y wohne. Somit sei das Wohnsitzerfordernis erfüllt. Das JSD wurde ersucht, die eidgenössische Einbürgerungsbewilligung zu beantragen und nach deren Vorliegen das Luzerner Kantonsbürgerrecht zu erteilen.

In der Folge wies die Abteilung Gemeinden des JSD die Familie am 25. September 2019 darauf hin, dass seit dem 1. Januar 2018 ein neues Bürgerrechtsgesetz gelte. Damit D nach altem Recht selbständig ein Einbürgerungsgesuch hätte einreichen können, hätte er am 31. Dezember 2017 die Wohnsitzerfordernisse alleine erfüllen müssen. Dies sei, weil er damals noch nicht zwölf Jahre in der Schweiz gelebt habe, nicht der Fall. Auch nach dem neuen Recht erfülle er die Einbürgerungsvoraussetzungen nicht, da er keine C-Bewilligung habe. Wenn er die Einbürgerungsvoraussetzungen sowohl nach altem als auch nach neuem Recht nicht erfülle, könne sein Einbürgerungsgesuch nicht gutgeheissen und an den Bund weitergeleitet werden. Im Weiteren wurde den Eltern Gelegenheit gegeben, das Gesuch ihres Sohnes ohne Kostenfolge zurückzuziehen.

Mit Stellungnahme vom 12. November 2019 liess D der Abteilung Gemeinden des JSD mitteilen, dass er sämtliche Voraussetzungen für die Einbürgerung erfülle, weshalb die Zustimmung des Kantons gerechtfertigt sei. Mit Schreiben vom 21. November 2019 hielt die Abteilung Gemeinden des JSD an ihrer Absicht fest, dem JSD die Abweisung des Einbürgerungsgesuchs von D zu beantragen. Mit Stellungnahme vom 4. Dezember 2019 hielt D am Einbürgerungsgesuch fest und erneuerte sein Gesuch um Gewährung vollumfänglicher unentgeltlicher Rechtspflege.

F.
Mit Entscheid vom 13. Februar 2020 wies das JSD das Gesuch um Erteilung des Kantonsbürgerrechts von D mangels Erfüllung der Wohnsitzdauer nach altem Recht bzw. mangels Niederlassungsbewilligung nach neuem Recht ab. (…)

G.
Gegen den Entscheid des JSD liess D am 16. März 2020 Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben mit den folgenden Anträgen:

"1. Der Entscheid der Vorinstanz vom 13.02.2020 sei aufzuheben.

2. Dem Beschwerdeführer sei vom Gericht, eventualiter von der Vorinstanz, das Kantonsbürgerrecht des Kantons Luzern zu erteilen und anschliessend mit einem Antrag auf Erteilung des Bürgerrechts an das SEM weiterzuleiten.

3. (...)

4. (…)

5. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Vorinstanz bzw. des Kantons Luzern."

Mit Vernehmlassung vom 29. April 2020 beantragte das JSD die Abweisung der Beschwerde.

Mit Replik vom 2. Juni 2020 hielt D vollumfänglich an seinen Anträgen fest.



Aus den Erwägungen:

1.
(…)

2.
(…)

3.
Am 1. Januar 2018 trat das totalrevidierte kantonale Bürgerrechtsgesetz (KBüG; SRL Nr. 2) in Kraft. Dieses sieht in § 38 Abs. 1 vor, dass vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eingereichte Gesuche bis zum Entscheid über das Gesuch nach den Bestimmungen des bisherigen Rechts behandelt werden. Dasselbe gilt in Bezug auf die Bestimmungen des Bundesrechts. Nach Art. 50 Abs. 2 des Bundesgesetzes über das Schweizer Bürgerrecht vom 20. Juni 2014 (Bürgerrechtsgesetz, BüG; SR 141.0) werden vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. Januar 2018 eingereichte Gesuche bis zum Entscheid über das Gesuch nach den Bestimmungen des bisherigen Rechts, somit nach dem Bundesgesetz über den Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts vom 29. September 1952 (Bürgerrechtsgesetz, zit. aBüG; SR 141.0) beurteilt.

Vorliegend reichte der Vater des Beschwerdeführers das Einbürgerungsgesuch am 22. August 2014, also noch unter den bis am 31. Dezember 2017 geltenden Bestimmungen des kantonalen Bürgerrechtsgesetzes (zit. aKBüG; SRL Nr. 2) ein. Bleibt der Zeitpunkt der Einreichung des väterlichen Gesuchs auch für das selbständige Gesuch des Beschwerdeführers massgebend, ist auf die vorliegende Streitsache das aBüG, andernfalls das BüG anwendbar (vgl. dazu E. 5.3 und E. 5.5).

4.
4.1.
Bezüglich Einbürgerungen von Ausländerinnen und Ausländern sind die Kompetenzen zur Rechtsetzung und Rechtsanwendung zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden aufgeteilt. (Art. 38 Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft [BV; SR 101]). Der Bund hat sich darauf beschränkt, im Bürgerrechtsgesetz Mindestvorschriften für das Einbürgerungsverfahren und die Voraussetzungen an die Eignung einer Person zur Einbürgerung sowie die Erteilung der eidgenössischen Einbürgerungsbewilligung zu regeln (BGE 139 I 169 E. 6.3 und 138 I 305 E. 1.4.3). Für die hier interessierende ordentliche Einbürgerung sind in erster Linie die Kantone zuständig. Sie erfolgt sowohl nach altem wie neuem BüG unter Vorbehalt der Einbürgerungsbewilligung des Bundes durch einen kantonalen und einen kommunalen Einbürgerungsbeschluss (Art. 12 aBüG, Art. 13 BüG) in einem kantonalrechtlich geregelten Verfahren (Art. 15a Abs. 1 aBüG, Art. 15 Abs. 1 BüG).

4.2.
Im Verfahren der ordentlichen Einbürgerung im Kanton Luzern ist zuerst die Zusicherung eines Gemeindebürgerrechts einzuholen. Aufgrund des von einer Gemeinde zugesicherten Gemeindebürgerrechts erteilt das JSD sodann das Kantonsbürgerrecht, wenn die materiell-gesetzlichen Voraussetzungen gemäss § 13 aKBüG bzw. den §§ 18-25 KBüG erfüllt sind und die eidgenössische Einbürgerungsbewilligung vorliegt (§ 10 KBüG).



4.3.
Der schweizerischen Bürgerrechtsgesetzgebung liegt zwar das Prinzip der Einheit des Bürgerrechts zugrunde; gleichzeitig wohnt ihr aber eine auf das Individuum bezogene Betrachtungsweise inne. Nach dem Prinzip der Einheit des Bürgerrechts werden minderjährige Kinder auf Gesuch hin in die Einbürgerung der Eltern einbezogen, wenn sie unter deren elterlicher Sorge stehen (Art. 33 aBüG; § 14 Abs. 1 aKBüG bzw. vgl. § 12 Abs. 1 KBüG). Der Grundsatz, dass Minderjährige in das Gesuch der Eltern einzubeziehen und Familien als Ganzes einzubürgern sind, kennt aber verschiedene Ausnahmen und Durchbrechungen: Jugendliche über 16 Jahren haben ihren eigenen Willen auf Erwerb des Bürgerrechts schriftlich zu erklären (Art. 34 Abs. 2 aBüG; § 14 Abs. 4 aKBüG bzw. § 12 Abs. 4 KBüG). Zudem können Minderjährige in begründeten Fällen vom Gesuch der Eltern ausgenommen werden, und sie können, wenn sie die Wohnsitzvoraussetzungen erfüllen, selbständig für sich, vertreten durch die Eltern, um Einbürgerung nachsuchen (Art. 34 Abs. 1 aBüG). Eltern und Kinder können somit in bestimmten Fällen unabhängig voneinander eingebürgert werden und müssen nicht zwingend das gleiche Bürgerrecht tragen. Dies liegt auch im individualrechtlichen Charakter des Schweizer Bürgerrechts begründet, wonach die Eignungsvoraussetzungen grundsätzlich individuell zu beurteilen sind. Die individuelle Eignung ist für jedes Familienmitglied, auch für unmündige Kinder, separat zu prüfen (vgl. BVR 2017 S. 23 E. 8 sowie 2012 S. 538 ff. E. 5.2). Diese Rechtslage hat sich mit dem Inkrafttreten des BüG nicht geändert.

5.
5.1.
Strittig ist vorliegend das Erfüllen der Wohnsitzerfordernisse nach Bundesrecht. Diese stellen eine formelle Voraussetzung im Rahmen des Verfahrens auf Erteilung der Einbürgerungsbewilligung dar. Nach altem BüG kann nur der Ausländer das Gesuch um Erteilung der Einbürgerungsbewilligung stellen, der insgesamt zwölf Jahre in der Schweiz gewohnt hat, wovon drei in den letzten fünf Jahren vor Einreichung des Gesuchs. Für die Frist von zwölf Jahren wird die Zeit, während welcher der Bewerber zwischen seinem vollendeten 10. und 20. Lebensjahr in der Schweiz gelebt hat, doppelt gerechnet (Art. 15 Abs. 1 und 2 aBüG). Nach neuem Recht, wird die Einbürgerungsbewilligung erteilt, wenn die Bewerberin oder der Bewerber bei der Gesuchstellung eine Niederlassungsbewilligung besitzt und bei der Gesuchstellung einen Aufenthalt von insgesamt zehn Jahren in der Schweiz nachweist, wovon drei in den letzten fünf Jahren vor Einreichung des Gesuchs. Für die Berechnung der Aufenthaltsdauer wird die Zeit, während welcher die Bewerberin oder der Bewerber zwischen dem vollendeten 8. und 18. Lebensjahr in der Schweiz gelebt hat, doppelt gerechnet. Der tatsächliche Aufenthalt hat jedoch mindestens sechs Jahre zu betragen (Art. 9 BüG). Da die Gültigkeit der Einbürgerung in einem Kanton und einer Gemeinde von der Erteilung der Einbürgerungsbewilligung des Bundes abhängt bzw. das kantonale Bürgerrecht erst bei deren Vorliegen erteilt werden kann (Art. 12 Abs. 2 aBüG und Art. 13 BüG), sind die bundesrechtlichen Wohnsitzerfordernisse auch für das kantonale Verfahren massgebend.

5.2.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Wohnsitzerfordernisse jederzeit erfüllt zu haben: im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung seines Vaters via die Kollektivwirkung von Art. 33 aBüG und im Zeitpunkt der Einbürgerung durch die Gemeinde auch selbständig. Er vertritt die Ansicht, dass die Wohnsitzerfordernisse im Moment der Einbürgerung und nicht bereits bei der Gesuchseinreichung erfüllt sein müssen. Letzteres ist nachfolgend vorab zu klären.

5.3.
Die vor dem 31. Dezember 2017 eingereichten Gesuche werden – wie bereits ausgeführt – nach dem aBüG beurteilt; in diesen Fällen ist entscheidend, ob die Einbürgerungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung nach aBüG erfüllt waren (Caroni/Scheiber/Preisig/Zoeteweij, Migrationsrecht, 4. Aufl. 2018, S. 534). Auch das Bundesverwaltungsgericht hielt mit Urteil vom 28. April 2008 in einem Fall eines volljährigen Gesuchstellers fest, dass ein Einbürgerungsgesuch erst eingereicht werden kann, wenn die Wohnsitzvoraussetzungen gemäss Art. 15 aBüG erfüllt sind (BVGer-Urteil C-8583/2007 vom 28.4.2008 E. 5). Das aBüG macht in Bezug auf die Wohnsitzerfordernisse keinen Unterschied zwischen volljährigen und minderjährigen Gesuchstellern. Ebenso geht aus den Beratungen im Parlament über die Totalrevision des Bürgerrechtsgesetzes in Bezug auf die Änderung der formellen Voraussetzungen hervor, dass es sich bei diesen um jene Voraussetzungen handelt, ab wann man überhaupt ein Gesuch einreichen kann (Amtliches Bulletin Geschäftsnummer 11.022 Bürgerrechtsgesetz Totalrevision, Nationalrat, Wintersession 2013, Sitzung vom 26.11.2013, Votum Bundesrätin Sommaruga, AB 2013 N 234).

Diese Ausführungen erhellen, dass es sich bei den Wohnsitzfristen um eine formelle Voraussetzung handelt, die im Moment der Gesuchseinreichung vorliegen muss. An diesem Ergebnis ändert der vom Beschwerdeführer zitierte Auszug der Botschaft des Bundesrates zum Entwurf zu einem Bundesgesetz über Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts vom 9. August 1951 nichts, der in Bezug auf die Wohnsitzerfordernisse wie folgt lautet: "Der Gesetzgeber bringt durch sie zum Ausdruck, dass ein Ausländer vor Ablauf dieser Mindestfrist nicht in die Rechte und Pflichten eines Schweizerbürgers soll eintreten können, eine Einbürgerung also von vornherein nicht in Betracht kommen dürfe. Im übrigen sind die bundesrechtlichen Wohnsitzerfordernisse Mindestbedingungen für die Erteilung der eidgenössischen Bewilligung (…)" (BBl 1951 II 669 S. 694 f.). Inwiefern diese Ausführungen belegen sollen, dass es dem Gesetzgeber einzig darum gegangen sei, gewisse absolute Mindestbedingungen festzuschreiben, welche im Moment der Einbürgerung und nicht bereits bei der Gesuchseinreichung gegeben sein müssen, ist nicht ersichtlich. Auch erschliesst sich dem Gericht nicht, weshalb es möglich und zulässig sein müsse, dass die Wohnsitzerfordernisse ausnahmsweise auch erst im Moment der Einbürgerung erfüllt würden. Die in diesem Zusammenhang erhobene Willkürrüge des Beschwerdeführers erweist sich damit als unbegründet.

5.4.
5.4.1.
Auf das ursprüngliche Gesuch des Vaters des Beschwerdeführers vom 22. August 2014 findet unbestrittenermassen das aBüG Anwendung. Damals erfüllte der Beschwerdeführer als 6-Jähriger die Wohnsitzvoraussetzungen von Art. 15 Abs. 1 und 2 aBüG für eine selbständige Einbürgerung nicht, wurde aber in das Gesuch seines Vaters miteinbezogen. Aus den Akten ist zu schliessen, dass der Vater die formellen Voraussetzungen erfüllte, was sich aufgrund des Miteinbezugs insofern auf den Beschwerdeführer auswirkte, als er hätte eingebürgert werden können, falls sein Vater − und er selber − die materiellen Einbürgerungsvoraussetzungen nach Art. 14 aBüG erfüllt hätten.

Aus den Akten ergibt sich jedoch insofern eine veränderte Ausgangslage, als der Vater des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 5. Dezember 2018 unter Bezug auf ein Telefongespräch mit F bestätigte, dass er das Einbürgerungsgesuch für sich persönlich zurückziehe. Das Einbürgerungsgesuch bestehe jedoch weiterhin für seine Kinder. Der Beschwerdeführer gibt an, seinem Vater sei anlässlich des Telefongesprächs mitgeteilt worden, dass seine Bemühungen immer noch nicht ganz ausreichen würden. Aus dem Schreiben vom 5. Dezember 2018 ist zu schliessen, dass er akzeptierte, zum damaligen Zeitpunkt die materiellen Einbürgerungsvoraussetzungen nicht zu erfüllen.

5.4.2.
Zunächst ist zu prüfen, ob mit dem Schreiben vom 5. Dezember 2018 ein Gesuchrückzug vorliegt, macht der Beschwerdeführer doch geltend, sein Vater habe diesen unter (aufschiebender) Bedingung, in der Annahme des Fortbestands seines eigenen Gesuchs erklärt. Wäre der Fortbestand bzw. die Gutheissung seines Gesuchs vom weiteren Bestand des Gesuchs des Vaters abhängig gewesen, hätte der Rückzug nicht oder noch nicht erfolgen sollen. Die Annahme der Vorinstanz, der Rückzug sei uneingeschränkt bereits im Dezember 2018 erfolgt und damit das Gesuch des Beschwerdeführers formell unzulässig, sei willkürlich. In diesem Zusammenhang wirft der Beschwerdeführer der Vorins-tanz eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, da diese verpflichtet gewesen wäre, bei Zweifeln an der vorliegend geltend gemachten Absicht weitergehende Abklärungen bei seinem Vater, allenfalls bei der Stadt vorzunehmen.

Beim Rückzug des Gesuchs handelt es sich um eine Prozesshandlung, welche nach allgemeinem Grundsatz bedingungsfeindlich ist (Griffel, in: Komm. zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [Hrsg. Griffel], 3. Aufl. 2014, § 23 VRG N 10). Wäre tatsächlich ein bedingter Rückzug erklärt worden, wäre dieser nicht wirksam und es hätte über das väterliche Gesuch entschieden werden müssen. Ob der Rückzug an Bedingungen geknüpft war, ist aufgrund des Wortlauts des Schreibens vom 5. Dezember 2018 zu beurteilen. Dabei ist der Ablauf der Geschehnisse miteinzubeziehen.

Zunächst ist aufgrund des Wortlauts anzunehmen, dass das Schreiben in dieser Form und zu diesem Zeitpunkt nach Rücksprache mit der zuständigen Fachbearbeiterin der Gemeindebehörde erfolgte. Auch mag es sein, dass sowohl der Vater als auch die Einbürgerungskommission davon ausgingen, das Gesuch des Beschwerdeführers könne mit Erreichen der Zwölfjahresfrist von Art. 15 aBüG gutgeheissen werden. Der Bezug zum Telefonat mit der zuständigen Fachbearbeiterin deutet darauf hin, dass der Vater deren Einschätzung akzeptierte, zum damaligen Zeitpunkt die materiellen Einbürgerungsvoraussetzungen nicht zu erfüllen. Entsprechend klar ist die Aussage zum Rückzug seines (eigenen) Gesuchs. Aus der Erklärung ergibt sich jedoch ebenso eindeutig, dass der Vater von der Weiterführung der Einbürgerungsverfahren für seine Kinder ausging. Bis dato bestand nur das väterliche Gesuch. Nur dieses konnte demnach zurückgezogen werden. Die ergänzende Erklärung bewirkte jedoch, dass der Rückzug seines Gesuchs nicht gleichzeitig zur Beendigung der Verfahren für die Kinder führte. Eine weitere Bearbeitung der Gesuche war möglich, wenn die Erklärung des Vaters in Bezug auf seine Kinder als Einreichung (neuer) eigenständiger Gesuche für die Kinder interpretiert wird. Tatsächlich wurde gestützt auf das Schreiben vom 5. Dezember 2018 denn auch für den Beschwerdeführer ein Einbürgerungsverfahren durch- bzw. weitergeführt. Ob das eigenständige Gesuch schliesslich gutzuheissen war oder nicht, ist eine Rechtsfrage und entzieht sich damit der Erklärungsmacht seines Vaters. Mit der Bitte auf wohlwollende Prüfung der Gesuche (seiner Kinder) und dem Hinweis auf den künftigen Entscheid der Einbürgerungskommission bringt er zum Ausdruck, dass er sich dieser Tatsache bewusst war.

Ist von einem (bedingungslosen) Rückzug des Gesuchs vom 22. August 2014 und damit der Einreichung eines neuen selbständigen Gesuchs für den Beschwerdeführer am 5. Dezember 2018 auszugehen, stösst sowohl der gegenüber der Vorinstanz geäusserte Vorwurf der Willkür wie auch der Verletzung des rechtlichen Gehörs ins Leere. Weitergehende Abklärungen beim Vater oder der Y waren nicht nötig. Die Abteilung Gemeinden des JSD hat dem Beschwerdeführer sowohl mit Schreiben vom 25. September 2019 als auch mit Schreiben vom 21. November 2019 aufgezeigt, weshalb beabsichtigt werde, der Vorinstanz die Abweisung des Gesuchs des Beschwerdeführers zu beantragen. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, sein Gesuch kostenlos zurückzuziehen. Dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden.

5.4.3.
Mit dem Einwand, sein Vater habe auf eine weitere Sistierung verzichtet, um sich ausschliesslich auf die Gesuche seiner Kinder zu konzentrieren, macht der Beschwerdeführer sinngemäss geltend, bei korrekter Information wäre gar kein Rückzug erfolgt. Der Beschwerdeführer wendet ein, sein Vater habe sich diesfalls in einem Irrtum befunden und seine Erklärung in Unkenntnis der Folgen bzw. in Widerspruch zu den beabsichtigten Folgen abgegeben. Dem ist Folgendes zu entgegnen: Zum einen ist nicht belegt, dass überhaupt eine weitere Sistierung geplant war und ihm nochmals eine Frist eingeräumt worden wäre, um die Voraussetzungen für eine Einbürgerung vollständig erfüllen zu können. Vielmehr ist aufgrund der Formulierung des Schreibens vom 5. Dezember 2018 sowie den Ausführungen des Beschwerdeführers zum vorgängigen Telefongespräch davon auszugehen, dass die zuständige Mitarbeiterin dem Vater des Beschwerdeführers empfahl, sein Gesuch zurückzuziehen. Wieso sie dies hätte tun sollen, wenn er die Voraussetzungen in absehbarer Zeit hätte erfüllen können, ist nicht nachvollziehbar. Zum andern führen Sistierungen dazu, dass die mit der Gesuchseinreichung eingereichten Gesuchsbeilagen sowie allfällig später durch die zuständige Behörde eingeforderten Unterlagen veralten. Es geht deshalb nicht an, die Einbürgerungsverfahren immer wieder aufs Neue zu sistieren. Über die Zulässigkeit einer weiteren Sistierung ist mangels Anordnung vorliegend sodann nicht zu urteilen. Im Übrigen wäre aber bei einer Ablehnung des Einbürgerungsgesuchs des Vaters auch der Beschwerdeführer nicht eingebürgert worden (E. 5.4.1).

Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, wenn die Vorinstanz annehme, dass das Gesuch des Beschwerdeführers mit dem Rückzug des Gesuchs des Vaters ebenfalls dahinfalle, sei nach Treu und Glauben davon auszugehen, der Vater hätte mit einem solchen bis zum 2. Juli 2019, also dem Zeitpunkt der Erfüllung der Wohnsitzvoraussetzung durch den Beschwerdeführer nach aBüG zugewartet. Auch wenn mit dem Beschwerdeführer gestützt auf den Wortlaut des Schreibens vom 5. Dezember 2018 anzunehmen ist, dass die Rücktrittserklärung im Vertrauen auf die künftige Einbürgerung des Beschwerdeführers erfolgt ist, braucht auf die Rüge der Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben nicht weiter eingegangen zu werden, da ein Zuwarten – wie sich im Folgenden zeigen wird – an den Schlussfolgerungen der Vorinstanz nichts zu ändern vermöchte.

5.5.
5.5.1.
Wie in E. 5.3 dargelegt, müssen die Wohnsitzerfordernisse bei Einreichung des Gesuchs erfüllt sein. Wie es sich damit verhält, ist im Folgenden für den 5. Dezember 2018 (Einreichung eines eigenständigen Gesuchs im Zusammenhang mit dem Rückzug des väterlichen Gesuchs) und den 2. Juli 2019 (Erfüllung der Wohnsitzerfordernisse bei Aufschub des Rückzugs bis Sommer 2019) sowie der Vollständigkeit halber auch für den 22. August 2014 (Einreichung des väterlichen Gesuchs) zu prüfen. Dabei ist zu beachten, dass der Einreichungszeitpunkt das anwendbare Recht bestimmt (vgl. E. 3). Ab 1. Januar 2018 gilt das BüG.

5.5.2.
Nach dem bis Ende 2017 geltenden aBüG wird für die erforderliche Wohnsitzfrist von zwölf Jahren bei minderjährigen Kindern die Zeit, während welcher sie zwischen ihrem vollendeten 10. und 20. Lebensjahr in der Schweiz gelebt haben, doppelt gerechnet (Art. 15 Abs. 2 aBüG). Somit kann ein Minderjähriger, der in der Schweiz geboren ist, frühestens im Alter von elf Jahren selbständig ein Gesuch um Einbürgerung stellen bzw. durch seinen gesetzlichen Vertreter stellen lassen (Art. 34 aBüG). Am 31. Dezember 2017, d.h. am letzten Tag der möglichen Gesuchseinreichung nach dem altrechtlichen BüG war der Beschwerdeführer rund neun Jahre und sechs Monate alt. Somit war es ihm mangels Erfüllen der Wohnsitzerfordernisse nie möglich, selbständig ein Gesuch nach altem Recht einzureichen. Selbst wenn man – entgegen der obigen Ausführungen – also davon ausginge, der Rückzug habe nicht zu einem Wegfall des vom väterlichen Gesuch abhängigen Verfahrens des Beschwerdeführers, sondern zu dessen Weiterführung auf Basis des ursprünglichen Gesuchs geführt, wäre einem solchen Gesuch kein Erfolg beschieden, da diesfalls der 22. August 2014 als massgeblicher Zeitpunkt gelten würde.

Nach dem Gesagten ist der Beschwerdeführer durch den Einbezug in das Gesuch des Vaters unter den Anwendungsbereich der altrechtlichen Bestimmungen des BüG gefallen. Er hätte insofern von diesen Bestimmungen profitieren und eingebürgert werden können, falls sein Vater die Eignungsvoraussetzungen nach Art. 14 aBüG erfüllt hätte, was selbst der Beschwerdeführer nicht geltend macht.

5.6.
Für Gesuche ab dem 1. Januar 2018 finden die Bestimmungen des BüG Anwendung. Auch gemäss BüG kann der minderjährige Beschwerdeführer durch seinen gesetzlichen Vertreter ein selbständiges Gesuch einreichen (Art. 31 Abs. 1 BüG). Art. 9 Abs. 1 BüG regelt die formellen Voraussetzungen für eine ordentliche Einbürgerung. Die Erteilung der Einbürgerungsbewilligung durch den Bund setzt voraus, dass ein Bewerber bei der Gesuchstellung eine gültige Niederlassungsbewilligung (Ausweis C) hat (lit. a). Als Konsequenz können sich Personen mit anderen ausländerrechtlichen Bewilligungen als der Niederlassungsbewilligung nicht ordentlich einbürgern, auch wenn sie seit Jahren in der Schweiz wohnen (Spescha: in: Migrationsrecht [Hrsg. Spescha/Zünd/Bolzli/Hruschka/deWeck], 5. Aufl. 2019, Art. 9 BüG N 2). Weiter muss der Bewerber bei der Gesuchstellung einen Aufenthalt von insgesamt zehn Jahren in der Schweiz nachweisen, wovon drei in den letzten fünf Jahren vor Einreichung des Gesuches (lit. b). Der Beschwerdeführer ist im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung (Ausweis B) und erfüllt das Kriterium der erforderlichen Niederlassungsbewilligung nicht. Damit konnte der Beschwerdeführer unabhängig von der Aufenthaltsdauer in der Schweiz kein den Anforderungen des BüG entsprechendes Einbürgerungsgesuch einreichen, weder im Dezember 2018 noch, wie der Beschwerdeführer geltend macht, im Sommer 2019.

6.
Weiter stellt der Beschwerdeführer in Frage, ob die Vorinstanz die Umstände noch einmal prüfen darf, zumal die Vorinstanz erst nach dem 2. Juli 2019, also nach Erfüllung der Wohnsitzerfordernisse durch den Beschwerdeführer, zuständig geworden sei. Das Berufen auf die Nichterfüllung der Wohnsitzerfordernisse sei zu diesem Zeitpunkt nicht zulässig gewesen.

Es trifft zu, dass die zuständige Gemeinde bereits eine Prüfung vorgenommen und dem Beschwerdeführer das Bürgerrecht zugesichert hat. In der Folge wurde die Vorinstanz zuständig, über die Erteilung des Kantonsbürgerrechts zu entscheiden. Das Kantonsbürgerrecht wird gemäss § 10 aKBüG bzw. § 10 KBüG durch das JSD erteilt und ist vom Gemeindebürgerrecht zu unterscheiden. Die zuständige Gemeinde hat über die Zusicherung des Stadtbürgerrechts entschieden. Sie ist nicht befugt, über die Erteilung des Kantonsbürgerrechts zu entscheiden. Die Vorinstanz erteilt das Kantonsbürgerrecht aufgrund des von einer Gemeinde zugesicherten Gemeindebürgerrechts, wenn die Voraussetzungen gemäss § 13 aKBüG erfüllt sind und die eidgenössische Einbürgerungsbewilligung vorliegt (§ 10 aKBüG bzw. § 10 KBüG). Der Kanton ist legitimiert, sämtliche Voraussetzungen zu prüfen. Es ist somit nicht zu beanstanden, dass das JSD die nach der Rechtsweggarantie erforderliche Sachverhaltsprüfung in Bezug auf die Wohnsitzerfordernisse noch einmal vorgenommen hat. In diesem Zusammenhang erübrigen sich Weiterungen zum Einwand des Beschwerdeführers, wonach nachträglich nicht mehr auf die Eintretensvoraussetzungen zurückgekommen werden dürfe, wenn der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung mit dem Vater die Eintretensvoraussetzungen erfüllt habe. Insofern liegt kein Rückkommen auf die Eintretensfrage vor, sondern die Prüfung der Voraussetzungen für das Einreichen eines eigenständigen Gesuchs für den Beschwerdeführer.

7.
(…)

8.
Zusammenfassend ergibt sich, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung am 22. August 2014 die gesetzlichen Wohnsitzfristen für eine Einbürgerung nach Art. 15 aBüG allein noch nicht erfüllte. Wird davon ausgegangen, dass der Vater als gesetzlicher Vertreter ein eigenständiges Gesuch für den Beschwerdeführer per 5. Dezember 2018 eingereicht hat, erfüllt der Beschwerdeführer die Voraussetzungen gemäss dem revidierten BüG mangels Besitz einer Niederlassungsbewilligung nicht. Dasselbe träfe für ein später eingereichtes Gesuch zu. Die Vorinstanz kam daher zu Recht zum Schluss, dass dem Gesuch des Beschwerdeführers um Erteilung des Kantonsbürgerrechts nicht entsprochen werden kann. Inwiefern diese sich auf das Gesetz abgestützte Schlussfolgerung dem Verbot des überspitzten Formalismus widerspricht, ist nicht nachvollziehbar. (…)

9.
(Kosten- und Entschädigungsfolgen)